Was Reichtümer vermögen — Warum reiche Gesellschaften bei Pensionen, Gesundheit und Sozialem sparen.
BEIGEWUM, ATTAC, Armutskonferenz (Hg.)
Zweite, überarbeitete Auflage
340 Seiten, Wien 2004, Mandelbaumverlag
Preis: 14,- Euro.
Bestellungen: Mandelbaum Verlag
Warum Reichtum? Es lohnt sich, im Trommelfeuer der vorgetragenen Verknappung von Mitteln, der permanenten Sparlogik und Opferrhetorik die Fülle in den Blick zu bekommen. Es lohnt sich, die ökonomischen Sachverhalte zu überprüfen, die uns als unumstößliche Wahrheiten präsentiert werden. Es lohnt sich, die Produktionsstätten neualter Ideologien auszuheben, die Glück und Freiheit versprechen und soziale Polarisierung bringen.
Wieso haben BEIGEWUM, Armutskonferenz und ATTAC in Sparzeiten, in einer Zeit der Nulldefizitpolitik ein Buch zum Thema Reichtum herausgegeben? Wieso reden wir von Reichtümern wo viele anderen das Sparen zur Polit-Tugend gemacht haben? Die vielschichtigen Gründe dafür sind im Buch nachzulesen, einige wenige Aspekte sind hier thesenartig dargestellt.
These 1: Die europäische und österreichische Politik der Sparprogramme (Nulldefizit, Steuersenkungen, Kapitalmarktoffensiven etc.) ist eine „modernisierte“ Form des Verteilungskampfes.
Unsere hoch arbeitsteilige europäische Gesellschaft befindet sich tendenziell auf einem Wachstumspfad. Allein in den vergangenen 10 Jahren ist in der EU das reale BIP je EinwohnerIn um knapp 18% – in Österreich sogar etwas stärker – gewachsen. Daneben beträgt das Geldvermögen der privaten Haushalte in der Eurozone über 13.000 Mrd. Euro und ist damit doppelt so hoch als das BIP der Eurozone .
Auf der anderen Seite lag die Einkommensarmutsquote in der Europäischen Union bei 17%, wovon 42% der von Armut betroffenen in dauernder Armut leben. In den Ländern mit besonders hohen Geldvermögen wie beispielsweise Belgien (314% des BIP) sind die Armutsquoten nicht kleiner. Diese Kluft zeigt deutlich, dass wir in Europa enorme Verteilungsprobleme haben.
Die gegenwärtige Politik verschärft den Verteilungskonflikt noch weiter, wobei sie ihre Umverteilungspolitik nach oben mittels vermeintlicher „Sachzwänge“ zu verschleiern versucht. Durch „ökonomische Sachzwänge“ kann sich Politik nach außen als neutrales Regulierungsinstrument präsentieren , wobei Einsparungsmaßnahmen – wie uns die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben – vor allem im Sozialbereich keineswegs neutral sind.
These 2: Ein ausgebautes Sozialsystem ist kein Hemmnis, sondern vielmehr die Grundvoraussetzung schlechthin für eine „gesunde Wirtschaft“.
Der öffentliche Sektor hat in der Marktwirtschaft die zentrale Aufgabe, nicht ausgelastete Ressourcen einzubinden und unterschiedliche Marktversagen zu beheben. Es besteht eine positive Wechselbeziehung zwischen einem ausgebauten Sozialstaat und einer „gesunden Wirtschaft“ die nur über ein kapazitätssteigerndes Sozialleistungssystem erreichbar ist.
Ein Vergleich der europäischen Sozialausgaben pro Kopf zeigt, dass wirtschaftlich prosperierende Länder (hoher Beschäftigungsstand etc.) hohe pro Kopf-Sozialausgaben tätigen.
Wenn wir also vom Wohlstand einer Gesellschaft sprechen, dann ist eine möglichst breite Einbindung der vorhandenen Ressourcen das Fundament schlechthin, auf dem wirtschaftliche Prosperität gebaut ist. Und diese Einbindung wurde bislang durch den Sozialstaat ermöglicht. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist damit ursächlich mit dem Sozialstaat verbunden.
These 3: Das Ziel der 40%-igen Abgabenquote ist ein Programm, dass das Grundgefüge des österreichischen Sozialstaates untergraben wird.
Zur Aussagekraft der Abgabenquote: Die Abgabenquote wird gegenwärtig als Indikator für die „Belastung“ der StaatsbürgerInnen und Unternehmen durch den öffentlichen Sektor dargestellt. Diese Interpretation ist allerdings ökonomisch unzulänglich. Die Quote besagt nur, dass ein gewisser Anteil am Bruttoinlandsprodukt nicht unmittelbar und in direkter Form zur Verwendung zur Verfügung steht. Jener Teil des Einkommens/Vermögens der durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an den Staat geht, ist kein endgültiger Verzicht auf Ressourcen, da das Geld nicht im Hinterhof der Himmelpfortgasse (BMF) verbrannt wird. Vielmehr dienen Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen zur Finanzierung von öffentlichen Leistungen und Aufgaben und stehen damit in indirekter Form zur Verfügung.
Neuer Fetisch: Abgabenquote
In der gegenwärtigen Diskussion um die Senkung der Abgabenquote auf 40% bis 2010 muss zwischen Abgabenquote als Diagnose und Abgabenquotensenkung als strategisches Konzept unterschieden werden. Die Senkung der Abgabenquote als strategisches Konzept – und darum handelt es sich lt. Einschätzung des BEIGEWUM – lässt erahnen, dass mit diesem neu gefundenen Fetisch einem unglaublichen Umverteilungsprogramm zum Durchbruch verholfen werden soll. Das Finanzministerium spricht von einem Einsparungsvolumen bis 2010 in der Höhe von 16,6 bis 19,8 Mrd. €. Um diese unvorstellbar großen Zahlen zu konkretisieren: Würde die Ausgabenentwicklung der Vergangenheit in der Zukunft fortgeschrieben, dann resultiert die angestrebte Abgabenquote in einer Ausgabenkürzung von 30%, will man gleichzeitig ein ausgeglichenes Budget erhalten. Es geht also nicht darum, um wieviel Prozentpunkte die Quote jährlich sinkt, sondern vielmehr darum, in welchen Bereichen die Einsparungen vorangetrieben werden, ob bei den Abfangjägern oder bei den Sozialleistungen.
Die Politik der vergangenen Jahren zeigte deutlich, dass für die Regierung keine der noch vorhandenen Sozialleistung – weder in ihrer Art noch in ihrem Unfang – außer Streit steht. Darum bedeutet die Abgabenquotensenkung ein Erdbeben für die österreichische Sozialarchitektur! Was den ÖsterreicherInnen als finanzielle Entlastung verkauft wird ist eine Entlastung für die Regierung, ein Rückzug aus ihrem Verantwortungsbereich der Sozialen Sicherung.
Der BEIGEWUM fordert daher: Umverteilungspolitik statt Sparpolitik!
Die europäische und österreichische Sparpolitik steht im Interesse des Finanzkapitals und wird mehr und mehr zur zentralen Gestaltungsmacht. Eine moderne und demokratische Gesellschaft beruht aber auf den Prinzipien des sozialen Ausgleichs, der Chancengleichheit und der Verteilungsgerechtigkeit, wovon sich Österreich derzeit wegbewegt. Vollbeschäftigung, Verteilungsgerechtigkeit und bessere Lebensqualität sollten die eigentlichen Ziele der Politik sein. Wir brachen daher eine Umverteilungspolitik, denn nur so können diese Ziele erreicht werden.
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