BEIGEWUM-Forderungen zur Finanzkrise – BEIGEWUM

BEIGEWUM-Forderungen zur Finanzkrise

am 27. Oktober 2008 um 19:49h

27.10.2008

1. Umverteilung

Die aktu­el­le Kri­se ist nicht nur ein Ver­sa­gen des Finanz­sek­tors, son­dern auch Ergeb­nis der zuneh­men­den Ver­tei­lungs­schief­la­ge der letz­ten Jah­re… Die Ansamm­lung gigan­ti­scher Ver­mö­gen auf der Suche nach lukra­ti­ven Ver­an­la­gungs­mög­lich­kei­ten hat dazu geführt, dass die Finanz­in­sti­tu­te mehr Geld in den Hän­den hat­ten als durch lukra­ti­ve Inves­ti­ti­ons­pro­jek­te absor­biert wur­de, wes­halb schließ­lich auch unso­li­de Kre­di­te ver­ge­ben wur­den. Zum Bei­spiel Kre­di­te an arme Leu­te, um Häu­ser auf Kre­dit zu kau­fen, die sie sich eigent­lich gar nicht leis­ten konn­ten. Statt unleist­ba­re Kre­di­te wären für die­se Leu­te staat­li­che Unter­stüt­zungs­maß­nah­men oder sozia­ler Wohn­bau nötig gewe­sen – finan­ziert aus Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­steu­ern. Die Wei­ge­rung, Tei­le des Ein­kom­mens und Ver­mö­gens über den Steu­er­topf den Armen zugu­te kom­men zu las­sen, und statt­des­sen zu ver­su­chen, mit den Armen (Kredit)Geschäfte zu machen, ist schief gegan­gen. Nur durch staat­li­che Umver­tei­lung zu den unte­ren Ein­kom­mens­schich­ten wäre eine Kom­bi­na­ti­on aus hoher pri­va­ter Kon­sum­nach­fra­ge und nach­hal­ti­gem Wirt­schafts­wachs­tum mög­lich gewe­sen. Mehr Umver­tei­lung kann das Ent­ste­hen von Finanz­bla­sen verhindern!

2. Staatshilfen nur gegen Auflagen

Dass ein­zel­ne Ban­ken nun ver­staat­licht wer­den müs­sen, ruft in Erin­ne­rung, dass Ban­ken eine wich­ti­ge öffent­li­che Funk­ti­on haben, die durch Ren­di­te­druck in Mit­lei­den­schaft gera­ten kann. Eine Rück­kehr zum öffent­li­chen Eigen­tum an Ban­ken könn­te die­se öffent­li­che Funk­ti­on wie­der stär­ken. Falls eine steu­er­fi­nan­zier­te Sanie­rung der Ban­ken nötig ist, soll­te das mit einer Ver­mö­gens­steu­er und einem Zuschlag von 20% zur Ein­kom­mens­steu­er für das obers­te Fünf­tel der Ein­kom­mens­be­zie­he­rIn­nen finan­ziert wer­den. Das sind jene, die von der Wirt­schafts­po­li­tik der letz­ten zwei Jahr­zehn­te spe­zi­ell pro­fi­tiert haben. Die betrof­fe­nen Ban­ken, sofern sie in pri­va­ter Hand blei­ben wol­len, sol­len den Staat für sein Ein­sprin­gen ent­schä­di­gen. Kei­ne Bei­hil­fe ohne Bedingungen!

Detailforderungen zum österreichischen Krisen-Paket:

Das Bun­des­ge­setz zur Stär­kung des Inter­ban­ken­markts ist problematisch:

I. Antei­le an Ban­ken, die der Staat zur Kri­sen­hil­fe erwirbt, sol­len lt. Gesetz nach Errei­chen des Zwecks wie­der pri­va­ti­siert werden.

Durch die Kri­se wur­de wie­der in Erin­ne­rung geru­fen, dass Ban­ken eine wich­ti­ge öffent­li­che Auf­ga­be erfül­len, und die­se Auf­ga­be durch pri­va­te Eigen­tü­mer, die rein auf Ren­di­te bedacht sind, leicht ver­nach­läs­sigt wird (übri­gens auch durch Ban­ken der öffent­li­chen Hand, die wach­sen­dem Ren­di­te­druck aus­ge­setzt wer­den) . Des­halb wäre die Kri­se eine Gele­gen­heit, über dau­er­haf­te staat­li­che Betei­li­gung die öffentlichen/​volkswirtschaftlichen Dienst­leis­tungs­auf­ga­ben der Ban­ken nach­hal­tig zu stärken.

II. Als Gegen­leis­tung für staat­li­che Reka­pi­ta­li­sie­rung wer­den im Gesetz eine Rei­he von „Kann“-Bestimmungen (betr. Kre­dit­ge­wäh­rung, Mit­tel­ver­wen­dung, Gehäl­ter, Eigen­mit­tel­aus­stat­tung, Divi­den­den­po­li­tik, Arbeits­platz­er­halt, Zeit­vor­ga­ben, Rechen­schaft, Ver­hin­de­rung von Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen) genannt. Die­se Bedin­gun­gen müs­sen ver­pflich­tend ver­an­kert wer­den. Dar­über hinaus:

a. Rechen­schafts­pflicht gegen­über dem Par­la­ment, nicht bloß gegen­über dem Finanz­mi­nis­ter notwendig

b. Unter­stüt­zung für Klein­kre­dit­neh­me­rIn­nen: Ban­ken sol­len einen Fonds für die Schuld­ner­be­ra­tung bzw. eine unab­hän­gi­ge Bera­tungs­stel­le finan­zie­ren, die bei Schul­den­pro­ble­men berät. Der jetzt häu­fig zu hören­de Hin­weis von Behör­den, Fremd­wäh­rungs­kre­dit­neh­mer sol­len in ihre Bank gehen, um sich bera­ten zu las­sen, ist eine gefähr­li­che Dro­hung ‑Bera­ter (=Ver­käu­fern) haben Inter­es­se an gebüh­ren­in­ten­si­ve Umschul­dun­gen statt kun­den­freund­li­chen Lösungen.

c. Ein­fluss­nah­me auf die Geschäfts­po­li­tik: Ver­bot bestimm­ter geschäft­li­cher Betä­ti­gun­gen und Pra­xen (zb kei­ne Ver­knüp­fung von Klein­kun­den­ge­schäf­ten mit kom­ple­xen ris­kan­ten Finanz­trans­ak­tio­nen), kei­ne Ori­en­tie­rung am Share­hol­der Value.

III. Im Gesetz feh­len Details über die Ver­tei­lung der Garan­tien: Wer­den sie ver­stei­gert, auf Antrag gewährt? Wie wird die Kapi­tal­erhö­hung bepreist, wel­che Kon­troll­rech­te erhält der Staat? Wel­chen Preis hat der Aus­stieg des Staa­tes zu einem spä­te­ren Zeit­punkt für die Banken?

Es feh­len Kri­te­ri­en, wel­che Kre­dit­in­sti­tu­te als sys­tem­re­le­vant zu gel­ten haben.

Staat­li­che Kapi­tal­sprit­zen an Ban­ken könn­ten etwa als Wan­del­an­lei­he bege­ben wer­den, die nach einer gewis­sen Zeit optio­nal in Stamm­ak­ti­en umge­wan­delt werden.

3. Finanzmarktregulierung demokratisieren

Seit zehn Jah­ren fährt die EU ein mas­si­ves Dere­gu­lie­rungs­pro­gramm für den Euro­päi­schen Finanz­markt. Geheim­nis­krä­me­rei kann man ihr dabei nicht vor­wer­fen: Jede neue Geset­zes­in­itia­ti­ve wird öffent­lich zur Kon­sul­ta­ti­on aus­ge­schrie­ben. Doch Stel­lung­nah­men kom­men fast aus­schließ­lich von den Finanz­kon­zer­nen – sie allein haben die not­we­ni­ge Exper­ti­se und ent­spre­chen­de Res­sour­cen. Die EU-Regeln für die Finanz­in­dus­trie berück­sich­ti­gen des­we­gen viel zu wenig die mög­li­chen Risi­ken, die von der Finanz­wirt­schaft für den Rest der Gesell­schaft aus­ge­hen. Es braucht ein Gegen­ge­wicht in den Bera­tun­gen über EU-Regeln für die Finanz­wirt­schaft. Die EU soll Exper­ti­se finan­zie­ren, die stär­ker gesamt­wirt­schaft­li­che, zivil­ge­sell­schaft­li­che, gewerk­schaft­li­che Inter­es­sen einbringt!

4. Finanzinstitute regulieren

Außer­bi­lan­zi­el­le Ver­bu­chung ris­kan­ter Geschäf­te, unre­gu­lier­te Hedge Funds und Pri­va­te Equi­ty Funds: Wäh­rend die Staa­ten­welt sich über unre­gu­lier­te Staats­fonds auf­regt, haben gro­ße Berei­che der Finanz­wirt­schaft außer­halb bestehen­der Regu­lie­run­gen agiert. Das muss ein Ende haben.

Steu­er­li­che Absetz­bar­keit von hohen Mana­ger­ge­häl­tern als Betriebs­aus­ga­ben und die steu­er­li­che Begüns­ti­gung von Ent­loh­nung über Stock Opti­ons soll­ten abge­schafft werden!

5. Finanzinstrumente regulieren

Ein Feu­er­werk von inno­va­ti­ven Finanz­pro­duk­ten, mit denen angeb­lich das Risi­ko bes­ser gema­nagt wer­den kön­ne, berei­te­te die Finanz­in­dus­trie ihrer Kund­schaft in den letz­ten Jah­ren. Dabei ent­stan­den der­art kom­pli­zier­te Pro­duk­te und Trans­ak­tio­nen, dass vie­le Pro­fis die dahin­ter lie­gen­den Risi­ken nicht durch­schau­ten und den Über­blick ver­lo­ren. Somit wur­de letzt­lich das Risi­ko für das Gesamt­sys­tem ver­grö­ßert statt ver­rin­gert und bes­ser ver­teilt. Auch ein Jahr nach Aus­bre­chen der Kri­se ist noch immer viel­fach unklar, wel­che Risi­ken wo ver­steckt sind. Alle Finanz­in­no­va­tio­nen soll­ten des­halb in Zukunft einer Bewil­li­gungs­pflicht unter­lie­gen und so stan­dar­di­siert wer­den, dass sie auf Bör­sen gehan­delt wer­den und so einer gewis­sen öffent­li­chen Beob­acht­bar­keit unter­lie­gen. Ver­ant­wor­tungs­vol­le Kre­dit­ver­ga­be ist gesetz­lich zu erzwin­gen, um Kre­dit­neh­me­rIn­nen nicht Schul­den auf­zu­hal­sen, deren Trag­wei­te sie nicht erken­nen und die sie über­gro­ßen Risi­ken aus­set­zen, wie z.B. Fremd­wäh­rungs­kre­di­te in Öster­reich und räu­be­ri­sche Sub­prime Kre­dit­ver­ga­be in USA.

6. Finanzsektor nicht weiter überfordern

Der Finanz­sek­tor hat sich in den letz­ten Jah­ren als Risi­ko-Ver­wal­tungs­ap­pa­rat prä­sen­tiert, der sei­ne Sache bes­ser und lukra­ti­ver macht als der Staat: Von der Unter­neh­mens­füh­rung über die Orches­trie­rung von Fusio­nen bis zur pri­va­ten Pen­si­ons­vor­sor­ge konn­te der Finanz­sek­tor immer neue Auf­ga­ben an sich zie­hen. Immer mehr Berei­che des All­tags wer­den mit dem Finanz­we­sen ver­knüpft. Da sich der Finanz­sek­tor als Risi­ko­pro­du­zent statt als über­le­ge­ner Risi­ko­ver­wal­ter ent­puppt hat, der mit den vie­len neu­en Auf­ga­ben über­for­dert ist, soll­ten ihm die­se Über­las­ten wie­der abge­nom­men wer­den. Die Alters­vor­sor­ge und ande­re Auf­ga­ben müs­sen staat­li­che Ver­ant­wor­tung bleiben!

7. Banker auf die Schulbank

In den letz­ten Jah­ren wur­de viel­fach ver­kün­det, der Bevöl­ke­rung feh­le es an Wirt­schafts- und Finanz­bil­dung. Finanz­in­sti­tu­te prä­sen­tier­ten sich als Schul­meis­ter, die den Leu­ten das „not­wen­di­ge Rüst­zeug“ ver­mit­teln woll­ten, um rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen – Ent­schei­dun­gen, die in immer mehr Lebens­be­rei­chen die Aus­wahl zwi­schen ver­schie­de­nen Finanz­pro­duk­ten betref­fen. Jetzt stellt sich her­aus, dass die Finanz­pro­fis jah­re­lang mit Wert­pa­pie­ren han­del­ten, die sie zum Teil sel­ber nicht ver­stan­den, und jetzt auf Risi­ken sit­zen, derer sie sich bis­lang gar nicht bewusst waren. Die Finanz­welt ist ihren eige­nen Akteu­ren zu kom­pli­ziert gewor­den. Das spricht aus der Sicht der Kon­su­men­tIn­nen für die staat­li­che Stan­dar­di­sie­rung und Ver­ein­fa­chung von Pro­duk­ten um sie ver­gleich­bar zu machen. Für die Finanz­ak­teu­re lei­tet sich aus die­ser Erfah­rung die Not­wen­dig­keit ab, mit der Finanz­bil­dung zunächst bei sich selbst zu begin­nen: Kri­sen­ge­schich­te als Pflicht­fach für Bank­ma­na­ger und markt­li­be­ra­le Politiker!

8. Stabilisierung der Realwirtschaft

Die Sta­bi­li­sie­rung des Finanz­sek­tors ist der ers­te Schritt im Kri­sen­ma­nage­ment. Jetzt ist ziel­ori­en­tier­tes Han­deln der Geld‑, Fis­kal- und Lohn­po­li­tik gefragt, um schnell der dro­hen­den glo­ba­len Rezes­si­on zu ent­rin­nen. Neben wei­te­ren Zins­sen­kun­gen der Zen­tral­ban­ken sind Kon­junk­tur­pa­ke­te nötig, wel­che die Vor­zie­hung von staat­li­chen Inves­ti­tio­nen (bspw. Aus­bau der Schu­len und des öffent­li­chen Ver­kehrs) beinhal­ten. Wei­ters sind Steu­er­erleich­te­run­gen an die unters­ten Ein­kom­mens­schich­ten mit einer hohen Kon­sum­nei­gung denk­bar. Zusätz­lich muss ver­hin­dert wer­den, dass ins­be­son­de­re die euro­päi­schen Staa­ten – und hier allen vor­an Öster­reich und Deutsch­land – ver­su­chen, die Rezes­si­on durch Lohn­zu­rück­hal­tung auf Kos­ten ihrer Nach­barn zu über­win­den. Auf EU-Ebe­ne wür­de dies zu einem kom­plet­ten Weg­fall der aggre­gier­ten Nach­fra­ge füh­ren, was eine Ver­schär­fung der Rezes­si­on zur Fol­ge hät­te. Eine koor­di­nier­te euro­päi­sche Lohn­po­li­tik, die zur Sta­bi­li­sie­rung der Nach­fra­ge bei­trägt, ist notwendig!

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