Österreich – Steueroase ohne Palmen
Die Frage, ob Österreich eine Steueroase ist, beschäftigt das Land spätestens seit den Verhandlungen auf internationaler Ebene über die Rolle von Staaten wie der Schweiz, aber eben auch Österreich. Wir dokumentieren hier einen Beitrag von Klemens Himpele und Sybille Pirklbauer, der im Herbst bei Attac erscheinen wird in: „Steueroasen und Offshore Zentren – Die potemkinschen Dörfer von heute“. Herzlichen Dank für die Erlaubnis, den Text bereits hier zu veröffentlichen.
Österreich – Steueroase ohne Palmen
Steuern sind ein unverzichtbares Instrument der Politik eines Staates – und zwar in dreierlei Hinsicht. Zuerst dienen sie der Finanzierung öffentlicher Aufgaben, Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Zweitens tragen sie, wenn sie höhere Einkommen stärker belasten als niedrige (progressive Steuern) zur Umverteilung bei; und drittens können sie zur Lenkung in Richtung eines bestimmten Verhaltens eingesetzt werden (bspw. Tabaksteuer für weniger Rauchen; Umweltsteuern für umweltfreundlicheres Verhalten). Dabei sind der Steuerpolitik jedoch auf Grund der internationalen Verflechtungen Grenzen gesetzt, d.h., Staaten können in einer globalisierten Welt nicht völlig frei über ihre Steuerpolitik entscheiden. So findet die Besteuerung von Unternehmen ihre Grenzen dort, wo multinational tätige Konzerne ihre Gewinne zwischen den Standorten verschieben können, und sie auf diese Weise im Land mit den niedrigsten Steuern anfallen lassen. Zusätzlich können sie dem Staat mit gänzlicher Abwanderung drohen (vgl. Kraus 2009). Finanzkapital, das nicht in Grund oder Immobilien gebunden ist, kann praktisch ohne Beschränkungen an den Ort der geringsten Steuern verschoben werden, sofern an diesem Ort Eigentum geschützt und garantiert wird. Damit findet die nationale Steuerpolitik ihre Grenzen der Besteuerung von Gewinnen, höheren Einkommen und Vermögen dort, wo Steueroasen „günstigere“ Bedingungen bieten. Weil in den Steueroasen auch Transparenz weitgehend fehlt, sind auch jene geschützt, die ihr Geld bereits erfolgreich am heimischen Fiskus vorbeigeschummelt oder gar durch kriminelle Aktivitäten erworben haben. Damit missachten Steueroasen die Grundsätze des Steuerrechts und untergraben die Finanzierungsbasis der Sozialstaaten. Es ist daher höchste Zeit, diese Oasen auszutrocknen, zu den auch Österreich gehört.
Österreich – eine Steueroase?
Die Bundesregierung streitet es rundheraus ab, dennoch: Österreich ist eine Steueroase und spielt dabei eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Steuern. Der Direktor des Netzwerks für Steuergerechtigkeit, John Christensen, nennt im Kurier das Bankgeheimnis und das Stiftungsrecht als zentrale Gründe, warum Österreich eine Steueroase ist . Dem lassen sich niedrige Kapital- und Vermögenssteuern hinzufügen (vgl. ATTAC Österreich o.J.). Diese Kombination macht Österreich für Steuerhinterzieher attraktiv. Das ist kein Versehen, sondern „Standortpolitik“, die AnlegerInnen nach Österreich locken soll. Das geht aber zu Lasten anderer Staaten.
Unversteuertes Geld nach Österreich
In Österreich liegen Unsummen an ausländischem Vermögen. Dieses ist kaum auf Grund der höheren Sicherheit im Lande – Banken in Deutschland oder Frankreich bieten Vergleichbares. Vielmehr scheint das strikte Bankgeheimnis und die bisherige Weigerung Österreichs, in diesem Bereich mit der EU zu kooperieren, der Grund für das hohe Auslandsvermögen zu sein.
Das Bankgeheimnis in österreichischer Strenge bedeutet, dass nur die Bank den/die KontoinhaberIn kennt. Diese muss Informationen über KundInnen und deren Vermögen nicht weitergeben – anders als in Deutschland, wo Behörden Einsicht in die Konten haben. Damit können die AnlegerInnen praktisch anonym bleiben.
Mit der Verweigerung der Kooperation und Informationsaustausch mit anderen Staaten erfüllt Österreich ein weiteres typisches Merkmal einer Steueroase. Die EU versucht, mehr Transparenz und Fairness bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zu schaffen. Dazu ist ein automatischer Informationsaustausch zwischen Staaten vorgesehen, wer im Ausland welche Zinseinkünfte erzielt. Österreich verweigert das und hat sich lediglich dazu verpflichtet eine Quellensteuer auf die von AusländerInnen erzielten Zinseinkünfte zu erheben.
Auch wenn das Bankgeheimnis unter dem Druck insbesondere Deutschlands etwas aufgeweicht wird, fehlt der österreichischen Politik offensichtlich jedes Unrechtsbewusstsein. Denn wem dient(e) das Bankgeheimnis? Vor allem denjenigen, die unversteuertes Geld in Österreich geparkt haben. Damit helfen Steueroasen – und eben auch Österreich – das zentrale Besteuerungsprinzip zu unterlaufen: „Die Steuerpflichtigen sollen dort besteuert werden, wo sie ihren tatsächlichen Wohnsitz haben. Durch ihre Anwesenheit im Lande begründen sie ja auch erst einen Bedarf für öffentliche Leistungen, der über Steuern zu decken ist“ (Thielemann 2009, S. 13). Durch die Weigerung eines Informationsaustausches mit anderen Ländern nimmt der Staat für sich aber faktisch in Anspruch, „Personen, die für ihn Steuerausländer sind, von ihrer Steuerpflicht zu befreien“ (ebd.). Etwas direkter ausgedrückt: das Bankgeheimnis ermöglicht es erst, einmal hinterzogene Steuern nie mehr zahlen zu müssen. Hierfür gibt es keinerlei rechtliche Grundlage. Der häufig gemachte Verweis auf die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz dient einzig dem Schutz der inländischen Finanzindustrie. Schließlich sollen die steuerlichen Informationen nicht veröffentlicht sondern lediglich den Finanzbehörden zur Festsetzung einer Steuer bekannt gegeben werden – wie es heute bei jeder und jedem unselbstständig Erwerbstätigen völlig selbstverständlich passiert. Natürlich kann es gute Gründe geben, ganz regulär versteuertes Geld in Österreich zu investieren. Dann braucht es jedoch kein Bankgeheimnis und dann gibt es auch keinen Grund, den Informationsaustausch mit anderen Ländern zu verweigern. Die EU hat Recht, wenn sie Österreich und andere Länder nun massiv unter Druck setzt, den Austausch zu gewährleisten. Steueroasen wie Steuerflüchtige sind nichts anderes als Trittbrettfahrer. Die Steuerflüchtlinge nehmen zwar die öffentlichen, aus Steuern finanzierten Leistungen, in Anspruch, tragen jedoch selbst nichts dazu bei. „[U]nd die Leistung der Steueroase besteht lediglich darin, den fiskalischen Informationsaustausch konsequent zu verweigern und ihr Steuersystem entsprechend einzurichten“ (ebd., S. 15). Die Finanzindustrie freut sich und verdient daran.
Die VerteidigerInnen der Geheimnistuerei verweisen an dieser Stelle gerne darauf, dass die Zinseinkünfte ja ohnehin mit einer Quellensteuer belegt sind. Bei Geld aus dem EU-Ausland wird ein Teil dieser Erträge an die jeweiligen Herkunftsländer abgetreten. Das Argument ist aber ein schwaches: Denn erstens werden nur die Zinseinkünfte besteuert. Ob das zu Grunde liegende Vermögen regulär versteuert wurde, bleibt außer Acht. Und zweitens wird damit eingestanden, dass dem Wohnsitzland ein Besteuerungsrecht zusteht. Dann aber ist es nur konsequent, einen entsprechenden Austausch der Informationen zu organisieren und das Verfahren gleichsam vom Kopf auf die Beine zu stellen.
Erben ohne Erbschaftssteuer
Ein zweites Merkmal als Steueroase findet sich in Österreich bei der extrem geringen Besteuerung von Vermögen und der Abschaffung der Steuern für Erbschaften und Schenkungen. Schon vor der Abschaffung der Erbschaftssteuer nutzten vor allem vermögende Deutsche das finanzielle „Auswandern“ nach Österreich zur „Steueroptimierung“. Mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer könnte das allerdings Geschichte sein, da die Bundesrepublik kurzerhand das Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt hat, so dass Erbschaftsfälle nach Deutschland wieder dem deutschen Recht unterliegen. Ein guter Finanzplatz hat aber auch dafür eine Lösung: Der Focus zitiert hierzu Gerald Toifl, Steuerexperte der Salzburger Kanzlei Leitner & Leitner, wie folgt: „Wer sein Vermögen in eine Privatstiftung legt oder an eine solche Stiftung vererbt, spart seinen deutschen Erben auch künftig die Steuer“ (zitiert nach Kusitzky 2007). Die Aussage macht deutlich, dass sich Österreich zu Lasten anderer Volkswirtschaften einen Vorteil verschaffen will, indem es diese Staaten um die ihnen eigentlich zustehenden Steuern bringt – Merkmale einer Steueroase eben. Kusitzky merkt übrigens noch an: „Das Modell lohnt sich jedoch nicht für jeden. Zwei bis drei Millionen Euro Kapital sollten dafür schon vorhanden sein.“
Ende der Steueroase?
Die EU hat in den vergangenen Monaten den Druck auf die europäischen Steueroasen – vor allem die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Belgien und Andorra – erhöht und substantielle Verbesserungen insbesondere beim Informationsaustausch erreicht. Dennoch bleibt Skepsis angebracht, da bspw. das Stiftungsrecht oder die Privatstiftungen als Ganzes nicht zur Debatte stehen. Ferner bleibt Österreich der Politik des Steuersenkungswettbewerbs bei der Unternehmensbesteuerung treu und löst auch national die Probleme, die da Bankgeheimnis schafft, nicht. So werden von jedem Lohnsteuerpflichtigen selbstverständlich die steuerpflichtigen Einkommen durch den Arbeitgeber an das Finanzamt übermittelt. Andere Einkünfte können dank des Bankgeheimnisses jedoch gut verborgen werden. Das ist verteilungspolitisch und aus Gerechtigkeitsgründen sowenig akzeptabel wie der Verzicht auf eine angemessene Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen. Diese letzten Punkte machen deutlich, dass Österreich neben der Frage der Steueroase auch einer grundlegenden Reform der Steuerpolitik im inneren benötigt. Es wird Zeit, dass diese Erkenntnis auch in der Regierung ankommt.
Literatur
ATTAC Österreich (o.J.): 7 Gründe warum Österreich eine Steueroase ist, URL: http://www.attac.at/7gruende (12.06.2009).
Himpele, Klemens / Recht, Alexander (2009): Möglichkeiten und Grenzen von Steuerpolitik, in: PROKLA 154, S. 9–26.
Kusitzky, Alexandra (2007): Österreich: Ende einer Steueroase? Das Alpenland verliert seinen Status als Erbschaftsteuer-Paradies. Neue Schlupflöcher sind aber schon gefunden, in: Focus 37/2007 und im Internet unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/oesterreich-ende-einer-steueroase_aid_219844.html (12.06.2009).
Pirklbauer, Sybille / Ziegler, Petra (2009): Unser steuergerechtes Europa, in: Attac (Hg.): Wir bauen Europa neu – Wer baut mit? Alternativen für ein demokratisches, soziales, ökologisches und friedliches Europa, Wien
Kraus, Astrid (2009): Unternehmensbesteuerung – gibt es nationalstaatliche Handlungsspielräume?, in: PROKLA 154, S. 47–69.
Thielemann, Ulrich (2009): Grundsätze fairen Steuerwettbewerbs im Lichte der aktuellen Entwicklung, in: Die Volkswirtschaft. Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6–2009, S. 13–15.
Als Nachtrag:
Der Spiegel meldet heute Online, dass es quasi „extra“ Münzen zum Geldtransfer am Zoll vorbei gibt. Passt gut zum Thema. Der Artikel findet sich hier: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,633464,00.html