Der „falsche Sex“ und die „richtige Armut“ – Studienergebnisse aus den USA
„Was die im Schlafzimmer machen (und ja keinen was angeht)…“ hat auch ökonomische Folgen, die in Österreich kaum abseits der gegenwärtigen Debatte pro und contra Standesamt diskutiert werden. Wenig bis gar nichts ist gegenwärtig über die sozioökonomische Situation von Lesben, Schwulen und TransGenderpersonen in Österreich geforscht worden.
In den USA berichten die feministischen Ökonominnen Randy Albelda und Lee Badgett in einer relativ neuen Studie, dass Lesben und Schwule z.B. ein höheres oder zumindest gleich hohes Armutsrisiko wie Heterosexuelle haben.
Mit dieser Studie werten Badgett und Albelda erstmals die Haushaltsdaten der US-Amerikanischen Volkszählung zu dieser Fragestellung aus, da es 2005 zum zweiten Mal möglich war, sich als lesbisch oder schwul registrieren zu lassen.
Als überraschend bewerten sie, dass der Mythos der „reichen Schwulen“ nicht zu stimmen scheint, wobei sich aus Europäischer Perspektive die Frage stellt, ob diesseits des großen Wassers dieser Mythos der massigen Pink Dollars der schwulen DINKs (double income no kids) je in diesem Ausmaß verbreitet war. Realität ist Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und das Fehlen finanzieller Rechte, die Hetero-Familien vorbehalten sind, was sowohl in den USA als auch sonstwo zu einem größeren Armutsrisiko führen kann. Auch wenig überraschend ist der Schluss, dass lesbische Amerikanerinnen schlechter dran sind als Schwule und Schwarze AmerikanerInnen schlechter dran sind als Weisse.
Der komplette Artikel von Badgett und Albelda findet sich auf der ausführlichen Website des Williams Institute, wo auch Zahlen und Daten zu Kosten und Nutzen der Homoehe, Folgen einer heterosexistischen Steuerpolitik und demographische Details über Lesben und Schwule in den US nachzulesen sind:
http://www.law.ucla.edu/WilliamsInstitute/
In Österreich läuft gegenwärtig eine Befragung der WU Wien im Auftrag der Queer Business Women über Lesben im Berufsleben, an der frau sich auf folgender Website beteiligen kann: http://www.wu.ac.at/gender/aktuelles
Es geht ans Bezahlen – Update
Es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, dass die Staatsverschuldung nach der Krise eine andere sein wird als vorher. Bisher hat man sich jedoch geweigert, das zur Kenntnis zu nehmen, und wenn man es dann doch zur Kenntnis genommen hat, dann hat man die falschen Schlüsse gezogen. Jetzt Steuern zu erhöhen sei – so hörte man zunächst – kontraproduktiv, da dies den Abschwung verstärke und außerdem Einsparungen der richtige Weg seien. Das wird aber kaum reichen und ist zudem falsch, da Staatsausgaben gerade auch den Schwächeren zu Gute kommen. Dann hieß es, Arbeit dürfe nicht verteuert werden und Vermögensteuern brächten nichts, daher müssten die Mehrwertsteuer erhöht werden. Warum dies ziemlicher Unsinn ist, ist an anderer Stelle schon formuliert worden.
In den Wochen und Monaten nach der Sommerpause wird es dann ans Eingemachte gehen. Der Haushalt ist aufzustellen, die Kollektivvertragsrunden beginnen und die Frage, ob die Krise eine politische Kräfteverschiebung gebracht hat, wird vorläufig beantwortet werden. Es ist natürlich richtig, eine stärkere Umverteilung von Einkommen und Vermögen zu fordern und damit erstens die Krise (zumindest teilweise) zu finanzieren und zweitens die falschen Entwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren. Je mehr vom Sparpotential der Besserverdienenden über eine höhere Besteuerung der Spitzeneinkommen (Anhebung des Spitzensteuersatzes, Deckelung der begünstigten Besteuerung der sonstigen Bezügen, Einschränkung der Freibeträge, insbesondere des sog. Investitionsfreibetrags ) und den Vermögenden über eine Vermögensteuer und die Wiedererhebung und Ausweitung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer abgezogen und der Ausweitung öffentlicher Ausgaben (für Soziales, Bildung, Kultur, Infrastruktur) zugeführt wird, desto eher kann die Binnennachfrage stimuliert und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen verbessert werden. Wer hingegen die Massenkaufkraft über eine Anhebung der Mehrwertsteuer beschneidet, tut das Gegenteil: Erstens wird die Lage für einen Großteil der Bevölkerung verschlechtert, zweitens wird die Krise von denen bezahlt, die weder daran verdient noch sie ausgelöst haben, drittens werden die Besserverdienenden und Vermögenden erneut aus der Finanzierung öffentlicher Aufgaben entlassen und viertens wird dem Binnenmarkt massiv Kaufkraft entzogen, was krisenverschärfend wirkt. Das ist nicht hinzunehmen.
Überraschung in Deutschland
In Deutschland ist die Debatte im Kern dieselbe, vielleicht noch etwas abstruser. Das mag an den anstehenden Bundestagswahlen am 27. September liegen, jedenfalls versprechen CDU/CSU gar Steuersenkungen (!) nach der Wahl. Dabei soll der Eingangssteuersatz gesenkt werden, was, bei entsprechender Kompensation – d.h. Nichtentlastung – oben, sinnvoll ist. Allerdings soll die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz greift, ebenfalls nach oben verschoben und damit Spitzenverdiener erneut entlastet werden. Sinn der Aktion? Populismus vor den Wahlen, Interessenpolitik und die Erzeugung neuer „Sachzwänge“ über knappe, öffentliche Kassen!
Und jetzt das: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, dass man die vermögensbezogenen Steuern erhöht, gar die Vermögensteuer wieder einführt. Das ist doch mal was! Es gehört jedoch nicht viel Phantasie dazu, sich den Gegenwind vorzustellen, der kommen wird.
Und die Sozialdemokratie?
In Österreich sieht es nun ähnlich aus wie in Deutschland: Die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern sind massiv unterdurchschnittlich und könnten daher problemlos nach oben angepasst werden. Es ist also wie gemacht für die Sozialdemokratie: Eine ökonomisch sinnvoll Entscheidung, die in die richtige Richtung umverteilt und die geschundene Parteiseele streicheln könnte. Aber, nun ja, Herr Faymann ist ja dagegen. Es muss daher in den kommenden Auseinandersetzungen insbesondere in der Sozialdemokratie um die Frage der wirtschaftspolitischen Ausrichtung gehen. Ein Anfang scheint gemacht.
Tagung „Krise ohne Alternative?“
Die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung tagte am 3./4.7.2009 in Wien zum Thema „Krise ohne Alternative?“. Neben parallelen Arbeitsgruppen zu Alltag, Bewegung, Gewerkschaften, Krisenverlauf, Migration, Ökologie und Sozialpolitik wurde in zwei Plenardebatten über Krisendefinitionen, die Rolle linken Wissens und Zukunftsszenarien diskutiert.
Welche Krise?
In den Krisendiagnosen auf der Tagung bildeten makroökonomische und alltagsbezogene Analysen die Pole der Analyse.
Joachim Becker interpretierte die Krise als Ausdruck nicht-nachhaltiger Akkumulationsregime: Finanzialisierte Import- und neomerkantile Export-Länder seien aufeinander angewiesen und nun parrallel von der Krise betroffen. Je binnenorientierter ein Staat, desto weniger krisenbetroffen, so Becker.
Birgit Sauer zufolge ist die Krise auch eine Krise der Lebensweise, was sich in der Krise der Autoindustrie spiegele. Die Autogesellschaft steht für mangelnde ökologische Nachhaltigkeit, und ruhe auf einer spezifischen „Bevölkerungsweise“, u.a. ein hegemoniales Geschlechterregime punkto Arbeit und Konsum.
Krise im Diskurs
In einer Analyse des medialen Diskurses unter starkem Rückgriff auf Internet-Foren konstatierte Heinz Steinert bei Gebildeten die Neigung, das Thema ins Moralische zu ziehen, während bei „gemeinen Leuten“ die Tendenz vorherrsche, sich zu arrangieren und abzuwarten. Der Boulevard zeige mitunter auch eine gewisse Häme gegenüber den Verlusten der Reichen.
In der dominanten Krisendefinition würden Metaphern von Krankheit eingesetzt, was einen Rückkehr zum status quo ante als gesunden Normalzustand impliziere. Die Krise sei eine Krise von Artikulationsmöglichkeiten für emanzipatorische Forderungen, so Ariane Brenssell. Isabell Lorey betonte die normalisierenden Effekte der Krise – bisher Skandalisiertes werde selbstverständlich. Ein Verlust moralischer Ökonomie sei zu beobachten, ein Verlust der Grenzen der Zumutbarkeit.
Wie gut ist „linkes Wissen“?
Laut Heinz Steinert ist es der Linken in der öffentlichen Debatte um die Krise nicht gelungen, eine eigenständige Interpretation ins Spiel zu bringen. Das zentrale Versagen sei, dass es nicht gelungen sei, die Zuschreibung von Wirtschaftskompetenz an Konservative Kräfte infrage zu stellen.
Isabell Lorey führte die Selbstverstricktheit von Linken in die Verhältnisse als möglichen Grund für die Schwäche linker Krisenanalysen an.
Alex Demirovic betonte die Stärke linken Wissens, und stellte eher eine Krise der politischen Mobilisierung und Schwächen der Artikulationsfähigkeit in den Vordergrund. In der Debatte war umstritten, ob linkes Wissen selbst defizitär, oder ausreichend und gut, aber machtlos sei.
Zukunftsprognose
Steinert sah die Konservativen Kräfte erfolgreich, die Krise zu nutzen, um den Staat stärker zu instrumentalisieren und Reformen in ihrem Sinne zu legitimieren. Dieser Umgang stünde in einer Tradition der letzten Jahre, das Ausrufen von Krisen zur Herstellung von Veränderungsbereitschaft bei der Bevölkerung einzusetzen.
Birgit Sauer zufolge werde die Finanzkrise dazu genutzt, um asymmetrische Geschlechterverhältnisse zu stabilisieren, abgesehen davon, dass letztere auch zur Abfederung von Krisenfolgen herhalten müssen. Ariane Brenssell zeigte das anhand der Delegitimierung von sozialen und frauenpolitischen Forderungen, die angesichts der Finanzkrise in den Hintergrund gedrängt werden.
Im Gegensatz dazu interpretierte Mario Candeias die Reserven des Neoliberalismus als erschöpft, weil die Krise gezeigt habe, dass er weder neue Akkumulationsfelder eröffnen noch aktiven Konsens der Beherrschten herzustellen vermochte.
Für die weitere Zukunft prognostizierten einige Wortmeldungen einen L‑förmigen Verlauf, also eine länger anhaltende wirtschaftliche Stagnation („Modell Japan“) mit der Folge härterer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Wolfgang Nitsch führte das „Modell Südafrika“ als mögliches Zukunftsszenario an: Koexistenz eines kleinen Bereichs, wo neoliberales Modell für einige wenige funktioniert, neben einem großen Bereich der autoritär verwalteten Verelendung, und das alles bei funktionierendem Rechtsstaat und parlamentarischer Demokratie.