Nieder mit Humboldt
Ich weiss, damit mache ich mir hier keine Freunde, aber: der Ökonom hat recht. Ich weiss, es wird nicht gern gelesen, aber: Österreichs Hochschulsystem ist eines der elitärsten, die es im internationalen Vergleich gibt. Ich weiss, es ist nicht opportun, aber: Ein Bildungssystem, das derart verantwortungslos mit ihren Ressourcen umgeht, ist so verrottet wie die Zustände, die jetzt zu recht angeklagt werden.
Ich würde mir gerade von der Linken in Österreich wünschen, dass sie sich doch langsam mal davon verabschiedet, sich vor den Karren der akademischen Eliten dieses Landes spannen zu lassen und stattdessen sozial gestaffelte Zugangskriterien für die höhere Bildung zu fordern beginnt. Und, bitte, bitte: Vergesst Humboldt und diesen ganzen bildungsbürgerlichen Quatsch!
80 Jahre ›Schwarzer Donnerstag‹ – John Kenneth Galbraith neu gelesen
Am Donnerstag, den 24. Oktober 1929 „wechselten 12.894.650 Anteile den Besitzer, die meisten zu einem Preis, der die Träume und Hoffnung der bisherigen Inhaber restlos Zerstörte“ (S. 136). Das schreibt John Kenneth Galbraith in seinem Buch Der Große Crash 1929. Ursachen, Verlauf, Folgen.* An diesem Tag – und nicht am ›Schwarzen Freitag‹ – gingen die Börsenkurse in New York am stärksten während des Börsencrashs 1929 zurück. Am kommenden Samstag jährt sich dieser Tag zum achtzigsten Mal. Angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise ist es lohnend, den Klassiker von Galbraith neu zu lesen.
Galbraith beschreibt in seinem Buch zunächst den Verlauf der Entwicklungen, die später zum Großen Crash führen sollten. Zwar ging es den Bauern bereits nach der Depression der Jahre 1920 und 1921 auf Grund der gesunkenen Agrarpreise schlecht, insgesamt waren die 1920er-Jahre aber eine gute Zeit für die USA. Die Produktivität erhöhte sich, die Beschäftigung war auf einem hohen Niveau, und Armut konnte zwar nicht gänzlich überwunden, aber ein gutes Stück zurückgedrängt werden (vgl. S. 34). Rückblickend stellt sich die Frage, ob die Zeiten nicht nur gut, sondern zu gut waren… Jedenfalls stiegen in der Folge die zu Beginn der 1920er-Jahre niedrigen Aktienkurse. Trotz einiger Rückschläge war die Richtung der Kurse eindeutig: Sie stiegen. „Bis Anfang 1928 mussten selbst äußerst konservativ eingestellte Leute glauben, dass die Aktienkurse sich sowohl den wachsenden Unternehmensgewinnen als auch den Aussichten auf weitere künftige Steigerungen anpassen würden. Auch die Phase des Friedens und die ruhigen Zeiten konnte man guten Gewissens einkalkulieren, ebenso die Sicherheit, dass die Regierung in Washington die Erträge nicht stärker als im notwendigen Maß besteuern würde. Anfang 1928 begann dann die Phase der Übertreibung: eine Massenflucht in die Scheinwelt […] nahm ernsthafte Formen an“ (S. 44). 1928 schließlich wurde Herbert Hoover als neuer US-Präsident gewählt. Er hatte zwar zuvor als Handelsminister und Präsident Coolidge versucht, den Markt unter Kontrolle zu bekommen, allerdings war seine kritische Haltung zur Entwicklung an der Börse wenig bekannt. Nach Hoovers Wahl gab es einen regelrechten Boom, am Tag nach der Wahl stiegen die Papiere um 5 bis 15 Prozent. Außer Hoovers Wahl war nichts passiert, was als Ursache für diesen Anstieg genannt werden könnte (S. 50).
Mit leichten Schwankungen ging es so weiter, wobei vor allem Termingeschäfte stark ausgeweitet wurden. Galbraith beschreibt, wie zunehmend Spekulationen ohne Eigentum einsetzten. Am Eigentum als solches waren Spekulanten nicht interessiert – sondern lediglich am Wertzuwachs. Daher wurden ein Mechanismus entwickelt, der das Spekulieren von den „Lasten des Eigentums befreit“ und über Kredite funktioniert (S. 51ff, Zitat S. 53). Damit war der Spekulation Tür und Tor geöffnet, und der Glaube, dass jeder gewinnen könne (und würde) tat sein übriges.
In der Folge gab es kein Halten mehr. Warnende Stimmen gab es wenige, und die, die es gab, wurden ignoriert oder denunziert als Menschen, die die gute Stimmung kaputtreden wollen. Ein bis heute berühmter Beschwichtiger der damaligen Zeit war Prof. Irving Fisher (bspw. S. 107). Auch andere Wissenschaftler und zahlreiche Medien gehörten zu den unkritischen Begleitern – und oft genug beteiligten Spekulanten – im Jahre 1929. Zweifel waren weder erlaubt noch erwünscht, und weitere Instrumente zur Ausweitung der Spekulationen wurden eingesetzt, insbesondere die Hebelkraft (Leverage) spielte eine immer größere Rolle (S. 93ff.), wie übrigens auch in der aktuellen Krise. Es wurden Trusts mit wohlklingenden Namen wie Shenandoah gegründet, die direkt überzeichnet waren und im Wert oft kräftig anstiegen – um nach dem Crash kaum noch etwas Wert zu sein.
Der Crash
Selbst als die Aktienkurse einbrachen gingen viele von einem temporären Knick aus. Ende Oktober 1929 gab es dann jedoch kein Halten mehr. Dazu Galbraith: „Was den Anstoß gab, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist es auch gar nicht wichtig, dass wir es wissen“ (S. 129). Bei den ersten Einbrüchen machte die Hoffnung einer „organisierten Unterstützung“ die Runde, die Lage spitzte sich dennoch mehr und mehr zu. Und am 24. Oktober gab es dann schlicht keine Käufer mehr für die Anteile, deren Werte daher ins Bodenlose stürzten (S. 136f.). Zwar versuchten große Banken mit einer organisierten Stützung des Marktes einzugreifen (S. 138ff.), was die Preise auch kurzfristig wieder zum Steigen brachte. Tatsächlich glaubten viele nach dem Schwarzen Donnerstag, dass man das Schlimmste überstanden habe. Allerding folgte am Dienstag, dem 29. Oktober „der verheerendste Tag in der Geschichte der New Yorker Börse“ (S. 150, das Buch von Galbraith erschien 1954!).
Galbraith beschreibt in seinem Buch detailliert die Tage Ende Oktober, die in die Geschichte als Großer Crash eingingen. Er räumt dabei auch mit einigen Legenden auf (etwa, dass es zahlreiche Selbstmorde in New York gegeben habe, S. 168f.). Er beschreibt die Hilflosigkeit der Akteure und die Aufdeckung von Unterschlagungen sowie die Pleite zahlreicher Unternehmen. Galbraith beschreibt ferner die schwierige Aufarbeitung der Krise. Vor allem aber: Er analysiert ihre Ursachen.
Die Ursachen
John Kenneth Galbraith benennt fünf Punkte als Ursachen für den Großen Crash und die folgende Weltwirtschaftskrise (S. 216ff.):
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Die schlechte Einkommensverteilung: Die Einkommen waren 1929 besonders ungleich verteilt. Genaue Zahlen lägen für diese Zeit nicht vor, allerdings sei davon auszugehen, dass 5 Prozent der Bevölkerung mehr als 30 Prozent des Einkommens erzielten. „Aufgrund dieser höchst ungleichen Einkommensverteilung war die Wirtschaft von möglichst hohen Investitionen oder von einem möglichst hohen Verbrauch an Luxusgütern oder von beiden Faktoren gleichzeitig abhängig. Die Reichen konnten nicht Unmengen von Brot kaufen, um ihr Geld umzusetzen.“ Die Ausgaben der Reichen waren jedoch für die schlechten Nachrichten von der Börse besonders empfänglich. Mit Blick auf die aktuelle Krise hat Engelbert Stockhammer bereits im April die Frage gestellt: Was hat die Finanzkrise mit der Einkommensverteilung zu tun?
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Die prekäre Struktur der Kapitalgesellschaften. Galbraith nennt eine „außergewöhnliche Anzahl von ausgebufften Geschäftemachern, Blendern und Schwindlern“ in den Direktionsbüros der Unternehmen. Zentraler Schwachpunkt – auch das erinnert an heute – waren die unüberschaubaren neuen Strukturen bei den Holdings und Trusts. Die Verschachtelungen waren so stark, dass ein Ausfall an einer Stelle oft gravierende Folgen hatte.
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Die Labilität des Bankenwesens. Hierbei geht es Galbraith vor allem um die Kettenreaktion aus der Pleite einer Bank und dem Abzug der Einlagen bei anderen Banken (Bankenrun). Hierauf wurde nach der Krise mit der Einrichtung von Einlagesicherungssytemen reagiert. Aktuell muss das niederländische System nach der Pleite der DSB-Bank nach einem Bankenrun eingreifen.
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Der desolate Zustand der Außenhandelsbilanz. Die Vereinigten Staaten waren nach dem ersten Weltkrieg der größte Gläubiger der Welt. Zudem bestand zunächst noch ein Handelsüberschuss, der diese Position weiter stärkte. Zwar war der Saldo zwischen Exporten und Importen nicht sonderlich groß, dennoch musste er abgedeckt werden. „Das Ausland konnte die Passivsalden gegenüber den Vereinigten Staaten nicht mehr oder nicht mehr lange mit erhöhten Goldüberweisungen bezahlen. Das hieß, es musste entweder seine Importe aus den USA zurückfahren oder alternativ mit seinen Darlehensverbindlichkeiten in Verzug geraten.“ Auch die unausgeglichene Leistungsbilanz, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, ist in der aktuellen Krise ein Thema. So setzen u.a. Österreich, vor allem aber Deutschland auf eine reine Exportstrategie (sinkende Reallöhne, sinkende Binnennachfrage aber gute Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten).
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Der schlechte Zustand der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftswissenschaften. Galbraith nennt die Ideologie des ausgeglichen Haushalts (=Kontraktion der Nachfrage) und die Angst vor Inflation (=steigende Zinsen und Verteuerung von Geld), die eine vernünftige Geldpolitik verhinderte, obwohl das Land vor einer Deflation stand. Auch diese Debatten kennen wir von heute. Galbraith schrieb seinerzeit (S. 225): „Sowohl die aktive Fiskalpolitik – Besteuerung und Staatsausgaben – als auch eine vernünftige Geldpolitik zu unterlassen war das Gleiche, wie jegliche konstruktive Wirtschaftspolitik abzulehnen. Die Wirtschaftsexperten jener Tage besaßen genügend Einmütigkeit und Autorität, um die Führer beider Parteien zu veranlassen, alles, was Deflation und Depression hätte bekämpfen können, zu vermeiden […], ein Triumph der Schulweisheit über die Praxis. Die Folgen waren verheerend.“
Galbraith 2009
Natürlich waren Ursachen, Verlauf und Folgen 1929 andere als 2009, auch wenn heute noch nicht klar ist, wie die aktuelle Krise weitergeht. Erschreckend sind einige Parallelen aber schon, die Dogmatik der Ökonomie, die Einkommensverteilung usw. Es lohnt sicher daher unbedingt, sich eine der bekanntesten Interpretation der Weltwirtschaftskrise zu Gemüte zu führen – und John Kenneth Galbraith neu zu lesen.
* Alle Seitenangaben beziehen sich auf den unveränderten Nachdruck der 4. Auflage aus dem Jahr 2009. Das Buch erschien erstmals 1954.
4.11.09: Kritik in der Krise?! Kurswechsel Heftpräsentation
Kritik in der Krise?!
Positionierungen und Reflexionen einer Kritischen Sozialen Arbeit
Mittwoch, 4. November 2009, 18.30 – 21.00 Uhr
Albert Schweitzer Haus, Schwarzspanierstr. 13, 1090 Wien
Volker Eick (FU Berlin), Fabian Kessl (Uni Duisburg), Susanne Maurer (Uni Marburg) und Nina Oelkers (Hochschule Vechta), AutorInnen des Kurswechsels 3/09, diskutieren gemeinsam mit BesucherInnen und den herausgebenden AutorInnen Josef Bakic, Marc Diebäcker, Elisabeth Hammer (FH Soziale Arbeit Wien, kriSo)
In Kooperation mit: Arbeiterkammer Wien, Renner Institut, Die Grüne Bildungswerkstatt, Gefördert durch: WienKultur
Organisation und Kontakt: Josef Bakic, Marc Diebäcker, Elisabeth Hammer (Verein kritische Soziale Arbeit)
Präsentation des Kurswechsel Heft 03/2009 „Kritische Soziale Arbeit“
In den Beiträgen von Josef Bakic, Ljubomir Bratic, Marc Diebäcker, Volker Eick, Elisabeth Hammer, Uwe Hirschfeld, Fabian Kessl, Susanne Maurer, Eva Nadai, Nina Oelkers und Martina Richter werden unterschiedliche Möglichkeiten des Einsatzes von Kritik in der Sozialen Arbeit vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit Kritischer Sozialer Arbeit wird anhand wesentlicher professionstheoretischer Fragestellungen und ausgewählter Handlungsfelder aufgezeigt, womit ein Diskurs fortgesetzt wird, der in den letzten Jahren erste Konturen eines „Andersdenken“ sichtbar gemacht hat.
Private Pensionssysteme und die Finanzkrise
Die Vermögen, die international für die Altersvorsorge „angespart“ wurden, sind riesig. Die Pensionsfonds alleine (also ohne private Versicherungsverträge, Pensionsrückstellungen und Fonds von Finanzinstitutionen) hatten 2007 ein Vermögen von sage und schreibe 17.900.000.000.000 also fast 18 Billionen US Dollar. 57 Prozent davon lagen in den Pensionsfonds der USA. Im OECD-Schnitt sind damit über 75 Prozent des BIP in Pensionsfonds veranlagt. 2001 waren es 67 Prozent. Getrieben waren diese Ausweitungen von der Vorstellung immer höherer Renditen.
USA machten es vor, Europa folgte
Seit 2000 zieht Europa nach. Zwischen 2001 und 2007 stieg das in Pensionsfonds veranlagte Vermögen in Europa um 141 Prozent auf 4.300 Mrd US Dollar. Zum Vergleich: Das BIP stieg im gleichen Zeitraum um 32 Prozent. Spitzenreiter sind die Niederlande (fast 160 Prozent des BIP) vor Großbritannien (110 Prozent). Österreich, das auch ein starkes Wachstum der privaten Pensionsfonds in diesem Zeitraum aufwies, befindet sich mit rund 6 Prozent auf einem eher niederen Niveau.
Absturz und Verluste in der Krise
Der Trend in Richtung privater Pensionsvorsorge hat aufgrund der dadurch erzeugten „Kapitalmarktinflation“ die Finanzmärkte zusätzlich aufgebläht. Die versprochenen hohen Ertragsraten kapitalgedeckter Altersvorsorge haben die shareholder- Philosophie und die Kurzsichtigkeit der Finanzmärkte noch verstärkt. Die stetige Vergrößerung der Diskrepanz zwischen Börsenkursen und realen Werten baute ein enormes Absturzpotential auf.
Die massive Entwertung von Pensionsvermögen führt nun zu erheblichen Finanzierungslücken und bringt bei Leistungszusagen Unternehmen zusätzlich unter Druck. Leistungskürzungen und reduzierte Ertragserwartungen führen zu Nachfrageausfällen und verschärfen den wirtschaftlichen Abschwung. Die stark prozyklischen Effekte kapitalgedeckter Vorsorge in Krisenzeiten wirken zusätzlich destabilisierend.
Fünf Billionen Dollar vernichtet
In der gesamten OECD ist der Marktwert von privaten Pensionsansparplänen zwischen Dezember 2007 und Oktober 2008 um ca fünf Billionen Dollar gefallen (5.000.000.000.000 Dollar bzw 3,6 Billionen Euro – das entspricht 33 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU-27 Länder). In den USA haben selbst die Fonds, die ein relativ ausgewogenes Portfolio (rund 30 Prozent Aktienanteil) haben, im Durchschnitt 17 Prozent ihres Werts verloren.
Die Finanzkrise hat die kapitalgedeckten Pensionssysteme massiv getroffen. Die Verluste der privaten Pensionssysteme in den Jahren 2008 und 2009 sind enorm. In den USA wird gerechnet, dass die Verluste der Pensionsfonds fünf Jahre an Gewinnen ausradiert haben. Die österreichischen Pensionskassen haben im Durchschnitt 13 Prozent verloren. Im Jänner 2009 hat der Fachverband der österreichischen Pensionskassen bekannt gegeben, dass ca 42.000 der 63.000 BezieherInnen von Frmenpensionen mit Verlusten rechnen müssen. In etlichen Fällen kam es zu Kürzungen um 20 Prozent und mehr.
Die kritischen Variablen von Pensionssystemen
Demographie
Die demographische Entwicklung stellt alle Pensionssysteme vor Herausforderungen, Kapitaldeckungssysteme sind dabei nicht demographieresistenter. Wie mit der demographischen Entwicklung umgegangen wird, ist letztlich immer eine Frage der Verteilung des jeweils real erwirtschafteten Einkommens. Auch in kapitalgedeckten Systemen mit in Aktien, Anleihen und sonstigen Finanzprodukten veranlagten Pensionsvermögen kann immer nur das als Arbeits‑, Gewinn‑, Pensionseinkommen etc. verteilt werden, was auch tatsächlich real erwirtschaftet wird. Während öffentliche Umlagesysteme hierbei ein breites Risikopooling und einen breiten Lastenausgleich ermöglichen, erfolgt der „Ausgleich“ in den meisten kapitalgedeckten Systemen über die heftigen „Ups and Downs“ der Börsenkurse.
Wirtschaftswachstum
Jedes Pensionssystem hängt vom Wachstum der Realwirtschaft ab
Es gibt keine wunderbare Rentenvermehrung, jedes Pensionssystem ist von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Es geht dabei letztlich um die Realwirtschaft und nicht um virtuelle Erträge aus „fantasievollen“ Finanzprodukten. Während die Argumente für Wachstum fördernde Effekte kapitalgedeckter Systeme wenig überzeugen, werden die negativen Effekte auf das Wachstum durch deren prozyklische, destabilisierende Wirkung gerade in Krisenzeiten umso deutlicher. Demgegenüber gehen von öffentlichen, auch in der Krise die Kaufkraft erhaltenden Umlagesystemen wesentliche stabilisierende und damit Wachstum fördernde Effekte aus (automatische Stabilisatoren).
Jedes Pensionssystem hängt von der demographischen und der realwirtschaftlichen Entwicklung ab, kapitalgedeckte Systeme zusätzlich auch von den instabilen Finanzmärkten. Da das Risiko und die Schwankungen auf den Finanzmärkten sehr hoch sind, ist eine auch nur einigermaßen verlässliche Vorhersage der Höhe kapitalgedeckter Renten – über etwaige, zumeist sehr niedrige Garantiezinssätze hinaus (z.B. klassische Lebensversicherung) – nicht möglich. Die Pensionshöhe wird ganz entscheidend vom Zeitpunkt des Pensionsantritts und der dann jeweils vorherrschenden Lage am Finanzmarkt mitbestimmt. Abrupte drastische Kurseinbrüche können die Lebensplanung von Jahrzehnten innerhalb weniger Tage oder Wochen völlig auf den Kopf stellen. Hohe, oft völlig unrealistische Ertragserwartungen treiben das Risiko weiter in die Höhe und führen zu oftmals völlig unzureichenden Summen, die für die Pension angespart werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Volatilität der Finanzmärkte seit Anfang der Neunziger Jahre stark zu genommen hat.
Jedes System verwendet die angesparten Mittel in der Gegenwart
Weder in einem umlagefinanzierten noch in einem kapitalgedeckten System bleibt das „angesparte“ Geld im Tresor liegen – es findet immer sofort wieder seinen Eingang in das Wirtschafts- und/oder Finanzsystem. So legt der Staat die einbezahlten Pensionsbeiträge nicht „unter den Kopfpolster“: Sie fließen in Form von Pensionen für die ältere Generation und sichern damit deren Teilhabechancen und ermöglichen Konsum.
Ebensowenig kommen die Pensionsbeiträge für kapitalgedeckte Systeme in ein Sparschwein. Sie fließen auf die Finanzmärkte, wo versucht wird höchstmögliche Renditen zu erzielen. Dieses Geld ist daher keineswegs „sicher“, wie gerade die Ereignisse der letzten Monate deutlich vor Augen geführt haben.
Wie stark der Zusammenhang zwischen den so der Wirtschaft zunächst entnommenen (über Beiträge bzw Spareinlagen) und dann wieder zurückfließenden Mitteln (über Pensionsleistungen) ist, ist aber stark systemabhängig und mit unterschiedlichsten Risken behaftet.
Im Umlageverfahren werden die Beiträge sofort wieder als Pensionen ausbezahlt und damit nachfragewirksam. In kapitalgedeckten Systemen gibt es zuerst eine Veranlagung auf den Finanzmärkten, die für sich noch keine Ausweitung der realen Investitionen, sondern mitunter nur ein Aufblähen der Börsenkurse bewirkt.
Finanzmarktrisken treffen vor allem kapitalgedeckte Systeme
Eine Wirtschaftskrise, wie die aktuell gegebene, ist aufgrund der allgemeinen Belastung der öffentlichen Haushalte und der problematischen Entwicklung auf den Arbeitsmärkten selbstverständlich auch für umlagefinanzierte Systeme eine finanzielle Belastung. Das Risiko aber, dass schlagartig Vermögen entwertet werden und somit die Alterssicherung nicht mehr ausreichend gegeben ist, gibt es nur in kapitalgedeckten Systemen.
In einem umlagefinanzierten System, wie dem österreichischen (Ausfallshaftung des Bundes), sind auch bei krisenbedingten Beitragsausfällen die Pensionsleistungen sichergestellt. Die damit einhergehende Finanzierungslücke erhöht zwar kurzfristig den erforderlichen Bundesbeitrag, deren Ausmaß ist aber nicht annähernd so hoch wie die, durch die Finanzkrise verusachten Fehlbeträge in kapitalgedeckten Systemen. Gleichzeitig gehen davon auch wesentliche konjunkturstabilisierende Effekte (automatische Stabilisatoren) aus. Während die Vermögensvernichtung bei kapitalgedeckten Systemen hingegen krisenverschärfend wirkt.
Auch Kostenabwägungen sprechen für umlagefinanzierte, öffentliche Systeme. Die Zurverfügungstellung adäquater Einkommen im Alter verursacht natürlich erhebliche Kosten und zwar unabhängig vom Finanzierungsverfahren. Öffentliche Umlageverfahren erweisen sich dabei aufgrund geringerer Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie fehlender Vermögensverwaltungskosten und Gewinnzahlungen auch als effizienter als kapitalgedeckte private Systeme. Vermeintliche Kostenvorteile kapitalgedeckter Systeme resultieren aus viel eingeschränkteren Leistungsspektren (z.B. keine Abdeckung des Invaliditätsrisikos) und/oder (oft weit) überhöhten Renditeannahmen.
Langzeitberechnungen belegen: Die Finanzierung des österreichischen Umlageverfahren läuft nicht aus dem Ruder. Das österreichische Umlagesystem bleibt trotz massiver Verschiebungen in der Altersstruktur finanzierbar, die Kostenentwicklung läuft keineswegs aus dem Ruder. Trotz steigender Zahl der Älteren in der Gesellschaft wird es nur zu einem moderaten Anstieg beim Pensionsaufwand kommen.
Die Studie ist hier downloadbar.