28.1.: Heterodoxe Ökonomie am Scheideweg?
„Heterodoxe Ökonomie am Scheideweg – Wie geht es weiter?“
Donnerstag, 28. Jänner 2010, 19:00 Wirtschaftsuniversität (Augasse 2–6, 1090 Wien)Seminarraum 5.46, Kern C, UZA1
Die Studienvertretung Volkswirtschaft an der WU und der BEIGEWUM ladenherzlich zur Podiumsdiskussion, anlässlich des soeben erschienenen Buchs Heterodoxe Ökonomie, herausgegeben von Joachim Becker, Andrea Grisold, Gertraude Mikl-Horke, Reinhard Pirker, Hermann Rauchenschwandtner, Oliver Schwank, Elisabeth Springler und Engelbert Stockhammer (Metropolis-Verlag,
266 Seiten, November 2009).
AutorInnen des Buchs diskutieren Vergangenheit und Perspektiven für heterodoxe Ökonomie an der WU und versuchen zu umreißen, was die Heterodoxe Ökonomie heute ausmacht. Bei dieser Gelegenheit werden auch zwei Gratis-Exemplare des neuen Buchs verlost.
„Mythen der Krise“ – neues BEIGEWUM Buch!
Neues BEIGEWUM Buch:
„Mythen der Krise. Einsprüche gegen falsche Lehren aus dem großen Crash“
Herausgegeben vom Beirat für gesellschafts‑, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen und von Attac Österreich
VSA Verlag, 128 Seiten (Februar 2010)
EUR 10.80
ISBN 978–3‑89965–373‑1
Zu Beginn der aktuellen Krise schien der Neoliberalismus, ja der Kapitalismus insgesamt, schweren Legitimationsschaden zu nehmen. Doch mittlerweile haben sich seine Apologeten erholt und versuchen mit allen Mitteln, ihre Lehren zu verteidigen.
Mit Mythen wie „Der Staat ist schuld an der Krise“ oder „Europa ist nur Opfer“ wird Ursachenverleugnung betrieben. Mit Ansagen wie „Jetzt droht die Hyperinflation“, „Wir vererben nachfolgenden Generationen Schulden ohne Ende“ oder „Jetzt müssen alle den Gürtel enger schnallen“, wird versucht, eine Abkehr von der herrschenden wirtschaftspolitischen Doktrin zu verhindern. Mit Warnungen wie „Die Banken sind um jeden Preis zu retten“ wird beschleunigt in Sackgassen gesteuert. Doch auch kritisch auftretende Ansätze wie die Zinskritik versuchen die Krise zu nutzen, um für ihre Irrlehren zu werben.
Die AutorInnen nehmen sich die kursierenden Mythen vor und ordnen sie in die Bereiche Krisenursachen, Krisenbeschreibung sowie Krisenlösungen ein. Die auch für Nicht-ÖkonomInnen eingängige Darstellung und das Aufgreifen von hartnäckig wirkenden Vorurteilen machen ihr Buch zu einer willkommenen Argumentationshilfe für all jene, die dem herrschenden Krisen-Management kenntnisreich entgegen treten wollen.
Präsentation am Di, 16.3. 2010 um 19h in der Städtischen Bücherei Wien am Urban Loritz Platz mit Karin Küblböck, Markus Marterbauer und Georg Feigl: „Alle Gürtel enger schnallen, sonst droht der Staatsbankrott und andere Mythen der Krise“
Weitere Termine:
10. Februar 16h und Freitag, 12. Februar 9h05: Interview mit Co-Autor Beat Weber in der Ö1-Sendung „Kontext – Sachbücher und Themen“
24. März 2010 um 18h an der WU Wien, Hs. 5.46 © mit Helene Schuberth, Elisabeth Springler und Beat Weber
19. April 2010 um 19h Buchpräsentation und Diskussion mit Katharina Muhr (BEIGEWUM) im Kulturhof Amstetten
Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnis (PDF)
Textprobe: Mythos – Alle müssen Gürtel enger schnallen (PDF)
Neu: Kurswechsel 4/09: „State(s) of Workfare“
Workfare: Does it work? Is it fair? Der Begriff Workfare verweist auf einen tiefgreifenden Wandel des Staates, der eine strategische Neuausrichtung seiner sozialpolitischen Instrumente gemäß den Vorgaben deregulierter Arbeitsmärkte und ausgeglichener Staatshaushalte mit sich bringt. Das neue Kurswechsel- Heft geht diesen Veränderungen mit Fokus auf die Politikfelder der Sozialhilfe- und Arbeitsmarktpolitik nach und arbeitet seine sozialen Implikationen heraus.
Mit Beiträgen von Roland Atzmüller, Hans-Jürgen Bieling, Christian Brütt, Nikolaus Dimmel, Marcel Fink, Britta Grell, Markus Griesser und Bettina Leibetseder.
Außerhalb des Schwerpunkts in diesem Heft eine aktuelle Debatte zum Thema Sparen und Managerialismus im öffentlichen Bereich. Mit Beiträgen von Florentine Maier, Johannes Leitner, Michael Meyer, Reinhard Millner, Bruno Rossmann, Christa Schlager
Demokratisierung und aufkommende Postdemokratie
Beitrag[1] von Bernhard Leubolt [2]
Die aktuelle Transformation der Demokratie um das Spannungsfeld von Gerechtigkeit und Globalisierung ist Leitthema dieses Beitrags. Dafür wird erst die Entstehungsgeschichte der demokratischen Idee kurz umrissen, um davon ausgehend idealtypisch Dimensionen demokratischer Entwicklung zu skizzieren. Der hier präsentierte Idealtypus geht in dreierlei Hinsicht über konventionelle Sichtweisen hinaus, die Demokratie auf Wahl- und Eigentumsrecht reduzieren: (1) Auf Prozessebene wird die Ergänzung repräsentativer Demokratie durch direkte und partizipative Formen vorgeschlagen; [3] auf inhaltlicher Ebene werden sowohl (2) soziale als auch (3) Wirtschaftsdemokratie als notwendige Ergänzungen thematisiert. Tabelle 1 skizziert dieses breite Verständnis von Demokratie, das im anschließenden Kapitel näher dargestellt wird. Auf dieser Grundlage wird die Entwicklung der Demokratie ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs behandelt. Besonders herausgestellt werden dabei Debatten um das Aufkommen von „Postdemokratie“.
Tabelle: Dimensionen von Demokratie[4]
Prozess | Inhalt | |
---|---|---|
Bereich | Politisch | Sozio-ökonomisch |
Worüber? | Regelsetzung | Resultats-orientiert |
Ideal | Freiheit | Gleichheit und Gerechtigkeit |
Wie? | Teilhabe an politischen Entscheidungen Staatsmacht: bürokratisch / öffentlich / privat Partizipation |
Zugang zu Ressourcen Soziale und ökonomische Rechte: universell oder partiell („Treffsicherheit“) |
Formen | Direkt, repräsentativ, partizipativ | Wohlfahrtsstaat, betriebliche Demokratie |
Demokratie – Begriffsbestimmung und Geschichte
Der Begriff „Demokratie“ kommt aus dem antiken Griechenland und schließt die Begriffe Volk (démos) und Herrschaft (kratía) ein. Der Begriff hatte jedoch damals nicht unbedingt eine positive Konnotation, sondern war vielmehr „ein parteilicher Terminus, der von den oberen Klassen geprägt wurde, um die ‚Übermacht’ (krátos) der Besitzlosen (démos) zu bezeichnen, wenn ‚Demokratie’ herrscht“, wie Canfora in seiner „kurzen Geschichte der Demokratie“ anmerkt. [5] Demokratie wurde mit Chaos gleichgesetzt, das eintrete, wenn die ungebildeten Massen die Macht übernehmen. Daher distanzierte sich insbesondere Plato von dieser Herrschaftsform.[6] In der „Wiege der Politik“ Athen etablierte sich in weitere Folge dann auch eine Herrschaftsform, die diese Kritik berücksichtigte. Nicht-versklavte männliche Bürger (teilweise auch bloß Krieger) fällten politische Entscheidungen. Schon in dieser Zeit war Staatsbürgerschaft (im Stadtstaat) Voraussetzung zur Teilnahme an den kollektiven Entscheidungen. Außerdem musste das Einkommen groß genug sein, um Steuern zu entrichten und auch Wehrdienst musste geleistet werden. Alle Frauen und die Mehrheit der Männer blieben somit ausgeschlossen. Daher kann Demokratie in ihren klassischen Ursprüngen im antiken Griechenland mit Canfora als „Gemeinschaft bewaffneter Männer“ [7] bezeichnet werden.
Die dahinter stehende gesellschaftliche Tradition setzt sich seither weitestgehend durch. Mit Rancière gesprochen, „gibt es [in den Augen der Mächtigen bzw. der ‚Oligarchie’] nur eine gute Demokratie, diejenige, die die Katastrophe demokratischer Zivilisation verhindert“ [8]. Nach Rancière war es stets die gesellschaftliche Minderheit einer „Oligarchie“, die ihre über Herkunft, Reichtum und Bildung erreichten Privilegien nicht an die Massen bzw. „den Pöbel“ abgeben wollte.
In der weiteren geschichtlichen Entwicklung zeigte sich dann auch, dass die ersten „demokratischen Rechte“ liberale Grundrechte zum Schutz des Individuums vor staatlichen Eingriffen waren. Die aufkommende bürgerliche Öffentlichkeit [9], die sich in den Salons und Kaffeehäusern formierte, verlangte nach Schutz vor staatlicher Willkür. Wichtigstes bürgerliches Anliegen war jedoch auch in dieser Zeit schon der Schutz ihres privaten Eigentums und der familiären Privatsphäre vor staatlichen oder fremden Einflüssen. Diese Entwicklung ging einher mit der zunehmenden Etablierung kapitalistischer Vergesellschaftung. [10] In der Rechtsgeschichte schlägt sie sich in der frühen Etablierung des Eigentumsrechts als erstem verbrieften Recht nieder. Die in diesem Zusammenhang garantierte Freiheit wird in der Philosophie als „negative Freiheit“ bezeichnet, die nach Isaiah Berlin [11] einen Zustand bezeichnet, in dem keine von anderen Menschen oder Organisationen ausgehenden Zwänge individuelles Verhalten erschweren oder verhindern.
Positive Freiheit impliziert hingegen die Möglichkeit, die negative Freiheit von fremden Einflüssen auch dahin gehend zu nutzen, das eigene Leben zu gestalten. „No taxation without representation“ war diesbezüglich die Forderung, mit der sich die britische Bourgeoisie gegenüber den Adeligen durchsetzen konnte. Auch die französische Revolution war von ähnlichen Gedanken getragen. In diesem Fall stützte sich die bürgerliche Bewegung jedoch gleichzeitig auch auf die große Mehrheit der Bevölkerung wie die Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ aufzeigt. Nach der Niederschlagung von JakobinerInnen und Sansculottes um Robespierre setzte sich aber auch hier das Besitzbürgertum durch. Das Wahlrecht war dann – wie in England – von Klassenzugehörigkeit, Bildungsstand und Geschlecht abhängig. Analog zum antiken Griechenland wurden die Vorrechte der patriarchalen Oligarchie also auch im Zuge der bürgerlichen Revolution kaum beeinträchtigt. [12]
Demokratisierung im 20. Jahrhundert
Mit wenigen Ausnahmen wurde das allgemeine Wahlrecht erst im 20. Jahrhundert etabliert und das auch oft bloß etappenweise. Das Frauenwahlrecht folgte dabei meist zuletzt, was die patriarchale Trennung zwischen den Männern vorbehaltener „Öffentlichkeit“ und den Frauen zugeschriebener „Privatheit“ im Familienhaushalt wiederspiegelt. Während Frauen Fürsorgearbeit im Privathaushalt zugeschrieben wird, sind Männer in den Bereichen von Lohnarbeit und Politik präsent.
Hinter der Erreichung des allgemeinen Wahlrechts standen massive gesellschaftliche Kämpfe. In Europa war die ArbeiterInnenbewegung – in weiten Teilen repräsentiert durch sozialistische oder sozialdemokratische Parteien – zentrale Protagonistin für diesen demokratischen Wandel, der vor allem in den Zeiten nach den Weltkriegen stattfand. Die propagierte Vorstellung von Demokratie umfasste jedoch nicht bloß politische, sondern auch soziale Rechte. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf Arbeitsrechte gelegt, aber auch die Demokratisierung der Arbeitswelt wurde diskutiert. Während des Zusammenbruchs der Monarchie arbeitete z.B. die österreichische Sozialdemokratie unter Otto Bauer darauf hin, demokratische Strukturen betrieblicher Selbstverwaltung zu initiieren, was in den Bestimmungen zu den Betriebsräten Einzug in die österreichische Verfassung gefunden hat. Tendenzen zur Etablierung von sozio-ökonomischer Demokratie wurden jedoch auch in dieser Phase von konservativen und liberalen Kräften abgeschwächt oder verhindert.[13]
Erst nach dem 2. Weltkrieg setzte dann eine neue Dynamik ein: die Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten in Europa. In dieser Zeit war ein antifaschistischer Grundkonsens die Basis für die Beteiligung von sozialistischen und kommunistischen Parteien in verfassungsgebenden Versammlungen.[14] Die resultierenden Verfassungen enthielten weitgehendere Arbeitsrechte als je zuvor. Ökonomisch setzte sich das Modell des Keynesianismus bzw. „Fordismus“ durch, das auf Massenproduktion für den Massenkonsum innerhalb der Nationalstaaten abzielte. Henry Fords Losung, dass „seine Arbeiter sich seine Autos leisten können müssen“, wurde Programm. Korporatistische Arrangements nahmen „sozialpartnerschaftliche“ Formen an – Gewerkschaften bekamen somit eine aktive Rolle bei der Formulierung von Politik. Frauen blieben dabei weitgehend ausgeschlossen, da sowohl Staat als auch korporatistische Organisationen von Männerbünden[15] dominiert wurden.
Sozialpolitik – ursprünglich von Bismark zur Schwächung der ArbeiterInnenbewegung eingeführt – wurde stark ausgebaut. Der britische Soziologe T.H. Marshall sprach von der Etablierung von „sozialer Staatsbürgerschaft“ (social citizenship).[16] Durch die Gewährung von politischen und sozialen Rechten würden Klassenunterschiede langsam verschwinden und stattdessen würden sich gleiche StaatsbürgerInnen gegenübertreten. Die Universalisierung von öffentlichen Dienstleistungen – insbesondere von sozialpolitischen wie Bildungseinrichtungen und Gesundheitsversorgung – war dafür essenzielle Grundlage. Gesetzlich garantierte soziale Rechte, die eingeklagt werden konnten, stellten einen großen Unterschied zur vorher gegebenen Abhängigkeit von Almosen gutmütiger reicher Menschen dar. Idealtypisch kann daher die Entwicklung der Demokratie in Europa mit der schrittweisen Einführung bzw. dem Erkämpfen von liberalen Grundrechten (civil rights), politischen Rechten und sozialen Rechten verstanden werden.[17]
Die als Ergebnis des „demokratischen Klassenkampfes“[19] etablierten staatlichen Sozialleistungen griffen auch in polit-ökonomische Prozesse ein. Der Prozess der Kommodifizierung, d.h. des „zur Ware werdens“ bzw. der Inwertsetzung von Arbeitsprodukten, wurde in manchen Bereichen rückgängig gemacht – z.B. musste dann für den Besuch von Schulen oder Krankenhäusern kein individueller Preis mehr bezahlt werden. In der Literatur wird der entsprechende Prozess als „De-Kommodifizierung“ bezeichnet, wodurch „Anti-Wert“ entstehen konnte.[20] Durch steuerlich finanzierte staatliche Leistungen wurden einige Bereiche der Profitlogik entzogen, was positive Auswirkungen auf die BürgerInnen hatte, die soziale Rechte gültig machen konnten:
„Indem er Armut, Arbeitslosigkeit und totaler Lohnabhängigkeit ein Ende setzt, steigert der Wohlfahrtsstaat politische Ressourcen und verringert zugleich jene sozialen Spaltungen, die die politische Einheit der Arbeiterschaft gefährden.“[21]
Gleichzeitig begünstigte die De-Kommodifizierung auch die wirtschaftliche Entwicklung. Die staatliche Bereitstellung sozialer Dienstleistungen begünstigt in vielfacher Weise der Reproduktion der menschlichen Arbeitskraft. Staatliche Bildung kann betriebliche Weiterbildung teilweise ersetzen, staatliche Gesundheitsversorgung verringert krankheitsbedingte Arbeitsausfälle, usw. Auch Geschlechterverhältnisse können durch Prozesse der De-Kommodifizierung beeinflusst werden. Die vorhin erwähnte Trennung in „Privatheit“ und „Öffentlichkeit“ im Arbeitsleben kann durch staatliche Angebote von Fürsorgearbeit (Care) wie Kinder– und Altenbetreuung dahingehend beeinflusst werden, dass Frauen am Arbeitsleben teilnehmen. Der damit einhergehende Prozess von Kommodifizierung ist ein doppelter: (1) Die neu entstehenden Arbeitsplätze werden größtenteils von Frauen ausgeübt und (2) eröffnet die staatliche Übernahme der Fürsorgearbeit Frauen die Möglichkeit zur Lohnarbeit. Esping-Andersen bezeichnet diese Prozesse als De-Familiarisierung,[22] die in erster Linie in den sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsstaaten in Skandinavien eingetreten ist. In den liberalen sowie den konservativen Wohlfahrtsstaaten Mittel– und Südeuropas ist Sozialpolitik hingegen noch stärker familiarisiert.[23] Während in liberalen Wohlfahrtsstaaten und in Südeuropa der Grad der De-Kommodifizierung relativ gering ist, wurde in Zentraleuropa trotz De-Kommodifizierung relativ wenig de-familiarisiert. Das Modell des männlichen Familienernährers wurde hier in der Zeit der dynamischen Entwicklung der Sozialpolitik kaum angetastet. Anders als in Skandinavien wurde in den 1960er und 1970er Jahren von staatlicher Seite nicht versucht, den staatlichen Bedarf an Arbeitsplätzen durch die Integration von Frauen in die Lohnarbeit zu decken. Vielmehr wurde hier auf männliche „Gastarbeiter“ gesetzt.[24] Die staatlich forcierten Migrationsprozesse führten gleichzeitig auch Probleme vor Augen, die mit der Koppelung von sozialen Rechten an Staatsbürgerschaft verbunden sind. Prozesse der Überausbeutung migrantischer Arbeitskraft waren auch erste Ansatzpunkte zur Aufkündigung des fordistischen Wohlfahrtsstaats, der auf der kontinuierlichen Ausweitung des Massenkonsums basierte.[25]
Die Welle der Demokratisierung erfasste bis in die 1970er Jahre immer weitere Bereiche. In Österreich wurde unter Kreisky – im Rahmen der korporatistischen Tradition – beispielsweise auch das Bildungswesen für die Beteiligung von betroffenen Gruppen geöffnet. Sozio-ökonomische Demokratisierung ging dabei mit politischer Demokratisierung einher, da gleichzeitig der Zugang verbreitert und die Beteiligten an Entscheidungen beteiligt wurden. Die schon erwähnten Problematik der dominierenden Männerbünde setzte sich aber auch in dieser Phase fort. Der deutsche Ungleichheitsforscher Kreckel führt dies vor allem darauf zurück, dass der (in Österreich und Deutschland dominante) Korporatismus an der männlich dominierten Erwerbsarbeit anknüpfte und Frauen daher automatisch ausschloss.[26]
Die zunehmende Bürokratisierung kann als weiteres Problem betrachtet werden. Auf der einen Seite helfen bürokratische Prozeduren zwar, persönliche Herrschaftsformen einzudämmen, da gleiche Regeln für alle zu gelten haben.[27] Gleichzeitig ist die Bürokratie auch ein hierarchisches System, das dazu tendiert, sich vom gesellschaftlichen Leben abzukoppeln. Staatlich erbrachte Dienstleistungen wurden daher vielfach nicht als öffentliche (d.h. tatsächlich gesellschaftlich und demokratisch) Leistungen identifiziert – weder seitens der NutzerInnen noch seitens der BeamtInnen. Neben dieser Problematik zeigte sich schon im „goldenen Zeitalter“ der sozio-ökonomischen Demokratisierung im Fordismus, dass die Verbreiterung des Zugangs teilweise zu Qualitätsverlusten führte. Die Phänomene von „Massenkultur“ und der dadurch bedingte Strukturwandel der Öffentlichkeit wurden besonders von Vertretern der Frankfurter Schule (v.a. Habermas, Adorno, Horkheimer) ausgearbeitet. So schreiben Horkheimer und Adorno[28] schon 1944:
„Die Abschaffung des Bildungsprivilegs durch Ausverkauf leitet die Massen nicht in die Bereiche, die man ihnen ehedem vorenthielt, sondern dient, unter den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen, gerade dem Zerfall der Bildung, dem Fortschritt der barbarischen Beziehungslosigkeit.“
Die in der „Dialektik der Aufklärung“ enthaltene Kritik am Verlust der kritischen Bildung, die ursprünglich dazu gedient hatte, das gesellschaftliche Establishment auf ihre Führungsrollen in Politik und Wirtschaft vorzubereiten, um dann von Massen (aus)bildung abgelöst zu werden, deren Hauptaufgabe die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt war, wurde von Habermas noch breiter auf die Gesellschaft bezogen. Die kritische bürgerliche Öffentlichkeit wurde durch eine durch kommerzielle Interessen „vermachtete“ Öffentlichkeit der Massenkultur und –gesellschaft abgelöst.[29] In Bezug auf die Transformation der Demokratie hatte Agnoli[30] ähnliche Gedanken: Er radikalisierte die bürgerlich-aufklärerische Kritik der Frankfurter Schule dahingehend, die Kontinuität der Prozesse der gesellschaftlichen Absonderung der Herrschenden aufzuzeigen. In der sich etablierenden Massengesellschaft entwickelte sich ein Typus der Massen– bzw. Staatspartei, die einen starken „Zug zur politischen Mitte“ aufweist. Dafür ist es notwendig, dass sich Parteien weg von ihren Mitgliedern entwickelten, was meist über Bürokratisierung geschah. An die Stelle gesellschaftlicher Auseinandersetzung tritt dann die Auseinandersetzung um Kompetenz in der Verwaltung von „Sachzwängen“:
„Die politische Partei des Verfassungsstaates – dort, wo sie sich am vollsten ausgebildet hat – wirkt in letzter Instanz als Klassenorgan der Konservativen, weil sie keine Klassen mehr zu kennen vorgibt, sondern nur noch ‚Menschen’. In ihr herrschen beim Entscheidungsprozess nicht der Drang und der Druck existenter Bevölkerungsgruppen, sondern der ‚Sachzwang’.“[31]
Schon in der Phase des fordistischen Wohlfahrtsstaats zeigten sich also erste Anzeichen des Prozesses, der in der aktuellen Debatte als „postdemokratisch“ beschrieben wird.
Neoliberaler Autoritarismus und Postdemokratie
In den 1980er Jahren wurden der keynesianisch-fordistische Nachkriegskonsens vom Neoliberalismus verdrängt. David Harvey[32] zeigt auf, dass es sich dabei um ein Projekt der Wiederherstellung der Macht der herrschenden Klassen handelte. In materieller Hinsicht zeigt sich das deutlich in Einkommens– und Vermögensverteilung. Nicht nur die (im Gini-Koeffizienten gemessene) personelle Einkommensverteilung, sondern auch die funktionale Verteilung zwischen Kapital und Arbeit verändern sich beständig zu Gunsten der Reichsten. Die größten Verlierer sind dabei auf den ersten Blick die männlichen Brotverdiener von einst, die aufgrund von Reallohneinbußen oft nicht mehr alleine ihre Familien ernähren können. Auf Frauen wirken die Umstrukturierungen klassenselektiv:[33] Generell üben jetzt mehr Frauen Erwerbsarbeit aus. In den ärmeren Familien wird die Lohneinbuße des ehemaligen Familienernährers meist durch Teilzeitarbeit der Frauen ausgeglichen, deren Arbeitsbelastung im Haushalt jedoch nicht gleichzeitig sinkt. Reichere DoppelverdienerInnen-Familien hingegen leisten sich zunehmend Haushälterinnen. Meist von Migrantinnen ausgeführte Haushaltsarbeit wird dann zwar bezahlt, führt aber auch zur Ausweitung des Niedriglohnsegments.
Diese soziale Entdemokratisierung wird verschärft durch Tendenzen zur Privatisierung, da der Zugang zu sozialer Infrastruktur dann stärker durch finanzielle Möglichkeiten geprägt wird. Auch die Umstrukturierung der Sozialpolitik im Sinn von „workfare“ statt „welfare“[34] wie z.B. mittels der Hartz IV Gesetze in Deutschland trägt zur autoritären Wende bei, da „aktivierende Arbeitsmarktpolitik“ an den Zwang gekoppelt wird, Erwerbsarbeit nachzugehen – auch unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Die sozio-ökonomische Komponente wird auch durch Umstrukturierungen des Arbeitsregimes verändert. Die „Flexibilisierung“ (d.h. der Abbau) arbeitsrechtlicher Standards geht einher mit der Erosion korporatistischer Mechanismen der „Sozialpartnerschaft“. An deren Stelle treten jedoch nicht offenere Formen von Mitbestimmung, sondern Kombinationen aus Zielvorgaben des oberen Managements (mittels Indikatoren usw.) und autonome Teamstrukturen unter den ArbeitnehmerInnen, die frei sind in der Wahl der Mittel zur eigenen Ausbeutung.[35]
Auch auf Prozessebene geht die Tendenz in Richtung Demokratieabbau, was als „Postdemokratie“ (Crouch) bzw. „post-politische“ Entwicklung (Mouffe, Rancière) bezeichnet wird. Zentrale Elemente sind hier (1) das Verschwimmen der Grenzen zwischen Unternehmen und Staat und (2) die Ablösung von interessensbasierter Politik durch „objektive“ Behandlung von „Sachzwängen“ durch ExpertInnen. Crouch[36] betont besonders die Dominanz des „globalen Unternehmens“: Die mit dem Prozess der „Globalisierung“[37] zusammenhängende steigende Mobilität des Kapitals erhöht dessen Druckpotential gegenüber nationalen Regierungen. Auch institutionelle Umstrukturierungen der Staaten fördern diesen Prozess: Einerseits führt der Fokus auf „Public – Private Partnerships“ (PPPs) dazu, dass der Staat in vielen konkreten Projekten direkt mit Unternehmen zusammenarbeitet. Transparenz und Rechenschaft, die in klassisch bürokratischen Prozessen wichtig waren, gehen dabei ebenso verloren wie die Möglichkeit von gewählten VertreterInnen, eigenständig Entscheidungen zu treffen.[38] Andererseits wird auch staatliches Handeln selbst in Reformprozessen des „New Public Management“ nach dem Vorbild der unternehmerischen Organisation „verbetriebswirtschaftlicht“. Das Ergebnis bezeichnen die renommierten Governance-Forscher Peters und Pierre[39] als „Faust’schen Tausch“ von kurzfristiger Effizienz zu Lasten von Demokratie.
Im politischen Prozess werden die von Agnoli schon für den Fordismus skizzierten Tendenzen zur De-Politisierung weiter radikalisiert. Politik wird in diesem Sinne nicht mehr als Aufeinanderprallen von entgegengesetzten Interessen betrieben, sondern als objektives Lösen von Problemen unter der Last der „Sachzwänge der Globalisierung“. Auf Akteursebene betrifft das vor allem ehemals linke Parteien, die sich auch selbst umstrukturieren: Um den „Zug zur Mitte“ vollziehen zu können, werden Entscheidungskompetenzen auf wenige führende Köpfe zentralisiert und der Parteiapparat dabei bürokratisiert. Die Staatsapparate selbst werden ähnlich umstrukturiert: strategische Entscheidungen werden zunehmend weniger in Parlamenten getroffen, sondern durch Exekutive und Judikative (letzteres v.a. in der EU), wirtschaftliche Apparate wie Finanzministerium und Zentralbank werden gegenüber anderen Apparaten gestärkt. Einiges wird auch auf „Expertengremien“ ausgelagert, die als objektiv präsentiert werden.[40] Rancière sieht darin die Demokratiefeindlichkeit der „Oligarchie“ des gesellschaftlichen Establishments, die ihre „natürliche Überlegenheit“ aufgrund von Herkunft und Bildung nicht an „den Pöbel“ abgeben wollen.[41] Als Reaktion of die sogenannte Politikverdrossenheit im postdemokratischen Zeitalter gibt es teilweise Partizipationsprojekte auf lokaler Ebene. Meistens betreffen diese Projekte jedoch bloß Mikrostrukuren (z.B. partizipative Parkgestaltung) während strategisch zentrale Entscheidungen (z.B. EU-Reformvertrag, aktive Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs) in entpolitisierten und meist auch intransparenten Räumen stattfinden. Vielerorts sind die einzigen Parteien, die sich dem postdemokratischen Konsens entgegenstellen, neofaschistisch, während Parteien des linken Spektrums sich zur politischen Mitte hin als Staatsparteien zu etablieren versuchen.
Fazit
Das hier skizzierte Konzept von Demokratie ist breit angelegt als politisch und sozio-ökonomisch sowie prozesshaft, d.h. die Prozesse von Demokratisierung und Ent-Demokratisierung stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Zentrales Moment bei diesen Prozessen ist das Verhältnis der „Oligarchie“ zur „Masse des Volkes“. Im Lauf der Geschichte zeigte sich, dass die „Oligarchie“ stets Bemühungen zeigte, sich vom Rest abzuschotten und zu verhindern, dass „der ungebildete Pöbel“ Entscheidungen trifft. Nach der Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechts kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer kurzen Welle der Demokratisierung. Im Zuge der neoliberalen Transformationen verstärkten sich dann Tendenzen zur Ent-Demokratisierung, die in aktuellen Debatten als „postdemokratisch“ bezeichnet werden. Im Zuge dessen werden sozio-ökonomische Rechte abgebaut und entsprechende Entscheidungen als „ökonomische Sachzwänge der Globalisierung“ de-politisiert. Wenn diese Entwicklungen die Parteien des linken Spektrums erfassen, sind es oft bloß neofaschistische Parteien, die sich gegen den postdemokratischen Konsens stellen. Um mögliche Neofaschismen zu verhindern, gilt es, progressive Konzepte von Re-Politisierung und Demokratisierung zu entwickeln, die an der Dynamik der Nachkriegszeit anknüpfen und in Bezug auf Geschlechterverhältnisse und Staatsbürgerschaft neue Ansätze zu finden, um den Prozess der Demokratisierung weiter voranzutreiben.
Literatur
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Fußnoten
[1] Dieser Beitrag wird im Frühjahr 2010 in einer Publikation der GBW zum Themenbereich „Globalisierung – Gerechtigkeit – Demokratie“ im Planet-Verlag erscheinen.
[2] Promotionsstipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung im Rahmen des Kollegs „Global Social Policies and Governance“ (http://www.social-globalization.uni-kassel.de/); Redaktionsmitglied des „Journal für Entwicklungspolitik“ (http://www.mattersburgerkreis.at/jep/); Vorstandsmitglied des BEIGEWUM.
[3] Die Kombination von repräsentativer, direkter und partizipativer Demokratie wird hier jedoch nicht weiter vertieft. Vgl. dazu: Bernhard Leubolt, Andreas Novy und Barbara Beinstein: Governance and Democracy – KATARSIS Survey Paper, in: Cahiers du Centre de recherche sur les innovations sociales (CRISES), Collection Études théoriques, H. ET0908 (2009) http://www.crises.uqam.ca/cahiers/ET0908.pdf (Stand: 17-11-2009).
[4] Andreas Novy und Bernhard Leubolt: Scale-Sensitive Socioeconomic Democratisation, auf der „RSA-conference: Understanding and Shaping Regions: Spatial, Social and Economic Futures“ Konferenz präsentiertes paper, Leuven, 6–8 April 2009, S. 4, http://www.regional-studies-assoc.ac.uk/events/2009/apr-leuven/papers/Novy.pdf (Stand: 26.11.2009).
[5] Luciano Canfora: Eine kurze Geschichte der Demokratie. Von Athen bis zur Europäischen Union, Köln: PapyRossa 2006, S. 35f.
[6] Neben Canforas Buch vgl. auch: Jacques Rancière: Hatred of Democracy, London: Verso 2009.
[7] Canfora (Anm. 3), S. 35.
[8] Rancière (Anm. 4), S. 4; Übers. BL.
[9] Vgl.: Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, Frankfurt: Suhrkamp 1990.
[10] Eine ausgezeichnete Beschreibung der historischen Entstehung des Kapitalismus findet sich bei: Jürgen Kromphardt: Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4. Aufl. 2004.
[11] Isaiah Berlin: Two Concepts of Liberty (1958) http://www.nyu.edu/projects/nissenbaum/papers/twoconcepts.pdf (Stand: 23-11-2009).
[12] Neben Canforas Buch (Anm. 3) gibt auch „Der achtzehnte Brumaire des Louis Napoleon“ von Karl Marx (MEW 8, Berlin: Dietz; bzw.: http://www.ml-werke.de/marxengels/me08_115.htm) interessante Einblicke in die Geschichte der französischen Revolution.
[13] Zu den austro-marxistischen Konzeptionen vgl.: Otto Bauer: Der Weg zum Sozialismus, Werkausgabe, Wien: Europaverlag 1976. In einem anderen Beitrag beziehe ich mich ausführlicher darauf: Bernhard Leubolt: Krise der Demokratie und mögliche Alternativen, http://www.beigewum.at/2009/11/krise-der-demokratie-und-mogliche-alternativen/ (Stand: 26.11.2009)
[14] Vgl.: Canfora (Anm. 3).
[15] Vgl.: Eva Kreisky: Das ewig Männerbündische? Zur Standardform von Staat und Politik, Hg. Claus Leggewie, Wozu Politikwissenschaft? Über das Neue in der Politik, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994.
[16] Vgl.: Thomas Humphrey Marshall: Citizenship and Social Class, and other Essays, Cambridge: Cambridge University Press 1950.
[17] Vgl.: Guillermo O’Donnell: Human Development, Human Rights, and Democracy, Hg. Guillermo O’Donnell, Jorge Vargas Cullell und Osvaldo M. Iazzetta, The Quality of Democracy: Theory and Applications, Notre Dame: University of Notre Dame Press 2004.
[18] Eigene Darstellung nach: Ebd.
[19] Der Begriff stammt von Korpi, der damit auf die klassen-basierten institutionellen Kämpfe von sozialdemokratischen,sozialistischen und/oder kommunistischen Parteien hinwies, die zur Etablierung von sozialpolitischen Arrangements führten. Vgl.: Walter Korpi: The Democratic Class Struggle, London: Routledge 1983
[20] Der Begriff der De-Kommodifizierung geht auf Esping-Andersen zurück; vgl.: Gøsta Esping-Andersen: The three worlds of welfare capitalism, Cambridge: Polity Press 1990Gøsta Esping-Andersen: Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus. Zur Politischen Ökonomie des Wohlfahrtsstaates, Hg. Stephan Lessenich und llona Ostner, Welten des Wohlfahrtskapitalismus: Der Sozialstaat in vergleichender Perspektive, Frankfurt: Campus 1998.
Der brasilianische Soziologe Oliveira beschrieb die Entwicklung mit Hilfe der Marx’schen Kategorien zur Kritik der politischen Ökonomie als „Aufkommen des Anti-Werts“; vgl.: Francisco de Oliveira: O Surgimento do Antivalor. Capital, Força de Trabalho e Fundo Público, In: Novos Estudos 9 (1988), H. 22.
[21] Esping-Andersen: Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus. Zur Politischen Ökonomie des Wohlfahrtsstaates, S. 23.
[22] Gøsta Esping-Andersen: Social Foundations of Postindustrial Economies, Oxford: Oxford University Press 1999.
[23] Esping-Andersen unterscheidet sozialdemokratische Wohlfahrtsstaaten (Skandinavien) von liberalen (z.B. Großbritannien, USA) und konservativ-korporatistischen (z.B. Deutschland, Frankreich, Österreich). Aufgrund des deutlich geringeren Grades der De-Kommodifizierung und der damit verbundenen Auslagerung von Sozialpolitik auf Familien wird Südeuropas Sozialmodell oft als familienbasiert bezeichnet; vgl. z.B.: Alberta Andreottiu.a.: Does a Southern European Model Exist?, In: Journal of Contemporary European Studies 9 (2001), H. 1.
[24] Vgl.: Evelyne Huber und John D. Stephens: Development and Crisis of the Welfare State: Parties and Policies in Global Markets, Chicago: The University of Chicago Press 2001.
[25] Vgl.: Étienne Balibar und Immanuel Wallerstein: Rasse, Klasse, Nation: Ambivalente Identitäten Hamburg: Argument, 2. Aufl. 1998.
[26] Reinhard Kreckel: Politische Soziologie der sozialen Ungleichheit, Frankfurt: Campus, 3. Aufl. 2004
[27] Das grundlegende Werk zur Bürokratie ist: Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie, Tübingen: Mohr Siebeck, 5. Aufl. 1980; zur Kritik vgl.: Jan Rehmann: Max Weber: Modernisierung als passive Revolution. Kontextstudien zu Politik, Philosophie und Religion im Übergang zum Fordismus, Hamburg: Argument 1998.
[28] Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt: Fischer, 14. Aufl. 2003, S. 169.
[29] Habermas (Anm. 7).
[30] Johannes Agnoli: Die Transformation der Demokratie und verwandte Schriften, Hamburg: Konkret Literatur Verlag 2004.
[31] Ebd., S. 41.
[32] David Harvey: Kleine Geschichte des Neoliberalismus, Zürich: Rotpunktverlag 2007.
[33] Vgl.: Jörg Nowak: Geschlechterpolitik und Klassenherrschaft: Eine Integration marxistischer und feministischer Staatstheorien, Münster: Westfälisches Dampfboot 2009.
[34] Vgl.: Jamie Peck: Workfare States, New York: Guilford Publications 2001.
[35] Vgl.: Klaus Dörre und Bernd Röttger, Hg.: Das neue Marktregime. Konturen eines nachfordistischen Produktionsmodells, Hamburg: VSA 2003.
[36] Colin Crouch: Postdemokratie, Frankfurt: Suhrkamp 2008.
[37] Entgegen dem Diskurs um „Sachzwänge der Globalisierung“ bestehen auf nationalstaatlicher jedoch eigentlich noch größere Handlungsspielräume. Ein Indiz dafür sind die nationalstaatlichen Reaktionen auf die aktuelle Weltwirtschaftskrise.
[38] In Arbeiten „Governance“ wird das besonders deutlich. Vgl.: Leubolt, Novy und Beinstein (Anm. 1)
[39] B. Guy Peters und Jon Pierre: Multi-level Governance and Democracy: A Faustian Bargain?, Hg. Ian Bache und Matthew Flinders, Multi-level Governance, Oxford: Oxford University Press 2004.
[40] Vgl. die Debatte zu Postdemokratie: Crouch; Chantal Mouffe: On the Political, London: Routledge 2006; mit etwas anderem Blickwinkel vgl. auch: John Kannankulam: Autoritärer Etatismus im Neoliberalismus: Zur Staatstheorie von Nicos Poulantzas, Hamburg: VSA 2008.
[41] Rancière (Anm.4).
Was es mir wert ist.
Finanzminister Pröll will die Österreichische Nationalbank verstaatlichen. Ich kann nur vermuten, die hier versammelten WirtschaftswissenschaftlerInnen stimmen diesem Schritt voll inhaltlich zu. Von mir nur ein Hinweis auf eine semantische Irritation. In der Ankündigung, die restlichen, nicht-staatlichen Anteile der ÖNB für die Republik aufkaufen zu wollen, hat Pröll heute gesagt:
„50 Millionen – das ist es mir wert.“
Ich will ja nicht kleinlich erscheinen. Aber, wirklich: wie kann ein Finanzminister – wie kann irgend jemand, der über öffentliche Gelder verfügt – sich so eine Aussage erlauben? Dass es ihm das wert ist? Im Sinne von: Das genehmige ich mir? Statt vielleicht darauf hinzuweisen, dass es den staatlichen Interessen entsprechen würde, einen solchen Schritt zu setzen? Statt den Satz etwa so zu formulieren: „50 Millionen – das ist die Sache wert.“ – ?
Wie geschrieben, eine semantische Irritation. Aber vom Gestus schon auffällig. Wie nennen wir das: gelebten Josefinismus?