Budgetpolitik mit dem Rasenmäher
Die österreichische Regierung hat sich auf einen harten Sparkurs für die kommenden Jahre geeinigt. Was sich im Jänner bereits angedeutet hatte, wurde mit den veröffentlichten Eckpunkten des Bundesfinanzrahmengesetz 2011–2014 konkret: 2011 sollen die Kosten der Krise an die Bevölkerung weitergegeben werden, nachdem sie bisher weitgehend mit staatlichen Mitteln abgefangen wurden. Die Eckpunkten enthalten drei Überraschungen: Erstens ist das Ausmaß der Konsolidierung mit bis zu 4,2 Mrd Euro (mit rund 1,5 % des BIP mehr als das Budget für Universitäten; ohne den eher unwahrscheinlichen Kürzungen von 0,8 Mrd Euro auf Landesebene immer noch 1,2 %) doppelt so hoch wie die europäischen Vorgaben (0,75 % des BIP) erfordern würden. Zweitens wird kein Bereich verschont. Mit der „Rasenmähermethode“ werden die Obergrenzen aller Ausgabenbereiche gegenüber dem BFRG 2010–2013 gekürzt, lediglich die prozentuale „Schnitthöhe“ variiert. Da die Sozialausgaben den größten Anteil im Bundesbudget ausmachen, fällt der größte Betrag (900 Mio Euro) mit dieser Methode zwangsläufig hier an. Drittens konnte die SPÖ der ÖVP abringen, dass de facto die Hälfte des Konsolidierungsvolumens durch neue oder höhere Steuern aufgebracht wird. Noch tiefere Einschnitte im Bildungs- und Sozialbereich konnten damit zwar verhindert werden – angesichts der bevorstehenden Kürzungen und drohender Massensteuern ist das Gesamtpaket trotzdem inakzeptabel. Die Krisenkosten werden auf die breite Masse der Bevölkerung verteilt, obwohl diese die Krise weder verursacht noch vom finanzgetriebenen Wirtschaftswachstum zuvor profitiert hat.
Bankensteuer als Pyrrhussieg?
Während bei der ÖVP relativ klar war, dass wider makrookönomischer Vernunft und sozialen Überlegungen ein radikaler Sparkurs auf Kosten der Allgemeinheit am Programm stand, deutete zumindest die Rhetorik des sozialdemokratischen Regierungspartners einen alternativen Kurs an. Mit der – gegen heftigen Widerstand von ÖVP und Bankenlobby – durchgesetzten Bankensteuer erreichte die SPÖ auch einen ersten konkreten Meilenstein auf dem Weg zu einer sozialeren Budgetpolitik. Wenn das jedoch der einzige Erfolg war, wird die Bankensteuer zum Pyrrhussieg, dem wertmäßig ein Mehrfaches an Massensteuern auf der Einnahmenseite und hauptsächlich Sozialausgabenkürzungen auf der Ausgabenseite gegenüberstehen. Die Bankensteuer wäre dann nicht mehr als ein Feigenblatt für ein Belastungspaket, das untere und mittlere Einkommen am stärksten treffen und gesellschaftlich sinnvolle Reformen (Kinderbetreuung, Bildung, Pflege, Integration, etc) frühestens auf 2015 verschieben würde.
„keine Tabus“
Die Ankündigung des Finanzministers, dass es beim Sparen „keine Tabus geben“ dürfe, muss als ernst zu nehmende Drohung verstanden werden. Es ist überraschend bis skandalös, dass hier sozialdemokratische MinisterInnen bisher jeglichen Widerspruch schuldig bleiben und der Kanzler diese Linie sogar aktiv befürwortet. Die Liste der aufzulistenden Tabus wäre lang und reicht von den immer noch unterdotierten Unis und Schulen über die Arbeitsmarktpolitik bis hin zum grundsätzlichen Erhalt eines leistungsfähigen Sozialstaates.
Traurige Realität ist stattdessen, dass mehr als die Hälfte der Kürzungen auf Sozialausgaben entfallen werden. Selbst die Arbeitsmarktausgaben werden trotz nicht absehbarem Rückgang der Rekordarbeitslosigkeit und trotz des Mehrbedarfs der (hoffentlich bald tatsächlich) umgesetzten Mindestsicherung relativ zum bisherigen Ausgabenplan 2011 gekürzt. Dass Sozial- und Bildungsbereich prozentual betrachtet weniger stark unter den Rasenmäher kommen ist höchstens für die PR-Verantwortlichen der Regierungsparteien ein Trost. Bitter wird es, wenn ein sozialdemokratischer Sozialminister diese Zahlen als „tragfähigen politischen Kompromiss“ verteidigt. Die konkreten Maßnahmen sind noch offen, d.h. es kann gehofft werden, dass sich wenigstens innerhalb des prekären Ausgabenrahmens bzw. bei den Mehreinnahmen die Regierungsschlagwörter „Soziale Verträglichkeit, ökonomische Vernunft, gerecht“ zeigen werden.
Regierung als Sparstreberin auf Kosten der Konjunktur
So oder so schießt die Regierung weit über das noch im Jänner angekündigte – damals noch von Pröll als „Mammutaufgabe“ bezeichnete – Ziel von ca 2,1 Mrd Euro hinaus. Im Gegensatz zu Griechenland erfolgte das übereifrig deutlich über den EU-Vorgaben liegende Konsolidierungsvorhaben freiwillig: keine Spekulationsattacken; mildere EU-Vorgaben im laufenden Defizitverfahren; sinkende Zinsaufschläge in den letzten Monaten; im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Neu- und Gesamtverschuldung; keine weit besseren Wirtschaftsprognosen, die eine Rückführung der Defizite eher erlauben würden; usw.
Die Begründung des Finanzministers, „dass gespart wird, um nachhaltig in die Zukunft zu investieren“, zeigt die Grenzen seiner Bauernschläue auf, wenn es um volkswirtschaftliche Zusammenhänge geht. Natürlich dämpft ein Sparpaket in dieser Größenordnung die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, sei es durch geringere verfügbare Ausgaben der privaten Haushalte (z.B. durch Pensions- und Beamtengehaltseinsparungen) oder direkt durch geringere staatliche Investitionen bzw. Konsum.
Diese geringeren Absatzaussichten werden die Unternehmensinvestitionen nicht gerade beflügeln. Die Folgen werden – verglichen mit dem Szenario „kein Sparpaket“ – eine höhere Arbeitslosigkeit und ein geringeres Wohlstandsniveau aller sein. Schätzungen von OECD, IWF oder WIFO ergeben, dass ein Sparpaket von 1 % des BIP die Wirtschaftsleistung um 0,3 bis 0,5 % dämpft. Grob geschätzt könnte das wiederum bis zu 10.000 Arbeitsplätze kosten. Niedrigere Ausgaben für Bildung, Forschung und Infrastrukturinvestitionen könnten langfristig zusätzliche Schäden verursachen.
Alternative Konsolidierungsstrategie
Führen wir uns noch einmal die Ausgangslage vor Augen: eine internationale Wirtschaftskrise, deren Ursachen u.a. mit ungleichere Einkommensverteilung, neoliberaler Umbau wohlfahrtsstaatlicher Arrangements, liberalisierten Finanzmärkten, Lohndruck durch wachsende Arbeitslosigkeit beschlagwortet werden können, wird durch massive Rettungspakete für Banken und kleineren Maßnahmen für die Konjunkturbelebung abgefedert. Zusätzlich stabilisieren die automatisch höheren Staatsausgaben (vor allem durch steigende Arbeitslosengelder und Beitragsausfällen in der Sozialversicherung) die private Nachfrage. Monate vergehen, in denen weder systematische Mängel behoben noch die Profiteure vor und in der Krise in die finanzielle Verantwortung genommen werden, obwohl beides breite Teile der Bevölkerung weltweit immer wieder einfordern, und obwohl das auch eine wirtschaftspolitisch sinnvolle Antwort wäre.
Daran anzuknüpfen, wäre das Gebot der Stunde. Die Steuervorschläge von SPÖ, Grünen, Teilen der Wissenschaft und anderen politischen Akteuren gehen in eine richtige Richtung: Finanztransaktions‑, Spekulations‑, und andere vermögensbezogene Steuern können nicht nur zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, sondern auch zu einer nachhaltigen Reduktion des Defizits/Konsolidierung des Staatshaushalts beitragen. Der falsche Weg ist es hingegen, Ausgaben mit einer abgestuften Rasenmähermethode in Zeiten von Krise und Rekordarbeitslosigkeit zu kürzen.
In die richtige Richtung geht auch das Programm der KPOe: „Wir zahlen nicht fuer Eure Krise“.