Millionen für den Feudalismus
Ist Erben das letzte Tabu? Zum wiederholten Mal werden Forscher, die die Ungleichverteilung von Vermögen in Österreich ansprechen, oder – Gott bewahre! – dafür sogar steuerliche Lösungen andenken, persönlich diffamiert und als „Ideologen“ bzw. politische Extremisten denunziert. So geschehen jüngst in einem Kommentar von Clemens Wallner, Mitarbeiter der Industriellenvereinigung, zu einer kreuzbraven Nationalbank-Studie über Immobilienerbschaften. Das Thema ist offensichtlich heiß, und die Methoden der Auseinandersetzung deuten auf eine ungute Mischung von persönlichen Interessen und schwacher Argumentationslage hin.
Der im Kommentar von Wallner geäußerte Vorwurf der Doppelbesteuerung an die Erbschaftssteuer zeugt von steuerpolitischer Ahnungslosigkeit; Daten über die Konzentration der Erbschaftssummen werden nicht durch Daten über die Verteilung der Zahl der Erbschaftsfälle relativiert ( siehe auch hier); und wenn die Erbschaftssteuer eine Bagatellsteuer wäre – warum ist sie dann politisch so unakzeptabel? Damit nicht genug, rundet Wallner seinen Beitrag noch mit dem Versuch ab, die Glaubwürdigkeit der von ihm kritisierten Studienautoren mit zweifelhaften Zitaten aus anderen Kontexten anzukratzen. Wie steht es aber um die fachliche Glaubwürdigkeit des Herrn Wallner, der hier so munter persönlich diffamiert? Mit Publikationen ist Wallner, von vereinzelter Aufsatzschreibe in einem Cartellverbands-Blatt abgesehen, bislang nicht auffällig geworden, schon gar nicht zum Thema Vermögen und Erbschaft. Wallners Expertise dürfte sich eher auf persönliche Erfahrung stützen: In einer News-Story über „Österreichs Jungmillionäre“ firmiert Wallner schlicht als „Sohn des Casino-Austria-Chefs“.
Eine Herkunft, die ihm eine Ausbildung an exklusiven Bildungsinstitutionen im In- und Ausland ermöglichte, an deren Ende eine Abschlussarbeit über „Wappen und Flaggen als politische Symbole“ steht – ein Thema, das großräumigen Respektabstand zu den zeitgenössischen wissenschaftlichen Debatten am Institut für Staats- und Politikwissenschaft der Uni Wien hält. Auch ins Kernfach politische Theoriegeschichte dürfte sich Wallner nicht allzu sehr vertieft haben – sonst wäre ihm aufgefallen, dass Erbschaftsbesteuerung kein Einfall linksextremer Propaganda, sondern Kernelement des klassischen Liberalismus eines John Stuart Mill und Zeitgenossen im 19. Jahrhundert darstellt, die in der dadurch hergestellten Chancengleichheit ein Fundament der Marktwirtschaft sahen, in Abkehr von der Privilegienvererbung im Feudalismus. Diese selektive Rezeption von Studieninhalten erwies sich jedoch für Wallner durchaus nicht als hinderlich für eine abwechslungsreiche Berufslaufbahn in der „schwarzen Reichshälfte“ (Raiffeisen, Außenministerium, ÖVP Bundeszentrale), die ihn schließlich in die Industriellenvereinigung geführt hat – mit einem Wort: der Mann ist völlig frei von jedem Ideologieverdacht.
Bevor die Erbschaftssteuerfreiheits-Befürworter jetzt wieder umständlich Material gegen Menschen im Beigewum zu sammeln beginnen müssen, stellen wir es frei Haus klar: der Beigewum ist aus verteilungspolitischen Gründen für eine Erbschaftsbesteuerung – sie soll einen Beitrag gegen die herrschenden Verteilungsungleichheiten leisten. Daneben gibt es noch viele andere Argumente für eine Erbschaftssteuer, allen voran die wirtschaftsliberalen Argumente für gleiche Startbedingungen für Sprösslinge aus unterschiedlich reichen Familien. In Österreich fehlen leider weitgehend Stimmen, die diese liberalen Argumente artikulieren. Während die Industriellenvereinigung in anderen wirtschaftspolitischen Fragen zu den stärksten Fürsprechern marktwirtschaftlicher Prinzipien zählt, wechselt sie in der Steuerdebatte die Linie. Wieso dominieren plötzlich die Besitzstandswahrungsinteressen von Millionären und ihren Söhnen die Argumentation der Unternehmensvertretung, wenn es um Fragen der Vermögensbesteuerung geht? Gibt es in der Industriellenvereinigung keine Kräfte, die für wirtschaftsliberale Chancengleichheit einstehen, und den Fürsprechern feudaler Verhältnisse in den eigenen Reihen entgegentreten?
Was für eine Überraschung
Aus einer Studie des Jahres 2005:
Wobei hier eines deutlich wird – und das zeigt die elaborierte Studie sehr gut, weil sie die Ergebnisse auch auf die Fakultätsebene herunterbricht: Der schlechte Wert der Uni Wien resultiert „fast ausschließlich“ aus der hohen Drop-out-Rate in den extrem überlaufenen Massenfächern in der (für den Vergleich an allen Unis konstruierten) geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultät (GeSoWi). (.pdf)
Big surprise. Wobei ich die Verdienste dieser Studie nicht in Abrede stellen will; im Gegenteil. Nur ist es halt traurig, dass der empirische Beleg des Offensichtlichen von politisch-ministerieller Seite fünf Jahre lang unter Verschluss gehalten werden kann und darf. Damit wird eine Grundregel des demokratischen Willensbildungsprozesses gebrochen. Mir egal, ob man das nun als Josephinismus oder bürokratische Willkür bezeichnet; es ist einfacheine Sauerei.