Loiperdsorfer Kompromiss
Nein, eine Vermögensteuer wird es wieder mal nicht geben. Und auch die Erbschaftssteuern werden nicht angehoben, der Spitzensteuersatz bleibt unangetastet und es wird sich wenig an der ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung ändern. Aber man soll ja nicht immer nur raunzen. So ist doch erwähnenswert, dass es Steuererhöhungen geben wird und damit zumindest ein Teil der Krisenkosten einnahmeseitig erbracht werden soll. Das ist erst einmal erfreulich, da etwa Bernhard Felderer ja noch vor nicht allzulanger Zeit deutlich gemacht hat, dass es vor allem um Ausgabenkürzungen gehen müsse. Und Josef Pröll hatte im ORF-Sommergespräch schon die Debatte über neue Steuern als schädlich bezeichnet. In diesem Blog hatte ich damals geschrieben:
Man muss sich dies auf der Zunge zergehen lassen: Josef Pröll fordert, dass in einer Situation der Wirtschaftskrise, in der massiv Staatsgeld zur Rettung von Vermögen eingesetzt wurde, nicht über Steuern gesprochen werden darf. Es ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis, wenn eine der zentralen Aufgaben des Parlaments […] entpolitisiert und einem vermeintlichen Sachzwang unterworfen werden soll.
Es ist also erfreulich, dass die Spekulationsfrist bei Aktienverkäufen abgeschafft werden soll und hier die Kapitalertragssteuer greift. Es ist auch schön, dass die Stiftungsbesteuerung geändert wird. Man kann insofern von einem Paradigmenwechsel sprechen, da das Dogma, dass das Kapital keinesfalls höher besteuert werden können (weil es „scheu wie ein Reh“ sei) endlich überwunden ist. Pröll hat Wort gebrochen – und das ist gut so. Endlich eine umfassende Steuerreform anzugehen – dazu reicht der Mut aber offensichtlich nicht und es bleibt dabei, dass Vermögende, Unternehmen und Besserverdienende deutlich stärker besteuert werden müssen als derzeit.
Schade nur, dass die Krisenkosten auch durch eine Kürzung von sozialen Leistungen refinanziert werden soll. Weder Pensionisten noch Eltern mit erwachsenen Kindern (Kürzung des Familienbeihilfebezugs) haben die Krise verursacht. Und dennoch sollen sie jetzt dafür bezahlen. Es war zu erwarten (siehe hier und hier), dass nicht (nur) die Verursacher der Krise die Folgen tragen müssen, ist aber dennoch falsch.
Aviso 9./10.12.: Tagung „Europa in der Krise“
Europa in der Krise – Analysen und Alternativen aus Sicht der kritischen
politischen Ökonomie. Eine Veranstaltung in memoriam Jörg Huffschmid
9. bis 10. Dezember, Wien
u.a. mit James K. Galbraith (University of Texas), Marica Frangakis
(EuroMemo Group), Brigitte Unger (Utrecht University), Dorothee Bohle
(Central European University)
Programm & Anmeldung
12.11.: Diskussion „Welches Wissen gegen die Krise?“
25 Jahre Kritik, Gegenexpertise und Alternativendiskussion im BEIGEWUM – Anlass genug für eine Bilanzdiskussion mit Perspektive: Wo kann kritisches Wissen heute entstehen und ansetzen, angesichts des schwersten Systemschocks seit Jahrzehnten? Zudem wird nach der Diskussion das 25-jährige Bestehen des BEIGEWUM mit einem Fest gefeiert.
Beginn: 18 Uhr
Ort: Albert Schweitzer Haus, Schwarzspanierstraße 13, 1090 Wien
mit
- Brigitte Unger (Department of Public Sector Economics, Utrecht University School of Economics)
- Karin Fischer (Abteilung für Politik- und Entwicklungsforschung am Institut für Soziologie, Johannes Kepler Universität Linz)
- Jörg Flecker (FORBA – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt)
- Gundula Ludwig (Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der Universität Marburg)
- Heinz Steinert (em. Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse,
Universität Frankfurt)
Moderation: Beat Weber (BEIGEWUM)