Verlustgeschäft Privatisierung – BEIGEWUM

Verlustgeschäft Privatisierung

am 26. Mai 2011 um 14:34h

Ver­lust­ge­schäft Privatisierung

Seit Wirt­schafts­kam­mer-Prä­si­dent Chris­toph Leitl und IV-Chef Veit Sor­ger in einer Pres­se­kon­fe­renz am 4. Mai 2011 eine neue Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le for­der­ten, reißt die Debat­te dar­um nicht mehr ab. Ver­kauft wer­den sol­len nahe­zu alle Unter­neh­men, die sich im öffent­li­chen Besitz befin­den: Die Ener­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, die Bun­des­im­mo­bi­li­en, die gemein­nüt­zi­gen Woh­nun­gen, die Mün­ze Öster­reich,  die Bun­des­fors­te und vie­le mehr.

Es gibt eine Rei­he poli­ti­scher Grün­de, die gegen die Pri­va­ti­sie­rung die­ser Unter­neh­men spre­chen. Die Antei­le der öffent­li­chen Hand sichern die Daseins­vor­sor­ge, Arbeits­plät­ze (sie­he Aus­tria Tabak), die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung und wirt­schafts­po­li­ti­sche Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten. Im Fall der Unter­neh­men, die auf der Ver­kaufs­lis­te von WKÖ und IV ste­hen, zeigt jedoch auch ein Blick auf die Zah­len, dass eine Pri­va­ti­sie­rung ein nicht beson­ders lukra­ti­ves Geschäft wäre.

Als Argu­ment für den Ver­kauf von Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen der öffent­li­chen Hand dient die aus­ge­ru­fe­ne Schul­den­kri­se. „Wenn die Repu­blik ihre Unter­neh­men ver­kauft, bringt das eine Men­ge Geld und befreit uns von der Last der Schul­den“ – so das nur auf den ers­ten Blick nach­voll­zieh­ba­re Argu­ment. Ganz davon abge­se­hen, dass gestie­ge­ne Staats­schul­den eine Kri­sen­fol­ge sind und die Schul­den­quo­te in Öster­reich 2010 mit 72,3% des BIP noch lan­ge kei­ner Panik bedarf und unter dem euro­päi­schem Durch­schnitt liegt, gibt es ein­fach einen Unter­schied zwi­schen dem pri­va­ten Haus­halt und dem Staat: Der Staat muss eben kein Dar­le­hen mit einer bestimm­ten Lauf­zeit wie­der zurück­zah­len, daher sind für ihn vor allem die Zin­sen­diens­te die rele­van­te Grö­ße. Es gibt aber eine Gemein­sam­keit, die ger­ne ver­ges­sen wird: den Schul­den steht ein Ver­mö­gen gegen­über – nur bei­des zusam­men führt zu einer sinn­vol­len Beur­tei­lung der Finanz­si­tua­ti­on. Im Fal­le des Staa­tes gibt es zwar lei­der kei­ne ver­läss­li­chen Zah­len, doch eine Stu­die des WIFO von 2006 lie­fer­te mit einem geschätz­ten Brut­to­ver­mö­gen von ca. 113 % des BIP immer­hin den Anhalts­punkt, dass ins­ge­samt ein deut­lich posi­ti­ves staat­li­ches Net­to­ver­mö­gen vor­han­den ist.

Wie hoch auch immer das Net­to­ver­mö­gen sein mag, Fakt bleibt, dass der Erlös aus dem Ver­kauf staat­li­cher Betrie­be die Brut­to­staats­ver­schul­dung auf einen Schlag sen­ken kann. Dadurch hat die Finanz­mi­nis­te­rin jedoch nicht per se einen grö­ße­ren finan­zi­el­len Spiel­raum. Der Vor­teil einer Redu­zie­rung der Staats­schul­den liegt dar­in, dass in Zukunft weni­ger Zin­sen bezahlt wer­den müs­sen. Der Nach­teil einer sol­chen Schul­den­re­duk­ti­on durch den Ver­kauf von staat­li­chem Eigen­tum besteht aber dar­in, dass natur­ge­mäß Ertrag brin­gen­des Staats­ver­mö­gen ver­lo­ren geht, und damit dau­er­haf­te Ver­lus­te von Unter­neh­mens­ge­win­nen anfal­len. Der­zeit fließt stän­dig Geld von OMV, Ver­bund und Co in Form von Divi­den­den in die Staats­kas­sa. Und: Die Unter­neh­men wer­den durch Inves­ti­tio­nen ua mehr wert, das sorgt für noch höhe­re Divi­den­den in der Zukunft.

Aus die­ser Tat­sa­che ergibt sich eine ein­fa­che Rech­nung: Wenn der Betrag, den der Staat durch einen gerin­ge­ren Zin­sen­dienst spart, höher ist als die – aktu­el­len und zukünf­ti­gen – Divi­den­den, lohnt sich das Kon­zept „Pri­va­ti­sie­rung zum Schul­den­ab­bau“ rein finan­zi­ell. Hier ist jedoch genau das Gegen­teil der Fall: Jene Unter­neh­men, die auf der Ver­kaufs­lis­te von Wirt­schafts­kam­mer und Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung ste­hen, sind hoch pro­fi­ta­bel – ins­be­son­de­re die Ener­gie­ver­sor­ger. Die Zei­ten, in denen der Staat sei­ne Betrie­be teu­er sub­ven­tio­nie­ren muss, sind vorbei.

Eine sche­ma­ti­sche Bei­spiel­rech­nung zeigt, dass die letz­ten Pri­va­ti­sie­run­gen kein Geschäft für den Staat waren. Die OMV-Teil­pri­va­ti­sie­rung von rund 15 % des Unter­neh­mens brach­te 1996 Pri­va­ti­sie­rungs­er­lö­se von knapp über 300 Mio Euro. Die­se führ­ten zu einer Zins­er­spar­nis von rund 19 Mio Euro jähr­lich. Gleich­zei­tig gin­gen aber auch die Anrech­te auf rund 15% des OMV-Jah­res­über­schus­ses – damals kon­kret 21,5 Mio Euro– ver­lo­ren. Das heißt, durch die Pri­va­ti­sie­rung ergab sich bereits im ers­ten Jahr ein öko­no­mi­scher Ver­lust von 2,5 Mio Euro. Über die Jah­re stieg der OMV-Jah­res­über­schuss auf das 10-fache an, was natür­lich auch den Bun­des­an­teil am Gewinn auf das 10-fache erhöht hät­te, wäh­rend die jähr­li­che Zins­er­spar­nis par­al­lel zum sin­ken­den Zins­ni­veau sogar klei­ner wur­de. Im Zeit­raum 1996–2010 ergibt sich so ein gigan­ti­scher Ver­lust für den Staats­haus­halt von über 1 Mil­li­ar­de Euro.

Ganz davon abge­se­hen, dass der Ver­kauf von Unter­neh­men, die die Bevöl­ke­rung mit Ener­gie ver­sor­gen oder dem Was­ser­schutz die­nen (Bun­des­fors­te) die Ver­sor­gungs­si­cher­heit gefähr­den – inter­na­tio­na­le Bei­spie­le dafür gibt es genug – wäre eine neue Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le für den Staat rein kauf­män­nisch ein denk­bar schlech­tes Geschäft. Die Bemü­hun­gen von Wirt­schafts­kam­mer und Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung die­ses Geschäft trotz­dem durch­zu­zie­hen, legen den Schluss nahe, dass es mit der dort pos­tu­lier­ten Ideo­lo­gie­frei­heit nicht weit her ist. Sie blei­ben im alten Den­ken „Pri­va­ti­sie­rung von Gewin­nen, Sozia­li­sie­rung von Ver­lus­ten“ verhaftet.


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