Angriff auf die Demokratie
Der Vorschlag zur Neugestaltung des Steuersystems, wie wir ihn von David Gulda im Standard lesen, ist ein Angriff auf die Demokratie. Gulda schlägt mit Sloterdijk vor, dass die Steuerpflichtigen selbst darüber entscheiden sollen, wo ihre Steuern ausgegeben werden soll. Wörtlich: „Der Gesetzgeber möge die Steuererhöhung auf Grundvermögen, Einkommen oder was immer in Prozent festlegen, es aber dem einzelnen Steuerpflichtigen überlassen, für welchen Zweck er das zusätzlich abgeführte Geld eingesetzt sehen will.“ Dies sei dann laut Gulda eine „Abkehr vom autokratischen Fiskalwesen dieser Republik und Einstieg in ein demokratisches, vom Bürger kontrolliertes Steuerverwendungssystem.“ Das Gegenteil ist richtig: Der Vorschlag impliziert die Abkehr von einem bürgerlich-demokratischen Staatswesen hin zu einem neuen Feudalismus. Der Witz an Steuern ist ja gerade, dass nicht der Einzelne über seine Verwendung verfügt, sondern das demokratisch gewählte Parlament.
Denken wir Gulda einmal weiter: Wir führen eine Vermögenssteuer ein, aber die Vermögenden entscheiden selbst, wohin das Geld geht. Die Steuer ist strenggenommen also keine Steuer, sondern eine „Zwangsspende“. Profitieren würden also die „Hobbies“ oder Leidenschaften der Vermögenden, vielleicht Kunst und Kultur. Gulda schlägt nur vor, die neuen Steuern bzw. die Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen diesem Prinzip zu unterwerfen, so dass das Parlament die Gelder in Kunst und Kultur reduzieren und Umverteilen könnte. Damit wäre die Idee von Gulda aber wirkungslos – zwar flössen die neuen Steuern dann bspw. in Kunst und Kultur, dafür würden die „alten“ Steuern aus diesem Bereich abgezogen. Daher werden Gulda und andere dann schnell fordern, das „Zwangsspenden“-Prinzip auf alle Steuern auszudehnen, damit das Parlament eben nicht einfach die evtl. Schieflage der „Spenden“-Adressaten korrigiert. Es müsste dann gelten: Alle Steuern werden mit der Ansage bezahlt, wo sie zu verwenden sind. Nun ist empirisch nicht gesichert, in welche Bereiche das Geld fließen würde. Sicher ist jedoch, dass die TransferleistungsempfängerInnen keinen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen mehr hätten, sondern von der Gnade insbesondere der großen SteuerzahlerInnen abhingen. Nur wenn ausreichend Geld für Bedürftige, Erziehende, Pflegende und zu Pflegende, soziale Einrichtungen usw. bezahlt würden, gäbe es diese Leistungen. Öffentlich Bedienstete würden ebenfalls nach dem „Good Will“ bezahlt, und nicht nach Arbeitsverträgen. Wenn die Steuerzahler nun (zumindest überwiegend) egoistisch Handeln, dann werden Unternehmen die Gelder für Straßen, Flughäfen und Unternehmenssubventionen usw. eingesetzt sehen wollen, die Eltern der Mittelschichten werden evtl. die Hochschulen fördern wollen usw. Was bleibt da für Arbeitslose, Kranke und Alte?
Wenn Gulda treuherzig schreibt, er „würde zum Beispiel öffentlichen Großbauten oder Rüstungsaufwendungen die Finanzierung verweigern“, dann mag man ihm das glauben. Es ist allerdings reichlich naiv davon auszugehen, dass gerade große Infrastrukturprojekte nicht kampagnenmäßig begleitet würden und nicht gerade die Frage der Sicherheit auch mit Mitteln der PR betrieben würde. Umgekehrt aber stellt sich beispielsweise die Frage, welche Lobby das Thema Kinderarmut hat.
Richtig ist: Die Transparenz der Verwendung öffentlicher Mittel ist zu erhöhen. Österreich muss sich der Debatte um Korruptionsanfälligkeit und Konsequenzen aus den derzeitigen Vorfällen stellen. Richtig ist aber auch, dass nicht der Einzelne (reiche) entscheiden kann, was öffentlich finanziert werden soll, sondern immer nur die Gemeinschaft als Ganzes – in parlamentarischen Demokratien geschieht dies über das Parlament. Andere demokratische Herrschaftsformen sind natürlich denk- und diskutierbar. Ein Zurück zum Feudalismus jedoch, indem die Gnade des Gebers über die Verwendung der Mittel entscheidet ist kein Fortschritt – und erst Recht kein Mehr an Demokratie.