The same procedure as every year: Eine Studiengebührendebatte
Die SPÖ scheint ein neues Hobby zu haben: Jedes Jahr vor Weihnachten wird die Debatte um Studiengebühren ausgepackt – eine Debatte, in der die SPÖ nur verlieren kann. Bereits letztes Jahr habe ich hier die Debatte in der Sozialdemokratie kommentiert. Dieses Mal geht es nun verstärkt um sogenannte nachgelagerte Studiengebühren. Die Idee ist, dass die Studierenden während des Studiums die Studiengebühren erlassen bekommen, um sie dann nach dem Studium abzubezahlen. Im Detail unterscheiden sich die Modelle dabei erheblich, wobei die Stellschrauben vor allem die Folgenden sind:
- Die Studiengebühren werden als fester Betrag als Schulden verbucht, also bspw. 1.000 Euro im Jahr. Nach dem Studium sind diese Schulden abzubezahlen.
- Die Studiengebühren werden nicht erhoben, sondern ein bestimmter Anteil des späteren Einkommens wird als Sondersteuer eingezogen. Die Höhe der Studiengebühren hängt also vom eigenen Einkommen ab.
- Die Schulden werden verzinst oder nicht.
- Es gibt eine zeitliche Begrenzung der Rückzahlung (etwa: zehn Jahre nach Studienabschluss) oder man bezahlt, so lange man Einkommen bezieht.
Allgemein wird in der Debatte gerne auf das australische Modell verwiesen, oft jedoch ohne genaue Kenntnisse des Modells. Auch diese Debatte ist keineswegs neu. Alle Modelle haben spezifische Probleme, aus ökonomischer Sicht sind die Fragen der Steuerungswirkung, der Rückzahlungssumme, des Verwaltungsaufwands und der Mitnahmeeffekte bei diesen Fragen zentral. Allerdings gibt es einige grundsätzliche Einwände gegen nachgelagerte Studiengebühren, die im Folgenden in aller Kürze benannt werden sollen. Eine ausführliche Darstellung und Kritik der Modelle findet man in einer Broschüre des deutschen Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) als PDF.
Soziale Selektivität
Die Erhöhung von Preisen sorgt in der Regel für einen Rückgang der Nachfrage. Preise sind eine Selektionsinstrument, um die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen zu regulieren, zum Zuge kommt, wer die entsprechende Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit aufweist. Deswegen sind Studiengebühren immer auch mit einer sozialen Selektivität verbunden. Dieses Selektivität soll nun dadurch vermieden werden, dass die Studiengebühren nicht direkt, sondern nachgelagert erhoben werden. Die Argumentation der Beführworter/innen solcher Modelle: Da die Gebühren nur bezahlt würden, wenn ein Einkommen vorhanden ist, sei eine Selektivität nicht gegeben. Diese Argumentation setzt einen Homo Oeconomicus voraus, der rational kalkulierend und vollständig informiert seine Entscheidungen treffen kann – das ist jedoch bekanntlich nicht der Fall. Wir wissen, dass die Frage der Herkunft einen entscheidenden Einfluss auf die Risikoaversion hat; und eine Verschuldung ist in der subjektiven Wahrnehmung immer mit einem Risiko verbunden. Und wir wissen, dass Menschen aus bildungsfernen Schichten die Kosten eines Studiums oft über‑, den Nutzen aber unterschätzen. Kurzum: Es spricht vieles dafür, dass die soziale Selektivität ggf. gemindert, jedoch nicht vermieden wird. Dafür sprechen auch die Erfahrungen aus Australien (siehe die oben verlinkte Broschüre). Die Verschiebung des Zahlungszeitpunktes ändert eben nichts an der Tatsache, dass bezahlt werden muss.
Gerechtigkeit
Zur Frage, ob Studiengebühren sozial Gerecht sind, hat Sonja Staack in diesem Beitrag eigentlich alles gesagt. Die Argumentation der Gebührenbefürworter/innen läuft im Kern darauf hinaus, dass diejenigen, die den Nutzen haben, auch die Kosten tragen sollen (siehe zu diesem Argument ausführlich uns lesenswert auch hier). Dabei wird einerseits die Frage ausgeblendet, wem ein Studium eigentlich nutzt. Sicher, der Studierende selbst hat hiervon etwas. Aber die Begründung öffentlicher Bildungseinrichtungen liegt gerade auch darin, dass es eben nicht um den persönlichen Nutzen geht, sondern um den gesellschaftlichen. Es ist im Zweifel so, dass der Patient mehr von einem gut ausgebildeten Arzt hat als der Arzt selbst. Dieses sehr plakative Beispiel lässt sich auf andere Bereiche übertragen. Zum zweiten wird die Frage ausgeblendet, wer den eigentlich einen Nutzengewinn hätte, wenn Studiengebühren eingeführt würden. Darunter leiden sicher nicht die Kinder aus gut verdienenden Elternhäusern. Im Gegenteil: Sollte die Studierneigung auf Grund der Gebühren sinken, dann würde das Angebot an AkademikerInnen auf dem Arbeitsmarkt sinken und diese somit höhere Löhne verhandeln können.
Richtig ist, dass das derzeitige System in Österreich nicht in ausreichendem Ausmaß die Verteilung des Sozialprodukts regelt. In der Tendenz werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Zudem müssen öffentliche Ausgaben auch refinanziert werden. Hierfür bedarf es eines gerechten Steuersystems. Warum dieses aber am Bildungsabschluss statt an der Leistungsfähigkeit anknüpfen soll bleibt das Geheimnis der Akademikersteuerfans.
Bildungsbegriff
Ein entscheidende Frage, was eigentlich der Sinn eines Studiums ist, fällt bei der Debatte um die Studiengebühren völlig hinten runter. Denn Studiengebühren – egal ob nachgelagert oder direkt bezahlt – verändern den Bildungsbegriff. Das Studium wird so zu einer Investition in das eigene Humankapital, der Return on Investment ist das später zu erzielende Einkommen. Das Ziel des Studiums ist also nicht Erkenntnisgewinn, Wahrheitssuche, Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen oder ähnliches, sondern das Ziel des Studiums ist das spätere Einkommen. Darauf soll fokussiert werden (schon bei der Wahl des Studiengangs), das ist der zentrale Steuerungsansatz über Studiengebühren. Auch hier lohnt ein Blick nach Australien, wenn schon das dortiger Higher Education Contribution Scheme (HECS) gerne als Vorbild genannt wird: Hier sind die Studiengebühren in verschiedene Preiskategorien unterteilt. Besonders hoch sind die Gebühren aber nicht in den Fächern, die besonders teuer sind, sondern in den Fächern, in denen das erwartete Einkommen hoch ist. „Viel offensichtlicher ist, dass für diese Preisbildung die Antizipation künftiger Einkommenschancen nach Berufsgruppen Pate gestanden hat. Der Staat will hier offensichtlich potentielle ökonomische Verwertungsmöglichkeiten abbilden und auf Seiten der StudienplatzbewerberInnen eine indirekte sozialdarwinistische Vorselektion über die Risikowahrnehmung und ‑bereitschaft erzeugen. Damit wird hier die Studienentscheidung zu einer Investitionsentscheidung, sie wird nur noch unter ökonomischen Nützlichkeitskriterien betrachtet, die dann auch das individuelle Verhältnis zur Wissenschaft prägt“, heißt es dazu auf den NachDenkSeiten.
Einnahmen des Staates?
Die Debatte um nachgelagerte Studiengebühren wird extrem unehrlich geführt. Denn die Debatte ist in Österreich vor allem Folge der massiven Unterfinanzierung der Hochschulen. Dieses Problem soll partiell durch die Einnahmen aus den Studiengebühren gelöst werden. Wenn nun aber nachgelagerte Studiengebühren eingehoben werden sollen, die zudem erst ab einem bestimmte Einkommen greifen, dann hat der Staat zunächst einmal keine Einnahmen. Im Gegenteil: er müsste die Studiengebühren, die er in einigen Jahren vielleicht bei den Studierenden eintreibt heute den Hochschulen vorstrecken, er müsste also erhebliche Vorleistungen tätigen. Hinzu kommen die Zinsverluste bis zum nachgelagerten Bezahlen der Gebühren, die erheblichen Verwaltungskosten (man Denke nur an das Eintreiben bei säumigen Zahler/innen, die ggf. auch noch im Ausland leben) und die Implementierungskosten. Kurzum: Ob der Staat am Ende tatsächlich ein Plus macht hängt von der Höhe der Gebühren und den Rückzahlungsgrenzen ab. Je brutaler hier vorgegangen wird, desto eher gibt es auch Einnahmen. Das aber beißt sich mit den proklamierten Zielen der angeblichen sozialen Verträglichkeit. Auch hier lohnt der schonungslose Blick nach Australien.
Die Österreichische HochschülerInnenschaften hat die Debatte in einer Presseaussendung kommentiert. Darin wird deutlich, dass die ÖH nachgelagerte Studiengebühren ablehnt. Es gilt die Studierenden bei Ihren politischen Auseinandersetzungen zu unterstützen. Soziale Verträglichkeit auf die Frage der Kreditaufnahmemöglichkeit zu reduzieren jedenfalls ist fatal – und der Sozialdemokratie unwürdig.