Feindbild FMA?
Wenn Heini Staudinger dieser Tage behauptet, er sei Schuster und möchte einfach nur in Ruhe sein Unternehmen führen, ist das angesichts der Anzeigen im Falter zumindest kokett. Es gibt in Österreich eine ziemliche Wut auf die Banken und das Politikversagen ihnen gegenüber. Beides ist berechtigt. Ärgerlich am „Fall GEA“ ist aber, dass die politische Kritik an den Banken vermischt wird mit persönlichen Fragen.
Da steht der gute Unternehmer – vulgo Realwirtschaft – der bösen Finanzmarktaufsicht (FMA) – vulgo „Bankenschutzzentrale“ – gegenüber. Dass aufmerksame politische BeobachterInnen die FMA genau umgekehrt wahrnehmen – Stichwort „Bankeninsolvenzrecht“, für das sich die FMA gegen den Willen des Finanzministeriums stark macht –, geht im Trubel der Befindlichkeitsdiskussion unter. Sollten sich die Beamten tatsächlich arrogant verhalten, wie von GEA behauptet wird, ist das menschlich natürlich daneben. Aber nun zum Inhaltlichen: Die FMA verbietet GEA den Sparverein. Nun, das ist gut so. Ein Sparverein ist ein Vehikel, das zu Recht unter das Bankwesengesetz fällt und zwar gerade auch zum Schutz der SparerInnen. Nur weil sich die BeamtInnen angeblich daneben benehmen, ist der Anlegerschutz noch nicht obsolet. So weit, so oberflächlich in der bisherigen Diskussion.
Wenn sich dann aber plötzlich ATTAC auch gegen die FMA stellt und ihnen die Frage stellt, ob sie das Bankgeschäft für die Banken retten wollen, dann wird es langsam problematisch. Seit der Pleite von Lehman haben sich kritische linke Kräfte massiv für mehr Regulierung von Finanzplätzen und wohl gemerkt auch Finanzinstrumenten eingesetzt. Das waren immer universelle politische Forderungen, keine der persönlichen Sympathie. Die Einzigen, die sich derzeit über diese Diskussion freuen, sind die neoliberalen Liberalisierer! Der Sparverein ist kein Instrument mächtiger Großanleger und das was Staudinger will, ist im Gesellschaftsrecht zu regeln und nicht im Bankwesengesetz. Dass es dort wahrscheinlich Änderungen braucht, um Unternehmensfinanzierungen leichter zu ermöglichen, ist jedenfalls diskussionswürdig. Den Anlegerschutz für alle Sparvereinsmitglieder dieser Republik deshalb aufzuweichen und die FMA zum neuen politischen Feind zu erklären, ist aber jedenfalls eine Themenverfehlung.
Der neue Kurswechsel bei eingSCHENKt (Okto)
Abstiegsängste treten zunehmend auch in Wohlstandslagen auf. Zumal sich Mittelschichten in ihren Lebensstilen und Einstellungen tendenziell „nach oben“ ausrichten, wird Verunsicherungen nicht selten mit der Abschottung gegenüber unteren Lagen begegnet. Wo liegen die Quellen dieser neuen Verunsicherung? Welchen Beitrag liefern die ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahre? Welchen Einfluss haben mediale und öffentliche Diskurse? Und welche Minderheiten werden zu Sündenböcken gemacht? Über diese ähnliche Fragen spricht Martin Schenk mit der Soziologin Julia Hofmann (Universität Wien):
3.12.2012: Gendergerechtigkeit im Steuersystem
Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek und der BEIGEWUM laden zu einer Podiumsdiskussion zum Thema
„Was Frauen brauchen – Ansätze für mehr Gendergerechtigkeit im Steuersystem“
Am 3. 12. um 18h30 Uhr (Einlass 18 Uhr) im Palais Dietrichstein (Minoritenplatz 3, 1014 Wien)
Begrüßung: Gabriele Heinisch-Hosek
Es diskutieren:
Margit Schratzenstaller-Altzinger, Achim Truger, Jana Schultheiß
Moderation: Martina Madner
Anmeldung unter martina.janich@bka.gv.at oder 01/53115–207522.
Eine Veranstaltung der Reihe »frauen.steuern.wirtschaft«
Einkommen, Vermögen und Spitzenjobs sind in Österreich sehr ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt, ebenso Ausmaß und Art der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Viele Faktoren tragen dazu bei, und in den letzten Jahren ist versucht worden, an verschiedenen Ursachen dafür anzusetzen. Weitestgehend noch unausgeschöpft sind einige Potentiale, mit denen das Steuer- und Abgabensystem zur Verringerung der ungleichen Verteilung zwischen Männern und Frauen beitragen könnte.
Neben grundlegenden Fragen zur Steuergerechtigkeit werden die ExpertInnen beleuchten, welche Potentiale dies sind. Wie wirken sich Steuersätze, Steuerbegünstigungen und Transfers auf die Erwerbstätigkeit und die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit aus? Wo sind Ansatzpunkte um mehr soziale und insbesondere mehr Gendergerechtigkeit im und über das Steuersystem herzustellen?
28.11.2012: Ökonomie der internationalen Entwicklung
„Ökonomie der internationalen Entwicklung: Zur Notwendig multiparadigmatischer Zugänge für Wege aus der europäischen Krise“
Am 28.11., 18h im Amerling Haus (Stiftgasse 8 1070 Wien)
In Zeiten der Globalisierung liegt es nahe, Ökonomie vor allem in ihrer internationalen Dimension zu betrachten. Die AutorInnen des Bandes „Ökonomie der internationalen Entwicklung. Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ zeigen unterschiedliche theoretische Sichtweisen auf zentrale wirtschaftliche Zusammenhänge. Damit legen sie die Grundlage für ein differenziertes Verständnis von Ökonomie und wirtschaftspolitischen Debatten. Volkswirtschaftliche Kernthemen wie Staat, Wachstum, Verteilung und Geld werden jeweils aus den Blickwinkeln der Neoklassik, des Keynesianismus und der Politischen Ökonomie – und damit in einer multiparadigmatischen Zugangsweise – erklärt. Damit ergeben sich wichtige Erkenntnisse für die Analyse der Krise in Europa und für mögliche Wege aus dieser.
Die konkreten sich daraus ergebenden Lösungsansätze für Wege aus der Krise werden im Rahmen der Veranstaltung diskutiert.
Mit den AutorInnen Johannes Jäger und Elisabeth Springler diskutieren Karl Goldberg, Alexandra Strickner (Attac).
Veranstalter: Mattersburger Kreis/Attac/BEIGEWUM
Eine Rezension findet sich hier.
Rezension: „Ökonomie der internationalen Entwicklung“
Einfach wieder ein neuer Klotz in der langen Reihe der immer gleichen Ökonomie-Lehrbücher? Nicht wirklich: Der Band „Ökonomie der internationalen Entwicklung“ bildet eine Ausnahme in seinem Genre. Und das liegt nicht nur an dem programmatischen Untertitel „Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre“. Die AutorInnen Johannes Jäger und Elisabeth Springler haben nämlich nicht einfach einen Gegenentwurf zu Mainstream-VWL-Lehrbüchern vorgelegt, denen sie die Vorstellung eines heterodoxen Theoriegebäudes entgegensetzen. Es handelt sich vielmehr um die didaktische Meisterleistung, einen Vergleich verschiedener theoretischer Schulen zu bieten und mit Anwendungsbeispielen zu verknüpfen. Anhand von fünf Themenbereichen (Staat und Wirtschaft, Wachstum, Verteilung, Geld, Geografie) werden jeweils Einführungen in die Konzeptionen von Neoklassik, Keynesianismus und Politischer Ökonomie (worunter hier Varianten des Marxismus und der Regulationstheorie verstanden werden) geboten. Zu jedem Kapitel gibt es darüber hinaus Vertiefungsabschnitte, wo externe AutorInnen Spezialthemen und die Sicht der drei Theorien darauf beleuchten (von Gender über Ressourcenpolitik bis zu Arbeitsrechten). Mit diesen Spezialthemen gelingt ein Sprung von der abstrakten Welt der Theorie in aktuelle Fragen und Debatten.
Das im Titel zum Ausdruck gebrachte und in der Einleitung betonte Anliegen, Wirtschaft in ihrer internationalen Dimension in den Mittelpunkt zu stellen, gelingt zwar nicht durchwegs – was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass nun mal die vorgestellten Theorien zumeist ihren Ausgangspunkt bei volkswirtschaftlichen Überlegungen haben, auf denen Erweiterungen um die internationale Dimension dann aufbauen, was bei beschränktem Platz nicht immer auszuführen möglich ist. Auch die Verständnishürden sind kapitelweise unterschiedlich hoch. Doch in Summe und vor allem aufgrund seiner liebevoll aufbereiteten Struktur bietet der Band eine der empfehlenswertesten Einstiege in ökonomische Theoriebildung, die im deutschen Sprachraum zu haben sind.