Budgetloch: Wie sich rechte Think Tanks in der Öffentlichkeit breit machen und die Politik in die Bredouille bringen – BEIGEWUM

Budgetloch: Wie sich rechte Think Tanks in der Öffentlichkeit breit machen und die Politik in die Bredouille bringen

am 19. November 2013 um 18:07h

Die Bud­get­de­bat­te, die in letz­ter Zeit gelau­fen ist, lässt sich so zusam­men­fas­sen: Die Poli­ti­ke­rIn­nen, getrie­ben von ihren Ambi­tio­nen wie­der­ge­wählt zu wer­den, ver­spre­chen vor der Wahl das Blaue vom Him­mel und ver­schwei­gen, dass sie dies nie­mals ein­lö­sen wer­den kön­nen. Die Wirt­schafts­ex­per­tIn­nen hin­ge­gen, dar­un­ter ‚wirk­lich unab­hän­gi­ge‘, die von Indus­tri­el­len und Mil­li­ar­dä­rIn­nen bezahlt wer­den, haben schon immer gewusst, dass Geld aus­ge­ben immer schlecht ist, und der Staat nie­mals spa­ren kann und will. Denn er wird vom ‚bösen Wäh­ler‘ ver­führt noch mehr Geld aus­zu­ge­ben. So schreibt etwa die rech­te ‚Initia­ti­ve pro Markt­wirt­schaft‘ vor der NR-Wahl: “Aber trotz bit­te­rer Erfah­rung scheint das ‘Geschenk-Gen‘ der Poli­ti­ker so aus­ge­prägt zu sein, dass man es auch 2013 offen­bar nicht las­sen kann.“ (http://www.promarktwirtschaft.at/Brief10)

Und obwohl der rech­te Think Tank ‚Agen­da Aus­tria‘ kei­ner­lei Exper­ti­se in Sachen Bud­get­po­li­tik vor­wei­sen kann, behaup­tet des­sen Spre­cher Franz Schell­horn vor eini­gen Tagen, es fehl­ten an die 40 Mrd. Euro im Staats­haus­halt (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1476433/Budgetloch_IV-fordert-strafrechtliche-Konsequenzen).

So stellt sich also die Debat­te zu den öffent­li­chen Finan­zen in Öster­reich im Novem­ber 2013 dar.

Finanz­kri­se Grund des Budgetlochs

Wir befin­den uns im fünf­ten Jahr nach Aus­bruch der – vom Finanz­sek­tor aus­ge­gan­ge­nen – Kri­se, die mit enor­men finan­zi­el­len Ein­satz der öffent­li­chen Hand abge­fan­gen wer­den muss­te und Staa­ten wie Staats­bür­ge­rIn­nen damit hohe Kos­ten auf­ge­bür­det hat. Die­se Kos­ten haben im Ver­gleich zur Vor­pe­ri­ode zu einem extre­men Anstieg der öffent­li­chen Ver­schul­dung geführt.

Kei­nes­wegs sind die Bud­gets wegen abwe­gi­ger Wün­sche der Bevöl­ke­rung aus dem Ruder gelau­fen. Ganz im Gegen­teil: Es wur­den seit Aus­bruch der Kri­se in Öster­reich zwei Spar­pa­ke­te beschlos­sen. Der Bud­get­voll­zug war in den letz­ten Jah­ren strik­ter als der Vor­anschlag. Was heißt: Es wur­de mehr gespart, als ursprüng­lich ver­an­schlagt, in den letz­ten bei­den Jah­ren um je über zwei Mil­li­ar­den Euro.

Und wie sieht es mit der Unver­nunft der Poli­ti­ke­rIn­nen aus? Die „maß­lo­sen“ Ver­spre­chen, die da vor den Wah­len gege­ben wur­den: Aus­bau der Kin­der­be­treu­ung (ein Luxus­pro­blem?) oder steu­er­li­che Ent­las­tung der Arbeit­neh­me­rIn­nen (Öster­reich hat im inter­na­tio­na­len Ver­gleich eine sehr hohe Belas­tung der Arbeits­ein­kom­men, wie selbst der IWF kritisiert)?

Sind Anlie­gen der Bür­ge­rIn­nen, die sie an die Poli­tik haben, in einer Demo­kra­tie ver­werf­lich? Ja, wenn man den rech­ten Think Tanks glaubt, die in Öster­reich wie Schwam­merl aus dem Boden schie­ßen. So meint Hans Pit­lik, Wirt­schafts­for­scher und im Bei­rat der weis[s]en Wirt­schaft: „Dass der Staat nicht von sei­ner „Sucht“ nach neu­en Schul­den los­kommt, lie­ge auch an den Wäh­lern, (..). Sie führ­ten die Poli­ti­ker immer wie­der in Ver­su­chung, mehr aus­zu­ge­ben als sie ein­neh­men.“ (http://oe1.orf.at/artikel/357186)

Thinks Tanks bevöl­kern die Medienlandschaft

Die auf­tre­ten­den Exper­ten behaup­ten, sie sei­en ver­nünf­ti­ge Öko­no­men und unab­hän­gig, weil sie ihr Geld von der Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung und anony­men Spen­de­rIn­nen (dar­un­ter mut­maß­lich Mil­li­ar­dä­re) neh­men und nicht von der öffent­li­chen Hand.

Vie­le Think Tanks betrei­ben damit heut­zu­ta­ge das Geschäft der Lob­by­is­tIn­nen, wie neue For­schungs­er­geb­nis­se( http://thinktanknetworkresearch.net/blog_ttni_en/) zei­gen. Es geht nicht mehr um Wis­sens­pro­duk­ti­on, son­dern um ‚Mei­nungs­mar­ke­ting‘. Nach­dem Lob­by­is­mus in Ver­ruf gera­ten ist, wird nun unter dem Deck­man­tel einer Denk­fa­brik wei­ter gemacht. Das Ziel rech­ter Denk­fa­bri­ken ist es, den Staat, sei­ne Trä­ger und Insti­tu­tio­nen unglaub­wür­dig zu machen und die­se ob ihrer inhä­ren­ten „Ver­schwen­dungs­sucht“ zu denun­zie­ren. Ihr Pro­gramm: Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung durch poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen auf Exper­tIn­nen-Ebe­ne, sowie ‚Auto­ma­tis­men‘ statt demo­kra­ti­scher Mei­nungs­bil­dungs- und Entscheidungsprozesse.

Wer macht die Regeln?

Hier geht es aber gegen die demo­kra­ti­sche Ver­fasst­heit unse­rer Gesell­schaf­ten, wenn das „Königs­recht“ unse­rer gewähl­ten Legis­la­tiv­or­ga­ne, die Bud­get­ho­heit des Par­la­ments, in Fra­ge gestellt wird. Die zen­tra­le Fra­ge ist: Macht eine öko­no­mi­schen Eli­te und deren Inter­es­sen ver­bun­de­ne Exper­to­kra­tie die Regeln, oder demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Insti­tu­tio­nen? Die Hayek’sche Wirt­schaft­re­gie­rung schaut schon um die Ecke, wenn dem Fis­kal­rat und der Büro­kra­tie der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on mitt­ler­wei­le das Recht ein­ge­räumt wird, die Bud­gets vor­ab zu prü­fen und Ver­war­nun­gen auszusprechen.

Kla­rer­wei­se soll damit die Poli­tik damit nicht frei­ge­spro­chen wer­den. Es gibt ein Ver­sa­gen beim Han­deln, ein Untä­tig sein gegen die­se neo­li­be­ra­len, auto­ri­tä­ren Ent­wick­lun­gen. Es liegt also auch ein Selbst­ver­schul­den der Poli­tik vor. Auch erwähnt wer­den soll­te das Ver­sa­gen der unab­hän­gi­gen und frei­en Pres­se, die bei die­sem Spiel mit­macht, indem sie State­ments von Think Tank-Ver­tre­tern unhin­ter­fragt übernimmt.

Wenn poli­ti­sche Wil­lens­bil­dung durch Exper­tIn­nen­mei­nung ersetzt wird, bewe­gen wir uns hin zum geflü­gel­ten Wort: ‚Wer das Geld hat, macht die Regeln‘. Denn Lob­by­is­mus ist nicht gra­tis, und die Kräf­te­ver­hält­nis­se sind in die­sem Bereich ein­deu­tig auf Sei­ten der Ver­mö­gen­den. Dem­ge­gen­über steht der Grund­satz der Demo­kra­tie: ‚Jede Stim­me ist gleich viel wert‘. Die­sen Plu­ra­lis­mus der Vie­len und auch die Inter­es­sen der sozi­al Schwä­che­ren gilt es zu verteidigen.


Chris­ta Schla­ger ist Redak­teu­rin der Zeit­schrift Kurs­wech­sel und seit 1997 im BEIGEWUM aktiv. 

Ein Kommentar:

  1. Mario_Sedlak am 17.Dezember 2013 um 17:36h

    Ver­zei­hung, aber ich kann Ihnen nicht ganz fol­gen. Die Sozi­al­leis­tun­gen machen (in Öster­reich) viel mehr als alle Aus­ga­ben für Ban­ken­ret­tun­gen aus. Wis­sen­schaft­lich unum­strit­te­ne Steu­ern wie z. B. Erb­schafts­steu­ern kön­nen man­gels Zustim­mung der Bevöl­ke­rung nicht umge­setzt wer­den. Die demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Schul­den­po­li­tik kann aber auch nicht auf Dau­er funktionieren …


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