Budgetloch: Wie sich rechte Think Tanks in der Öffentlichkeit breit machen und die Politik in die Bredouille bringen
Die Budgetdebatte, die in letzter Zeit gelaufen ist, lässt sich so zusammenfassen: Die PolitikerInnen, getrieben von ihren Ambitionen wiedergewählt zu werden, versprechen vor der Wahl das Blaue vom Himmel und verschweigen, dass sie dies niemals einlösen werden können. Die WirtschaftsexpertInnen hingegen, darunter ‚wirklich unabhängige‘, die von Industriellen und MilliardärInnen bezahlt werden, haben schon immer gewusst, dass Geld ausgeben immer schlecht ist, und der Staat niemals sparen kann und will. Denn er wird vom ‚bösen Wähler‘ verführt noch mehr Geld auszugeben. So schreibt etwa die rechte ‚Initiative pro Marktwirtschaft‘ vor der NR-Wahl: “Aber trotz bitterer Erfahrung scheint das ‘Geschenk-Gen‘ der Politiker so ausgeprägt zu sein, dass man es auch 2013 offenbar nicht lassen kann.“ (http://www.promarktwirtschaft.at/Brief10)
Und obwohl der rechte Think Tank ‚Agenda Austria‘ keinerlei Expertise in Sachen Budgetpolitik vorweisen kann, behauptet dessen Sprecher Franz Schellhorn vor einigen Tagen, es fehlten an die 40 Mrd. Euro im Staatshaushalt (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1476433/Budgetloch_IV-fordert-strafrechtliche-Konsequenzen).
So stellt sich also die Debatte zu den öffentlichen Finanzen in Österreich im November 2013 dar.
Finanzkrise Grund des Budgetlochs
Wir befinden uns im fünften Jahr nach Ausbruch der – vom Finanzsektor ausgegangenen – Krise, die mit enormen finanziellen Einsatz der öffentlichen Hand abgefangen werden musste und Staaten wie StaatsbürgerInnen damit hohe Kosten aufgebürdet hat. Diese Kosten haben im Vergleich zur Vorperiode zu einem extremen Anstieg der öffentlichen Verschuldung geführt.
Keineswegs sind die Budgets wegen abwegiger Wünsche der Bevölkerung aus dem Ruder gelaufen. Ganz im Gegenteil: Es wurden seit Ausbruch der Krise in Österreich zwei Sparpakete beschlossen. Der Budgetvollzug war in den letzten Jahren strikter als der Voranschlag. Was heißt: Es wurde mehr gespart, als ursprünglich veranschlagt, in den letzten beiden Jahren um je über zwei Milliarden Euro.
Und wie sieht es mit der Unvernunft der PolitikerInnen aus? Die „maßlosen“ Versprechen, die da vor den Wahlen gegeben wurden: Ausbau der Kinderbetreuung (ein Luxusproblem?) oder steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen (Österreich hat im internationalen Vergleich eine sehr hohe Belastung der Arbeitseinkommen, wie selbst der IWF kritisiert)?
Sind Anliegen der BürgerInnen, die sie an die Politik haben, in einer Demokratie verwerflich? Ja, wenn man den rechten Think Tanks glaubt, die in Österreich wie Schwammerl aus dem Boden schießen. So meint Hans Pitlik, Wirtschaftsforscher und im Beirat der weis[s]en Wirtschaft: „Dass der Staat nicht von seiner „Sucht“ nach neuen Schulden loskommt, liege auch an den Wählern, (..). Sie führten die Politiker immer wieder in Versuchung, mehr auszugeben als sie einnehmen.“ (http://oe1.orf.at/artikel/357186)
Thinks Tanks bevölkern die Medienlandschaft
Die auftretenden Experten behaupten, sie seien vernünftige Ökonomen und unabhängig, weil sie ihr Geld von der Industriellenvereinigung und anonymen SpenderInnen (darunter mutmaßlich Milliardäre) nehmen und nicht von der öffentlichen Hand.
Viele Think Tanks betreiben damit heutzutage das Geschäft der LobbyistInnen, wie neue Forschungsergebnisse( http://thinktanknetworkresearch.net/blog_ttni_en/) zeigen. Es geht nicht mehr um Wissensproduktion, sondern um ‚Meinungsmarketing‘. Nachdem Lobbyismus in Verruf geraten ist, wird nun unter dem Deckmantel einer Denkfabrik weiter gemacht. Das Ziel rechter Denkfabriken ist es, den Staat, seine Träger und Institutionen unglaubwürdig zu machen und diese ob ihrer inhärenten „Verschwendungssucht“ zu denunzieren. Ihr Programm: Entdemokratisierung durch politische Entscheidungen auf ExpertInnen-Ebene, sowie ‚Automatismen‘ statt demokratischer Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse.
Wer macht die Regeln?
Hier geht es aber gegen die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften, wenn das „Königsrecht“ unserer gewählten Legislativorgane, die Budgethoheit des Parlaments, in Frage gestellt wird. Die zentrale Frage ist: Macht eine ökonomischen Elite und deren Interessen verbundene Expertokratie die Regeln, oder demokratisch legitimierte Institutionen? Die Hayek’sche Wirtschaftregierung schaut schon um die Ecke, wenn dem Fiskalrat und der Bürokratie der Europäischen Kommission mittlerweile das Recht eingeräumt wird, die Budgets vorab zu prüfen und Verwarnungen auszusprechen.
Klarerweise soll damit die Politik damit nicht freigesprochen werden. Es gibt ein Versagen beim Handeln, ein Untätig sein gegen diese neoliberalen, autoritären Entwicklungen. Es liegt also auch ein Selbstverschulden der Politik vor. Auch erwähnt werden sollte das Versagen der unabhängigen und freien Presse, die bei diesem Spiel mitmacht, indem sie Statements von Think Tank-Vertretern unhinterfragt übernimmt.
Wenn politische Willensbildung durch ExpertInnenmeinung ersetzt wird, bewegen wir uns hin zum geflügelten Wort: ‚Wer das Geld hat, macht die Regeln‘. Denn Lobbyismus ist nicht gratis, und die Kräfteverhältnisse sind in diesem Bereich eindeutig auf Seiten der Vermögenden. Demgegenüber steht der Grundsatz der Demokratie: ‚Jede Stimme ist gleich viel wert‘. Diesen Pluralismus der Vielen und auch die Interessen der sozial Schwächeren gilt es zu verteidigen.
Christa Schlager ist Redakteurin der Zeitschrift Kurswechsel und seit 1997 im BEIGEWUM aktiv.
Verzeihung, aber ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Die Sozialleistungen machen (in Österreich) viel mehr als alle Ausgaben für Bankenrettungen aus. Wissenschaftlich unumstrittene Steuern wie z. B. Erbschaftssteuern können mangels Zustimmung der Bevölkerung nicht umgesetzt werden. Die demokratisch legitimierte Schuldenpolitik kann aber auch nicht auf Dauer funktionieren …