Mythos: “Pensionen sind nicht mehr finanzierbar”
„Die Alterung der Gesellschaft führt zu steigenden Altersaufwendungen. Diese setzen die ohnehin angespannten öffentlichen Haushalte weiter unter Druck. Durch die hohen Altersaufwendungen fehlen auch Budgetmittel für die Zukunftsbereiche. Da die Renten- bzw. Pensionssysteme in Deutschland und Österreich ohnehin recht generös sind, ist die Sanierung der öffentlichen Haushalte durch deutlich verringerte Altersaufwendungen möglich.“
So oder so ähnlich klingt es, wenn in den OECD Staaten Pensionsreformen durchgeführt werden – und dies ist in den letzten 2 Jahrzehnten in allen Staaten passiert. Die Reformen verfolgten dabei das Ziel der Leistungskürzungen. Unterfüttert waren diese Leistungskürzungen mit drei Argumentationslinien – einer scheinbar explodierenden demografischen Entwicklung, einer zu Wettbewerbsnachteilen führenden Umlagefinanzierung sowie einer ausgleichenden Wirkung privater Vorsorgeleistung von Finanzmärkten.
Dem demografischen Argument kann entgegnet werden, dass lediglich quantitative, nicht jedoch qualitative Aspekte der Alterung berücksichtigt werden. Wesentliche Fragen wären aber z.B. haben Menschen im Alter wirklich Zugang zu den Leistungen? Wie hoch sind die tatsächlichen Leistungen? Wovon hängt die Zahl der Beschäftigten ab? Bedeuten steigende Beschäftigungsquoten auch tatsächlich steigende Renten- bzw. Pensionsbeiträge? All dies auszublenden ist lediglich politisch bequem, und hilfreich für die einseitige Produktion von Bildern.
Bezüglich der scheinbaren Wettbewerbsnachteile durch ein Umlagefinanziertes System kann festgestellt werden, dass der Pro-Kopf-Wohlstand in Europa weiterhin zunehmen wird, eine Sicherung der Alterssysteme ist daher trotz steigenden Anteils älterer Menschen ökonomisch nicht nur machbar sondern auch notwendig. Die bisher bewährten Systeme der Umlagefinanzierung sollen dazu weiter verstärkt werden, erreicht werden kann dies z.B. über die Einbindung von Nicht-Lohneinkommen in die Systemfinanzierung, oder auch mit Maßnahmen, die zu einer generellen Erhöhung der Lohnquote führen, wie etwa der Reduktion von Arbeitslosigkeit oder einer adäquate Lohnentwicklungen.
Schließlich bieten kapitalgedeckte Säulen der Alterssicherung keine Lösungen – sie sind zum einen mit hohen Kosten für SparerInnen verbunden, zum anderen hängt die Fähigkeit zur Privatvorsorge vom laufenden Einkommen ab.
So kann relativ rasch gesehen werden, dass ein zukunftstaugliches Alterssicherungssystem nicht durch die politisch propagierte Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters bzw. Leistungskürzungen erreicht werden. Vielmehr braucht es vielschichtige Maßnahmen in den Bereichen der Wirtschafts‑, Arbeitsmarkt‑, Steuer- und Finanzpolitik zur Herstellung eines hochwertigen, verteilungsgerechten und nachhaltigen Alterssicherungssystems.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um die gekürzte Version eines Kapitels aus dem Buch „Mythen des Sparens. Antizyklische Alternativen zur Schuldenbremse“. Dieses wurde 2013 vom BEIGEWUM herausgegeben und wendet sich an alle, die der Behauptung „Sparen sei das Gebot der Stunde“ fundierte Argumente entgegensetzen wollen. Es werden zentrale Mythen aus den Bereichen „Schulden“, „Sparen“ und der damit verbundenen EU-Politik kritisch hinterfragt und die dahinterstehenden Zusammenhänge erklärt. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/
Mythos „Schulden sind böse – sparen ist gut“
„Die Staaten in Europa sind zu hoch verschuldet, auch in Deutschland und Österreich muss ein zentrales Ziel von Politik ein ausgeglichener Staatshaushalt sein. Wie im Privathaushalt soll das Vorbild für den Staat, z.B. nach der deutschen Bundeskanzlerin, „die schwäbische Hausfrau“ sein, die sich nur „leistet“, was sie sich auch leisten kann.“
Zahlreiche PolitikerInnen, viele ÖkonomInnen und die Medien fordern starke Sparmaßnahmen zur ausgabenseitigen Sanierung der öffentlichen Haushalte. Auffällig ist dabei, wie wenige ökonomische oder finanzpolitische Argumente in der Diskussion angeführt werden. Stattdessen wird stark moralisch argumentiert oder an das Gewissen der BürgerInnen appelliert.
Sind Schulden wirklich so böse?
Nein, prinzipiell handelt es sich um einen hartnäckigen Mythos und in der Argumentation werden einige Fehler gemacht. Ein Fehler ist Schulden bzw. die damit getätigten Ausgaben immer nur als Kosten zu betrachten. Hier ist dringend ein Umdenken gefordert, denn die Ausgaben sind auch Investitionen in Bildung, Infrastruktur, das Gesundheitssystem; kurz: in die Wohlfahrt der BürgerInnen. Der Verschuldung stehen auch Vermögenswerte (wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser etc.) mit gesellschaftlichem Nutzen gegenüber.
Zudem ist der Staatshaushalt eben nicht mit dem Privathaushalt gleichzusetzen. Denn das Einkommen eines Staates ist nicht gesetzt – die Steuergesetzgebung ist Sache der Parlamente. Auch sind Staaten auf Dauer konzipiert und können deshalb bis in alle Ewigkeit Einkommen erzielen, aus denen die Schulden bedient werden können. Folglich müssen sie die Schulden nicht abbauen, sondern lediglich das langfristige Verhältnis zwischen Einkommen und Schuldendienst stabilisieren. Drittens ist der Staatshaushalt so groß, dass Veränderungen der Ausgaben und Einnahmen gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Sehr einfach dargestellt sinken bei großen Ausgabenkürzungen, etwa im Sozialbereich, die Einkommen der BürgerInnen (z.B. über das Kürzen der Sozialtransfers). Weniger Einkommen bedeutet, dass weniger konsumiert wird, die Nachfrage nach Produkten sinkt und die Unternehmen auf Dauer ihre Produktion reduzieren und ArbeitnehmerInnen entlassen. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit und mehr Menschen sind auf Sozialtransfers (= Staatsausgaben) angewiesen und zahlen keine Steuern (= Staatseinnahmen) mehr. Letztendlich muss eine Ausgabenreduktion des Staates nicht unbedingt in niedrigeren Budgetdefiziten resultieren, da die Staatseinnahmen schneller sinken können als die Staatsausgaben. Dies ist im Privathaushalt nicht der Fall, da das Einkommen, der Lohn, gleich bleibt und bei einer Verringerung der Ausgaben tatsächlich gespart wird. Umgekehrt können höhere Staatsausgaben langfristig zum „Sparen“ führen. Welche ökonomischen Reaktionen auf eine Reduktion oder eine Ausweitung staatlicher Tätigkeit erfolgen, ist vom konkreten ökonomischen Umfeld abhängig.
Aber sind Schulden prinzipiell gut?
Nein, die Aufnahme von Schulden darf kein Selbstzweck sein. Entscheidend sind das ökonomische Umfeld, der Stand der Staatsverschuldung und der Spielraum bei der Erhöhung der Einnahmen bzw. beim Kürzen der Ausgaben. In vielen Fällen ist es besser, die Staatsausgaben durch laufende Einnahmen zu decken, da so keine Zinszahlungen fällig werden. Die Aufnahme von neuen Schulden muss gut durchdacht sein. Ein Bewertungskriterium hierfür liefert Corneo, der auf die Frage, wann ein Staat Schulden aufnehmen sollte, folgende Antwort gibt: „wenn für seine Bürger der Ertrag der damit finanzierten Maßnahmen (Steuersenkung, Transfererhöhung, Erhöhung des Staatskonsums oder der öffentlichen Investitionen) die Kosten der Verschuldung (Zinsen und Tilgung) übersteigt“. Oberstes Ziel muss sein, die Wohlfahrt zu maximieren. Corneo räumt ein, dass dies in der Praxis nicht immer einfach anzuwenden ist, da bspw. der Nutzen oft nur schwer in Geld bewertet werden und damit den Kosten direkt gegenübergestellt werden kann (Corneo 2009, 5). Dennoch ist diese Faustregel sicher hilfreicher als Schulden per se abzulehnen.
„Der Staat muss sparen.“
Auch dies ist häufig zu hören und mag zunächst einleuchtend klingen, denn wenn zu viel Geld ausgegeben wurde, muss eben gespart werden. Aber auch hier scheint es am ökonomischen Grundverständnis zu mangeln, denn grundsätzlich gilt: Das Sparen der Einen bedingt immer die Verschuldung der Anderen. Die Summe aller finanziellen Forderungen und Guthaben ist immer null. Das gleiche gilt für die Wirtschaftssektoren: private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland. Das Sparen des einen Sektors bedingt die Verschuldung eines Anderen, die Verschuldungsbereitschaft ermöglicht erst das Sparen. In der Wirtschaftstheorie wird grob davon ausgegangen, dass die Haushalte in Summe mehr sparen als investieren, die Unternehmen investieren (=sich verschulden) und der Staat ausgleichend wirkt. Die Bilanz gegenüber dem Ausland sollte über die Jahre hinweg ausgeglichen sein. Die privaten Haushalte in Deutschland und Österreich sparen seit Jahren. Allerdings sparen derzeit auch die Unternehmen. In Deutschland haben sie in den vergangenen zehn Jahren lediglich 2003 und 2008 mehr investiert als gespart, in Österreich haben sie immerhin in drei der letzten zehn Jahre mehr gespart als investiert. Das überschüssige Geld ist dann oft am Finanzmarkt veranlagt worden. Wenn aber private Haushalte und Unternehmen sparen, dann bleiben nur der Staat und das Ausland als Schuldner, da sich die Sektoren immer zu Null addieren müssen. Für Deutschland zeigt sich eine enorme Verschuldung des Auslands, bei Österreich ist die Auslandsverschuldung eher gering, der Staat absorbiert hier die Mittel in größerem Ausmaß.
Wenn dies verstanden wird sind die politischen Forderungen aber absurd: GriechInnen, SpanierInnen, IrInnen etc. zu erklären, dass sie ihre Schulden schleunigst abbauen müssen, und gleichzeitig die Bedingungen für einen Abbau zu verunmöglichen, ist paradox und ökonomischer Unsinn.
Für das Ausland zeigt etwa Münchau auf, dass ein Leistungsbilanzüberschuss der Summe der Ersparnisse der privaten Haushalte und der Neuverschuldung des Staates entspricht. Die Leistungsbilanzen aller Länder weltweit addieren sich zu null, da jedem Export irgendwo ein Import gegenübersteht. Das bedeutet aber nach obiger Feststellung auch, dass sich die Überschüsse bzw. Defizite der privaten und öffentlichen Haushalte weltweit ebenfalls zu null addieren. Woraus gefolgert werden kann, dass weder alle Staaten ein Exportmodell verfolgen können, noch dass alle Staaten mehr sparen als investieren können.
Schuldenabbau – was steht wirklich hinter der Forderung?
Es wird schnell deutlich, dass hinter der Art der Argumente, die in der Schuldendiskussion angeführt werden, eine bestimmte Weltanschauung steht. Es geht darum, den Staat „auszuhungern“, denn weniger Mittel bedeuten auch reduzierte politische Handlungsmöglichkeiten. Die BürgerInnen sollen auf Sparmaßnahmen und Kürzungen vorbereitet werden. Der Staatshaushalt könnte zwar selbstverständlich auch über höhere Steuereinnahmen ausgeglichen werden, dies ist in der öffentlichen Diskussion aber nur selten zu hören. Auch wird kaum auf die immer weiter steigendenden Ungleichheiten zwischen „arm“ und „reich“ eingegangen. Ein Blick auf die Nettovermögen zeigt deutlich, dass die privaten Nettovermögen um ein Mehrfaches über den öffentlichen Schulden liegen. Die Debatte um die Staatsverschuldung erscheint damit in einem völlig anderen Licht. Denn dann geht es weniger um einen Schuldenabbau als um eine Umverteilung und Beteiligung von Menschen mit hohen Vermögen und Einkommen an der Finanzierung öffentlicher Ausgaben und des Sozialstaates.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um die gekürzte Version eines Kapitels aus dem Buch „Mythen des Sparens. Antizyklische Alternativen zur Schuldenbremse“. Dieses wurde 2013 vom BEIGEWUM herausgegeben und wendet sich an alle, die der Behauptung „Sparen sei das Gebot der Stunde“ fundierte Argumente entgegensetzen wollen. Es werden zentrale Mythen aus den Bereichen „Schulden“, „Sparen“ und der damit verbundenen EU-Politik kritisch hinterfragt und die dahinterstehenden Zusammenhänge erklärt. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/
Initiative „Erbschaften besteuern!“
Die Einführung einer Erbschaftssteuer ist ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht! Petition unterzeichnen auf www.erbschaften-besteuern.at
Erbschaften sind in Österreich äußerst konzentriert: Wenige Menschen empfangen sehr große Hinterlassenschaften und werden damit ohne zu arbeiten reich. Seit der Abschaffung der Erbschaftssteuer im Jahr 2008 ist das niedrige Aufkommen aus vermögensbezogenen Steuern noch weiter gesunken.
Die Wiedereinführung einer Abgabe auf Erbschaften ist Voraussetzung für Gerechtigkeit, denn die soziale Herkunft darf nicht über die Zukunft der Menschen entscheiden. Wir brauchen die Erbschaftssteuer zum notwendigen Ausbau sozialer Dienstleistungen, um allen Kindern gute Bildungschancen zu geben und ein Altern in Würde für Alle zu ermöglichen.
Wir fordern deshalb die neue Bundesregierung auf, so rasch wie möglich eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen einzuführen.