Mythos: „Reich werden kann jede, genauso wie jeder“
Dass die Einkommen von Frauen und Männern auseinanderklaffen, ist gründlich belegt und allgemein bekannt. Viel hartnäckiger hält sich jedoch der Mythos, dass Frauen länger leben, daher mehr erben und somit die gleichen Chancen haben, Vermögen zu erlangen wie Männer. Doch das ist nicht richtig. Auch bei Vermögen gibt es eine Schere zwischen Männern und Frauen, was vor allem an einer „gläsernen Vermögensdecke“ liegt. Frauen kommen insgesamt beim Vermögen einfach nicht so weit hinauf wie Männer. Die Einführung von Vermögenssteuern ist deswegen auch für Geschlechtergerechtigkeit wichtig.
Frauen haben das Nachsehen
Tatsache ist, dass es auch bei Reichtum und Vermögen einen Gender Gap gibt. Die seit kurzem verfügbaren Vermögensdaten der Europäischen Zentralbank zeigen, dass in Österreich Frauen gegenüber Männern durchschnittlich 40 Prozent weniger Vermögen besitzen. Damit bestätigen die Daten auch für Österreich und Europa, was bislang bereits in der internationalen Literatur argumentiert wird – Frauen haben weniger Vermögen als Männer. Das liegt besonders an einer „gläsernen Vermögensdecke“: je näher der obere Rand der Vermögensverteilung rückt, umso stärker fallen Frauen zurück (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Weibliche versus männliche Haushalte bei den obersten 10% in Europa
Quelle: Schneebaum et al. 2014
Woran liegt es nun, dass Frauen weniger Reichtum erlangen können als Männer? Zum einen an den geringeren Arbeitseinkommen. Frauen haben noch immer stärker unterbrochene Erwerbskarrieren, arbeiten öfter Teilzeit und in Niedriglohnbranchen, und verdienen für die gleiche Arbeit weniger. Allerdings sollte der Einfluss von Arbeit auf Vermögen nicht überschätzt werden. Nur die wenigsten Menschen werden durch Erwerbsarbeit reich.
Zum anderen ist nämlich die Übertragung von Vermögen durch Erben, Schenken oder bei Scheidungen entscheidend. Single-Frauen erben zwar aufgrund der höheren Lebenserwartung öfter als Single-Männer, allerdings erben sie geringere Summen. Die Ungleichheit bei Vermögen zwischen Männern und Frauen ist daher ebenso wie bei den Einkommen ein Ausdruck von den diskriminierenden gesellschaftlichen Rollen, Normen und Strukturen.
Vermögenssteuer als Gender-Debatte?
Für die laufende Debatte um Vermögenssteuern beinhaltet die Vermögensschere zwischen Männern und Frauen daher Spannendes. Wenn Männer mehr Vermögen haben als Frauen, dann ist eine ausgewogene Finanzierung des Sozialstaats aus Arbeit, Vermögen und Konsum auch aus Geschlechterperspektive gerechter. Das heißt auch, dass vor allem Frauen verlieren, wenn es keine Vermögenssteuern gibt, da die aufgebauten Vermögen der Männer nicht belastet werden. Aus einer Gleichberechtigungs-Sicht ist daher jedenfalls für die Einführung von Vermögens- bzw. Erbschaftssteuern zu argumentieren, um die Benachteiligung von Frauen zu vermindern.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um den ersten von vier gekürzten Version von Kapiteln aus dem aktuellen Buch „Mythen des Reichtums. Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet“. Dieses wurde vom BEIGEWUM, Attac und der Armutskonferenz herausgegeben und stellt den bestehenden Mythen des Reichtums Fakten entgegen. Die AutorInnen setzen sich mit Gerechtigkeits- und Leistungsbegriffen auseinander, erörtern die empirische Vermögensforschung, und untersuchen die Gefahren der Vermögenskonzentration für die Demokratie. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.