Mythos: „Reiche schaffen viele Arbeitsplätze“ – BEIGEWUM

Mythos: „Reiche schaffen viele Arbeitsplätze“

am 31. Januar 2015 um 12:30h

Ungleich­heit wirkt posi­tiv auf den Arbeits­markt: Als Neben­ef­fekt ihres Stre­bens nach Reich­tum las­sen die Ver­mö­gen­den vie­le Mil­lio­nen Arbeits­plät­ze ent­ste­hen. Tat­sa­che ist: Die meis­ten Arbeits­plät­ze bie­ten Klein- und Mit­tel­be­trie­be, neue Jobs schaf­fen vor allem neue und jun­ge Unter­neh­men. Es gibt vie­le Arten von Ver­mö­gen, aber nur weni­ge haben direkt mit der Schaf­fung von Arbeits­plät­zen zu tun. Zwar ermög­licht das Finanz­ver­mö­gen (wie Giro­kon­ten oder Akti­en) den Unter­neh­men über Kre­di­te und Betei­li­gun­gen zu inves­tie­ren und zu wach­sen, jedoch wer­den Arbeits­plät­ze nur bei güns­ti­ger Wirt­schafts­la­ge geschaf­fen. Das Finanz­ver­mö­gen kann zudem aus unter­schied­lichs­ten Quel­len stam­men: von tau­sen­den Spare­rIn­nen, einem Pen­si­ons­fonds oder von Super­rei­chen. Ent­schei­dend ist jedoch, wohin das Finanz­ver­mö­gen fließt, und hier haben Rei­che durch­aus Ein­fluss auf die Ent­wick­lung der Arbeits­platz­si­tua­ti­on. Denn sie inves­tie­ren dort, wo es beson­ders pro­fi­ta­bel ist – unab­hän­gig von der Fra­ge, wie vie­le Arbeits­plät­ze durch ihre Inves­ti­ti­on geschaf­fen werden.

Bei Sach­ver­mö­gen sind Immo­bi­li­en, Fahr­zeu­ge und Wert­ge­gen­stän­de sicher­lich kei­ne Berei­che, in denen sehr Ver­mö­gen­de ver­hält­nis­mä­ßig mehr Arbeits­plät­ze schaf­fen als der Rest der Bevöl­ke­rung. Der Fuhr­park der Gates und Buf­fetts die­ser Welt ist im Ver­gleich zur Nach­fra­ge der brei­ten Mas­se ver­nach­läs­sig­bar. Und für den Bau einer Luxus­vil­la wer­den auch nicht mehr Arbei­te­rIn­nen gebraucht als für die Errich­tung eines Gemeindebaus.

Der direk­tes­te Ein­fluss von Rei­chen auf die Schaf­fung von Arbeits­plät­zen ist beim Besitz von oder der Betei­li­gung an Unter­neh­men zu erwar­ten. Wäh­rend die­se Ver­mö­gens­art bei den meis­ten öster­rei­chi­schen Haus­hal­ten kaum vor­kommt, hal­ten über zwei Drit­tel der reichs­ten 5% Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen. Unter­neh­mens­ei­gen­tü­me­rIn­nen haben zwar sicher einen Ein­fluss auf Per­so­nal­ent­schei­dun­gen, aber grund­sätz­lich unter­liegt jedes Unter­neh­men der kapi­ta­lis­ti­schen Logik, in der das Stre­ben nach Pro­fi­ten ganz klar im Vor­der­grund steht.

Beson­ders erfolg­reich bei der Erzie­lung von Pro­fi­ten sind mul­ti­na­tio­na­le Groß­kon­zer­ne, ein belieb­tes Ziel der Rei­chen für ihre Finanz­in­ves­ti­tio­nen. Die Kon­zer­ne nut­zen ihre Qua­si-Mono­pol­stel­lung, um Prei­se nach ihren Vor­stel­lun­gen zu gestal­ten, sie spie­len Regie­run­gen gegen­ein­an­der aus, zah­len dank Finanztricks kaum Steu­ern und pro­du­zie­ren dort, wo es am bil­ligs­ten ist. Vie­le Arbeits­plät­ze kre­ieren sie dabei nicht. Obwohl sie für etwa zwei Drit­tel des Welt­han­dels und etwa ein Vier­tel der Welt-Wert­schöp­fung ver­ant­wort­lich sind, haben die mul­ti­na­tio­na­len Groß­kon­zer­ne nur etwa einen Anteil von 5% an den Arbeits­plät­zen weltweit.

Die meis­ten Arbeits­plät­ze ent­fal­len auf Klein- und Mit­tel­be­trie­be. In Öster­reich und ande­ren OECD-Län­dern sind sie Arbeit­ge­ber für rund zwei Drit­tel aller unselb­stän­dig und selb­stän­dig Beschäf­tig­ten. Wie die Stu­die des Natio­nal Bureau of Eco­no­mic Rese­arch (Hal­ti­wan­ger u.a. 2010), der größ­ten unab­hän­gi­gen wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­ein­rich­tung in den USA, zeigt, schaf­fen vor allem neue und jun­ge Unter­neh­men neue Arbeits­plät­ze. Dies gilt auch für die EU: Laut EU-Kom­mis­si­on wur­den zwi­schen 2002 und 2010 85% aller neu­en Arbeits­plät­ze von Klein- und Mit­tel­be­trie­ben geschaf­fen – das waren net­to (also abzüg­lich der ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Arbeits­plät­ze) durch­schnitt­lich 1,1 Mil­lio­nen Jobs pro Jahr.


Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um den zwei­ten von vier gekürz­ten Ver­sion von Kapi­teln aus dem aktu­el­len Buch „Mythen des Reich­tums. War­um Ungleich­heit unse­re Gesell­schaft gefähr­det“. Die­ses wur­de vom BEIGEWUM, Attac und der Armuts­kon­fe­renz her­aus­ge­ge­ben und stellt den beste­hen­den Mythen des Reich­tums Fak­ten ent­ge­gen. Die Auto­rIn­nen set­zen sich mit Gerech­tig­keits– und Leis­tungs­be­grif­fen aus­ein­an­der, erör­tern die empi­ri­sche Ver­mö­gens­for­schung, und unter­su­chen die Gefah­ren der Ver­mö­gens­kon­zen­tra­tion für die Demo­kra­tie. Das Buch ist im VSA-​​Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt werden.

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