Mythos: „Reiche schaffen viele Arbeitsplätze“
Ungleichheit wirkt positiv auf den Arbeitsmarkt: Als Nebeneffekt ihres Strebens nach Reichtum lassen die Vermögenden viele Millionen Arbeitsplätze entstehen. Tatsache ist: Die meisten Arbeitsplätze bieten Klein- und Mittelbetriebe, neue Jobs schaffen vor allem neue und junge Unternehmen. Es gibt viele Arten von Vermögen, aber nur wenige haben direkt mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu tun. Zwar ermöglicht das Finanzvermögen (wie Girokonten oder Aktien) den Unternehmen über Kredite und Beteiligungen zu investieren und zu wachsen, jedoch werden Arbeitsplätze nur bei günstiger Wirtschaftslage geschaffen. Das Finanzvermögen kann zudem aus unterschiedlichsten Quellen stammen: von tausenden SparerInnen, einem Pensionsfonds oder von Superreichen. Entscheidend ist jedoch, wohin das Finanzvermögen fließt, und hier haben Reiche durchaus Einfluss auf die Entwicklung der Arbeitsplatzsituation. Denn sie investieren dort, wo es besonders profitabel ist – unabhängig von der Frage, wie viele Arbeitsplätze durch ihre Investition geschaffen werden.
Bei Sachvermögen sind Immobilien, Fahrzeuge und Wertgegenstände sicherlich keine Bereiche, in denen sehr Vermögende verhältnismäßig mehr Arbeitsplätze schaffen als der Rest der Bevölkerung. Der Fuhrpark der Gates und Buffetts dieser Welt ist im Vergleich zur Nachfrage der breiten Masse vernachlässigbar. Und für den Bau einer Luxusvilla werden auch nicht mehr ArbeiterInnen gebraucht als für die Errichtung eines Gemeindebaus.
Der direkteste Einfluss von Reichen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ist beim Besitz von oder der Beteiligung an Unternehmen zu erwarten. Während diese Vermögensart bei den meisten österreichischen Haushalten kaum vorkommt, halten über zwei Drittel der reichsten 5% Unternehmensbeteiligungen. UnternehmenseigentümerInnen haben zwar sicher einen Einfluss auf Personalentscheidungen, aber grundsätzlich unterliegt jedes Unternehmen der kapitalistischen Logik, in der das Streben nach Profiten ganz klar im Vordergrund steht.
Besonders erfolgreich bei der Erzielung von Profiten sind multinationale Großkonzerne, ein beliebtes Ziel der Reichen für ihre Finanzinvestitionen. Die Konzerne nutzen ihre Quasi-Monopolstellung, um Preise nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sie spielen Regierungen gegeneinander aus, zahlen dank Finanztricks kaum Steuern und produzieren dort, wo es am billigsten ist. Viele Arbeitsplätze kreieren sie dabei nicht. Obwohl sie für etwa zwei Drittel des Welthandels und etwa ein Viertel der Welt-Wertschöpfung verantwortlich sind, haben die multinationalen Großkonzerne nur etwa einen Anteil von 5% an den Arbeitsplätzen weltweit.
Die meisten Arbeitsplätze entfallen auf Klein- und Mittelbetriebe. In Österreich und anderen OECD-Ländern sind sie Arbeitgeber für rund zwei Drittel aller unselbständig und selbständig Beschäftigten. Wie die Studie des National Bureau of Economic Research (Haltiwanger u.a. 2010), der größten unabhängigen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtung in den USA, zeigt, schaffen vor allem neue und junge Unternehmen neue Arbeitsplätze. Dies gilt auch für die EU: Laut EU-Kommission wurden zwischen 2002 und 2010 85% aller neuen Arbeitsplätze von Klein- und Mittelbetrieben geschaffen – das waren netto (also abzüglich der verlorengegangenen Arbeitsplätze) durchschnittlich 1,1 Millionen Jobs pro Jahr.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um den zweiten von vier gekürzten Version von Kapiteln aus dem aktuellen Buch „Mythen des Reichtums. Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet“. Dieses wurde vom BEIGEWUM, Attac und der Armutskonferenz herausgegeben und stellt den bestehenden Mythen des Reichtums Fakten entgegen. Die AutorInnen setzen sich mit Gerechtigkeits– und Leistungsbegriffen auseinander, erörtern die empirische Vermögensforschung, und untersuchen die Gefahren der Vermögenskonzentration für die Demokratie. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.