Mythos: „Reiche zahlen die meisten Steuern“
Zahlen die Reichen besonders viele Steuern?
Immer wieder in der Kritik steht die hohe Lohn- und Einkommenssteuer – sie treffen mit dem Grenzsteuersatz von 50% die leistungswillige Mittelschicht. Doch tatsächlich ist die breite Masse vom 50-prozentigen Grenzsteuersatz keineswegs betroffen:
Der Grenzsteuersatz gilt nur für Einkommensteile über dem Schwellenwert von 60.000 Euro Bemessungsgrundlage (Bruttoeinkommen abzüglich Sozialversicherungsbeiträge). Verdient beispielsweise jemand 100.000 Euro brutto im Jahr, so zahlt er oder sie für die ersten 11.000 Euro keine Steuern, für den Betrag zwischen 11.000 und 25.000 Euro bezahlt er oder sie 36,5%, für das Einkommen zwischen 25.000 und 60.000 Euro 42,2% und nur für das Einkommen über 60.000 Euro den Steuersatz von 50%. Dieser höchste Grenzsteuersatz betrifft allerdings nur 3% der unselbständigen Beschäftigten in Österreich, denn mehr erreichen ein solch hohes Einkommen nicht. Berücksichtigt man auch noch die steuerliche Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts, so ergibt sich für den oben angeführten Fall eines Jahreseinkommens von 100.000 Euro ein durchschnittlicher Steuersatz von 28,5%. Dieser liegt somit deutlich unter dem Spitzensteuersatz – selbst bei diesem durchaus hohen Einkommen.
Vergessen wird beim Verweis auf die hohe Steuerlast der Hocheinkommensbezieher meist, dass Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind. Berücksichtigt man diese, verschiebt sich das Bild der relativen Abgabenlast, da Sozialversicherungsbeiträge bereits ab der Geringfügigkeitsgrenze von etwa 400 Euro zu leisten sind. Darüber hinaus ist der zu entrichtende Abgabensatz unabhängig von der Einkommenshöhe und nach oben mit dem Betrag von 4.530 Euro pro Monat gedeckelt. Daraus ergibt sich, dass auch jene ArbeitnehmerInnen, die so wenig verdienen, dass sie keine Einkommenssteuern zahlen, Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe bezahlen. Bei diesen viel zitierten 40% aller unselbständig Erwerbstätigen handelt es sich v.a. um Menschen in Niedriglohnsektoren wie dem Handel oder der Pflege, Teilzeitbeschäftigte oder andere ArbeitnehmerInnen in prekären Formen der Erwerbstätigkeit.
Berücksichtigt man darüber hinaus die indirekten Steuern, dann zeigt sich, dass unselbständig erwerbstätige Haushalte, egal welcher Einkommensklasse sie angehören, in Relation zu ihrem Einkommen annähernd gleich viel an Steuern und Abgaben bezahlen.
Personen, die niedrige Einkommen beziehen, wenden einen größeren Anteil ihres Einkommens für indirekte Steuern (z.B. Umsatzsteuer) und Sozialversicherungsbeiträge auf, wohingegen Personen mit hohen Einkommen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Lohnsteuer bezahlen. Aber alle tragen mit rund 40% ihres Einkommens zur Staatsfinanzierung bei – das Abgabensystem wirkt demnach nicht progressiv, sondern vielmehr proportional.
Auch wenn jemand die Wohnung besitzt, in der er/sie lebt, werden hier fiktive Vermögenseinkommen erzielt, weil keine Miete bezahlt werden muss. Auch auf Erbschaften und Schenkungen fallen seit 2008 keine Steuern mehr an. Werden all diese Faktoren mit einbezogen, ist die Steuerbelastung sogar regressiv. Das bedeutet: Je mehr ein Haushalt an Einkommen generiert, desto weniger bezahlt er relativ zu diesem Einkommen an Steuern.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um den dritten von vier gekürzten Version von Kapiteln aus dem aktuellen Buch „Mythen des Reichtums. Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet“. Dieses wurde vom BEIGEWUM, Attac und der Armutskonferenz herausgegeben und stellt den bestehenden Mythen des Reichtums Fakten entgegen. Die AutorInnen setzen sich mit Gerechtigkeits– und Leistungsbegriffen auseinander, erörtern die empirische Vermögensforschung, und untersuchen die Gefahren der Vermögenskonzentration für die Demokratie. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.