VA Dokumentation: Perspektiven fortschrittlicher Wirtschaftstheorie und -praxis
Nach der Krise war die Ökonomik recht stark in der Kritik: Davon ausgehend fand bereits im Frühjahr eine Diskussionsveranstaltung auf der Wirtschaftsuniversität Wien zur Bestandsaufnahme statt, diese Veranstaltung sollte nun den Diskurs weiterlenken in Richtung Strategien für eine heterodoxe Ökonomik.
Denn oft genug wird so getan, als sei die herrschende ökonomische Schule der Neoklassik der einzig mögliche Ansatz. Dem stellt sich die Plurale Ökonomik mit ihrer theoretischen und methodischen Vielfalt entgegen und zeigt andere Optionen auf. Der Impuls für die Erneuerung kommt klar von den Studierenden, die eine scheinbare Alternativlosigkeit zum bestehenden Wirtschaftssystem nicht länger akzeptieren wollen.
Wie in der Diskussion festgestellt wurde: Das derzeitige wirtschaftliche Paradigma ist angekratzt, aber hält trotz der Krise. Eine inhaltliche Beeinflussung ergibt sich zwar beständig durch kleine Initiativen und verschiedene Diskursräume, doch auch politische Lösungen sind letztlich gefragt. Die meisten wissenschaftlichen Diskussionsräume sind sehr dogmatisch und verkrustet. Die Institutionen müssen geöffnet werden und Pluralismus sollte endlich Einzug halten, lautet eine der Hauptforderungen. Es gibt zwar verschiedene Spielwiesen, aber strukturell ändert sich kaum etwas, so der Tenor am Podium. Es gibt etwas mehr Pluralität, aber nur soweit, als es das Ergebnis nicht verändert.
Die Rolle der Politik abseits von öffentlicher Auftragsvergabe ist eine der großen Fragestellungen. Sie kann Position beziehen und Probleme adressieren. Die Stadt Wien bekennt sich beispielsweise zu einer antizyklischen Fiskalpolitik. Klar wird auch über die Dominanz der Ökonomie über die Politik gesprochen, die eine gewisse Pseudo-Rationalität erzeugt. Diskursräume in der staatlichen Praxis müssen definitiv erkämpft werden, um in weiterer Folge eine Umsetzung pluraler Lösungsvorschläge zu bewirken. Durch einen policy mix sind Alternativen jedenfalls auch im Kleinen möglich.
An den Universitäten gibt es auch genügend Entwicklungspotenzial, was heterodoxe Strömungen in der Forschung und Lehre angeht. Im Zusammenhang mit den wissenschaftlichen Journalen werden die bestehenden Abläufe, Kriterien und Ratings stark kritisiert, hier bedarf es immer noch einiger Änderungen. Die Frage der Finanzierung über Drittmittel sowie öffentliche Gelder und die jeweils dementsprechend mögliche Beeinflussung der Ergebnisse von wissenschaftlicher Arbeit ist ebenfalls zentral. Die zentralen Themenkomplexe von (Un-) Gleichheit, Arbeit (-slosigkeit) und Ökologie müssen jedenfalls bearbeitet werden.
Für die Plurale Ökonomik als Bewegung ist es generell notwendig, nicht in der Kritik stecken zu bleiben sondern Neues zu entwickeln. Sei es innerhalb der bestehenden Kernbastionen oder in selbst aufgebauten Strukturen, diese Strategie der Interdisziplinarität ist anspruchsvoll und entwickelt sich ständig weiter.
Es diskutierten:
Franziska Disslbacher, Studentin, Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien
Klemens Himpele, Volkswirt, Stadt Wien, MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik
Ralf Ptak, Wirtschaftswissenschaftler Universität Köln, Wissenschaftlichen Beirat Attac (Lindauer Manifest), Netzwerk Plurale Ökonomik
Moderation: Romana Brait, BEIGEWUM
Eine gemeinsame Veranstaltung des BEIGEWUM, der Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien, Roter Börsen Krach und der Mastervertretung VW.Sozök.SEPP.
Videoaufzeichnung der Diskussion im Republikanischen Club
Gesellschaft Plurale Ökonomik Wien
Internationaler studentischer Aufruf für eine Plurale Ökonomik – Manifest
Leitlinien der Wiener Wirtschaftspolitik
(Photo credit: Peter Reitmayr)