Wirtschaftliche Effekte einer früheren Anhebung des Frauenpensionalters in Österreich
Christine Mayrhuber, Juli 2016
zur Studie
- An die schnellere Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters sind viele Erwartungen und Hoffnungen geknüpft: von einer Verbesserung der Chancen- und Einkommensgleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt bis hin zu laufenden Einsparungen im Bereich der Pensionsfinanzierung. Eine Studie des WIFO beleuchtet wichtige volkswirtschaftliche Aspekte einer schnelleren Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters und zeigt, dass die zu erwartenden Effekte mit dem Betrachtungszeitraum variieren, von der generellen Arbeitsmarktentwicklung abhängen. Die hohen Erwartungen an diese Reformmaßnahme können in der kurzen Frist jedenfalls nicht erfüllt werden.
Simulation: Früherer Einstieg in höheres Frauenpensionsalter Gemäß der geltenden Rechtslage steigt das gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen ab dem Jahr 2024 für die Geburtsjahrgänge 1964 bis 1968 in Halbjahresschritten um jeweils 6 Monate (Status-quo-Szenario). In einem Kurzgutachten simulierte das WIFO wirtschaftliche Effekte einer früheren Anhebung von derzeit 60 Jahren auf 65 Jahre. Angenommen wurde eine Anhebung im selben Tempo, die aber bereits 2019 einsetzen und somit für die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1963 gelten würde. Das einheitliche Regelpensionsantrittsalter von 65 Jahren würde dann bereits ab dem Jahr 2029 (statt ab 2034) gelten. Frauen würden ab 2023 das Antrittsalter zur Korridorpension erreichen.
Die simulierte Reform zieht in zumindest drei verschiedenen Bereichen Effekte nach sich. Das höhere Pensionsantrittsalter der Frauen hat Auswirkungen auf (1) die Finanzgebarung der Pensions‑, aber auch der Arbeitslosenversicherung, (2) den Arbeitsmarkt und (3) die individuelle Pensionshöhe durch eine längere Erwerbstätigkeit der reformbetroffenen Frauen.
(1) Vorrübergehend Einsparungen in der Pensionsversicherung, aber Mehrausgaben in der Arbeitslosenversicherung
Die Auswirkungen des höheren Frauenpensionsalters auf die Finanzierung der Pensionsversicherung wurden mit dem WIFO-Makro-Modell „DELTA-Budget“ simuliert (Demography-based Economic Long-Term Model for Austria’s Public Finances). Demnach entstehen in einer ersten Phase zwischen 2019 und 2032 durch den späteren Pensionsantritt entlastende Effekte: Die Zahl der Pensionierten sinkt um bis zu 30.000 Personen (2029), die Pensionsaufwendungen liegen zwischen 2023 und 2029 um bis zu 370 Mio. € pro Jahr (real) bzw. 0,12% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter dem Szenario in der geltenden Gesetzeslage. Entlastend wirken auch die Einnahmen aus Pensionsversicherungsbeiträgen der zusätzlich Beschäftigten (bis zu 60 Mio. € pro Jahr, real). Ab 2034 klingt der dämpfende Effekt dann ab.
Gleichzeitig steigen die Aufwendungen in der Arbeitslosenversicherung bis 2029 an, da nicht alle die länger am Arbeitsmarkt bleiben dies auch in Beschäftigung tun. Entsprechend reagieren die Aufwendungen für Lohnersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung, diese erhöhen sich bis 2029 um rund 230 Mio. € (p. a. real) bzw. 0,06% des BIP gegenüber dem Status-quo-Szenario.
In der zweiten Phase steigen die Pensionsaufwendungen aufgrund höherer individueller Pensionsansprüche durch verlängerte pensionsrelevante Versicherungszeiten der Frauen. Diese höheren Pensionsbezüge schlagen sich ab 2034 in einer Steigerung der Pensionsaufwendungen um 150 Mio. € pro Jahr bzw. 0,03% des BIP nieder. Der Mehrausgabeneffekt klingt ab 2048 ab und verschwindet ab 2055 ganz (Abbildung 1).
- Entlastende Effekte für die Pensionsversicherung dominieren in der ersten Phase bis 2032, die Mehrausgaben für die Pensionsversicherung dominieren in der zweiten Phase bis 2048. Der Finanzierungs-Nettoeffekt hängt damit vom Betrachtungszeitraum ab, langfristig dürfte er allerdings unter den Erwartungen bleiben, die an eine vorgezogene Altersangleichung gerichtet sind.
(2) Geringe Beschäftigungseffekte, mehr Arbeitslosigkeit
Die zweite zentrale Frage ist die des Arbeitsmarkteffektes, sprich: in welchem Ausmaß sich die vorzeitige Anhebung des Antrittsalters auf die Weiterbeschäftigung der betroffenen Frauenjahrgänge auswirkt. Analysen vergangener Erhöhungen der Altersgrenzen zu vorzeitigen Alterspensionen zeigen, dass sich sowohl die Beschäftigung als auch die Arbeitslosigkeit für die jeweils betroffenen Jahrgänge erhöht. Darüber hinaus ist der Anstieg der Beschäftigtigung in den betroffenen Jahrgängen nicht gleichzeitig der Anstieg in der Gesamtbeschäftigung: Eine kurzfristige Beschäftigungsausweitung Älterer verzögert die Beschäftigungsaufnahmen in anderen Altersgruppen. Empirische Befunde zeigen, dass rund zwei Drittel pensionsbedingter Beschäftigungsabgänge innerhalb eines halben Jahres nachbesetzt werden, die Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters wird hier zu einer verzögerten Nachbesetzung führen. Der Nettobeschäftigungseffekt (Zusatzbeschäftigung bei den 60- bis 64-jährigen Frauen minus verzögerte Beschäftigungsaufnahme in anderen Altersgruppen) ist in der WIFO-Arbeit geringer als der Beschäftigungseffekt bei den betroffenen Frauen. Die WIFO-Simulation unterstellt, dass sich die reformbedingte Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes zu 25% in einer Erhöhung der Gesamtbeschäftigung niederschlägt.
Der Gesamtbeschäftigungsstand steigt durch die vorgezogene Reform gegenüber dem Status quo vorübergehend um bis zu 0,2%, die Zahl der Arbeitslosen um über 6% und die Arbeitslosenquote um gut 0,4 Prozentpunkte.
- Die künftige Beschäftigungsausweitung durch die Steigerung des Arbeitskräfteangebotes hängt von der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und damit auch vom Konjunkturumfeld ab. Ein günstiger Konjunkturverlauf zwischen 2019 und 2029 kann den Nettobeschäftigungseffekt erhöhen, ein ungünstiger kann ihn hingegen dämpfen.
(3) Höhere Leistungen für arbeitsmarktnahe Frauen, aber Unterstützung für Arbeitsmarktferne notwendig
Durch die modellierte schnellere Anhebung des Regelpensionsalters werden vor allem arbeitsmarktnahe Frauen längere pensionsrelevante Beschäftigungszeiten realisieren können. Normale Alterspensionen der Frauen werden zu rund 56% direkt aus einer aktiven Beschäftigung angetreten, bei einem Drittel der Neuzugänge liegt die letzte aktive Erwerbstätigkeit allerdings länger als 3 Jahre zurück. Für die erstgenannte Gruppe der Frauen steigen die Erstpensionen durch die längere Erwerbstätigkeit, ausgehend von einem niedrigen Niveau (von den zwischen 2012 bis 2014 neuzuerkannten normalen Alterspensionen an Frauen waren 37% niedriger als 500 €). In der zweiten Gruppe der arbeitsmarktfernen Frauen werden sich weder die Beschäftigungschancen noch die finanzielle Absicherung im Alter verbessern, hierfür braucht es zielgruppenspezifische arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie Maßnahmen auf der betrieblichen Ebene.
- Die vom WIFO simulierte Anhebung der Altersgrenze zwischen 2019 und 2029 fällt insgesamt in eine Phase mit steigendem Arbeitskräfteangebot. Allein die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen wird im Jahr 2028 mit 667.800 Personen um rund 189.000 Personen größer sein als sie heute ist. Eine schnellere Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters braucht flankierende zielgruppenspezifische Maßnahmen besonders für arbeitsmarktferne Frauen, damit sie nicht zu den Verliererinnen der Reform und des angespannten Arbeitsmarktes werden.
- Die an die Reform geknüpften Erwartungen können nur dann erfüllt werden, wenn es gelingt, den späteren Pensionsantritt mit einer Verlängerung der Erwerbsphase und einer Erhöhung der Gesamtbeschäftigung zu verbinden. Dafür reichen Änderungen alleine in den pensionsrechtlichen Bestimmungen nicht aus.
Abbildung 1: Effekte der Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen auf Pensionsaufwendungen, Pensionsbeiträge und Arbeitslosenleistungen
Real, Abweichungen vom Status-quo-Szenario in Mio. €
Q: WIFO-Berechnungen.