Arbeitsbereit auf Knopfdruck – BEIGEWUM

Arbeitsbereit auf Knopfdruck

am 24. November 2016 um 15:00h

Der Bei­trag von Mar­kus Ell­mer ist am 5. August im Mosa­ik-Blog erschienen

Schnell und „on demand“: Mitt­ler­wei­le wird eine beträcht­li­che Fül­le an Dienst­leis­tungs­ar­beit über online-Platt­for­men an (anony­me) Arbeits­kräf­te im Inter­net ver­mit­telt. Hier ein kur­zer Über­blick dar­über, wie online-Platt­for­men (digi­ta­le) Arbeit for­men, wel­che Kon­se­quen­zen dies mit sich bringt und was sich an der Debat­te rund um platt­form-ver­mit­tel­te Arbeit ändern sollte.

Mitt­ler­wei­se basie­ren die Geschäfts­mo­del­le zahl­rei­cher online-Platt­for­men dar­auf, Dienst­leis­tungs­ar­beit „on demand“ zu ver­mit­teln. Anzahl und Umfang sol­cher Platt­for­men haben dabei beson­ders in den letz­ten Jah­ren suk­zes­si­ve zuge­nom­men. Das Tun und Las­sen die­ser „Kno­ten­punk­te“ im Web wird über­aus zwie­späl­tig gese­hen. Einer­seits wer­den zukunfts­wei­sen­de öko­no­mi­sche, öko­lo­gi­sche sowie gesell­schaft­li­che Poten­zia­le erkannt. Die web-basier­te Ver­mitt­lungs­pra­xis bie­tet auch tat­säch­lich neue Mög­lich­kei­ten, Res­sour­cen effi­zi­en­ter und folg­lich öko­lo­gisch ver­träg­li­cher zu ver­tei­len und zu nut­zen. Außer­dem erge­ben sich durch die­se Platt­for­men neue Erwerbs­chan­cen für mar­gi­na­li­sier­te Grup­pen – z.B. für Per­so­nen mit Beein­träch­ti­gun­gen oder auch für Men­schen aus dem glo­ba­len Süden. Die­se Platt­for­men wür­den – so die Groß­erzäh­lung –  als Reprä­sen­tan­tIn­nen einer ver­netz­ten, intel­li­gen­ten und ‚empowern­den‘ Wirt­schaft, eine immense Spreng­kraft posi­ti­ver Inno­va­ti­on und Erneue­rung in sich bergen.

Mit wel­chen neu­ar­ti­gen Poten­zia­len und tem­po­rä­ren Mode­be­grif­fen man online-Platt­for­men auch in Ver­bin­dung brin­gen mag: Bei einem nähe­ren Blick dar­auf, wie die­se Platt­for­men Arbeit for­men, zeigt sich: All­zu neu sind sie im Prin­zip nicht. Viel­mehr gie­ßen sie die bereits seit Jahr­zehn­ten bekann­te Mas­se Trends der Arbeits­welt, wie etwa Out­sour­cing (von Risi­ko), oder die For­ma­li­sie­rung und Pre­ka­ri­sie­rung von Arbeit, in die For­men neu­er web-tech­no­lo­gi­scher Mög­lich­kei­ten. Aller­dings birgt gera­de platt­form-ver­mit­tel­te Arbeit eine Rei­he eige­ner Kon­se­quen­zen für (digi­ta­le) Arbei­te­rIn­nen, die mit den eupho­ri­schen Dis­kur­sen rund um online-Platt­for­men wenig bis gar nicht zusammenpassen.

 

Raus aus sozialen Sicherungsnetzen – rein in den „glokalen“ Wettbewerb

Durch die Ver­mitt­lung im digi­ta­len Raum hebeln Platt­for­men etwa natio­nal­recht­lich ver­an­ker­te Schutz­me­cha­nis­men von Arbeit aus. Jene, die ihre Arbeits­kraft auf online-Platt­for­men anbie­ten, wer­den in eine expo­nier­te Lage ver­setzt, weil die Schutz­be­dürf­tig­keit von Crowd­wor­ke­rIn­nen mit Werk­ver­trags-ähn­li­chen Kon­struk­ten unter­gra­ben wird. Mit die­ser „Ver-Selbst­stän­di­gung“ wer­den Risi­ken weit­ge­hend auf die indi­vi­du­el­le Ebe­ne ver­la­gert. Hin­zu kommt die arbeits­recht­li­che Kom­ple­xi­tät drei­per­so­na­ler Arbeits­ver­hält­nis­se: Oft bleibt unklar, ob der/​die Auf­trag­ge­be­rIn oder die Platt­form der/​die tat­säch­li­che Arbeit­ge­be­rIn ist.

Neben die­ser arbeits­recht­li­chen Dimen­si­on wir­ken im digi­ta­len Raum mit­un­ter auch öko­no­mi­sche Mecha­nis­men, die sich nach­tei­lig auf die Macht­po­si­ti­on von Arbei­te­rIn­nen in Arbeits­pro­zes­sen aus­wir­ken. Beson­ders in Fall von digi­ta­ler Arbeit, die mit­tels Inter­net­ver­bin­dung, Bild­schirm, Tas­ta­tur und Maus erle­digt wer­den kann, kön­nen Auf­trag­ge­be­rIn­nen über die ent­spre­chen­den Platt­for­men auf geo­gra­fisch inter­na­tio­nal ver­streu­te Arbei­te­rIn­nen zugrei­fen. Durch die­sen Hebel wer­den sozio-öko­no­mi­sche Dif­fe­ren­zen, die zwi­schen die­sen Per­so­nen auf­tre­ten, auf engs­tem digi­ta­lem Raum ver­dich­tet, was den Preis für Arbeit auf­grund der glo­ba­len Kon­kur­renz nied­rig hält. Dem­entspre­chend bewe­gen sich auch ver­schie­de­ne Schät­zun­gen und Anga­ben zu den Stun­den­löh­nen auf sol­chen Platt­for­men in einem Bereich von 1,20 und 6,00 US-Dollar.

Die­ser von Platt­for­men ein­ge­lei­te­te Wett­be­werb ent­fal­tet sei­ne Wir­kung aber nicht nur glo­bal, son­dern auch lokal. Gera­de platt­form­ver­mit­tel­te Dienst­leis­tun­gen der soge­nann­ten „Sharing Eco­no­my“ stel­len eine nicht zu unter­schät­zen­de Kon­kur­renz der Dienst­leis­tungs­ar­beit in lang­jäh­rig eta­blier­ten Bran­chen dar (etwa der Hotel­bran­che, im Rei­ni­gungs­we­sen oder beim Per­so­nen­trans­port). Hier ent­ste­hen Wett­be­werbs­vor­tei­le vor allem dar­aus, weil bestehen­de Regu­lie­run­gen umgan­gen werden.

 

Die Kleinen und die Großen

Wenn es um die Orga­ni­sie­rung der Inter­es­sen digi­ta­ler Arbeit geht, erscheint es zunächst schwie­rig, so etwas wie ein­heit­li­che Arbeits­stan­dards zu eta­blie­ren. Gera­de auf Platt­for­men tref­fen nicht nur Per­so­nen mit völ­lig ver­schie­de­nen sozio-öko­no­mi­schen Rea­li­tä­ten auf­ein­an­der. Hin­zu kommt die immense Viel­falt an Arbeits­mo­ti­ven, die sich ent­lang einer Spann­brei­te zwi­schen „Zeit­ver­treib“ über „Zuver­dienst“ bis hin zu „Erwirt­schaf­ten des Haus­halts­ein­kom­mens“ auf­spannt. Brei­te, inter­es­sens­po­li­ti­sche Über­schnei­dun­gen zwi­schen Arbeit­neh­me­rIn­nen, sowie Abgren­zungs­li­ni­en zu ande­ren Grup­pen rela­ti­vie­ren sich im digi­ta­len Arbeits­raum emp­find­lich. Eine solch klein­tei­li­ge, ver­streu­te und hete­ro­ge­ne Arbei­te­rIn­nen­schaft steht dann den gro­ßen Platt­for­men gegen­über, die Auf­trag­ge­be­rIn­nen meist bevor­tei­len und dabei oft die Rücken­de­ckung mäch­ti­ger, finanz­kräf­ti­ger Kon­zer­ne und Inves­to­rIn­nen genießen.

Frag­men­tiert (zer­split­tert), ver­streut, hoch-divers – und über­mäch­ti­ge Kon­tra­hen­ten: In Sum­me also eine denk­bar schlech­te Aus­gangs­la­ge für eine Orga­ni­sie­rung der Inter­es­sen der Arbeit­neh­me­rIn­nen platt­form-ver­mit­tel­ter Arbeit. Nichts­des­to­trotz grup­pie­ren sich Platt­form-Arbei­te­rIn­nen, um Druck auf Auf­trag­ge­be­rIn­nen bzw. die Platt­for­men selbst aus­zu­üben. Im Fall von digi­ta­ler Arbeit etwa in Form von Foren und Tools, mit denen Druck auf unfai­re Arbeit­ge­be­rIn­nen aus­ge­übt wird. Und auch im Fal­le platt­form-ver­mit­tel­ten „offline“-Dienstleistungen, wo etwa der Fahr­dienst­leis­ter Uber (mitt­ler­wei­le übri­gens mehr wert als vie­le Auto­her­stel­ler) inter­na­tio­nal bereits mas­si­ven Wider­stand und zahl­rei­che Pro­tes­te sei­ner Fah­re­rIn­nen hin­neh­men musste.

 

Bringing Labor Back In

Mit der „Platt­for­m­öko­no­mie“ gehen also eine Viel­zahl an Her­aus­for­de­run­gen ein­her, die sich im Kon­text von Arbeit und den ihr asso­zi­ier­ten insti­tu­tio­na­li­sier­ten Inter­es­sens­ver­tre­tun­gen und Regu­lie­rungs­be­hör­den wie­der­fin­den. Aller­dings wer­den die­se Her­aus­for­de­run­gen nur sel­ten als sol­che im Kon­text von Arbeit wahr­ge­nom­men: Die Dar­stel­lun­gen die­ser neu­en Arbeits­for­men sind auf meh­re­ren Ebe­nen von auf­fal­len­den begriff­li­chen Unschär­fen gekenn­zeich­net und wer­den meist zusätz­lich hin­ter tech­no­lo­gi­schen Begrif­fen ver­steckt und/​oder öko­lo­gi­schen Dis­kur­sen über­la­gert. Damit ver­kommt Arbeit zu einer zuneh­mend unsicht­ba­ren Kategorie.

Es gilt daher, den Arbeits­be­griff wie­der ver­stärkt in die Debat­ten rund um ent­spre­chen­de Platt­for­men ein­zu­brin­gen, zumal Arbeit auch ein zen­tra­les Ele­ment die­ser Geschäfts­mo­del­le dar­stellt. Ist Arbeit hier aus­drück­li­ches The­ma, kann mit mehr Nach­druck dar­auf auf­merk­sam gemacht wer­den, dass auf die­sen Platt­for­men nicht nur Inno­va­ti­on, son­dern auch eine Reor­ga­ni­sa­ti­on von Arbeit in Rich­tung Pre­ka­ri­sie­rung, Wett­be­werb und Frag­men­tie­rung vor­an­ge­trie­ben wird. Und dass es die­sem Phä­no­men, wo es sinn­vol­ler­wei­se mög­lich ist, auf ver­schie­de­nen Ebe­nen zu begeg­nen gilt.

 

Wer Genaue­res rund um die­ses The­men erfah­ren möch­te, dem sei der aktu­el­le Kurs­wech­sel (2/​2016) zum The­ma „Digi­ta­le Arbeit und Platt­form­ka­pi­ta­lis­mus“, zusam­men­ge­stellt von Mar­kus Ell­mer und Julia Hof­mann, nahe­ge­legt.

 

Mar­kus Ell­mer ist Uni­ver­si­täts­as­sis­tent im Bereich Human Resour­ce Manage­ment an der Paris-Lodron Uni­ver­si­tät Salz­burg und forscht zu ver­schie­de­nen Phä­no­me­nen in der digital(isiert)en Arbeits­welt. Auf Twit­ter kann man ihm unter @Markus_Ellmer folgen.

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