DIGITALE ARBEIT – FEMINISTISCHE PERSPEKTIVEN
Das Karl-Renner-Institut, die AK Wien und der Beigewum laden zur Veranstaltung
DIGITALE ARBEIT – FEMINISTISCHE PERSPEKTIVEN
im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Feminismus in Theorie und Praxis“ ein.
Termin
Donnerstag, 27. April 2017, 18.30 Uhr (Einlass 18.00 Uhr)
Ort
Bibliothek der AK Wien,
Prinz Eugen Straße 20–22, 1040 Wien
Programm
Eröffnungstalk
BARBARA HOFMANN, Karl-Renner-Institut
INGRID MORITZ, AK Wien
PETRA SAUER, Beigewum
Impuls
KERSTIN JÜRGENS, Soziologin an der Universität Kassel, Vorsitzende der Kommission „Arbeit der Zukunft“ der Hans-Böckler-Stiftung
Kommentare
MUNA DUZDAR, Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung
GERLINDE HAUER, Arbeitsmarktexpertin der Abteilung Frauen – Familie der AK Wien
AGNES STREISSLER-FÜHRER, Mitglied der Bundesgeschäftsführung der GPA-djp mit Arbeitsschwerpunkt Digitalisierung
Moderation
BRIGITTE THEISSL, Journalistin
Inhalt
Was steckt hinter dem Digitalisierungs-Hype? Stehen wir vor einer grundlegenden Umgestaltung der Arbeitswelt oder sind wir bereits mitten drinnen? Wie wirken sich diese Entwicklungen auf den geschlechtsspezifisch segmentierten Arbeitsmarkt aus, und wie auf die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit? Fakt ist, dass die Mainstream-Debatte genderblind ist und der Wandel der Arbeit und die Folgen für Frauen wenig thematisiert werden. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Arbeitsbedingungen und Gestaltungspotenziale in frauendominierten Branchen wie Handel, Banken, Gesundheits- und Pflegesektor aus – und wie in den männerdominierten Technik-Branchen? Geht uns zukünftig tatsächlich die Arbeit aus oder ist es nicht vielmehr die gut bezahlte, abgesicherte Arbeit die noch stärker als bisher unter Druck gerät? Wie kann es beispielsweise besser gelingen, Arbeitszeitmodelle zur Schließung der Arbeitszeitlücke zwischen Männern und Frauen in der Öffentlichkeit zu thematisieren? Was braucht es, damit technischer Wandel tatsächlich Gleichstellung vorantreibt und nicht bestehende Rollenmodelle einzementiert – welche emanzipatorischen Momente können sich also durch die Digitalisierung ergeben?
Zu diesen und anderen Themen sollen in der Veranstaltung feministische Perspektiven ausgelotet, sowie Ansatzpunkte und Möglichkeiten zur Gestaltung diskutiert werden. Das Ziel eines guten Arbeitens und Lebens für Alle steht dabei im Zentrum der Beiträge.
Kerstin Jürgens, Arbeitssoziologin und Leiterin der „Arbeit der Zukunft“-Kommission der deutschen Hans-Böckler-Stiftung, wird in ihrem Vortrag einen Einblick in die deutsche Debatte geben, die genderspezifischen Dimensionen und zentrale Handlungsfelder wie Arbeitszeit, Veränderungen bei bezahlter und unbezahlter Arbeit, gesunde Arbeit beleuchten. Im Anschluss spannen Kommentatorinnen aus verschiedenen Bereichen den inhaltlichen Bogen zur österreichischen Diskussion.
Kleiner Imbiss im Anschluss
Informationen zur Veranstaltungsreihe „Feminismus in Theorie und Praxis“
Barbara Hofmann, Projektleiterin, hofmann@renner-institut.at
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist begrenzt. Anmeldung ist erforderlich! Wir bitten daher um Anmeldung bis 20. April 2017:
=> Online-Anmeldung
oder
Antonia Baumgarten
baumgarten@renner-institut.at
Mit der Teilnahme an der Veranstaltung stimmen Sie der Veröffentlichung von Fotos und Filmaufnahmen, die im Rahmen der Veranstaltung entstehen, zu.
Der rechte Streit um Europa – Präsentation 12.04.2017 19 Uhr Republikanischer Club.
DER RECHTE STREIT UM EUROPA
Mittwoch, 12. April 2017, 19 Uhr, im RC:
Die politische Rechte gibt sowohl in der EK, im Rat als auch im Europäischen Parlament den Ton an, liegt aber mit den rechtsextremen und ‑populistischen Parteien im Streit um die Zukunft Europas: Finanz- und Flüchtlingskrise haben die Integrationsmüdigkeit verschärft.
Mit dem BREXIT hat das erste Land seinen Austritt angekündigt. 2017 stehen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und eventuell Italien Wahlen an, überall werden rechtsextremen und ‑populistischen Parteien Zuwächse prognostiziert. Wie sehen aber konkurrierende Europa-Konzepte von ganz rechts bis wirtschaftsliberal konkret aus? Welche Vorstellungen von Binnenmarkt und Festung Europa sind im Umlauf? Und welche Rolle spielen kleinräumigere Abschottungskonzepte?
Präsentation des Kurswechselheftes 4/2016 und Diskussion mit:
Joachim BECKER (WU-Wien), Hanna LICHTENBERGER (Uni Wien), Moderation: Christa SCHLAGER (Kurswechsel-Redaktion).
Perspektiven für die feministische Ökonomie
Mascha Madörin anlässlich ihres 70. Geburtstags 3 Tage in Wien
Petra Sauer (Beigewum, VrauWL)
„Erforschen Sie, was Sie interessiert. Ansonsten macht es keinen Spaß und es hört Ihnen auch niemand zu.“, so Mascha Madörin auf die Frage nach den brennenden Themen die es für feministische Ökonom_innen zu erforschen gilt. In der ersten Märzwoche gab es gleich drei Mal die Möglichkeit Fragen an die Schweizer Wirtschaftswissenschaftlerin Mascha Madörin zu stellen. Denn anlässlich ihres 70. Geburtstags verweilte die Grande Dame der feministischen Ökonomie in Wien und diskutierte an drei Tagen in drei unterschiedlichen Formaten über ihren Werdegang, ihr Selbstverständnis als Ökonomin und natürlich über ihre Forschung.
In einem Gespräch mit Christa Schlager und Käthe Knittler wurde am 2.3. in der AK Bibliothek das Lesebuch „Quer denken“ mit und über Mascha Madörin vorgestellt. Auch wenn sie diesen Plan nicht vorsätzlich verfolgte, so passierte es ihr doch immer wieder, dass sie quer des politischen Establishments, des Finanzplatzes Schweiz und der Mainstream Ökonomie argumentierte und agierte. Denn sie brachte als Frau und Makroökonomin nicht nur Licht in die blinden Flecken der Wirtschaftstheorie, sondern war auch Aktivistin, die die schamlosen wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika aufdeckte und die Funktionsweise des Schweizer Finanzsystems sowohl analysierte als auch anprangerte. Außerdem lehrte sie in den Siebzigern in dem gerade unabhängig gewordenen Staat Mosambik Politische Ökonomie und betrieb Feldforschung. Im Gespräch bezeichnete Mascha Madörin diese Erfahrung als maßgeblich prägend für ihr Verständnis kritischer Wissensproduktion.
In der Familie ihrer Mutter mussten alle den Lohn an den Vater abliefern. Dann wurde, nach den notwendigen Haushaltsausgaben, das Geld wieder verteilt: Männer, die bezahlte Arbeit verrichteten, bekamen 10 Franken, Frauen, die sowohl bezahlte als auch unbezahlte Arbeit verrichteten bekamen 5 Franken, und Frauen, die „nur“ unbezahlte Arbeit verrichteten bekamen nichts. Diese Tatsache weckte schon in Kindheits- und Jugendjahren den Gerechtigkeitssinn von Mascha Madörin. Geschlechtsspezifische Ungleichheiten, die sich aus dem Umstand ergeben, dass jene Arbeit, die vorwiegend von Frauen unbezahlt in Haushalt und Gemeinschaft verrichtet wird, in den gängigen ökonomischen Modellen und somit in der wirtschaftspolitischen Praxis gänzlich unberücksichtigt blieb – und Großteils auch noch bleibt – waren daher immer Bezugspunkt ihrer Forschung. Spätestens mit ihren Analysen und Beiträgen zur feministischen Kritik am männlich geprägten Wirtschaftsverständnis, an der Neoklassik und dem Homo Economicus seit den frühen 1990er Jahren sowie zur Care-Ökonomie, die seit den 2000er Jahren ein Schwerpunkt wurde, kann Mascha Madörin als eine Wegbereiterin der feministischen Ökonomie bezeichnet werden.
Während Freitags Nachmittag, den 3.3., an der WU Wien „Überlegungen zu einer feministischen Ökonomie von Frauenrechten“ angestellt wurden, reflektierte Mascha Madörin am Samstag im Rahmen einer Gesprächswerkstatt in der Frauenhetz über die Entwicklungsgeschichte der feministischen Ökonomie. In einer Revue der „Passagen feministischer Ökonomie“ skizzierte Madörin drei Etappen. In der ersten Etappe stand die Kritik an den Modellannahmen der Neoklassik sowie am eingeschränkten Arbeitsbegriff der vorherrschenden Wirtschafstheorie im Mittelpunkt. Die Betonung, dass Geld- und Fiskalpolitik hinsichtlich ihrer Verteilungswirkung nicht neutral sind – „EnGendering Macroeconomics“ – und das Konzept des Gender Budgeting prägten die zweite Etappe feministischer Ökonomie. In der gegenwärtigen dritten Etappe steht für Mascha Madörin die Geldtheorie im Zentrum. Die Funktionsweise und die Institutionen der Geldschöpfung bestimmen laut Madörin maßgeblich die Verfügungsgewalt über und die Verteilung von Ressourcen. Für die feministische Ökonomie sei dies insbesondere relevant, weil alternative geldtheoretische Ansätze Wege für die langfristige öffentliche Finanzierbarkeit der sozialen Dienstleistungen Pflege, Gesundheit und Bildung aufzeigen können. Somit verbindet sie aktuell drei wesentliche Stränge ihrer Arbeit: ihre Analyse von Geld- und Finanzsystemen mit den Auswirkungen der Ökonomisierung von Pflege- und Gesundheitsleistungen und der gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung unbezahlter Arbeit.
In Summe hat sie nach drei Tagen mehrere Empfehlungen und Anregungen für feministische Ökonom_innen parat. Es brauche erstens grundlegende Arbeit an einer feministischen Geldtheorie. Außerdem solle die Kritik der Wirtschaftstheorie über die Kritik an der Neoklassik hinausgehen und auch heterodoxe Ansätze auf ihre blinden Flecken hin untersuchen. Das gilt auch für politisches Engagement, denn „es kann nicht sein, dass Männer – auch in der Linken – noch immer bei weitem überrepräsentiert sind.“, so Madörin bezugnehmend auf die Veranstaltungen der europaweiten Bewegung DiEM25. Neue Erkenntnisse und Schlussfolgerungen würden sich zudem auch ergeben, wenn wir unsere Blickwinkel von den Auswirkungen zu den Zusammenhängen und Prozessen lenken. Ein neues Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet sich, wenn wir soziale Dienstleistungen und unbezahlte Arbeit im Mittelpunkt unserer Analyse verankern und die Definition gesellschaftlicher Zielsetzungen damit maßgeblich prägen.
Viele der Texte von Mascha Madörin sind über ihre Hompage verfügbar.
Das Buch „Quer denken: Mascha Madörin“, herausgegeben von Bettina Dyttrich und Stefan Howald ist als Sachbuch der edition 8 erschienen.
Mehr zur feministischen Perspektive auf Finanzmärkte und Geld wird im nächsten Kurswechsel „Die Herren des Geldes – Das Geld der Herren?“ zu finden sein.
Unaufhaltsame Krisengewinner? Die extreme und populistische Rechte in Europa
Veranstaltungsrückblick von Julia Hofmann und Saskja Schindler [1]
Ende Februar 2017 fand in der Skylounge der Universität Wien eine Veranstaltung zum Aufstieg der Rechten in zahlreichen europäischen Ländern statt. Galten Länder wie Österreich, aber auch die Niederlande oder Italien mit ihren starken rechtspopulistischen Tendenzen lange Jahre eher als Ausnahme in der Europäischen Union, sind nun beinahe alle Mitgliedstaaten mit wachsenden, rechten und rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen konfrontiert. Zahlreiche WissenschaftlerInnen und kritische Medien warnten schon seit längerem vor diesem steten Aufstieg der Rechten, dennoch stellte das Jahr 2016 für viele einen Bruch mit den bisher wahrgenommen Entwicklungen dar: Nicht nur die Wahl Donald Trumps zum 45. US-Präsidenten, sondern auch das Mehrheitsvotum der BritInnen für einen Austritt aus der Europäischen Union, der Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) bei Landtagswahlen oder das enge Rennen um die österreichische BundespräsidentInnenwahl und die wachsende Popularität des Front National (FN) in französischen Wahlumfragen wurden heftig diskutiert.
Dementsprechend wurden im Rahmen eines kürzlich angelaufenen und vom FWF mit finanzierten Forschungsprojektes „Solidarität in Zeiten der Krise. Sozio-ökonomischer Wandel und politische Orientierungen in Österreich und Ungarn“ (SOCRIS) fünf ausgewiesene Rechtsextremismus-ForscherInnen nach Wien eingeladen, um über diesen scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Rechten in ihren jeweiligen Ländern zu diskutieren.
Den Anfang machte die italienische Politikwissenschaftlerin Manuela Caiani. Sie gab einen Einblick in ihre Forschungsarbeiten zur Vernetzung rechtsextremer Gruppen in Europa und den USA. Caiani konzentrierte sich hierbei insbesondere auf die Vernetzung im Internet und zeigte in ihrer Studie „The Dark Side of the Web“, dass diese vielfach bereits sehr gut miteinander vernetzt sind, wenngleich sich dabei auch deutliche länderspezifische Unterschiede zeigen: So weisen die rechten Gruppierungen in den USA eine stark dezentrale Vernetzungsstruktur auf, die deutschen Gruppierungen dagegen eine eher zentralistische. In Hinblick auf die internationale Vernetzung rechter Gruppierungen im Internet zeigt die Studie zum einen, dass die italienische Rechte am stärksten international vernetzt ist, und zum anderen, dass die Möglichkeit der Vernetzung am stärksten von Neonazi-Gruppen genützt wird. Die Vernetzung im Internet wird von den rechten Gruppen derzeit, wie Caiani zeigte, vorwiegend zu Propaganda- und Informationszwecken genützt, während die tatsächliche Mobilisierung noch eher offline betrieben wird.
Der Soziologe Jörg Flecker stellte sich anschließend in seinem Kurzvortrag die Frage, ob der Begriff der Solidarität analytisch auf die Politik der FPÖ anwendbar wäre. In der wissenschaftlichen Debatte sei es, so Flecker, umstritten, ob das Konzept der Solidarität notwendigerweise universalistisch, inklusiv und allumfassend wäre oder ob die Herstellung von Solidarität nicht das Ziehen von Grenzen (mit wem ist man solidarisch, mit wem nicht?) bedinge. Wenn das Konstrukt der Solidarität ein exklusives Moment impliziere, dann könne man auch im Falle der FPÖ von einer spezifischen, exklusiven Form der Solidarität sprechen, so Flecker – einer Solidarität nach innen also (d.h. einer Form der Solidarität mit der „Deutschen Volks‑, Sprach- und Kulturgemeinschaft“ bzw. mit dem Staatsvolk), allerdings bei gleichzeitiger starker Schließung nach außen. Im zweiten Teil seines Vortrags weichte Flecker diese These jedoch auf, als er die Politik, der sich selbst als „soziale Heimatpartei“ verstehenden FPÖ, genauer unter die Lupe nahm. Diese greift, ihm zufolge, die soziale Frage zwar durchaus auf, zeigt aber durch gegenteiliges Stimmverhalten in Nationalrat und Landtagen (etwa beim Pflegegeld, der Mindestsicherung oder Fragen des Lohn- und Sozialdumpings), dass sie nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen in Österreich steht.
Der ungarische Forscher István Gracjzjár beschäftigte sich mit der Genese der rechtsextremen Jobbik und ihren Verflechtungen zur regierenden Fidesz-Partei. Gajczjár zufolge ist der Aufstieg der zutiefst antisemitischen, romafeindlichen und homophoben Jobbik nur durch multiple Krisenerscheinungen erklärbar: Ungarn habe die Wirtschaftskrise recht hart getroffen, darüber hinaus stecke das Land durch zahlreiche Korruptionsfälle seit einigen Jahren in einer „politisch-moralischen Krise“. In seinem Vortrag argumentierte Grajczjár des Weiteren, dass es nicht nur starke, ideologische Überschneidungen zwischen Fidesz und Jobbik gäbe (z.B. bei Fragen der Verstaatlichung, des Geschichtsrevisionismus oder dem Umgang mit Arbeitslosen) sondern, dass sich durch Jobbik das gesamte politische Spektrum in Ungarn weiter nach rechts verschiebe.
Die deutsche Rechtsextremismusforscherin Gudrun Hentges hat sich wissenschaftlich mit dem Phänomen PEGIDA (und daran angrenzend auch mit der neu entstandenen rechtspopulistischen Partei AfD) beschäftigt. In ihrem Vortrag wies sie daher auch auf das scheinbare Paradoxon hin, dass rechte Bewegungen sich positiv auf scheinbar linke Positionen, wie etwa den Ausbau direkter Demokratie beziehen. Hentges zeigte jedoch, dass das dahinterliegende Konzept der Demokratie von Bewegungen wie PEGIDA sich stark von progressiven Demokratieansätzen unterscheidet. Ihrer Ansicht nach bedienen sie sich des Konzeptes einer „identitären Demokratie“, das auf den umstrittenen deutschen Staatsrechtler Carl Schmitt zurückgeht. Schmitt (1923) zufolge gehört zu einer Demokratie „(…) notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen.“ Das Recht auf direkte Demokratie gäbe es – im Sinne PEGIDAs – also nur für ausgewählte, autochthone Gruppen.
Der an der französischen Université de Lille forschende Soziologe Dietmar Loch versuchte in seinem Vortrag schlussendlich den Erfolg von Marine Le Pen und ihrem Front National zu erklären. Er wies auf die verschiedenen gesellschaftlichen Spaltungen und Konfliktlinien in Frankreich hin, etwa auf die Konfliktlinie zwischen ökonomischer Öffnung und Schließung. Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Soziogeographie zeigte Loch, dass der Front National nicht nur abgehängte IndustriearbeiterInnen anspreche, sondern sich mindestens drei, räumlich getrennte, WählerInnengruppen ausmachen lassen: die Arbeitslosen im Nordosten Frankreichs, die ArbeiterInnen im Süden und die „sich als abgehängt Fühlenden“ im Westen des Landes. Spannend war auch sein Befund, dass die räumliche Distanz von öffentlichen Verkehrsmitteln als ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, Front National zu wählen, herangezogen werden kann.
Auch wenn sich nicht alle Vorträge explizit mit dem Zusammenhang der Krise und dem Aufstieg rechter Parteien und Bewegungen beschäftigten, implizit zeigte sich jedoch in allen Forschungen, die Bedeutung multipler Krisenerscheinungen, die – geht es nach den eingeladenen WissenschaftlerInnen – in weiteren Studien näher erforscht werden sollte. Hinsichtlich zukünftiger politischer Entwicklungen waren sich auf dem anschließenden Podium auch alle einig: Der Aufstieg der Rechten wäre zwar keinesfalls unaufhaltsam, dennoch gebe es derzeit kaum politische Tendenzen, die ihm die Stirn bieten würden.
Mit dem Thema setzt sich auch die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Kurswechsel auseinander. Zum Weiterlesen empfiehlt sich „Der Rechte Streit um Europa„…
_______________________________________
[1] Die Autorinnen arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im SOCRIS-Projekt. Julia Hofmann ist zudem Mitglied im BEIGEWUM-Vorstand und in der Kurswechsel-Redaktion.
Der Kurswechsel 4/2016 ist da!
Thema: Der Rechte Streit um Europa
Bereits seit der Eurokrise scheinen in ganz Europa EU-kritische Stimmen – sowohl von rechts als auch von links – im Aufwind. Die Entscheidung für den Brexit im britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft hat die Frage der Europäischen Desintegration explizit auf die politische Tagesordnung gesetzt.
Charakteristisch sowohl für die Referendumskampagnen als auch die britischen Debatten nach dem Brexit-Votum war die Dominanz der politischen Rechten. Zumindest in dieser Hinsicht ist Großbritannien repräsentativ für die Europa-Debatten in der EU. Mit den rechten Debatten über Europa – von den Christdemokraten bis hin zur äußersten Rechten – setzt sich diese Kurswechsel-Nummer auseinander.
Zum Inhaltsverzeichnis inklusive Artikeln zum Download geht es hier.