Perspektiven für die feministische Ökonomie
Mascha Madörin anlässlich ihres 70. Geburtstags 3 Tage in Wien
Petra Sauer (Beigewum, VrauWL)
„Erforschen Sie, was Sie interessiert. Ansonsten macht es keinen Spaß und es hört Ihnen auch niemand zu.“, so Mascha Madörin auf die Frage nach den brennenden Themen die es für feministische Ökonom_innen zu erforschen gilt. In der ersten Märzwoche gab es gleich drei Mal die Möglichkeit Fragen an die Schweizer Wirtschaftswissenschaftlerin Mascha Madörin zu stellen. Denn anlässlich ihres 70. Geburtstags verweilte die Grande Dame der feministischen Ökonomie in Wien und diskutierte an drei Tagen in drei unterschiedlichen Formaten über ihren Werdegang, ihr Selbstverständnis als Ökonomin und natürlich über ihre Forschung.
In einem Gespräch mit Christa Schlager und Käthe Knittler wurde am 2.3. in der AK Bibliothek das Lesebuch „Quer denken“ mit und über Mascha Madörin vorgestellt. Auch wenn sie diesen Plan nicht vorsätzlich verfolgte, so passierte es ihr doch immer wieder, dass sie quer des politischen Establishments, des Finanzplatzes Schweiz und der Mainstream Ökonomie argumentierte und agierte. Denn sie brachte als Frau und Makroökonomin nicht nur Licht in die blinden Flecken der Wirtschaftstheorie, sondern war auch Aktivistin, die die schamlosen wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika aufdeckte und die Funktionsweise des Schweizer Finanzsystems sowohl analysierte als auch anprangerte. Außerdem lehrte sie in den Siebzigern in dem gerade unabhängig gewordenen Staat Mosambik Politische Ökonomie und betrieb Feldforschung. Im Gespräch bezeichnete Mascha Madörin diese Erfahrung als maßgeblich prägend für ihr Verständnis kritischer Wissensproduktion.
In der Familie ihrer Mutter mussten alle den Lohn an den Vater abliefern. Dann wurde, nach den notwendigen Haushaltsausgaben, das Geld wieder verteilt: Männer, die bezahlte Arbeit verrichteten, bekamen 10 Franken, Frauen, die sowohl bezahlte als auch unbezahlte Arbeit verrichteten bekamen 5 Franken, und Frauen, die „nur“ unbezahlte Arbeit verrichteten bekamen nichts. Diese Tatsache weckte schon in Kindheits- und Jugendjahren den Gerechtigkeitssinn von Mascha Madörin. Geschlechtsspezifische Ungleichheiten, die sich aus dem Umstand ergeben, dass jene Arbeit, die vorwiegend von Frauen unbezahlt in Haushalt und Gemeinschaft verrichtet wird, in den gängigen ökonomischen Modellen und somit in der wirtschaftspolitischen Praxis gänzlich unberücksichtigt blieb – und Großteils auch noch bleibt – waren daher immer Bezugspunkt ihrer Forschung. Spätestens mit ihren Analysen und Beiträgen zur feministischen Kritik am männlich geprägten Wirtschaftsverständnis, an der Neoklassik und dem Homo Economicus seit den frühen 1990er Jahren sowie zur Care-Ökonomie, die seit den 2000er Jahren ein Schwerpunkt wurde, kann Mascha Madörin als eine Wegbereiterin der feministischen Ökonomie bezeichnet werden.
Während Freitags Nachmittag, den 3.3., an der WU Wien „Überlegungen zu einer feministischen Ökonomie von Frauenrechten“ angestellt wurden, reflektierte Mascha Madörin am Samstag im Rahmen einer Gesprächswerkstatt in der Frauenhetz über die Entwicklungsgeschichte der feministischen Ökonomie. In einer Revue der „Passagen feministischer Ökonomie“ skizzierte Madörin drei Etappen. In der ersten Etappe stand die Kritik an den Modellannahmen der Neoklassik sowie am eingeschränkten Arbeitsbegriff der vorherrschenden Wirtschafstheorie im Mittelpunkt. Die Betonung, dass Geld- und Fiskalpolitik hinsichtlich ihrer Verteilungswirkung nicht neutral sind – „EnGendering Macroeconomics“ – und das Konzept des Gender Budgeting prägten die zweite Etappe feministischer Ökonomie. In der gegenwärtigen dritten Etappe steht für Mascha Madörin die Geldtheorie im Zentrum. Die Funktionsweise und die Institutionen der Geldschöpfung bestimmen laut Madörin maßgeblich die Verfügungsgewalt über und die Verteilung von Ressourcen. Für die feministische Ökonomie sei dies insbesondere relevant, weil alternative geldtheoretische Ansätze Wege für die langfristige öffentliche Finanzierbarkeit der sozialen Dienstleistungen Pflege, Gesundheit und Bildung aufzeigen können. Somit verbindet sie aktuell drei wesentliche Stränge ihrer Arbeit: ihre Analyse von Geld- und Finanzsystemen mit den Auswirkungen der Ökonomisierung von Pflege- und Gesundheitsleistungen und der gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung unbezahlter Arbeit.
In Summe hat sie nach drei Tagen mehrere Empfehlungen und Anregungen für feministische Ökonom_innen parat. Es brauche erstens grundlegende Arbeit an einer feministischen Geldtheorie. Außerdem solle die Kritik der Wirtschaftstheorie über die Kritik an der Neoklassik hinausgehen und auch heterodoxe Ansätze auf ihre blinden Flecken hin untersuchen. Das gilt auch für politisches Engagement, denn „es kann nicht sein, dass Männer – auch in der Linken – noch immer bei weitem überrepräsentiert sind.“, so Madörin bezugnehmend auf die Veranstaltungen der europaweiten Bewegung DiEM25. Neue Erkenntnisse und Schlussfolgerungen würden sich zudem auch ergeben, wenn wir unsere Blickwinkel von den Auswirkungen zu den Zusammenhängen und Prozessen lenken. Ein neues Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet sich, wenn wir soziale Dienstleistungen und unbezahlte Arbeit im Mittelpunkt unserer Analyse verankern und die Definition gesellschaftlicher Zielsetzungen damit maßgeblich prägen.
Viele der Texte von Mascha Madörin sind über ihre Hompage verfügbar.
Das Buch „Quer denken: Mascha Madörin“, herausgegeben von Bettina Dyttrich und Stefan Howald ist als Sachbuch der edition 8 erschienen.
Mehr zur feministischen Perspektive auf Finanzmärkte und Geld wird im nächsten Kurswechsel „Die Herren des Geldes – Das Geld der Herren?“ zu finden sein.