Was ist Donald Trumps wirtschaftspolitische Agenda? – BEIGEWUM

Was ist Donald Trumps wirtschaftspolitische Agenda?

am 29. August 2017 um 11:38h

Ste­fan Schi­man1

Selbst wenn Donald Trump „kei­nen ideo­lo­gi­schen Kern [hat] und daher auch kei­ne Prä­fe­ren­zen für eine bestimm­te Poli­tik“, so ist er doch sei­nen Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern ver­pflich­tet und rich­tet sei­ne Poli­tik nach ihnen aus. Trumps Sieg in der Prä­si­dent­schafts­wahl vom Novem­ber 2016 wird vor allem sei­nem Erfolg im soge­nann­ten „Rust Belt“ im Nord­os­ten der USA (Ohio, Penn­syl­va­nia, India­na, Michi­gan) zuge­schrie­ben, einer eins­ti­gen Hoch­burg der Demo­kra­ti­schen Par­tei. Vie­le, die für Trump votier­ten, sind frus­triert über Ent­wick­lun­gen, die sie der Glo­ba­li­sie­rung zuschrei­ben: Vor allem der Ver­lust gut bezahl­ter Indus­trie­ar­beits­plät­ze an auf­stre­ben­de Schwel­len­län­der wie Mexi­ko und Chi­na, die dank wirt­schaft­li­chen Fort­schritts von Kon­su­men­ten zu Pro­du­zen­ten von Fer­tig­pro­duk­ten auf­ge­stie­gen sind; und damit zu Kon­kur­ren­ten der US-Indus­trie, die es nicht aus­rei­chend geschafft hat, eine neue Posi­ti­on in den geän­der­ten glo­ba­len Wert­schöp­fungs­ket­ten zu fin­den. Daher ist Trumpo­no­mics in der Han­dels­po­li­tik pro­tek­tio­nis­tisch ori­en­tiert. Das soll aber nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass Trump den Groß­teil sei­ner Stim­men den tra­di­tio­nel­len Repu­bli­ka­ni­schen Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern ver­dankt und er sei­ne Poli­tik in ande­ren wich­ti­gen Berei­chen wie der Umwelt‑, Regu­lie­rungs- und Fis­kal­po­li­tik danach ausrichtet.

Wirtschaftspolitik für Wall Street

Trumps fis­kal­po­li­ti­sche Ankün­di­gun­gen im Wahl­kampf präg­ten die Reak­tio­nen der Finanz­märk­te unmit­tel­bar nach der Wahl. For­de­run­gen nach star­ken Steu­er­sen­kun­gen in nahe­zu allen Berei­chen (Unternehmens‑, Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­be­steue­rung) wur­den ergänzt durch Ver­spre­chun­gen, die öffent­li­chen Inves­ti­tio­nen anzu­kur­beln. Die damit ver­bun­de­ne Hoff­nung auf höhe­res Wirt­schafts­wachs­tum ließ die Akti­en­kur­se, den Außen­wert des Dol­lar und die lang­fris­ti­gen Zins­sät­ze gleich­zei­tig stei­gen (Abbil­dung 1, links), denn risi­ko­ar­me, nied­rig­ver­zins­te Anla­ge­for­men wur­den abge­sto­ßen, Akti­en von US-Fir­men hin­ge­gen stark nach­ge­fragt. Die Eupho­rie hielt aber nur weni­ge Wochen: Nach­dem der Dol­lar noch ein­mal auf­wer­te­te, als die ame­ri­ka­ni­sche Zen­tral­bank (Fed) Mit­te Dezem­ber 2016 die Zin­sen erhöh­te, hat er kon­ti­nu­ier­lich an Wert ver­lo­ren, obwohl die Fed die Zin­sen wei­ter anhob (Abbil­dung 1, rechts). Selbst der lang­fris­ti­ge Zins­satz ging trotz Leit­zins­satz­er­hö­hun­gen zurück; ledig­lich die Akti­en­kur­se behiel­ten ihren Auf­wärts­trend bei. Den Eco­no­mist ver­an­lass­te die­se Ent­wick­lung zu der Inter­pre­ta­ti­on, dass die Hoff­nung auf Wachs­tums­im­pul­se zwar ver­gan­gen sei (von Inves­ti­ti­ons­pro­gram­men, die auch den abge­häng­ten ehe­ma­li­gen Indus­trie­ar­bei­tern und ‑arbei­te­rin­nen zugu­te­kom­men soll­ten, ist längst nicht mehr die Rede), dass hin­ge­gen die Erwar­tung, dass Trumps Poli­tik den Unter­neh­men nüt­zen und ihre Gewin­ne begüns­ti­gen wür­de, nach wie vor intakt sei. Die Steu­er­re­form scheint mitt­ler­wei­le aber alles ande­re als aus­ge­macht; viel­leicht auch des­halb, weil Trump den Gegen­fi­nan­zie­rungs­plan sei­ner Par­tei ablehnt: die Umstel­lung der Unter­neh­mens­be­steue­rung auf das Bestim­mungs­land­prin­zip. Dies hät­te zwar die US-Export­in­dus­trie begüns­tigt (für eine gänz­lich kom­pen­sie­ren­de Wech­sel­kurs­re­ak­ti­on ist die Kauf­kraft­pa­ri­tät, vor allem kurz­fris­tig, zu schwach), aber impor­tier­te Kon­sum­wa­re wäre emp­find­lich teu­rer gewor­den – nicht akzep­ta­bel für Trumps Blue-Collar-Anhängerschaft.

Abbil­dung 1: USA: Akti­en­kurs, Ren­di­te auf Staats­an­lei­hen und Wechselkurs

Für Unter­neh­men besteht aber noch die „Hoff­nung“ auf Dere­gu­lie­rung auf brei­ter Front – ins­be­son­de­re im Finanz­be­reich, der mit dem Dodd-Frank-Act 2010 von einer Kas­ka­de an neu­en Regu­lie­run­gen erfasst wur­de. Die Finanz­markt­re­gu­lie­rung Oba­mas sta­bi­li­sier­te das Finanz­sys­tem, etwa durch höhe­re Kapi­tal­vor­schrif­ten, durch die Abschaf­fung außer­bi­lanz­mä­ßi­ger Geschäf­te oder die Beschrän­kung des Eigen­han­dels („Volcker-Regel“). Aber vie­le klei­ne Insti­tu­te wer­den von der Viel­zahl an Bestim­mun­gen stark belas­tet und Trump könn­te die unlieb­sa­me Regu­lie­rung gleich kom­plett abschaf­fen und damit letzt­lich die Finanz­markt­sta­bi­li­tät gefährden.

Axis of Oil

Neben der Steu­er- und (De-)Regulierungspolitik ver­tritt Trump auch im Umwelt- bzw. Ener­gie­be­reich Repu­bli­ka­ni­sche Inter­es­sen, näm­lich die Inter­es­sen von Big Oil. Für ihn ist Kli­ma­wan­del eine Erfin­dung aus Chi­na, um der ame­ri­ka­ni­schen Ölin­dus­trie zu scha­den. Als kon­kre­ter Schritt erfolg­te bis­her der Aus­stieg aus dem Paris Abkom­men, was für sich genom­men schlimm genug ist. Aber mit­tel­fris­tig könn­te die Ego­ma­nie und Rück­sichts­lo­sig­keit die­ses Prä­si­den­ten zusam­men mit den Inter­es­sen der Ölwirt­schaft dazu füh­ren, dass sich das Rol­len­ver­ständ­nis des offi­zi­el­len Ame­ri­kas ändert: weg von sei­ner Posi­ti­on als Speer­spit­ze der „frei­en Welt“ (Abbil­dung 2) hin zu einer neu­en Tria­de der drei größ­ten Ölpro­du­zen­ten (USA, Sau­di-Ara­bi­en, Russ­land) – eine axis of oil (Abbil­dung 3). Wäh­rend die Anbie­de­rung an das sau­di­sche Regime gelun­gen ist, sto­cken die Annä­he­rungs­ver­su­che bei Russ­land; die ver­mu­te­te Russ­land­in­tri­ge im Wahl­kampf hängt wie ein Damo­kles­schwert über der Prä­si­dent­schaft, aber auch in Syri­en ste­hen die bei­den Län­der de fac­to auf ande­ren Seiten.

Abbil­dung 2: Grad an Demo­kra­tie und Freiheit

Q: Free­dom House.

Abbil­dung 3: Welt­wei­te Ölproduktion

Q: U.S. Ener­gy Infor­ma­ti­on Administration.

Schon jetzt wirft die­ser Stra­te­gie­wech­sel lan­ge Schat­ten: Sau­di-Ara­bi­en drang­sa­liert mit neu­em Selbst­be­wusst­sein den klei­nen Nach­barn Katar. Und mit Blick auf Nord-Korea, einem Satel­li­ten­staat des von Trump ver­hass­ten Chi­na, scheint selbst ein nuklea­rer Kon­flikt nicht mehr aus­ge­schlos­sen. Und wür­de sich Putin wei­te­re Tei­le des Kau­ka­sus oder der GUS ein­ver­lei­ben, hät­te das offi­zi­el­le Ame­ri­ka wahr­schein­lich kaum etwas dage­gen. Das erhöh­te Risi­ko krie­ge­ri­scher Kon­flik­te wird beglei­tet von Trumps Auf­for­de­rung an sei­ne NATO-„Partner“, das Mili­tär­bud­get zu erhö­hen. Wie Abbil­dung 4 (links) zeigt, sind Län­der wie Deutsch­land, aber auch die Atom­mäch­te Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en weit von den Mili­tär­aus­ga­ben Ame­ri­kas ent­fernt; selbst dann, wenn man die Zah­len um die Unter­schie­de in den Staats­an­tei­len am BIP kor­ri­giert (Abbil­dung 4, rechts).

Abbil­dung 4: Staats­aus­ga­ben für Verteidigung
links: in % der gesam­ten Staats­aus­ga­ben, rechts: in % des BIP, 2015

Q: OECDWIFO.

Das Leistungsbilanzproblem

Im Bereich der Han­dels­po­li­tik sieht Trump in den ver­meint­li­chen Schi­ka­nen für US-Fir­men das Haupt­pro­blem und die Haupt­ur­sa­che für das ame­ri­ka­ni­sche Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zit (Abbil­dung 5). Dies betrifft vor allem Mexi­ko, ein „Part­ner­land“ im nord­at­lan­ti­schen Frei­han­dels­ab­kom­men NAFTA, das neu ver­han­delt wer­den soll; zwei­tens Deutsch­land mit sei­ner omni­prä­sen­ten Auto­mo­bil­in­dus­trie und drit­tens Chi­na, dem Wech­sel­kurs­ma­ni­pu­la­ti­on, die Ver­let­zung von Eigen­tums­rech­ten und zu hohe Markt­ein­tritts­bar­rie­ren ange­las­tet wer­den. In der Tat hat sich das bila­te­ra­le Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zit gegen­über Chi­na, das schon vor 15 Jah­ren das höchs­te der USA war, seit­her wei­ter ver­grö­ßert (Abbil­dung 6) und macht nun mehr aus als die Defi­zi­te gegen­über Mexi­ko, Deutsch­land und Japan zusam­men. Inter­es­sant ist jedoch auch die Beob­ach­tung, dass die USA gegen­über dem Rest der Welt seit 2009 Leis­tungs­bi­lanz­über­schüs­se erzielt.

Q: OECDWIFO.

Abbil­dung 6: Leis­tungs­bi­lanz der USA mit…

Q: OECDWIFO.

Wie stellt sich aber die Situa­ti­on aus Sicht der „betrof­fe­nen“ Län­der dar? Sehr unter­schied­lich (Abbil­dung 7): Über die letz­ten Jah­re auf ein zu hohes Niveau gestie­gen ist ledig­lich der Leis­tungs­bi­lanz­über­schuss von Deutsch­land (2016: über 8% des BIP). In Chi­na ist die Situa­ti­on dif­fe­ren­zier­ter: Nach dem All­zeit­hoch von knapp 10% des BIP vor der Wirt­schafts­kri­se ist der Leis­tungs­bi­lanz­über­schuss auf ein welt­wirt­schaft­lich ver­träg­li­che­res Aus­maß von 2–3% des BIP zurück­ge­gan­gen. In den letz­ten Jah­ren wir­ken zudem die wach­sen­den Aus­ga­ben für Aus­lands­rei­sen dem Über­schuss im Waren­han­del ent­ge­gen. Mexi­ko hin­ge­gen fährt ins­ge­samt sogar Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zi­te ein; ein Abbau des bila­te­ra­len Über­schus­ses gegen­über der USA wür­de sein Gesamt­de­fi­zit wohl noch wei­ter erhö­hen. Schon die­se gro­ben Details zei­gen, dass sich der Kom­ple­xi­täts­grad von pla­ka­tiv vor­ge­brach­ten Pro­ble­men bei genaue­rer Betrach­tung deut­lich erhöht und dass ein­fa­che Lösun­gen nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. Für den Show­man Trum wird es jeden­falls schwie­rig wer­den, real­po­li­ti­sche Erfol­ge zu erzie­len; wie sei­ne bis­he­ri­ge Amts­zeit bereits gezeigt hat.

Abbil­dung 7: Leis­tungs­bi­lan­zen, aus­ge­wähl­te Länder

Q: OECDWIFO.

Zum Wei­ter­le­sen: Debat­ten forum des Kurs­wech­sel 1/​2017; http://voxeu.org/content/economics-and-policy-age-trump,

[1]) Der Text beruht auf einem Vor­trag, der auf der 21. Tagung des japa­nisch-öster­rei­chi­schen Komi­tees für Zukunfts­fra­gen, die von 13. Bis 15. Juli 2017 in der Prä­fek­tur Shi­zuoka statt­fand, gehal­ten wurde.

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