Die deutschsprachige Volkwirtschaftslehre: Forschungsprofil und politisches Wirkungsspektrum
Christian Grimm; Stephan Pühringer
Ausgangslage: Die Volkswirtschaft in der Krise?
In der Volkswirtschaftslehre (VWL) hat sich seit Mitte der 1970er Jahre mit der Neoklassik ein dominierendes theoretisches Paradigma etabliert, welches das ökonomische Denken bis heute wesentlich prägt. Dieser Zustand, der insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 nicht nur in der akademischen Fachwelt kontrovers diskutiert wird, hat weitreichende Auswirkungen auf die innerdisziplinären Verhältnisse (z.B. Einseitigkeit in Forschung und Lehre, stark hierarchische Strukturen, geringe Beachtung sozialwissenschaftlicher Forschung und interdisziplinärer Ansätze) sowie auf gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklungen (z.B. Ökonomisierung sozialer und politischer Bereiche, einseitige Einflussnahme durch Expertengremien und Think Tanks). Ausgehend von diesen Überlegungen wurde in einer Studie im Auftrag des FGW eine empirische Untersuchung der (ordentlichen) Professuren für Volkswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland, Schweiz) erstellt. Diese wurden hinsichtlich ihrer theoretischen und inhaltlichen Ausrichtung (Forschungsprofil) sowie ihrer inner- und außeruniversitären Vernetzung (Wirkungsspektrum) untersucht. Die Datengewinnung selbst erfolgte anhand eines mehrstufigen Erhebungsverfahrens auf den entsprechenden Institutshomepages sowie den Lebenslaufangaben der einzelnen Professor_innen und wurde im Zeitraum von November 2015 bis April 2016 durchgeführt.
Wer forscht und lehrt VWL an deutschsprachigen Universitäten?
Im Zuge der empirischen Analyse wurde eine Grundgesamtheit von 708 VWL-Professor_innen an 89 Universitätsstandorten ermittelt. Im Hinblick auf soziodemografische Daten konnte ein sehr unausgewogenes Geschlechterverhältnis bei den Professor_innen ermittelt werden. So sind lediglich 89 (13,36%) der 708 Professuren mit Frauen besetzt. Der Frauenanteil fiel dabei in der Schweiz besonders niedrig aus (7,37%). Die Untersuchung der Nationalitätszugehörigkeit ergab, dass an Deutschlands Universitäten neun von zehn Professor_innen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen (89,95%). Der Anteil „inländischer“ Professor_innen fällt demgegenüber in Österreich (60,98%) und der Schweiz (34,85%) wesentlich geringer aus. Eine Erklärung dafür kann im gemeinsamen Arbeitsmarkt für deutschsprachige Professor_innen gefunden werden. An Österreichs Universitäten verfügt rund ein Fünftel (19,51%), in der Schweiz sogar ein Viertel (27,27%) über eine deutsche Staatsbürgerschaft.
Forschungsschwerpunkte der deutschsprachigen Volkswirtschaftslehre
Die Analyse der Forschungsschwerpunkte der untersuchten Professor_innen zeigt einen starken Fokus auf mikroökonomische Themen und Fragestellungen – ein Umstand, der sowohl an den Selbstangaben der Professor_innen hinsichtlich ihrer Forschungsinteressen als auch anhand der daran anschließenden teilgebietlichen Zuordnung ersichtlich wird. So haben sieben der zehn meistgenannten Forschungsschwerpunkte einen vorwiegend mikroökonomischen Bezug (Industrieökonomie, Arbeitsmarktökonomie, Experimentelle Ökonomie, Verhaltensökonomie, Umweltökonomie, Spieltheorie und Angewandte Mikroökonomie) –– dementsprechend wurde auch knapp die Hälfte der Professor_innen (50,35%) primär in der Mikroökonomie verortet. Demgegenüber steht knapp ein Fünftel der Professor_innen, die vorwiegend im Teilgebiet der Makroökonomie zu verorteten sind (18,76%), also einen gesamtwirtschaftlichen Schwerpunkt aufweisen. Die beiden ergänzend erhobenen Gebiete der Finanzwissenschaft (6,63%) bzw. der Ökonometrie und Statistik (6,21%) sind hingegen tendenziell unterrepräsentiert. Darüber hinaus entfiel ein vergleichbar hoher Anteil (17,77%) auf Professor_innen, deren Forschungsarbeiten zwischen zwei Teilgebieten (v.a. Mikroökonomie und Ökonometrie, aber auch Mikroökonomie und Finanzwissenschaft) angesiedelt sind.
Dominanz eines neoklassischen Mainstreams
Der paradigmatische Status der Ökonomik wurde mittels zweier verschiedener Klassifizierungsverfahren (Mainstream-Heterodoxie Klassifizierung; Klassifizierung nach der These einer steigenden konzeptionellen Vielfalt innerhalb des ökonomischen Mainstreams nach David Colander) ermittelt und soll Auskunft über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (theoretischen) Denkrichtung geben. In beiden Fällen offenbarte die Analyse eine starke Konzentration rund um den traditionellen Mainstream neoklassischer Prägung, wobei der Anteil der Professor_innen aus diesem Bereich je nach Verfahren variierte (91,27% bzw. 76,11%). Die österreichische Volkswirtschaftslehre weist mit einem Mainstreamanteil von 80% bzw. 68,98% im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz eine etwas pluralistischere Ausrichtung auf. Mit Hilfe der Mainstream-Heterodoxie Klassifizierung lässt sich darüber hinaus eine Gruppe an Ökonom_innen identifizieren, die ihren eigentlichen Forschungsschwerpunkt in der Mainstreamökonomie hat, aber fallweise auch an heterodoxen Diskursen partizipiert. Diese Gruppe eines „pluralen Mainstreams“ ist mit knapp 6% der untersuchten Professor_innen zwar von überschaubarer Größe, aber immerhin noch doppelt so groß wie der Anteil vorwiegend heterodoxer Professor_innen (3,15%). Die Klassifizierung nach Colander, mit deren Hilfe versucht wird einen möglichen Wandel innerhalb des ökonomischen Mainstreams zu erfassen, zeigte zudem, dass sich mit der Verhaltens- und Experimentalökonomie ein neuer Forschungszweig innerhalb der Mainstreamökonomie etablieren konnte. Dieses Resultat deutet an, dass der innere Wandel der Mainstreamökonomie durchaus beschränkt ist und vorwiegend die ökonomische Verhaltenstheorie betrifft. Ob dieser Aufstieg der Verhaltens- und Experimentalökonomie, die von knapp 15% der untersuchten Professor_innen betrieben wird, als echter Wandel der Disziplin zu werten ist, ist nach Ansicht mancher Autor_innen durchaus umstritten: Obwohl beide Forschungsfelder wesentliche Grundannahmen des traditionellen Homo Oeconomicus Modells widerlegen konnten, gilt letzteres nach wie vor als zentraler theoretischer Rahmen ökonomischen Denkens.
Die angewandten Verfahren zeigen eine starke Marginalisierung heterodoxer Strömungen, da lediglich 22 Professor_innen (3,15%) als „heterodoxe“ Ökonom_innen klassifiziert wurden. Zudem weisen die Daten auf das überdurchschnittliche Alter dieser Personengruppe hin was auf einen Trend zu einer noch weitergehenden Marginalisierung schließen lässt. Institutionell sind diese vor allem an kleinen Universitätsstandorten (sechs oder weniger Professuren) vertreten (z.B. Bremen, Darmstadt, Oldenburg, Lüneburg, Jena), während an den größeren Universitäten vorwiegend mainstreamorientierte Professor_innen tätig sind. In Summe wurden nur fünf Universitäten identifiziert, an denen mindestens die Hälfte der VWL-Professor_innen dem pluralen Mainstream (4) bzw. der heterodoxen Ökonomie (1, Bremen) zugeordnet werden können. Abbildung 1 bildet auf einer Landkarte die geografische Verteilung der VWL-Standorte mit Bezug zu heterodoxen und pluralen ökonomischen Ansätzen ab. Professor_innen, die dabei dem pluralen Mainstream zugeordnet wurden sind grün, jene aus der Heterodoxie rot dargestellt. Ferner wurden auch die Universitäten entsprechend der Mehrheit der paradigmatischen Zuordnung ihrer Professor_innen eingefärbt. So ist beispielsweise die Universität Bremen rot dargestellt, da zwei der drei (und somit die Mehrheit der dort ansässigen Professor_innen) der Heterodoxie zugewiesen wurden.
Abbildung 1: Landkarte pluraler und heterodoxer ökonomischer Standorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Innerhalb der Heterodoxie sind postkeynesianische mit acht, bzw. evolutionäre Ansätze mit sieben Professor_innen am stärksten vertreten. In Deutschland (8,04%) konnte, im Vergleich zu Österreich (2,22%) und der Schweiz (2,13%), eine verhältnismäßig bessere Verankerung ordoliberaler Konzepte festgestellt werden, die auf den „deutschen Sonderweg“ in der Entwicklung der Volkswirtschaftslehre nach dem Zweiten Weltkrieg verweist und maßgeblich von der so genannten „Freiburger Schule“ getragen wurde. Abschließend bekräftigt der geringe Prozentsatz an Professor_innen, die sich seit 2008 in ihren Beiträgen zur Wirtschafts- und Finanzkrise beschäftigt haben (14,45%) die Kritik, dass sich ökonomische Forschung zu wenig an aktuellen wirtschaftlichen Problemen und Entwicklungen orientiert. In diesem Kontext zeigt sich auch, dass die Krise unter heterodoxen Ökonom_innen wesentlich häufiger (etwa ein Drittel) Forschungsgegenstand war als bei ihren Mainstream-Kolleg_innen.
Ideologischer Bias von Ökonom_innen in der Politikberatung und in öffentlichen Debatten
In der innerakademischen Vernetzung zeigt sich die zentrale Rolle des „Vereins für Socialpolitik“ (VfS), dem 427 (60%) der Professor_innen zugehörig sind. Wichtige Rollen für den akademischen Forschungsaustausch spielen darüber hinaus die „American Economic Association“ (12%) und die „European Economic Association“ (11%). Unter den heterodoxen Professor_innen besitzt der VfS eine noch zentralere Stellung (77%). Die „European Society for the History of Economic Thought“ (23%) und der „Arbeitskreis Politische Ökonomie“ (18%) verkörpern zwei spezifische Plattformen für heterodoxe Professor_innen im deutschsprachigen Raum. Die Analyse der außerakademischen Vernetzung verfolgt verschiedene Kanäle der Einflussnahme der Volkswirtschaftslehre auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Auf der Ebene der unterstützenden Politikberatung („policy support“) stellen das „CESifo München“ mit 146 (21%), das „IZA Bonn“ mit 91 (13%) sowie das „CEPR London“ mit 90 (13%) die quantitativ bedeutendsten Institutionen dar.
Auf der Ebene der aktiven wirtschaftspolitischen Einflussnahme („policy involvements“) konnten sowohl neo- bzw. ordoliberale Akteursnetzwerke (z.B. Walter Eucken Institut, Kronberger Kreis, F.A. Hayek Gesellschaft, INSM, Hamburger Appell, Plenum der Ökonomen) als auch keynesianisch geprägte Expertengruppen (z.B. Keynes Gesellschaft, Hans-Böckler Stiftung) identifiziert werden, wobei hier ein klares Übergewicht neo- bzw. ordoliberaler Think Tanks besteht. Dabei ist die institutionelle Verbindung von Ökonom_innen in den zentralen wirtschaftspolitischen Beratungsgremien (SVR, sowie die Wissenschaftlichen Beiräte im deutschen Wirtschafts- und Finanzministerium) zu neo- bzw. ordoliberalen Netzwerken mit mehr als 42% besonders hoch. Insbesondere in Deutschland kann dies durch einen langfristig betriebenen, erfolgreichen Auf- und Ausbau von Netzwerkstrukturen in der wirtschaftspolitischen Beratung erklärt werden, wie in einer soeben publizierten Studie gezeigt wurde. Diese ungleiche Machtverteilung bietet auch eine mögliche Erklärung für ein, insbesondere im Zuge der deutschen Krisenpolitik attestiertes, „Fortleben“ bzw. „Revival“ eines explizit konservativ verstandenen Ordoliberalismus, das die außergewöhnliche Persistenz neoliberaler Anschauungen und Politiken unter deutschen Wirtschafts- und Politikeliten erklären würde.
Weiterführende Literatur
Die Studie in der Langfassung ist als FGW-Studie erschienen und kann hier als adaptiertes Working Paper heruntergeladen werden.
Der BEIGEWUM hat sich in zahlreichen Publikationen mit diesem Thema auseinandergesetzt, jüngere Beispiele sind der Kurswechsel 1/16 (Die Zukunft der Volkswirtschaftslehre: Kann die ökonomische Wissenschaft plural werden?) oder das Debattenforum des Kurswechsel 2/2015 (Perspektiven und Grenzen Pluraler Ökonomie).
Angelobung der neuen Bundesregierung
Anlässlich der voraussichtlichen Angelobung der neuen Bundesregierung möchten wir auf Folgendes hinweisen:
Aufruf zu Demonstrationen: Als Mitglied der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ ruft der BEIGEWUM gemeinsam mit zahlreichen Initiativen und Organisationen zu Demonstrationen gegen die neue Bundesregierung auf:
- Am Montag, den 18. Dezember 2017 wird vormittags eine Demo gegen die ÖVP/FPÖ-Regierungsangelobung auf dem Heldenplatz stattfinden. Der Aufruf sowie aktuelle Informationen, etwa zur konkreten Uhrzeit, sind hier zu finden: http://menschliche-asylpolitik.at/ sowie https://www.facebook.com/events/392929371137889/
- Am Samstag, den 13. Jänner 2018 findet ab 14:00 Uhr der „Neujahrsempfang: Großdemo gegen Schwarz-Blau!“ statt. Treffpunkt ist der Westbahnhof, Christian-Broda-Platz.
Nein zu Rassismus, Sexismus und Sozialabbau!
Schluss mit der Normalisierung von Rechtsextremismus!
BEIGEWUM-Bilanz von Schwarz-Blau / Orange 2000 – 2006 (aus dem Jahr 2006): Zur Angelobung der ÖVP/ FPÖ Regierung weisen wir auf zwei Debattenforen des Kurswechsels aus dem Jahr 2006 hin die sich mit der sozialpolitischen sowie mit der wirtschaftspolitischen Bilanz von Schwarz-Blau / Orange auseinandergesetzt haben: http://www.beigewum.at/2017/12/beigewum-bilanz-von-schwarz-blau-orange-2000–2006
Dokumentation der Veranstaltung „Österreich nach der Wahl – sozioökonomische Perspektiven“: Hier ist ein Videomitschnitt unserer Veranstaltung vom 6. November 2017 im Republikanischen Club zu finden. Michaela Moser (Dozentin an der FH St. Pölten, Sozialexpertin der Armutskonferenz), Markus Marterbauer (Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien) und Lukas Oberndorfer (Rechtswissenschafter, Redaktion mosaik) diskutierten, was die konkreten Auswirkungen einer Neuauflage des schwarzblauen Projekts sein könnten und wie linke Antworten auf diese Aussichten aussehen sollten: https://www.youtube.com/watch?v=o_CeDSut_pA
BEIGEWUM-Bilanz von Schwarz-Blau / Orange 2000 – 2006
BEIGEWUM-Bilanz von Schwarz-Blau / Orange 2000 – 2006
(aus dem Jahr 2006)
Wir möchten aus aktuellem Anlass an dieser Stelle auf zwei Debattenforen des Kurswechsels aus dem Jahr 2006 hinweisen, die sich mit der sozialpolitischen sowie mit der wirtschaftspolitischen Bilanz von Schwarz-Blau / Orange auseinandergesetzt haben und die hier abrufbar sind (http://www.beigewum.at/kurswechsel/jahresprogramm-2006/heft-22006; http://www.beigewum.at/kurswechsel/jahresprogramm-2006/heft-32006).
Dabei fiel die sozialpolitische Bilanz „verhältnismäßig eindeutig aus: das selbst gesetzte Ziel der ÖVP geführten Regierung den Sozialstaat zu »straffen« und »abzubauen« wurde umfassend und trotz großer Widerstände (…) durchgesetzt“ (Kurswechsel 2/2006, Editorial Debattenforum). Die AutorInnen des Debattenforums zeigen auf, welche Ideologie hinter dem damals eingeführten Kinderbetreuungsgeld steckt, welche Verteilungswirkungen die Budgetpolitik der damaligen Regierung hatte und kommentieren die Pensionsreform von 2003 – das sozialpolitische Kernstück von Schwarz-Blau / Orange. Zudem wird auf den weitgehenden Verzicht des Einbezugs der Sozialpartnerschaft bei sozialpolitischen Entscheidungen eingegangen. Insgesamt wird deutlich, dass Familien, Unternehmen und Landwirtschaft zu den GewinnerInnen der Politik zählten, während Unselbständige, PensionistInnen und Arbeitslose zu den VerliererInnen gehörten (vgl. Rossmann 2006).
Im Debattenforum 2/2006 „Sozialpolitische Bilanz von Schwarz-Blau/Orange 2000–2006“ sind folgende Beiträge zu finden und downloadbar:
- Job und Kind – Recht oder Luxus? Eine kritische Analyse der Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes auf die Beteiligung von Eltern am Erwerbsarbeitsmarkt
Clara Fritsch - Ein Blick auf die verteilungspolitischen Implikationen der Budgetpolitik nach der politischen Wende 2000
Bruno Rossmann - „Pensionsreform“ in Schwarz-Blau/Orange
Emmerich Tálos und Clemens Wiedermann
Die wirtschaftspolitische Analyse von sechs Jahren Schwarz-Blau / Orange im Debattenforum 3/2003 fokussiert auf „die strukturellen Änderungen im Politikstil der liberal-konservativen Regierung“ (Kurswechsel 3/2006, Editorial Debattenforum). So wird etwa auf den politischen Diskurs eingegangen, der sich nach Ansicht der AutorInnen von „traditioneller Interessenpolitik entlang der Dimensionen Klasse-Schicht-Geschlecht“ hin zur „Konstruktion neuer kulturell und ethnisch-nationalistisch geprägter Identitäten“ (ebd.) entwickelt hat. Zentral in der Argumentation der Regierung war der „Wirtschaftsstandort Österreich“ zu dessen Erhalt bzw. Stärkung etwa „ArbeitnehmerInnen niedrige Lohnabschlüsse, Arbeitsflexibilisierung und neue Formen prekärer Arbeitsverhältnisse“ (ebd.) hinnehmen sollten. Weiters werfen die AutorInnen des Debattenforums einen Blick auf den Österreichischen Korporatismus und die Auswirkungen der oben genannten neuen Identitätspolitik auf ebendiesen. Ein zweites zentrales wirtschaftspolitisches Thema von Schwarz-Blau / Orange war die Austeritätspolitik mit dem Ziel des sogenannten „Nulldefizits“ (siehe auch hier). Ein solches Ziel „induziert (…) alle möglichen Formen von Ausgliederungen, Public-Private-Partnerships, Börsengänge und damit Teil- oder Vollprivatisierungen staatlicher Unternehmen“ (ebd.) und wurde „zum generellen Maßstab jeglicher Maßnahmen und Aktivitäten in allen Politikfeldern“ (ebd.). Die AutorInnen des Debattenforums beschreiben diese Auswirkungen exemplarisch an den – in diesem Zusammenhang eher selten beleuchteten – Feldern der Verkehrs- und Umweltpolitik.
Im Debattenforum 3/2006 „Wirtschaftspolitische Bilanz von Schwarz-Blau/Orange 2000–2006“ sind folgende Beiträge zu finden und downloadbar:
- Sozio-ökonomische Entleerungen und identitätspolitische Aufladungen. Einige Aspekte der Regierungspolitik 2000 – 2006
Sieglinde Rosenberger - Arbeitsbeziehungen nach der rechtskonservativen Wende: Sozialpartnerschaft in der Krise?
Susanne Pernicka - Verkehrspolitik in Zeiten des Nulldefizits
Claus Faber - Keine Umweltpolitik unter Schwarz-Blau / Orange
Bernhard Obermayr
Einige Punkte von damals scheinen in der heutigen Debatte wieder aufzukommen. Ein Blick in die Analysen von damals lohnt sich also!
Panel Discussion: „The banking crisis in Italy and its impact on the Euro“ – 23.11.2017 15:15 WU Wien
The banking crisis in Italy and its impact on the Euro
Recently, Italy has become the focus of international media attention, mostly due to the fragility of its banking system. One bank, Monte dei Paschi di Siena has already been saved by a strange combination of bail in and bailout. Other Italian banks, amongst them major players, are also in a vulnerable situation. In the meantime, the Eurozone has brought about rules that prevent states from bailing out banks. They now have to be bailed in by their owners and even eventually their depositors.
The panel will discuss the following questions: What has caused the Italian banking crisis? Has it been imprudent lending, or is it due to the lack of growth in the Italian economy? In terms of per capita GDP, Italy is now doing worse than before the introduction of the euro. There is a massive lack of demand in the Italian economy, partly due to constant austerity. Can this be the reason for the fragility of the Italian banking system, where the ratio of non-performing loans has reached 19%?
Italy, unlike the previously mentioned countries, is a large part of the EU. Its collapse, or a crisis in its banking system, may have an enormous impact on the European Union.
Panelists:
Prof. Guido Montani, Professor of International Political Economy at the University of Pavia
Prof. Riccardo Fiorentini, Professor at University of Padova
Dr. Thomas Fazi, Journalist & Author
Vanessa Redak, Oesterreichische Nationalbank (OeNB, Austrian Central Bank)
Date:
Thursday, 23. 11.2017
15:15–17:00
Location:
Vienna University of Economics and Business (WU)
Welthandelsplatz 1, 1020 Wien
TC.2.01 Siemens Hörsaal (120)
Part of a conference series on the Euro and the Italian crisis, organised by the Alexandre Lamfalussy Faculty of Economics, University of Sopron, Hungary in cooperation with the University of Economics in Bratislava.
Österreich nach der Wahl – sozioökonomische Perspektiven
Nach den Wahlen deutet alles darauf hin, dass die Koalition zwischen ÖVP und SPÖ Geschichte ist. Die Zeichen stehen auf Neuauflage von Schwarz-Blau. Nachdem ÖVP und FPÖ bereits Regierungserfahrung miteinander haben, ist anzunehmen, dass die Umsetzung der Pläne schneller und friktionsfreier vorangehen wird als beim ersten gemeinsamen Regierungsversuch auf nationaler Ebene ab 2000.
Auf der Veranstaltung soll diskutiert werden, was die konkreten Auswirkungen einer solchen Neuauflage des schwarzblauen Projekts sein können, mit einem Schwerpunkt auf sozialpolitische sowie wirtschaftspolitische Maßnahmen. Vor allem die Themen Mindestsicherung und Zuwanderung standen im Fokus des Wahlkampfes der beiden Parteien, weiters ist die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern zuletzt in die Abschusslinie geraten.
Einen Schwerpunkt der Diskussion wird auch die Frage bilden, wie linke Antworten auf diese Aussichten aussehen sollen und inwiefern die Erfahrungen von 2000 bis 2007 uns für die kommenden Auseinandersetzungen weiterhelfen können.
Montag 06.11.2017 18:30, Republikanischer Club (Rockhgasse 1, 1010 Wien)
Am Podium:
Michaela Moser, Dozentin an der FH St. Pölten, Sozialexpertin der Armutskonferenz.
Markus Marterbauer, Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Lukas Oberndorfer, Rechtswissenschafter, Redaktion mosaik.
**** Update ****
Videoufzeichnung findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=o_CeDSut_pA&t=5s
**** Update ***
Wie Arme nicht arm und Reiche nicht reich bleiben. Verteilung und Umverteilung von Einkommen und Vermögen in Österreich (Factsheet IV)
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Quellen und weitere Literatur zum Thema:
- Alzinger, Wilfried/ Lamei, Nadja/Rumplmaier, Bernhard/Schneebaum, Alyssa (2013): Intergenerationelle soziale Mobilität in Österreich, Statistische Nachrichten 1/2013, S. 48–62, https://media.arbeiterkammer.at/PDF/Intergenerationelle_soziale_Mobilitaet.pdf
- Humer, Stefan (2014): Aufkommen von Erbschaftssteuern. Modellrechnung exemplarischer Tarife. Wirtschaft und Gesellschaft, 40(1), S. 151–159; wug.akwien.at/WUG_Archiv/2014_40_1/2014_40_1_0151.pdf
- Jahoda Bauer Institut (2017): Wer wieviel erbt; http://jbi.or.at/wer-wieviel-erbt/
- BEIGEWUM / Attac / Armutskonferenz (Hrsg.) (2014). Mythen des Reichtums. Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet. VSA. Hamburg.
- Anreasch, Michael/Fessler, Pirmin/Mooslechner, Peter/Schürz, Martin (2012): Fakten zur Vermögensverteilung. Sozialbericht 2011- 2012, Wien, S. 249–268; http://www.armutskonferenz.at/files/bmask_sozialbericht_kapitel_vermoegensverteilung-2012_3.pdf
- Fessler, Pirmin/Schürz, Martin (2010): Reich bleiben in Österreich. In: Wirtschaft und Gesellschaft 39(3), 343–360; http://wug.akwien.at/WUG_Archiv/2013_39_3/2013_39_3_0343.pdf
Hier gehts zu Factsheet I: Mythos „schwarze Null“
Hier gehts zu Factsheet II: Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung
Hier gehts zu Factsheet III: Arbeitszeit: Hartz IV ist kein Vorbild
Hartz IV ist kein Vorbild (Factsheet III)
Factsheet III: Hartz IV ist kein Vorbild
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Factsheet III: Hartz IV ist kein Vorbild (Seite 1)
Factsheet I: Hartz IV ist kein Vorbild (Seite 2)
Quellen und weitere Literatur zum Thema:
- Interview mit Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Qualifikation IAQ, 12.07.2017. „Die Agenda 2010 war überflüssig“, https://makronom.de/gerhard-bosch-arbeitsmarkt-gewerkschaften-die-agenda-2010-war-ueberfluessig-21972
- Buttwerwege, 2015: Hartz IV und die Folgen; auf dem Weg in eine andere Republik, Beltz Juventa, Weinheim Basel. Thesen zum Buch: http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/141117_butterwegge_buch-thesen.pdf
- Bruckmeier, Eggs, Himsel, Trappman, Walwei (2013): Steinig und lang – der Weg aus dem Leistungsbezug, Aufstocker im SGB II, IAB Kurzbericht 14/2013, http://doku.iab.de/kurzber/2013/kb1413.pdf
- Eppel, Mahringer, Sauer (2017): Österreich 2025 – Arbeitslosigkeit und die Rolle der aktiven Arbeitsmarktpolitik, WIFO Monatsbericht 90(6)
- Fuchs, Hollan, Gasior, 2017: Simulation der Umlegung der Hartz-IV Reform auf Österreich, http://www.euro.centre.org/data/1498134467_87901.pdf
- Jaenichen, Rothe (2014): Hartz sei Dank? Stabilität und Entlohnung neuer Jobs nach Arbeitslosigkeit https://www.boeckler.de/wsimit_2014_03_jaenichen.pdf
- Promberger, Ramos Lobato (2016): Zehn Jahre Hartz IV – eine kritische Würdigung, WSI Mitteliungen 5 /2016
- Rothe, Wälde (2017): Where Did All the Unemployed Go? Non-Standard Work in Germany after the Hartz Reforms Years; IAB Discussion Paper 18/2017, http://doku.iab.de/discussionpapers/2017/dp1817.pdf
Hier gehts zu Factsheet I: Mythos „schwarze Null“
Hier gehts zu Factsheet II: Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung
Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung (Factsheet II)
Das Factsheet als pdf:
Factsheet I: „Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung“
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Factsheet I: „Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung“ Seite 1
Factsheet I: „Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung“ Seite 2
Quellen und weitere Literatur zum Thema:
- Altavilla, Carlos; Garofalo, Antonio; Vinci, Concetto Paolo, Evaluating the effects of working hours on employment and wages, in: Journal of Policy Modelling 27 (2005) 647–644.
- Berniell und Bietenbeck (2017): The effect of working hours on health. IZA Discussion Paper No. 10524.
- Bosch, Gerhard; Lehndorff, Steffen, Working-time reduction and employment: experiences in Europe and economic policy recommendations, in: Cambridge Journal of Eocnomics 25 (2001) 209–243.
- Brunello, Giorgio, The Employment Effects of Shorter Working Hours: An Application to Japanese Data, in: Economica 224/56 (1989) 473–386.
- Bunel, Mathieu, Aides incitatives et determinants des embauches des etablissements passes a 35 heures, in: Economie et Statistique 376–377 (2004).
- Calmfors, Lars; Hoel, Michael, Work Sharing, Employment and Shiftwork, in: Oxford Economic Papers, New Series 4/41 (1989) 758–773.
- Cette, Gilbert; Chang, Samuel; Konte, Maty, The decreasing returns on working time: An empirical analysis on panel country data. Banque de France Working Papers 351 (2011).
- Crepon, Bruno; Leclair, Marie; Roux Sebastien, RTT, productivite et employ: nouvelles estimations sur donnees d’enterprises, in: Economie et Statistique 1/376 (2005) 55–89.
- Crepon, Bruno; Kramarz, Francis, Employed 40 Hours or Not-Employed 39: Lessons from the 1982 Mandatory Reduction of the Workweek, IZA Discussion Paper 416 (2002).
- De Regt, Erik Ronald, Employment, wages and working time, Doctoral Dissertation (2002) Maastricht University.
- Estevao, Marcello; Sa, Filipa, Are the French Happy with the 35-Hour Workweek? IZA Discussion Paper 2459 (2006).
- FitzRoy, Felix R.; Funke, Michael; Nolan, Michael A., Working Time, Taxation and unemployment in general equilibriuwm, in: European Journal of Political Economy 18(2002), 333–344.
- Franz, Wolfgang; König, Heinz, The Nature and Causes of Unemployment in the Federal Republic of Germany since the 1970s: An Empirical Investigation, in: Economica 210/53 (1986) 219–244.
- Franz, Wolfgang; Smolny, Werner, Sectoral Wage and Price Formation and Working Time in Germany: An econometric Analysis, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 4/114 (1994) 507–529.
- Freidl, Julia; Hauer, Gerlinde, 40 Jahre 40-Stunden-Woche in Österreich. Was jetzt mit der Arbeitszeit? Revolution?, in: blog.arbeit-wirtschaft.at (2015), URL: http://blog.arbeit-wirtschaft.at/40-jahre-40-stunden-woche-in-oesterreich-und-jetzt-revolution/
- Gubian, Alain, Les 35 heures et l’emploi: d’une loi Aubry a l’autre, in: Regards sur l’actualite no 259 (2000) 3–26.
- Green, Francis, It’s Been a Hard Day’s Night: The concentration and Intensification of Work in Late Twentieth-Century Britain, in: British Journal of Industrial Relations 1/39 (2001) 53–80.
- Hart, Robert, Working Time and Employment (Boston 1987).
- Holman, Corey; Joyeux, Bobbie; Kask, Christopher, Labor productivity trends since 2000, by sector and industry, in: Monthly Labour Review 131 (2008).
- Huang, Chun-chieh; Chang, Juin-jen; Lai, Ching-Chong; Lin, Chung-chen, Worker Productivity, Working Time Reduction, And The Short-Run And Long-Run Employment Effects, in: Scottish Journal of Political Economy 4/49 (2002) 357–368.
- Hubermann, Michael; Minns, Chris, The times they are not changing: Days and hours of work in Old and New Worlds, 1870–2000, in: Explorations in Economic History 44 (2007) 538–567.
- Hunt, Jennifer, The response of wages and actual hours worked to the reductions of standard hours, in: NBER Working Paper Series (1995).
- Hunt, Jennifer, Has work-sharing worked in Germany?, in: Quarterly Journal of Economics 1/114 (1999) 339–381.
- Kapteyn, Arie; Kalwij, Adriaan; Zaidi, Asghar, The myth of work-sharing, in: Labour Eocnomics 11/1011 (2004) 293–313.
- Kawaguchi, Daiji; Naitō, Hisahiro; Yokoyama, Izumi, Labor Market Responses to Legal Work Hour Reduction: Evidence from Japan, Economic and Social Research Institute, Cabinet Office (2008).
- Kramarz, Francis; Cahuc, Pierre; Crépon, Bruno; Schank, Thorsten; Skans, Oskar Nordström; van Lomuval, Gijsbert; Zylberg, Andre, Labour market effects of work-sharing arrangements in Europe, in: Boeri, Tito; Burda, Michael; Kramarz, Francis (Hrsg.), Working hours and job sharing in the EU and USA: Are Europeans lazy? Or Americans crazy? (Oxford 2008).
- Lee, Timothy B., The big puzzle in economics today: why is the economy growing so slowly? In: Vox (2016), Url: http://www.vox.com/2016/8/1/12131216/theories-gdp-growth-slow.
- Lehment, Harmen, Lohnzurückhaltung, Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigung. Eine empirische Untersuchung für die Bundesrepublik Deutschland 1973–2000, in: Die Weltwirtschaft 2 (1991) 72–85.
- Logeay, Camille; Schreiber, Sven, Testing the effectiveness of the French work-sharing reform: a forecasting approach, in: Applied Economics 17/38 (2006) 2053–2068.
- Marimon, Ramon; Zilibotti, Fabrizio, Employment and distributional effects of restricting working time, in: European Economic Review 44 (2000) 1291–1326.
- Martin-Roman, Angel, Working Time Reductions and Labour Force Participation in Unemployment Contexts: A Note, in: Theoretical Economics Letters 4 (2014) 174–182.
- Moselle, Boaz, Efficiency Wages and the Hours/Unemployment Trade-Off, Discussion Paper 1153 (1996).
- Nachreiner, Rädiker, Janßen, Schomann (2005): Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Dauer der Arbeitszeit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Gesellschaft für Arbeits‑, Wirtschafts- und Organisationspsychologische Forschung.
- Oliveira, Aline; Ulrich, Valerie, L’incidence des 35 heures sur le temps partiel, in: Premieres syntheses 1/07 (2002).
- Passeron, Vladimir, 35 heures: trois ans de mise en oevre du dispositive ‚Aubry I‘, in: Premieres syntheses 2/06 (2002).
- Pirklbauer (2017): Kinderbetreuung und der 12-Stunden-Tag – Eine Kontroverse.
- Poyntner, Philipp, Beschäftigungseffekte von Arbeitszeitverkürzung. Eine makroökonomische Perspektive. Wirtschaft und Gesellschaft 4 /2016 (2016).
- Poyntner, Philipp, The macroeconomic effects of work-sharing. Magisterarbeit, Universität Wien (2015).
- Raposo, Pedro S.; van Ours, Jan C., How working time reduction affects jobs and wages, in: Economics letters 1/106 (2010) 61–63.
- Rocheteau, Guillaume, Working time regulation in a search economy with worker moral hazard, in: Journal of Public Economics 3/84 (2002) 387–425.
- Sanchez, Rafael, Do reductions of standard hours affect employment transitions? Evidence from Chile. Warwick Economic Research Papers 925 (2010).
- Shepard, Edward; Clifton, Thomas, Are longer hours reducing productivity in manufacturing), in: International Journal of Manpower 7/21 (2000) 540–553.
- Schank, Thorsten, Have Employees in Germany Received Full Wage Compensation After A Cut In Standard Hours?, in: Manchester School 3/74 (2006) 273–293.
- Schwendinger, Michael, Über Beschäftigungswirkung und Erfolgsbedingungen von Arbeitszeitverkürzungen. Ein Literaturüberblick, in: Wirtschaft und Gesellschaft 1/41 (2015) 107–126.
- Simmons, Robert; Schank, Thorsten; Andrews, Martyn, Does Worksharing Work? Some Empirical Evidence from the IAB Panel, in: Discussion Papers, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. 25.
- Skuterud, Mikal, Identifying the Potential of Work-Sharing as a Job-Creation Strategy, in: Journal of Labour Economics 2/25 (2007) 265–287.
- Steiner, Viktor; Peters, Rals-Henning, Employment Effects of Work Sharing. An econometric analysis for West Germany, in: ZEW Discussion Papers 0020 (2002).
- Sparks, Cooper, Fried und Shirom: The effects of hours of work on health: A meta-analytic review. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 70: 391–408 (1997).
Mythos „schwarze Null“ (Factsheet I)
Das Factsheet als pdf (ein Klick auf die Grafiken im pdf öffnet die jeweilige Datenquelle):
Factsheet I: Mythos „schwarze Null“
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Factsheet I: Mythos „schwarze Null“ Seite 1
Factsheet I: Mythos „schwarze Null“ Seite 2
Was ist Donald Trumps wirtschaftspolitische Agenda?
Stefan Schiman1
Selbst wenn Donald Trump „keinen ideologischen Kern [hat] und daher auch keine Präferenzen für eine bestimmte Politik“, so ist er doch seinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet und richtet seine Politik nach ihnen aus. Trumps Sieg in der Präsidentschaftswahl vom November 2016 wird vor allem seinem Erfolg im sogenannten „Rust Belt“ im Nordosten der USA (Ohio, Pennsylvania, Indiana, Michigan) zugeschrieben, einer einstigen Hochburg der Demokratischen Partei. Viele, die für Trump votierten, sind frustriert über Entwicklungen, die sie der Globalisierung zuschreiben: Vor allem der Verlust gut bezahlter Industriearbeitsplätze an aufstrebende Schwellenländer wie Mexiko und China, die dank wirtschaftlichen Fortschritts von Konsumenten zu Produzenten von Fertigprodukten aufgestiegen sind; und damit zu Konkurrenten der US-Industrie, die es nicht ausreichend geschafft hat, eine neue Position in den geänderten globalen Wertschöpfungsketten zu finden. Daher ist Trumponomics in der Handelspolitik protektionistisch orientiert. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump den Großteil seiner Stimmen den traditionellen Republikanischen Wählerinnen und Wählern verdankt und er seine Politik in anderen wichtigen Bereichen wie der Umwelt‑, Regulierungs- und Fiskalpolitik danach ausrichtet.
Wirtschaftspolitik für Wall Street
Trumps fiskalpolitische Ankündigungen im Wahlkampf prägten die Reaktionen der Finanzmärkte unmittelbar nach der Wahl. Forderungen nach starken Steuersenkungen in nahezu allen Bereichen (Unternehmens‑, Einkommens- und Vermögensbesteuerung) wurden ergänzt durch Versprechungen, die öffentlichen Investitionen anzukurbeln. Die damit verbundene Hoffnung auf höheres Wirtschaftswachstum ließ die Aktienkurse, den Außenwert des Dollar und die langfristigen Zinssätze gleichzeitig steigen (Abbildung 1, links), denn risikoarme, niedrigverzinste Anlageformen wurden abgestoßen, Aktien von US-Firmen hingegen stark nachgefragt. Die Euphorie hielt aber nur wenige Wochen: Nachdem der Dollar noch einmal aufwertete, als die amerikanische Zentralbank (Fed) Mitte Dezember 2016 die Zinsen erhöhte, hat er kontinuierlich an Wert verloren, obwohl die Fed die Zinsen weiter anhob (Abbildung 1, rechts). Selbst der langfristige Zinssatz ging trotz Leitzinssatzerhöhungen zurück; lediglich die Aktienkurse behielten ihren Aufwärtstrend bei. Den Economist veranlasste diese Entwicklung zu der Interpretation, dass die Hoffnung auf Wachstumsimpulse zwar vergangen sei (von Investitionsprogrammen, die auch den abgehängten ehemaligen Industriearbeitern und ‑arbeiterinnen zugutekommen sollten, ist längst nicht mehr die Rede), dass hingegen die Erwartung, dass Trumps Politik den Unternehmen nützen und ihre Gewinne begünstigen würde, nach wie vor intakt sei. Die Steuerreform scheint mittlerweile aber alles andere als ausgemacht; vielleicht auch deshalb, weil Trump den Gegenfinanzierungsplan seiner Partei ablehnt: die Umstellung der Unternehmensbesteuerung auf das Bestimmungslandprinzip. Dies hätte zwar die US-Exportindustrie begünstigt (für eine gänzlich kompensierende Wechselkursreaktion ist die Kaufkraftparität, vor allem kurzfristig, zu schwach), aber importierte Konsumware wäre empfindlich teurer geworden – nicht akzeptabel für Trumps Blue-Collar-Anhängerschaft.
Abbildung 1: USA: Aktienkurs, Rendite auf Staatsanleihen und Wechselkurs
Für Unternehmen besteht aber noch die „Hoffnung“ auf Deregulierung auf breiter Front – insbesondere im Finanzbereich, der mit dem Dodd-Frank-Act 2010 von einer Kaskade an neuen Regulierungen erfasst wurde. Die Finanzmarktregulierung Obamas stabilisierte das Finanzsystem, etwa durch höhere Kapitalvorschriften, durch die Abschaffung außerbilanzmäßiger Geschäfte oder die Beschränkung des Eigenhandels („Volcker-Regel“). Aber viele kleine Institute werden von der Vielzahl an Bestimmungen stark belastet und Trump könnte die unliebsame Regulierung gleich komplett abschaffen und damit letztlich die Finanzmarktstabilität gefährden.
Axis of Oil
Neben der Steuer- und (De-)Regulierungspolitik vertritt Trump auch im Umwelt- bzw. Energiebereich Republikanische Interessen, nämlich die Interessen von Big Oil. Für ihn ist Klimawandel eine Erfindung aus China, um der amerikanischen Ölindustrie zu schaden. Als konkreter Schritt erfolgte bisher der Ausstieg aus dem Paris Abkommen, was für sich genommen schlimm genug ist. Aber mittelfristig könnte die Egomanie und Rücksichtslosigkeit dieses Präsidenten zusammen mit den Interessen der Ölwirtschaft dazu führen, dass sich das Rollenverständnis des offiziellen Amerikas ändert: weg von seiner Position als Speerspitze der „freien Welt“ (Abbildung 2) hin zu einer neuen Triade der drei größten Ölproduzenten (USA, Saudi-Arabien, Russland) – eine axis of oil (Abbildung 3). Während die Anbiederung an das saudische Regime gelungen ist, stocken die Annäherungsversuche bei Russland; die vermutete Russlandintrige im Wahlkampf hängt wie ein Damoklesschwert über der Präsidentschaft, aber auch in Syrien stehen die beiden Länder de facto auf anderen Seiten.
Abbildung 2: Grad an Demokratie und Freiheit
Q: Freedom House.
Abbildung 3: Weltweite Ölproduktion
Q: U.S. Energy Information Administration.
Schon jetzt wirft dieser Strategiewechsel lange Schatten: Saudi-Arabien drangsaliert mit neuem Selbstbewusstsein den kleinen Nachbarn Katar. Und mit Blick auf Nord-Korea, einem Satellitenstaat des von Trump verhassten China, scheint selbst ein nuklearer Konflikt nicht mehr ausgeschlossen. Und würde sich Putin weitere Teile des Kaukasus oder der GUS einverleiben, hätte das offizielle Amerika wahrscheinlich kaum etwas dagegen. Das erhöhte Risiko kriegerischer Konflikte wird begleitet von Trumps Aufforderung an seine NATO-„Partner“, das Militärbudget zu erhöhen. Wie Abbildung 4 (links) zeigt, sind Länder wie Deutschland, aber auch die Atommächte Frankreich und Großbritannien weit von den Militärausgaben Amerikas entfernt; selbst dann, wenn man die Zahlen um die Unterschiede in den Staatsanteilen am BIP korrigiert (Abbildung 4, rechts).
Abbildung 4: Staatsausgaben für Verteidigung
links: in % der gesamten Staatsausgaben, rechts: in % des BIP, 2015
Q: OECD, WIFO.
Das Leistungsbilanzproblem
Im Bereich der Handelspolitik sieht Trump in den vermeintlichen Schikanen für US-Firmen das Hauptproblem und die Hauptursache für das amerikanische Leistungsbilanzdefizit (Abbildung 5). Dies betrifft vor allem Mexiko, ein „Partnerland“ im nordatlantischen Freihandelsabkommen NAFTA, das neu verhandelt werden soll; zweitens Deutschland mit seiner omnipräsenten Automobilindustrie und drittens China, dem Wechselkursmanipulation, die Verletzung von Eigentumsrechten und zu hohe Markteintrittsbarrieren angelastet werden. In der Tat hat sich das bilaterale Leistungsbilanzdefizit gegenüber China, das schon vor 15 Jahren das höchste der USA war, seither weiter vergrößert (Abbildung 6) und macht nun mehr aus als die Defizite gegenüber Mexiko, Deutschland und Japan zusammen. Interessant ist jedoch auch die Beobachtung, dass die USA gegenüber dem Rest der Welt seit 2009 Leistungsbilanzüberschüsse erzielt.
Q: OECD, WIFO.
Abbildung 6: Leistungsbilanz der USA mit…
Q: OECD, WIFO.
Wie stellt sich aber die Situation aus Sicht der „betroffenen“ Länder dar? Sehr unterschiedlich (Abbildung 7): Über die letzten Jahre auf ein zu hohes Niveau gestiegen ist lediglich der Leistungsbilanzüberschuss von Deutschland (2016: über 8% des BIP). In China ist die Situation differenzierter: Nach dem Allzeithoch von knapp 10% des BIP vor der Wirtschaftskrise ist der Leistungsbilanzüberschuss auf ein weltwirtschaftlich verträglicheres Ausmaß von 2–3% des BIP zurückgegangen. In den letzten Jahren wirken zudem die wachsenden Ausgaben für Auslandsreisen dem Überschuss im Warenhandel entgegen. Mexiko hingegen fährt insgesamt sogar Leistungsbilanzdefizite ein; ein Abbau des bilateralen Überschusses gegenüber der USA würde sein Gesamtdefizit wohl noch weiter erhöhen. Schon diese groben Details zeigen, dass sich der Komplexitätsgrad von plakativ vorgebrachten Problemen bei genauerer Betrachtung deutlich erhöht und dass einfache Lösungen nicht zur Verfügung stehen. Für den Showman Trum wird es jedenfalls schwierig werden, realpolitische Erfolge zu erzielen; wie seine bisherige Amtszeit bereits gezeigt hat.
Abbildung 7: Leistungsbilanzen, ausgewählte Länder
Q: OECD, WIFO.
Zum Weiterlesen: Debatten forum des Kurswechsel 1/2017; http://voxeu.org/content/economics-and-policy-age-trump,
[1]) Der Text beruht auf einem Vortrag, der auf der 21. Tagung des japanisch-österreichischen Komitees für Zukunftsfragen, die von 13. Bis 15. Juli 2017 in der Präfektur Shizuoka stattfand, gehalten wurde.