RVO „Österreich in der internationalisierten politischen Ökonomie“
Am Di den 8. März um 18:30 Uhr, im Hörsaal 23 Uni Wien, startet die Ringvorlesung zur politischen Ökonomie Österreichs. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich (jedoch eine Prüfungsanmeldung zum Ende der LV). Somit ist die LV offen für alle die sich dafür interessieren und kurzentschlossene können jederzeit und problemlos an den einzelnen Lesungen teilnehmen.
Die Termine sind HIER zu finden
Die RVO: Österreich in der internationalisierten politischen Ökonomie: Kontinuitäten und Brüche seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich mit den Fragen:
Wie lassen sich die Metamorphosen der politischen Ökonomie Österreichs vor dem Hintergrund von Prozessen intensivierter „Europäisierung“ und „Globalisierung“ verstehen? Wie haben sich wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Grundstrukturen verändert? Welche Kontinuitäten und Brüche des „Modell Österreich“ zeigen sich in den letzten 20 Jahren insbesondere auch im Gefolge des EU-Beitritts und der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008ff.? Was sind zentrale Kräfte(-verhältnisse), die auf die Veränderungen der politischen Ökonomie Österreichs eingewirkt haben? Welche Umbaumomente österreichischer Staatlichkeit lassen sich im Spiegel dieser Entwicklungen in ausgewählten Politikbereichen beobachten? Diesen Fragen geht die Lehrveranstaltung zur vertiefenden Diskussion nach. Sie widmet sich damit dem Versuch einer kritischen Bilanz zentraler Entwicklungslinien in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Zu den Vortragenden zählen u.a.: Joachim Becker, Stefan Ederer, Christa Schlager, Jürgen Schneider, Helene Schuberth, Jana Schultheiss, Bettina Stadler, Emmerich Tálos
Weitere Informationen finden sich unter: VL-Verzeichnis Uni Wien
Die RVO basiert auf dem Buch „Politische Ökonomie Österreichs“
Rezension: Politische Ökonomie Österreich
BEIGEWUM (Hg.): Politische Ökonomie Österreichs. Kontinuitäten und Veränderung seit dem EU-Beitritt. Wien: Mandelbaum Verlag 2015, 373 Seiten
Österreichs wirtschaftliche, soziale und politische Gegenwart und Geschichte sind aufs Engste mit europäischen Entwicklungen verwoben. 20 Jahre EU-Beitritt stellen einen wichtigen äußeren Anlass zur Reflexion dar. Dies umso mehr, als sich die Europäische Union wohl seit nunmehr über sechs Jahren in einer tiefen Krise befindet, deren Überwindung noch nicht absehbar ist.
Der BEIGEWUM (Beirat für gesellschafts- wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen) hat sich der Herausgabe eines umfassenden Werkes gestellt. Auch wenn der BEIGEWUM vielen LeserInnen von Wirtschaft&Gesellschaft sicherlich bekannt ist, so soll der Vollständig halber doch festgehalten werden, dass dieser Verein von SozialwissenschafterInnen aus unterschiedlichen Disziplinen getragen wird. Seit seiner Gründung 1985 trägt er regelmäßig dazu bei, dass kritische Forschungstätigkeiten in laufende politische Debatten eingebracht werden. Über die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Kurswechsel, zahlreiche Buchpublikationen und damit verbundene Veranstaltung wird dies umgesetzt. Der vorliegende aktuelle Sammelband zum 20-Jährigen „EU-Beitrittsjubiläum“ stellt den Versuch dar, eine möglichst umfassende Darstellung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungen in Österreich vorzunehmen. Im Zuge der traditionell interdisziplinären Herangehensweise, die viele BEIGEWUM-Publikationen auszeichnet, wird auch hier versucht unterschiedliche mit einander verknüpfte zentrale Aspekte darzustellen. Das Buch stellt eine zeitgeschichtlich eingebettete Analyse des Status Quo dar. Damit wird auch gewisser Maßen der gemeinsame methodischer Nenner der Beiträge im Buch deutlich. Sie versuchen die Gegenwart aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Überdies wird, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, so doch meist versucht ökonomische und politische Entwicklungen in ihrer intrinsischen Verknüpfung zu behandeln. Die „Politische Ökonomie Österreichs“ kann damit in der weiteren Tradition politökonomischer Perspektiven verstanden werden, wenn auch die einzelnen AutorInnen sich vielfach nicht unmittelbar und explizit an spezifischen methodischen Vorgangsweisen in der kritischen politischen Ökonomie orientieren. Dafür beindruckt der Band jedoch dadurch, dass es gelungen ist für die einzelnen Beiträge und damit die abgedeckten Bereiche vielfach „die“ ausgewiesenen FachexpertInnen zu gewinnen. Darunter – wie sicherlich nicht überraschend – nicht nur zahlreiche AutorInnen aus dem universitären bzw. akademischen Umfeld, sondern auch aus der Arbeiterkammer.
Wie soll nun das Unterfangen einer Analyse und Darstellung der Politischen Ökonomie Österreichs angegangen werden? Sind doch alle Bereiche und Dimensionen miteinander verwoben. Im Buch wird dazu eine pragmatische Vorgangsweise gewählt: Aufbauend auf eine umfassende Einführung durch das Team der HerausgeberInnen (Joachim Becker, Valerie Bösch, Romana Brait, Georg Feigl, Tobias Orischnig, Philipp Poyntner, Jana Schultheis) folgten den stärker Ökonomie-zentrierten Analysen im ersten Teil folgt ein eher politikwissenschaftlich-institutioneller zweiter Teil.
Zu Beginn des ersten Teils steht eine Analyse des Akkumulations- und Entwicklungsmodells (Stefan Ederer, Engelbert Stockhammer, Predrag Ćetković). Im Anschluss erfolgt die Analyse einzelner Wirtschaftssektoren. Der Bogen spannt sich dabei von der Entwicklung der Realwirtschaft und der Rolle der Industriepolitik (Silvia Angelo, Markus Marterbauer), über den Agrarsektor (Irmi Salzer), Österreichs Banken (Christina Wieser, Thomas Zotter), den Strukturwandel im kommerziellen Dienstleistungssektor (Sandra Breiteneder) bis zu einem Überblick zu den sozialen Dienstleistungen in Österreich (Karin Heitzmann, August Österle, Astrid Pennerstorfer). Der Abschluss dieses Hauptteils erfolgt durch eine systematische Verortung Österreichs zwischen Deutschland und Osteuropa (Joachim Becker, Franziska Disslbacher, Rudy Weissenbacher), ergänzt um eine Analyse der Regionalentwicklung in Österreich (Christian Reiner, Helmut Gassler, Sascha Sardadvar).
Der zweiten Hauptteil des Sammelbandes beginnt mit einer Analyse der umfassenden Veränderungen aber auch Kontinuitäten im Austro-Korporatismus (Emerich Tálos). Damit verknüpft erfolgt die Untersuchung weiterer für die österreichischen Entwicklungen relevanter Politikfelder. Auch wenn die Politik und institutionelle Ausgestaltung der EZB von Österreich weitgehend unbeeinflusst erfolgt, so hat sie doch wichtige Auswirkungen auf das Land und wird entsprechend im Band analysiert (Elisabeth Blaha). Einen weiteren zentralen Eckpunkt stellt die Analyse der Veränderung der nationalen Budgetpolitik im Kontext von Europäisierung und Neoliberalisierung dar (Georg Feigl, Christa Schlager). In der Folge werden die sozialpolitischen Entwicklungen (Christine Mayrhuber), die Veränderungen in der Beschäftigungspolitik (Susanne Pernicka, Bettina Stadler), die durch Europäisierung gekennzeichnete Migrationspolitik (Ilker Ataç, Chrstioph Reinprecht), die EU-Gleichstellungspolitik und die Situation der Frauen (Katharina Mader, Jana Schultheiss, Edith Waltner) und schließlich die Energiepolitik analysiert (Jürgen Schneider, Hanna Simons, Tobias Orischnig).
Im dritten und letzten Teilabschnitt des Buches wird die Frage nach den GewinnerInnen und VerliererInnen gestellt. Der erste Beitrag unternimmt dabei den Versuch einer Sozialstrukturanalyse (Stefan Angel). Der zweite und abschließende Text zeigt deutlich, wie sich die Verteilung von Einkommen und Vermögen hin zugunsten der Reicheren, d.h. zu Kapital aber auch zu hohen Arbeitseinkommen (Stichwort: ManagerInnengehälter) verschoben hat (Wilfried Altzinger, Mathias Moser, Matthias Schnetzer). Wer die GewinnerInnen und wer die VerliererInnen in Österreich seit dem EU-Beitrag waren, wird damit sehr eindrucksvoll dargestellt. Wenn es im Band auch gelingt die entsprechenden Interessen dieser Politik eindeutig zu benennen, so wäre eine noch detaillierte Analyse der konkreten innerösterreichischen Herrschafts- und Durchsetzungsstrategien, die zu diesen Entwicklungen geführt haben, sicherlich auch für die LeserInnen von Interesse. Diese Leerstelle mag wohl aber auch Ausdruck dafür sein, dass diese konkreten Zusammenhänge und Mechanismen generell weniger erforscht werden. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass – wie im Band auch deutlich dargestellt – Österreichs Entwicklung wesentlich von europäischen Prozessen abhängt. Die Bilanz der letzten 20 Jahre seit dem EU-Beitritt fällt daher durchwachsen aus. Die Krise in Europa ist und bleibt (für absehbare Zeit) das bestimmende Moment. Eine progressive Lösung im Sinne aller europäischer ArbeitnehmerInnen ist auf EU-Ebene nicht in Sicht. Der Ausblick – auch für Österreich – bleibt daher entsprechend getrübt.
Insgesamt bietet der Sammelband eine ausgesprochen gelungen, sehr gut verständlichen und mit aussagekräftigem empirischem Material versehenen breiten und fundierten Überblick über die zentralen Veränderungen der ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 20 Jahre. Er eignet sich daher nicht nur vorzüglich als äußerst kurzweiliger und aufschlussreicher Lesestoff, sondern sollte auch in keiner (wenn auch noch so bescheidenen) Bibliothek fehlen.
Johannes Jäger
Das Buch kann hier bestellt werden
Lesestoff für das Jahresende: Kurswechsel 4/15 „Klasse – Klassismus – Klassenkampf“
bell hooks trat im Jahr 2000 mit „where we stand: class matters“ für das Zusammendenken von Rassismen und Sexismen mit der Klassenfrage ein. Ihr Anliegen blieb nicht unbemerkt: Das Konzept „Klasse“ erlebt ein Comeback. Anlässlich der Konjunkturen der Klassendiskussion legen wir den Fokus auf Klassismus und greifen die aktuellen Debatten rund um die Klassenfrage auf.
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Eine andere Wirtschaftspolitik – für Spanien und Europa
Am 20. Dezember finden in Spanien Parlamentswahlen statt. Eines der Hauptthemen ist die Wirtschaft, insbesondere die Frage, wie sich die nach wie vor über 20 Prozent liegende Arbeitslosenrate reduzieren lässt, gut bezahlte hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden können und wie der Sozialstaat nach Jahren der Austeritätspolitik wieder gestärkt werden kann. Auch wenn die letzten Umfragen für ein linkes Projekt nicht sehr vielversprechend sind, so kann mit dem Einzug von PODEMOS ins Parlament eine alternative Wirtschaftspolitik forciert werden.
Ein neues Entwicklungsmodell für Spanien ist unerlässlich. Im Mittelpunkt sollten die Schaffung qualitativer Arbeitsplätze, Produktivitätssteigerungen und die Sozialstaatsentwicklung sein. Das ist – wie bereits vor dem Platzen der Immobilienblase – keine ökonomisch-technische Frage, sondern vor allem eine politische. Zentral ist dabei die Demokratisierung der Wirtschaft, die wieder eine verstärkte Reinvestition der Gewinne erlauben würde.
Ein solches Projekt muss eine gesamtheitliche Antwort auf die leidvolle soziale Realität – insbesondere in Form von Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und wachsender Armut – darstellen. Das Wahlergebnis wird entscheidend dafür sein, ob sich ein alternatives Entwicklungsmodell durchsetzen kann, das auf den folgenden sechs Eckpfeilern beruht.
6 Eckpfeiler eines neuen Produktivmodells
- Ein progressives Steuersystem, dessen Gesamtaufkommen zumindest den europäischen Durchschnitt erreicht. Mit einer Abgabenquote von nur 38,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes blieb Spanien 2014 weit hinter der Eurozone mit einer Quote 46,8 Prozent zurück, von den Ländern mit einem besser entwickelten Sozialstaat wie Österreich (50 Prozent) ganz zu schweigen. Dafür sind die Mittel der Finanzbehörden für den Kampf gegen Steuerhinterziehung ebenso zu erhöhen wie die effektiven Steuersätze auf Vermögen und hohe Einkommen von Personen ebenso wie von Unternehmen. Die Alternative, die die rechten Parteien im Wahlkampf vorschlagen, würde zu einer weiteren Runde an Sparpaketen und Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen führen, vor allem im Bildungs- und Gesundheitsbereich.
- Errichtung einer öffentlichen Bank, die ausreichend groß sein muss, um spürbar positive Effekte in der Gesamtwirtschaft auszulösen. Ihre Kreditvergabe muss sich vom privaten Sektor unterscheiden, indem verstärkt öffentliche Infrastruktur bzw. Einrichtungen und industriepolitisch relevante langfristige Unternehmensprojekte finanziert werden. Zudem müssen die Zugangsprobleme zu Wohnungs- und KMU-Krediten adressiert werden. Was die durch Rettungsaktionen bereits verstaatlichen Banken angeht – allen voran die mit europäischen Mitteln gestützte Bankia –, gilt es zu verhindern, dass diese neuerlich komplett privatisiert werden.
- Modernisierung der Arbeitsbeziehungen durch Rücknahme der Arbeitsmarktreformen bei gleichzeitiger Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte, Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung und verbesserte Zusammenführung von Produktivitäts- und Lohnentwicklung. Das Arbeitsrecht muss wieder den sozialen Dialog und die Kollektivvertragsverhandlungen unterstützen anstatt sie zu unterminieren, wie das in den letzten Jahren der Fall war.
- Neue Infrastruktur und Technologien sind durch eine ambitionierte Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation voranzutreiben. Der Umstieg auf das Transportmittel mit der höchsten Energieeffizienz – also die Bahn – ist ebenso zu fördern wie der Gütertransport per Frachtschiff sowie die Nahverkehrsmittel in den städtischen Zentren. Zudem ist eine moderne Produktionsinfrastruktur zu unterstützen, beispielsweise durch Glasfaserkabelnetze und Wasserentsalzungsanlagen.
In Bezug auf die Energiepolitik müssen erneuerbare Energien unterstützt werden, sodass die Handelsbilanz verbessert und damit die Auslandsverschuldung reduziert werden kann. Es war nicht die Lohnentwicklung, die das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht der spanischen Wirtschaft verursachte, sondern die hohe Energieabhängigkeit. Im Jahr 2013 betrugen die Öl- und Treibstoffimporte 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. - Eine Wohnpolitik, die verstärkt auf Vermietung abzielt. Dafür ist es notwendig, die SAREB (die spanische „bad bank“ für Immobilien) in eine öffentliche Wohnbaugesellschaft umzuwandeln, die einen Großteil ihres Immobilienbesitzes unter sozialen Gesichtspunkten vermietet. Um Personen zu unterstützen, die in Schwierigkeiten bei der Bedienung ihrer Hypothekarschulden kommen, ist eine öffentliche Einheit ähnlich der unter Roosevelt 1933 geschaffenen „Home Owners Loan Corporation“ zu gründen, die die Position der SchuldnerInnen stärken soll.
- Ein Notfallplan gegen Armut und soziale Ausgrenzung, bis die Arbeitslosigkeit sowie die Einkommen das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben. Ein solcher Plan sollte vor allem ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen, die Beseitigung der Kinderarmut und einen Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit umfassen (bereits 3,5 Millionen Menschen sind mindestens ein Jahr arbeitslos).
Änderungen auf europäischer Ebene notwendig
Ob sich das Produktivmodell Spaniens ändern lässt, hängt wesentlich von der europäischen Ebene ab. Die notwendige Rückgewinnung demokratischer Spielräume wird nicht durch Rückschritte im europäischen Integrationsprozess möglich werden, sondern durch dessen Vertiefung. Um das Vertrauen der Menschen in die EU zurückzugewinnen, braucht es gerade eine Abkehr vom aktuellen wirtschaftspolitischen Kurs. Insbesondere braucht es auch auf dieser Ebene Maßnahmen zur Schaffung von Beschäftigung, beispielsweise durch den EGB-Plan für Investitionen und die Stärkung der Sozialstaates.
Die Krise hat auch gezeigt, dass der EU die notwendigen Institutionen und Werkzeuge fehlen, um die Krise zu bekämpfen. Diese strukturellen Probleme gilt es zu korrigieren, etwa durch eine koordinierte Lohnpolitik zur Stärkung der Einkommen, ein nennenswertes EU-Budget, eine europäische Steuerbehörde zur Vermeidung von Steuerdumping zwischen den Mitgliedsstaaten und einen Sozialpakt. Auch wenn die neuen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank den Eurostaaten helfen, so bleiben sie unzureichend, um auf absehbare Zeit wieder das Beschäftigungs- und Wohlstandsniveau vor der Krise zu erreichen.
Es braucht einen Plan zur Restrukturierung und/oder Neuverhandlung der öffentlichen Schulden auf europäischer Ebene. Neben einer Verringerung der aktuell zu leistenden Zinszahlungen muss ein solcher Mechanismus auch eine Verteuerung bei der zukünftigen Schuldenaufnahme verhindern, die die wirtschaftliche Erholung erst recht gefährden würde. Eine Vergemeinschaftung der öffentlichen Schulden auf europäischer Ebene mittels Eurobonds oder durch die EZB im Ausmaß von bis zu 60 Prozent des BIP sowie die Koppelung der Zahlungen an die Wirtschaftsleistung könnte eine solche Teuerung verhindern. Auch sollte eine goldene Investitionsregel eingeführt werden. Das bedeutet, dass der auf öffentliche Investitionen zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung zurückzuführende Teil der Neuverschuldung beim EU-Defizitverfahren herausgerechnet wird.
Angesichts der weit überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit und des unterentwickelten Wohlfahrtsstaats kommt Spanien für einen wirtschaftspolitischen Richtungswechsel eine besonders relevante Rolle in Europa zu.
Dieser Text wurde übersetzt und überarbeitet von Georg Feigl und ist angelehnt an das Schlusskapitel des gemeinsam mit Santiago Díaz de Sarralde herausgegebenen Buches „Una propuesta progresista para salir de la crisis“ („Ein progressiver Vorschlag aus der Krise“, PDF auf Spanisch), der auf dem Mosaik-Blog erstveröffentlicht wurde.
Bruno Estrada, Ökonom in Madrid, arbeitet als wirtschaftspolitischer Berater des Vorsitzenden des größten spanischen Gewerkschaftsverbandes (Comisiones Obreras) und engagiert sich u.a. bei EconoNuestra, unserer „Schwesterorganisation“ in Spanien, der Gruppe Economistas frente a la crisis sowie im internationalen Wirtschaftsbeirat von PODEMOS.
Wende oder Ende? Die spanischen Wahlen als Schlüssel für eine andere europäische Wirtschaftspolitik
Donnerstag, 10. Dezember, 18:30 Uhr // Universität Wien, Hörsaal 31
Podiumsdiskussion mit:
Bruno Estrada (Ökonomischer Berater des Vorsitzenden der spanischen Gewerkschaft CCOO, aktiv bei Econonuestra und Berater linker Parteien)
Georg Feigl (BEIGEWUM und AK Wien)
Lisa Mittendrein (ATTAC)
Tobias Zortea (Spanien entscheidet; angefragt)
Moderation: Romana Brait (BEIGEWUM)
Bis zur Intervention durch die Europäische Zentralbank hieß es, die Krise in Europa würde vor allem in Spanien entschieden, dessen Ökonomie doppelt so groß ist wie jene Griechenlands, Irlands, Portugals und Zypern zusammen. Austeritätspolitik und Lohndruck führten zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 25 %, zu Einschnitten in den Sozialstaat und einer Zunahme der sozialen und politischen Spannungen. Mit dem Aufkommen der Protestbewegung 15M bzw. der neuen Linkspartei „PODEMOS“ kehrte Hoffnung auf Veränderung zurück. Nicht zuletzt als Reaktion auf diese Entwicklung kam es bereits zu einer relativ unbemerkten Abschwächung der Spar- und Wettbewerbspolitik, die rechtzeitig vor den Wahlen eine wirtschaftliche Erholung ermöglichte.
Das europäische Regelkorsett sieht allerdings keinen weiteren Handlungsspielraum für fiskalpolitische Impulse, eine Reindustrialisierung und eine binnenzentrierte Entwicklung als Eckpfeiler einer alternativen Wirtschaftspolitik vor. Dauerhafte Massenarbeitslosigkeit, schlechte Jobs, asymmetrische soziale Beziehungen und eine ungünstige Wirtschaftsstruktur wären die Folge.
Welche ökonomischen, sozialen und politischen Perspektiven ergeben sich für Spanien nach den Wahlen? Kann die spanische Linke eine breite (Regierungs-)Koalition zustande bringen, und was würde das für ein neoliberal dominiertes Europa bedeuten?
Eine Veranstaltung des BEIGEWUM in Kooperation mit ATTAC, Spanien entscheidet und dem Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien.
„Mythen des Reichtums“ bei den Kritischen Literaturtagen Salzburg 2015
Freitag, 4. Dezember, 14:00 Uhr
ARGEkultur Salzburg, Studio
Buchpräsentation mit Martin Schenk
VSA Verlag – BEIGEWUM/Armutskonferenz/Attac (Hrsg.)
„Mythen des Reichtums“
Reichtum – wann ist viel zu viel? Vermögen in Österreich und Europa – und wie nimmt diesen Reichtum die Bevölkerung wahr?
Das ganze Programm der Kritischen Literaturtage Salzburg hier.
„Spielräume für eine progressive Wirtschaftspolitik?“ – 30 Jahre BEIGEWUM
Donnerstag, 12. November, 19:00 Uhr
Kulturzentrum & Café 7*Stern (Siebensterngasse 31, 1070 Wien)
Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des BEIGEWUMs soll die Frage nach möglichen Spielräumen für eine progressive Wirtschaftspolitik aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Zeitperioden betrachtet werden: vom Anstieg der Arbeitslosigkeit, einem beginnenden Abschied vom „Austrokeynesianismus“ und dem wachsenden Bewusstsein von ökologischen Krisen in den 1980er Jahren, über Diskussionen zum EU-Beitritt und der Wirtschaftspolitik unter Schwarz-Blau bis zur gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise. Fest steht, dass sich in den vergangenen 30 Jahren die ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Zustände verändert haben – und mit ihnen auch das Selbstverständnis und die Aufgaben des BEIGEWUM.
BEIGEWUM-Aktive aus verschiedenen Zeitabschnitten diskutieren über markante (politische) Veränderungen in der jüngeren österreichischen Vergangenheit bis zur Gegenwart und welchen Einfluss diese auf kritische Politik sowie Partizipation hatten und haben.
Podium: BEIGEWUM-Aktive aus verschiedenen Zeitabschnitten:
Willi Altzinger, Beat Weber, Christa Schlager und Jana Schultheiss
Moderation: Romana Brait
Danach laden wir zu einem gemütlichen Beisammensein der Generationen ein.
20 Jahre EU-Beitritt. Zwischen Wettbewerbsstandort und Sozialmodell Österreich
Dienstag, 24. November, 18:30 Uhr
Wissensturm Linz (Veranstaltungssaal E09)
Podiumsdiskussion und Buchpräsentation
Es diskutieren: Mag.a Christina Mayrhuber (WIFO), Dr.in Susanne Pernicka (JKU Linz) und Mag.a Christa Schlager (AK Wien)
Der EU-Beitritt 1995 gilt als einschneidender Moment in der Geschichte Österreichs, da er sich stark auf die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Dynamiken im Land auswirkte. 20 Jahre später setzen sich verschiedene WissenschaftlerInnen mit den Kontinuitäten und Veränderungen des österreichischen Modells seit dem Beitritt auseinander. Die Ergebnisse ihrer Forschungen sind vor kurzem in einem vom BEIGEWUM herausgegebenen Buch („Politische Ökonomie Österreichs“) publiziert worden.
Im Rahmen der Podiumsdiskussion werden zentrale Ergebnisse von Mitautorinnen des Buches vorgestellt und diskutiert. Folgende Fragen führen durch den Abend: Welche Zwänge, aber auch welche neuen Chancen hat der EU-Beitritt in ausgewählten Politikfeldern (Sozial‑, Beschäftigungs- und Budgetpolitik) mit sich gebracht? Inwieweit haben sich die nationalen politischen Handlungsspielräume durch den EU-Beitritt verändert? Welche AkteurInnen und Institutionen spiel(t)en bei diesen Entwicklungen eine zentrale Rolle? Wie haben sich in diesem Zusammenhang die Kräfteverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital im Land verändert? Und: Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen für die Zukunft des österreichischen Sozialmodells?
In Kooperation mit dem Institut für Soziologie an der JKU Linz, dem Wissensturm und der AK OÖ.
Wirtschaftspolitische Konzepte der nationalistischen Rechten
Dienstag, 3. November, 19:00 Uhr
Literaturbuffet Lhotzky (Eingang Rotensterngasse 2, 1020 Wien)
Debatte zum Kurswechsel 3/2015 mit Joachim Becker und Rudy Weissenbacher
Die nationalistische Rechte ist in verschiedenen europäischen Ländern im Aufwind, teils auch bereits an der Regierung. In der neuesten Nummer des Kurswechsels werden deren wirtschaftspolitischen Konzepte vom selektiven Wirtschaftsnationalismus von Fidesz in Ungarn, über die „nationale Präferenz“ des Front National und der Kampagne gegen den Euro durch die italienische Lega Nord und ihre soziale Basis diskutiert.
Diese Fragen stehen auch im Vordergrund bei der Heftvorstellung.
Der Kurswechsel 3/2015 ist da!
Thema: Medien im Strukturwandel der Öffentlichkeit
Aktuelle Debatte: Heterodoxie von rechts?
Ein politökonomischer Blick auf die aktuellen Umbrüche in der Medienlandschaft tut not: Wie greifen Probleme des Wirtschaftsjournalismus und bestehende Machtstrukturen in „Wirtschaft-Medien-Politik“ ineinander? Und: Wo und wie lassen sich Ansatzpunkte für eine kritische „Gegenöffentlichkeit“ und eine fortschrittliche Medienpolitik ausmachen? Es sind nicht nur besonders markante Fälle wie z.B. die dominante Griechenland-Berichterstattung in deutschsprachigen Medien, die die Suche nach alternativen, kritischen Informationsquellen verstärken und die Kluft zwischen journalistischem Anspruch und medialer Wirklichkeit noch deutlicher sichtbar machen. Vor diesem Hintergrund geht es im vorliegenden Schwerpunktheft darum, aktuelle Umbrüche im Mediensektor mit diesen Fragen zu konfrontieren und konzeptionelle Grundlagen einer kritischen politischen Ökonomie der Medien auszuloten.
Der Debattenteil dieser Nummer setzt sich mit den wirtschaftspolitischen Praxen und Konzepten der nationalistischen Rechten in Europa auseinander. Diese präsentieren sich mithin als „soziale Rechte“ und üben sich teilweise in einer wirtschaftspolitischen „Heterodoxie von rechts“. Eingeordnet in ein breiteres Panorama werden der selektive Wirtschaftsnationalismus der Fidesz-Regierung in Ungarn sowie die wirtschaftspolitischen Konzepte des französischen Front National sowie der italienischen Lega Nord als zwei führenden Kräften der nationalistischen Rechten einer kritischen Analyse unterworfen.
Zum Inhaltsverzeichnis inklusive Artikeln zum Download geht es hier.