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Buchvorstellung „Mythen des Sparens“ 10.01. Innsbruck

1. Januar 2014 – 19:07 Uhr

Wir freu­en uns, dass unser neu­es Buch „Mythen des Spa­rens“ (zu bestel­len hier: http://www.vsa-verlag.de/…/artikel/mythen-des-sparen/) nun auch in Inns­bruck prä­sen­tiert wird.

Jana Schult­heiss und Tobi­as Ori­sch­nig vom AutorIn­nen­kol­lek­tiv dis­ku­tie­ren unter der Mode­ra­ti­on von Gün­ter Mayr über die Bedeu­tung und Kon­struk­ti­on von Sparmythen.

Frei­tag 10. Jän­ner 2014
19 Uhr – Buch­hand­lung Wiederin
Erler­stra­ße 6, 6020 Innsbruck

Mythos: „Europa muss Deutsch lernen“

1. Januar 2014 – 18:48 Uhr

Deutsch­land hat sich in eine Rich­tung ori­en­tiert, von der alle euro­päi­schen Län­der pro­fi­tie­ren könn­ten – vor­aus­schau­end, welt­of­fen und kon­zen­triert auf Wett­be­werbs­fä­hig­keit und Pro­duk­ti­vi­tät”, so EZB-Prä­si­dent Mario Draghi im Novem­ber 2013. An dem deut­schen Mus­ter­schü­ler sol­len sich nun ande­re Län­der ori­en­tie­ren und die Refor­men übernehmen.

Das schein­ba­re Erfolgs­re­zept für Wirt­schafts­wachs­tum und stei­gen­de Expor­te: Lohn­zu­rück­hal­tung, die Steu­er­re­for­men Anfang der 2000er Jah­re sowie die Refor­men der Agen­da 2010, wie unter ande­ren die Hartz IV-Reform. Zwi­schen 2000 und 2007 stie­gen die Leis­tungs­bi­lanz­über­schüs­se stark an, von einem nahe­zu aus­ge­gli­che­nen Außen­bei­trag zu einem Über­schuss von 7% (2011: 5,1%).

Sparen für die Wirtschaft: Runter mit Löhnen und Steuern

Ursa­chen für die­se „posi­ti­ve“ Ent­wick­lung waren jedoch nicht nur die gestie­ge­nen Expor­te. Son­dern vor allem auch auch, dass durch die schwa­che inlän­di­sche Nach­fra­ge und die Zurück­hal­tung staat­li­cher Inves­ti­tio­nen die Impor­te kaum gestie­gen sind. Der Anstieg der Löh­ne in Deutsch­land blieb seit 2000 weit hin­ter jenem ande­rer EU-Mit­glieds­staa­ten zurück und die Real­löh­ne san­ken. Auch fle­xi­ble­re Rege­lun­gen für aty­pi­sche Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se wie gering­fü­gi­ge Beschäf­ti­gung oder Leih­ar­beit, die häu­fig schlech­ter ent­lohnt wer­den als Nor­mal­ar­beits­ver­hält­nis­se, wur­den erleich­tert. Immer mehr Arbei­ten wer­den, gera­de im Han­del, in schlech­ter bezahl­te Tarif­ver­trä­ge aus­ge­glie­dert oder sind nicht mehr tarif­ge­bun­den. Mit dem Dienst­leis­tungs­sek­tor oder dem Leih­ar­beits­sek­tor wuch­sen die Berei­che, in denen häu­fig nied­ri­ge Löh­ne bezahlt wer­den, beson­ders stark.

Im Jahr 2000 wur­de von der deut­schen Bun­des­re­gie­rung eine Steu­er­re­form beschlos­sen, durch die unter ande­rem die Kör­per­schafts­steu­er gesenkt und der Spit­zen­steu­er­satz ver­rin­gert wur­de. Dadurch wur­den höhe­re Ein­kom­men ent­las­tet und gleich­zei­tig Sozi­al­aus­ga­ben ein­ge­spart, von denen vor allem nied­ri­ge Ein­kom­men pro­fi­tie­ren wür­den. Die Gesamt­ein­nah­men des Staa­tes gin­gen von 2001 bis 2005 von 46,2% des BIP im Jahr 2000 auf 43,6% zurück. Die Gesamt­aus­ga­ben des Staa­tes sind von rund 48% des BIPs vor den Refor­men auf 45% im Jahr 2011 gesun­ken. Die Fol­gen waren deut­lich: Sozi­al­ab­bau, Ein­schrän­kung bei der Ver­sor­gung mit öffent­li­chen Gütern, Sen­ken der öffent­li­chen Inves­ti­tio­nen sowie der Abbau von Per­so­nal und Lohn­zu­rück­hal­tung im öffent­li­chen Dienst. Durch nied­ri­ge staat­li­che Inves­ti­tio­nen und eine gedämpf­te Bin­nen­nach­fra­ge war die Wirt­schaft weni­ger gewach­sen, als bei einer Bin­nen­markt­ori­en­tier­ten Poli­tik mög­lich hät­te sein können.

Reformen und ihre Folgen

Im Rah­men der Hartz IV-Refor­men wur­den die Zumut­bar­keits­kri­te­ri­en für das Arbeits­lo­sen­geld II geän­dert: Jede Arbeit ist zumut­bar, egal ob sie gering­fü­gig oder unter­ta­rif­lich bezahlt ist oder den Qua­li­fi­ka­tio­nen nicht ent­spricht, und muss daher ange­nom­men wer­den. Die Zahl der Erwerbs­lo­sen ist nach den Refor­men deut­lich gesun­ken, ob sie dafür ursäch­lich waren ist jedoch wenig ein­deu­tig, denn es kam gleich­zei­tig zu einem Wirtschaftsaufschwung.

Zu einem Wirt­schafts­auf­schwung, bei dem die Zahl der Working Poor stark anstieg: Im Jahr 2011 waren 30% der Arbeits­lo­sen­geld II-Emp­fän­ge­rIn­nen in Deutsch­land erwerbs­tä­tig, 2007 waren es nur 23%. Sie muss­ten also, teil­wei­se sogar trotz eines Voll­zeit-Jobs, einen Teil ihres Ein­kom­mens an Arbeits­lo­sen­geld, „auf­sto­cken“.

Der Anteil der Nied­rig­lohn­be­schäf­tig­ten stieg in den letz­ten 10 Jah­ren von knapp 18% auf über 22%. Damit liegt Deutsch­land unter den  EU-15 Län­dern an ers­ter Stel­le, knapp vor dem Ver­ei­nig­ten König­reich. 2010 arbei­te­te somit fast jedeR Vier­te in Deutsch­land Beschäf­tig­te zu einem Nied­rig­lohn, bei Gering­qua­li­fi­zier­ten sogar mehr als die Hälfte.

Betrof­fen von nied­ri­gem Lohn und pre­kä­rer Beschäf­ti­gung sind vor allem Frau­en. 29% der beschäf­tig­ten Frau­en erhal­ten nur einen Nied­rig­lohn (im Ver­gleich zu 17% der Män­ner). Die Mehr­heit der beschäf­tig­ten Frau­en arbei­tet in aty­pi­schen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen, wie Teil­zeit oder Mini­jobs, und sie arbei­ten häu­fi­ger in schlech­ter bezahl­ten Bran­chen und Beru­fen (Dienst­leis­tung, Gesund­heit etc.). In ein­zel­nen Berufs­grup­pen arbei­ten fast 90% in Niedriglohntätigkeiten.

Der nied­ri­ge Lohn führt aber nicht nur zu Armut trotz Arbeit, son­dern bil­det auch einen direk­ten Weg in die Alters­ar­mut. Zusätz­lich sin­ken die Steu­er­ein­nah­men – denn in der Regel fal­len kei­ne oder gerin­ge Steu­ern an. Die nied­ri­ge Kauf­kraft der Gering­ver­die­ne­rIn­nen dämpft dadurch auch den inlän­di­schen Konsum.

Fokus auf Exporte: Absatzmarkt am Mars

Durch die nied­ri­gen Ein­kom­men und die Spar­maß­nah­men sin­ken der pri­va­te Kon­sum und Inves­ti­tio­nen. Drei Vier­tel des deut­schen Wirt­schafts­wachs­tums der ver­gan­ge­nen Jah­re sind den Expor­ten zuzu­ord­nen, was nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf ande­re Staa­ten hat (vgl. Lehn­dorff 2012). Auch wenn seit kur­zem die Löh­ne im vgl. zu ande­ren Staa­ten etwas stär­ker gestie­gen sind, reicht dies noch lan­ge nicht aus um die vor­he­ri­ge Ent­wick­lung aus­zu­glei­chen. Deutsch­land pro­fi­tiert als Tritt­brett­fah­rer von den Län­dern, die aus Deutsch­land impor­tie­ren und nutzt den eige­nen Import­spiel­raum nicht aus. Nun sol­len auch ande­re Län­der die­se Poli­tik umset­zen: Arbeits­markt­re­for­men, Fle­xi­bi­li­sie­rung, Lohn­zu­rück­hal­tung und Ein­spa­run­gen bei den öffent­li­chen Ausgaben.

Woher soll das Wachs­tum aber kom­men, wenn alle Staa­ten spa­ren und weder die eige­nen Pro­duk­te kau­fen noch impor­tie­ren? Es müs­sen also schnell neue Han­dels­part­ne­rIn­nen gefun­den wer­den, die nichts gegen Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zi­te haben – viel­leicht auf dem Mars!

Mehr Staat statt mehr Sparen

Gera­de in der Kri­se wur­de deut­lich, wie wich­tig Sozi­al­sys­te­me sind. Sie haben maß­geb­lich dazu bei­getra­gen, dass die Wirt­schaft nicht wei­ter ein­ge­bro­chen ist, die Arbeits­lo­sig­keit nicht wei­ter anstieg und die pri­va­te Nach­fra­ge nicht stär­ker zurück­ging. Kon­junk­tur­pa­ke­te tru­gen zusätz­lich dazu bei, die Aus­wir­kun­gen der Kri­se gering zu hal­ten, gera­de auch in Deutsch­land. Im Zuge der „Schul­den­kri­se“ sind die Wohl­fahrts­sys­te­me nun erneut unter Beschuss gera­ten. Um die Staats­schul­den zu redu­zie­ren, wird vor allem auf der Aus­ga­ben­sei­te gespart. Es wer­den Leis­tun­gen, Pen­sio­nen oder Löh­ne gekürzt, öffent­li­che Beschäf­ti­gung ver­rin­gert, Arbeits­markt­re­gu­lie­run­gen gelo­ckert und wei­te­re Pri­va­ti­sie­run­gen durch­ge­führt; und immer wei­te­re Spar­maß­nah­men gefor­dert. Pro­blem und Aus­gangs­punkt der Kri­se war nicht der Staat, son­dern die wach­sen­de Ungleich­heit und der Finanz­sek­tor. Nun wer­den die Staats­schul­den als Mög­lich­keit genutzt den Staat wei­ter zurück­zu­drän­gen. Die Ein­spa­run­gen haben einer­seits nega­ti­ve Effek­te auf Löh­ne, Nach­fra­ge und damit auf das Wachs­tum, ande­rer­seits ver­stär­ken sie auf län­ge­re Frist die Ungleich­ge­wich­te in der Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­tei­lung. Und zusätz­lich wer­den durch die Spar­po­li­tik die Mög­lich­kei­ten ver­rin­gert, wei­te­re Kri­sen abzufangen.

Zur Bewäl­ti­gung der aktu­el­len Kri­sen (wach­sen­de Ungleich­heit, Ungleich­ge­wich­te, Kli­ma­wan­del; sie­he Ein­lei­tung des Buches „Mythen des Spa­rens“) und deren Ursa­chen wer­den jedoch ande­re Lösun­gen gebraucht. Beson­ders Deutsch­land, aber auch Öster­reich und die Nie­der­lan­de müs­sen jetzt bereit sein, mehr aus­zu­ge­ben, die Löh­ne zu erhö­hen und die stei­gen­de Ungleich­heit bekämp­fen, anstatt auf Kos­ten ande­rer Staa­ten Außen­han­dels­über­schuss­re­kor­de zu sammeln.


Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um die gekürz­te Ver­sion eines Kapi­tels aus dem Buch „Mythen des Spa­rens. Anti­zy­kli­sche Alter­na­ti­ven zur Schul­den­bremse“. Die­ses wur­de 2013 vom BEIGEWUM her­aus­ge­ge­ben und wen­det sich an alle, die der Behaup­tung „Spa­ren sei das Gebot der Stun­de“ fun­dierte Argu­mente ent­ge­gen­set­zen wol­len. Es wer­den zen­trale Mythen aus den Berei­chen „Schul­den“, „Spa­ren“ und der damit ver­bun­de­nen EU-​​Po­li­tik kri­tisch hin­ter­fragt und die dahin­ter­ste­hen­den Zusam­men­hänge erklärt. Das Buch ist im VSA-​​Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt wer­den: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/

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Mythos: “Pensionen sind nicht mehr finanzierbar”

31. Dezember 2013 – 14:37 Uhr

Die Alte­rung der Gesell­schaft führt zu stei­gen­den Alters­auf­wen­dun­gen. Die­se set­zen die ohne­hin ange­spann­ten öffent­li­chen Haus­hal­te wei­ter unter Druck. Durch die hohen Alters­auf­wen­dun­gen feh­len auch Bud­get­mit­tel für die Zukunfts­be­rei­che. Da die Ren­ten- bzw. Pen­si­ons­sys­te­me in Deutsch­land und Öster­reich ohne­hin recht gene­rös sind, ist die Sanie­rung der öffent­li­chen Haus­hal­te durch deut­lich ver­rin­ger­te Alters­auf­wen­dun­gen möglich.“

So oder so ähn­lich klingt es, wenn in den OECD Staa­ten Pen­si­ons­re­for­men durch­ge­führt wer­den – und dies ist in den letz­ten 2 Jahr­zehn­ten in allen Staa­ten pas­siert. Die Refor­men ver­folg­ten dabei das Ziel der Leis­tungs­kür­zun­gen. Unter­füt­tert waren die­se Leis­tungs­kür­zun­gen mit drei Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en – einer schein­bar explo­die­ren­den demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung, einer zu Wett­be­werbs­nach­tei­len füh­ren­den Umla­ge­fi­nan­zie­rung sowie einer aus­glei­chen­den Wir­kung pri­va­ter Vor­sor­ge­leis­tung von Finanzmärkten.

Dem demo­gra­fi­schen Argu­ment kann ent­geg­net wer­den, dass ledig­lich quan­ti­ta­ti­ve, nicht jedoch qua­li­ta­ti­ve Aspek­te der Alte­rung berück­sich­tigt wer­den. Wesent­li­che Fra­gen wären aber z.B. haben Men­schen im Alter wirk­lich Zugang zu den Leis­tun­gen? Wie hoch sind die tat­säch­li­chen Leis­tun­gen? Wovon hängt die Zahl der Beschäf­tig­ten ab? Bedeu­ten stei­gen­de Beschäf­ti­gungs­quo­ten auch tat­säch­lich stei­gen­de Ren­ten- bzw. Pen­si­ons­bei­trä­ge? All dies aus­zu­blen­den ist ledig­lich poli­tisch bequem, und hilf­reich für die ein­sei­ti­ge Pro­duk­ti­on von Bildern.

Bezüg­lich der schein­ba­ren Wett­be­werbs­nach­tei­le durch ein Umla­ge­fi­nan­zier­tes Sys­tem kann fest­ge­stellt wer­den, dass der Pro-Kopf-Wohl­stand in Euro­pa wei­ter­hin zuneh­men wird, eine Siche­rung der Alters­sys­te­me ist daher trotz stei­gen­den Anteils älte­rer Men­schen öko­no­misch nicht nur mach­bar son­dern auch not­wen­dig. Die bis­her bewähr­ten Sys­te­me der Umla­ge­fi­nan­zie­rung sol­len dazu wei­ter ver­stärkt wer­den, erreicht wer­den kann dies z.B. über die Ein­bin­dung von Nicht-Lohn­ein­kom­men in die Sys­tem­fi­nan­zie­rung, oder auch mit Maß­nah­men, die zu einer gene­rel­len Erhö­hung der Lohn­quo­te füh­ren, wie etwa der Reduk­ti­on von Arbeits­lo­sig­keit oder einer adäqua­te Lohnentwicklungen.

Schließ­lich bie­ten kapi­tal­ge­deck­te Säu­len der Alters­si­che­rung kei­ne Lösun­gen – sie sind zum einen mit hohen Kos­ten für Spare­rIn­nen ver­bun­den, zum ande­ren hängt die Fähig­keit zur Pri­vat­vor­sor­ge vom lau­fen­den Ein­kom­men ab.

So kann rela­tiv rasch gese­hen wer­den, dass ein zukunfts­taug­li­ches Alters­si­che­rungs­sys­tem nicht durch die poli­tisch pro­pa­gier­te Erhö­hung des gesetz­li­chen Pen­si­ons­an­tritts­al­ters bzw. Leis­tungs­kür­zun­gen erreicht wer­den. Viel­mehr braucht es viel­schich­ti­ge Maß­nah­men in den Berei­chen der Wirtschafts‑, Arbeitsmarkt‑, Steu­er- und Finanz­po­li­tik zur Her­stel­lung eines hoch­wer­ti­gen, ver­tei­lungs­ge­rech­ten und nach­hal­ti­gen Alterssicherungssystems.


Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um die gekürz­te Ver­sion eines Kapi­tels aus dem Buch „Mythen des Spa­rens. Anti­zy­kli­sche Alter­na­ti­ven zur Schul­den­bremse“. Die­ses wur­de 2013 vom BEIGEWUM her­aus­ge­ge­ben und wen­det sich an alle, die der Behaup­tung „Spa­ren sei das Gebot der Stun­de“ fun­dierte Argu­mente ent­ge­gen­set­zen wol­len. Es wer­den zen­trale Mythen aus den Berei­chen „Schul­den“, „Spa­ren“ und der damit ver­bun­de­nen EU-​​Po­li­tik kri­tisch hin­ter­fragt und die dahin­ter­ste­hen­den Zusam­men­hänge erklärt. Das Buch ist im VSA-​​Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt wer­den: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/

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Mythos „Schulden sind böse – sparen ist gut“

27. Dezember 2013 – 14:09 Uhr

Die Staa­ten in Euro­pa sind zu hoch ver­schul­det, auch in Deutsch­land und Öster­reich muss ein zen­tra­les Ziel von Poli­tik ein aus­ge­gli­che­ner Staats­haus­halt sein. Wie im Pri­vat­haus­halt soll das Vor­bild für den Staat, z.B. nach der deut­schen Bun­des­kanz­le­rin, „die schwä­bi­sche Haus­frau“ sein, die sich nur „leis­tet“, was sie sich auch leis­ten kann.“

Zahl­rei­che Poli­ti­ke­rIn­nen, vie­le Öko­nom­In­nen und die Medi­en for­dern star­ke Spar­maß­nah­men zur aus­ga­ben­sei­ti­gen Sanie­rung der öffent­li­chen Haus­hal­te. Auf­fäl­lig ist dabei, wie weni­ge öko­no­mi­sche oder finanz­po­li­ti­sche Argu­men­te in der Dis­kus­si­on ange­führt wer­den. Statt­des­sen wird stark mora­lisch argu­men­tiert oder an das Gewis­sen der Bür­ge­rIn­nen appelliert. 

Sind Schul­den wirk­lich so böse?

Nein, prin­zi­pi­ell han­delt es sich um einen hart­nä­cki­gen Mythos und in der Argu­men­ta­ti­on wer­den eini­ge Feh­ler gemacht. Ein Feh­ler ist Schul­den bzw. die damit getä­tig­ten Aus­ga­ben immer nur als Kos­ten zu betrach­ten. Hier ist drin­gend ein Umden­ken gefor­dert, denn die Aus­ga­ben sind auch Inves­ti­tio­nen in Bil­dung, Infra­struk­tur, das Gesund­heits­sys­tem; kurz: in die Wohl­fahrt der Bür­ge­rIn­nen. Der Ver­schul­dung ste­hen auch Ver­mö­gens­wer­te (wie Stra­ßen, Schu­len, Kran­ken­häu­ser etc.) mit gesell­schaft­li­chem Nut­zen gegenüber. 

Zudem ist der Staats­haus­halt eben nicht mit dem Pri­vat­haus­halt gleich­zu­set­zen. Denn das Ein­kom­men eines Staa­tes ist nicht gesetzt – die Steu­er­ge­setz­ge­bung ist Sache der Par­la­men­te. Auch sind Staa­ten auf Dau­er kon­zi­piert und kön­nen des­halb bis in alle Ewig­keit Ein­kom­men erzie­len, aus denen die Schul­den bedient wer­den kön­nen. Folg­lich müs­sen sie die Schul­den nicht abbau­en, son­dern ledig­lich das lang­fris­ti­ge Ver­hält­nis zwi­schen Ein­kom­men und Schul­den­dienst sta­bi­li­sie­ren. Drit­tens ist der Staats­haus­halt so groß, dass Ver­än­de­run­gen der Aus­ga­ben und Ein­nah­men gesamt­wirt­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen haben. Sehr ein­fach dar­ge­stellt sin­ken bei gro­ßen Aus­ga­ben­kür­zun­gen, etwa im Sozi­al­be­reich, die Ein­kom­men der Bür­ge­rIn­nen (z.B. über das Kür­zen der Sozi­al­trans­fers). Weni­ger Ein­kom­men bedeu­tet, dass weni­ger kon­su­miert wird, die Nach­fra­ge nach Pro­duk­ten sinkt und die Unter­neh­men auf Dau­er ihre Pro­duk­ti­on redu­zie­ren und Arbeit­neh­me­rIn­nen ent­las­sen. Folg­lich steigt die Arbeits­lo­sig­keit und mehr Men­schen sind auf Sozi­al­trans­fers (= Staats­aus­ga­ben) ange­wie­sen und zah­len kei­ne Steu­ern (= Staats­ein­nah­men) mehr. Letzt­end­lich muss eine Aus­ga­ben­re­duk­ti­on des Staa­tes nicht unbe­dingt in nied­ri­ge­ren Bud­get­de­fi­zi­ten resul­tie­ren, da die Staats­ein­nah­men schnel­ler sin­ken kön­nen als die Staats­aus­ga­ben. Dies ist im Pri­vat­haus­halt nicht der Fall, da das Ein­kom­men, der Lohn, gleich bleibt und bei einer Ver­rin­ge­rung der Aus­ga­ben tat­säch­lich gespart wird. Umge­kehrt kön­nen höhe­re Staats­aus­ga­ben lang­fris­tig zum „Spa­ren“ füh­ren. Wel­che öko­no­mi­schen Reak­tio­nen auf eine Reduk­ti­on oder eine Aus­wei­tung staat­li­cher Tätig­keit erfol­gen, ist vom kon­kre­ten öko­no­mi­schen Umfeld abhängig.

Aber sind Schul­den prin­zi­pi­ell gut? 

Nein, die Auf­nah­me von Schul­den darf kein Selbst­zweck sein. Ent­schei­dend sind das öko­no­mi­sche Umfeld, der Stand der Staats­ver­schul­dung und der Spiel­raum bei der Erhö­hung der Ein­nah­men bzw. beim Kür­zen der Aus­ga­ben. In vie­len Fäl­len ist es bes­ser, die Staats­aus­ga­ben durch lau­fen­de Ein­nah­men zu decken, da so kei­ne Zins­zah­lun­gen fäl­lig wer­den. Die Auf­nah­me von neu­en Schul­den muss gut durch­dacht sein. Ein Bewer­tungs­kri­te­ri­um hier­für lie­fert Cor­neo, der auf die Fra­ge, wann ein Staat Schul­den auf­neh­men soll­te, fol­gen­de Ant­wort gibt: „wenn für sei­ne Bür­ger der Ertrag der damit finan­zier­ten Maß­nah­men (Steu­er­sen­kung, Trans­fer­erhö­hung, Erhö­hung des Staats­kon­sums oder der öffent­li­chen Inves­ti­tio­nen) die Kos­ten der Ver­schul­dung (Zin­sen und Til­gung) über­steigt“. Obers­tes Ziel muss sein, die Wohl­fahrt zu maxi­mie­ren. Cor­neo räumt ein, dass dies in der Pra­xis nicht immer ein­fach anzu­wen­den ist, da bspw. der Nut­zen oft nur schwer in Geld bewer­tet wer­den und damit den Kos­ten direkt gegen­über­ge­stellt wer­den kann (Cor­neo 2009, 5). Den­noch ist die­se Faust­re­gel sicher hilf­rei­cher als Schul­den per se abzulehnen. 

Der Staat muss sparen.“

Auch dies ist häu­fig zu hören und mag zunächst ein­leuch­tend klin­gen, denn wenn zu viel Geld aus­ge­ge­ben wur­de, muss eben gespart wer­den. Aber auch hier scheint es am öko­no­mi­schen Grund­ver­ständ­nis zu man­geln, denn grund­sätz­lich gilt: Das Spa­ren der Einen bedingt immer die Ver­schul­dung der Ande­ren. Die Sum­me aller finan­zi­el­len For­de­run­gen und Gut­ha­ben ist immer null. Das glei­che gilt für die Wirt­schafts­sek­to­ren: pri­va­te Haus­hal­te, Unter­neh­men, Staat und Aus­land. Das Spa­ren des einen Sek­tors bedingt die Ver­schul­dung eines Ande­ren, die Ver­schul­dungs­be­reit­schaft ermög­licht erst das Spa­ren. In der Wirt­schafts­theo­rie wird grob davon aus­ge­gan­gen, dass die Haus­hal­te in Sum­me mehr spa­ren als inves­tie­ren, die Unter­neh­men inves­tie­ren (=sich ver­schul­den) und der Staat aus­glei­chend wirkt. Die Bilanz gegen­über dem Aus­land soll­te über die Jah­re hin­weg aus­ge­gli­chen sein. Die pri­va­ten Haus­hal­te in Deutsch­land und Öster­reich spa­ren seit Jah­ren. Aller­dings spa­ren der­zeit auch die Unter­neh­men. In Deutsch­land haben sie in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren ledig­lich 2003 und 2008 mehr inves­tiert als gespart, in Öster­reich haben sie immer­hin in drei der letz­ten zehn Jah­re mehr gespart als inves­tiert. Das über­schüs­si­ge Geld ist dann oft am Finanz­markt ver­an­lagt wor­den. Wenn aber pri­va­te Haus­hal­te und Unter­neh­men spa­ren, dann blei­ben nur der Staat und das Aus­land als Schuld­ner, da sich die Sek­to­ren immer zu Null addie­ren müs­sen. Für Deutsch­land zeigt sich eine enor­me Ver­schul­dung des Aus­lands, bei Öster­reich ist die Aus­lands­ver­schul­dung eher gering, der Staat absor­biert hier die Mit­tel in grö­ße­rem Ausmaß.

Wenn dies ver­stan­den wird sind die poli­ti­schen For­de­run­gen aber absurd: Grie­chIn­nen, Spa­nie­rIn­nen, IrIn­nen etc. zu erklä­ren, dass sie ihre Schul­den schleu­nigst abbau­en müs­sen, und gleich­zei­tig die Bedin­gun­gen für einen Abbau zu ver­un­mög­li­chen, ist para­dox und öko­no­mi­scher Unsinn. 

Für das Aus­land zeigt etwa Mün­chau auf, dass ein Leis­tungs­bi­lanz­über­schuss der Sum­me der Erspar­nis­se der pri­va­ten Haus­hal­te und der Neu­ver­schul­dung des Staa­tes ent­spricht. Die Leis­tungs­bi­lan­zen aller Län­der welt­weit addie­ren sich zu null, da jedem Export irgend­wo ein Import gegen­über­steht. Das bedeu­tet aber nach obi­ger Fest­stel­lung auch, dass sich die Über­schüs­se bzw. Defi­zi­te der pri­va­ten und öffent­li­chen Haus­hal­te welt­weit eben­falls zu null addie­ren. Wor­aus gefol­gert wer­den kann, dass weder alle Staa­ten ein Export­mo­dell ver­fol­gen kön­nen, noch dass alle Staa­ten mehr spa­ren als inves­tie­ren können. 

Schul­den­ab­bau – was steht wirk­lich hin­ter der Forderung?

Es wird schnell deut­lich, dass hin­ter der Art der Argu­men­te, die in der Schul­den­dis­kus­si­on ange­führt wer­den, eine bestimm­te Welt­an­schau­ung steht. Es geht dar­um, den Staat „aus­zu­hun­gern“, denn weni­ger Mit­tel bedeu­ten auch redu­zier­te poli­ti­sche Hand­lungs­mög­lich­kei­ten. Die Bür­ge­rIn­nen sol­len auf Spar­maß­nah­men und Kür­zun­gen vor­be­rei­tet wer­den. Der Staats­haus­halt könn­te zwar selbst­ver­ständ­lich auch über höhe­re Steu­er­ein­nah­men aus­ge­gli­chen wer­den, dies ist in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on aber nur sel­ten zu hören. Auch wird kaum auf die immer wei­ter stei­gen­den­den Ungleich­hei­ten zwi­schen „arm“ und „reich“ ein­ge­gan­gen. Ein Blick auf die Net­to­ver­mö­gen zeigt deut­lich, dass die pri­va­ten Net­to­ver­mö­gen um ein Mehr­fa­ches über den öffent­li­chen Schul­den lie­gen. Die Debat­te um die Staats­ver­schul­dung erscheint damit in einem völ­lig ande­ren Licht. Denn dann geht es weni­ger um einen Schul­den­ab­bau als um eine Umver­tei­lung und Betei­li­gung von Men­schen mit hohen Ver­mö­gen und Ein­kom­men an der Finan­zie­rung öffent­li­cher Aus­ga­ben und des Sozialstaates.


Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um die gekürz­te Ver­si­on eines Kapi­tels aus dem Buch „Mythen des Spa­rens. Anti­zy­kli­sche Alter­na­ti­ven zur Schul­den­brem­se“. Die­ses wur­de 2013 vom BEIGEWUM her­aus­ge­ge­ben und wen­det sich an alle, die der Behaup­tung „Spa­ren sei das Gebot der Stun­de“ fun­dier­te Argu­men­te ent­ge­gen­set­zen wol­len. Es wer­den zen­tra­le Mythen aus den Berei­chen „Schul­den“, „Spa­ren“ und der damit ver­bun­de­nen EU-Poli­tik kri­tisch hin­ter­fragt und die dahin­ter­ste­hen­den Zusam­men­hän­ge erklärt. Das Buch ist im VSA-Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt wer­den: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/

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Initiative „Erbschaften besteuern!“

4. Dezember 2013 – 17:32 Uhr

Die Ein­füh­rung einer Erb­schafts­steu­er ist öko­no­misch sinn­voll und sozi­al gerecht! Peti­ti­on unter­zeich­nen auf www.erbschaften-besteuern.at

Erb­schaf­ten sind in Öster­reich äußerst kon­zen­triert: Weni­ge Men­schen emp­fan­gen sehr gro­ße Hin­ter­las­sen­schaf­ten und wer­den damit ohne zu arbei­ten reich. Seit der Abschaf­fung der Erb­schafts­steu­er im Jahr 2008 ist das nied­ri­ge Auf­kom­men aus ver­mö­gens­be­zo­ge­nen Steu­ern noch wei­ter gesunken.

Die Wie­der­ein­füh­rung einer Abga­be auf Erb­schaf­ten ist Vor­aus­set­zung für Gerech­tig­keit, denn die sozia­le Her­kunft darf nicht über die Zukunft der Men­schen ent­schei­den. Wir brau­chen die Erb­schafts­steu­er zum not­wen­di­gen Aus­bau sozia­ler Dienst­leis­tun­gen, um allen Kin­dern gute Bil­dungs­chan­cen zu geben und ein Altern in Wür­de für Alle zu ermöglichen.

Wir for­dern des­halb die neue Bun­des­re­gie­rung auf, so rasch wie mög­lich eine Steu­er auf Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen einzuführen.

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Budgetloch: Wie sich rechte Think Tanks in der Öffentlichkeit breit machen und die Politik in die Bredouille bringen

19. November 2013 – 18:07 Uhr

Die Bud­get­de­bat­te, die in letz­ter Zeit gelau­fen ist, lässt sich so zusam­men­fas­sen: Die Poli­ti­ke­rIn­nen, getrie­ben von ihren Ambi­tio­nen wie­der­ge­wählt zu wer­den, ver­spre­chen vor der Wahl das Blaue vom Him­mel und ver­schwei­gen, dass sie dies nie­mals ein­lö­sen wer­den kön­nen. Die Wirt­schafts­ex­per­tIn­nen hin­ge­gen, dar­un­ter ‚wirk­lich unab­hän­gi­ge‘, die von Indus­tri­el­len und Mil­li­ar­dä­rIn­nen bezahlt wer­den, haben schon immer gewusst, dass Geld aus­ge­ben immer schlecht ist, und der Staat nie­mals spa­ren kann und will. Denn er wird vom ‚bösen Wäh­ler‘ ver­führt noch mehr Geld aus­zu­ge­ben. So schreibt etwa die rech­te ‚Initia­ti­ve pro Markt­wirt­schaft‘ vor der NR-Wahl: “Aber trotz bit­te­rer Erfah­rung scheint das ‘Geschenk-Gen‘ der Poli­ti­ker so aus­ge­prägt zu sein, dass man es auch 2013 offen­bar nicht las­sen kann.“ (http://www.promarktwirtschaft.at/Brief10)

Und obwohl der rech­te Think Tank ‚Agen­da Aus­tria‘ kei­ner­lei Exper­ti­se in Sachen Bud­get­po­li­tik vor­wei­sen kann, behaup­tet des­sen Spre­cher Franz Schell­horn vor eini­gen Tagen, es fehl­ten an die 40 Mrd. Euro im Staats­haus­halt (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1476433/Budgetloch_IV-fordert-strafrechtliche-Konsequenzen).

So stellt sich also die Debat­te zu den öffent­li­chen Finan­zen in Öster­reich im Novem­ber 2013 dar.

Finanz­kri­se Grund des Budgetlochs

Wir befin­den uns im fünf­ten Jahr nach Aus­bruch der – vom Finanz­sek­tor aus­ge­gan­ge­nen – Kri­se, die mit enor­men finan­zi­el­len Ein­satz der öffent­li­chen Hand abge­fan­gen wer­den muss­te und Staa­ten wie Staats­bür­ge­rIn­nen damit hohe Kos­ten auf­ge­bür­det hat. Die­se Kos­ten haben im Ver­gleich zur Vor­pe­ri­ode zu einem extre­men Anstieg der öffent­li­chen Ver­schul­dung geführt.

Kei­nes­wegs sind die Bud­gets wegen abwe­gi­ger Wün­sche der Bevöl­ke­rung aus dem Ruder gelau­fen. Ganz im Gegen­teil: Es wur­den seit Aus­bruch der Kri­se in Öster­reich zwei Spar­pa­ke­te beschlos­sen. Der Bud­get­voll­zug war in den letz­ten Jah­ren strik­ter als der Vor­anschlag. Was heißt: Es wur­de mehr gespart, als ursprüng­lich ver­an­schlagt, in den letz­ten bei­den Jah­ren um je über zwei Mil­li­ar­den Euro.

Und wie sieht es mit der Unver­nunft der Poli­ti­ke­rIn­nen aus? Die „maß­lo­sen“ Ver­spre­chen, die da vor den Wah­len gege­ben wur­den: Aus­bau der Kin­der­be­treu­ung (ein Luxus­pro­blem?) oder steu­er­li­che Ent­las­tung der Arbeit­neh­me­rIn­nen (Öster­reich hat im inter­na­tio­na­len Ver­gleich eine sehr hohe Belas­tung der Arbeits­ein­kom­men, wie selbst der IWF kritisiert)?

Sind Anlie­gen der Bür­ge­rIn­nen, die sie an die Poli­tik haben, in einer Demo­kra­tie ver­werf­lich? Ja, wenn man den rech­ten Think Tanks glaubt, die in Öster­reich wie Schwam­merl aus dem Boden schie­ßen. So meint Hans Pit­lik, Wirt­schafts­for­scher und im Bei­rat der weis[s]en Wirt­schaft: „Dass der Staat nicht von sei­ner „Sucht“ nach neu­en Schul­den los­kommt, lie­ge auch an den Wäh­lern, (..). Sie führ­ten die Poli­ti­ker immer wie­der in Ver­su­chung, mehr aus­zu­ge­ben als sie ein­neh­men.“ (http://oe1.orf.at/artikel/357186)

Thinks Tanks bevöl­kern die Medienlandschaft

Die auf­tre­ten­den Exper­ten behaup­ten, sie sei­en ver­nünf­ti­ge Öko­no­men und unab­hän­gig, weil sie ihr Geld von der Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung und anony­men Spen­de­rIn­nen (dar­un­ter mut­maß­lich Mil­li­ar­dä­re) neh­men und nicht von der öffent­li­chen Hand.

Vie­le Think Tanks betrei­ben damit heut­zu­ta­ge das Geschäft der Lob­by­is­tIn­nen, wie neue For­schungs­er­geb­nis­se( http://thinktanknetworkresearch.net/blog_ttni_en/) zei­gen. Es geht nicht mehr um Wis­sens­pro­duk­ti­on, son­dern um ‚Mei­nungs­mar­ke­ting‘. Nach­dem Lob­by­is­mus in Ver­ruf gera­ten ist, wird nun unter dem Deck­man­tel einer Denk­fa­brik wei­ter gemacht. Das Ziel rech­ter Denk­fa­bri­ken ist es, den Staat, sei­ne Trä­ger und Insti­tu­tio­nen unglaub­wür­dig zu machen und die­se ob ihrer inhä­ren­ten „Ver­schwen­dungs­sucht“ zu denun­zie­ren. Ihr Pro­gramm: Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung durch poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen auf Exper­tIn­nen-Ebe­ne, sowie ‚Auto­ma­tis­men‘ statt demo­kra­ti­scher Mei­nungs­bil­dungs- und Entscheidungsprozesse.

Wer macht die Regeln?

Hier geht es aber gegen die demo­kra­ti­sche Ver­fasst­heit unse­rer Gesell­schaf­ten, wenn das „Königs­recht“ unse­rer gewähl­ten Legis­la­tiv­or­ga­ne, die Bud­get­ho­heit des Par­la­ments, in Fra­ge gestellt wird. Die zen­tra­le Fra­ge ist: Macht eine öko­no­mi­schen Eli­te und deren Inter­es­sen ver­bun­de­ne Exper­to­kra­tie die Regeln, oder demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Insti­tu­tio­nen? Die Hayek’sche Wirt­schaft­re­gie­rung schaut schon um die Ecke, wenn dem Fis­kal­rat und der Büro­kra­tie der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on mitt­ler­wei­le das Recht ein­ge­räumt wird, die Bud­gets vor­ab zu prü­fen und Ver­war­nun­gen auszusprechen.

Kla­rer­wei­se soll damit die Poli­tik damit nicht frei­ge­spro­chen wer­den. Es gibt ein Ver­sa­gen beim Han­deln, ein Untä­tig sein gegen die­se neo­li­be­ra­len, auto­ri­tä­ren Ent­wick­lun­gen. Es liegt also auch ein Selbst­ver­schul­den der Poli­tik vor. Auch erwähnt wer­den soll­te das Ver­sa­gen der unab­hän­gi­gen und frei­en Pres­se, die bei die­sem Spiel mit­macht, indem sie State­ments von Think Tank-Ver­tre­tern unhin­ter­fragt übernimmt.

Wenn poli­ti­sche Wil­lens­bil­dung durch Exper­tIn­nen­mei­nung ersetzt wird, bewe­gen wir uns hin zum geflü­gel­ten Wort: ‚Wer das Geld hat, macht die Regeln‘. Denn Lob­by­is­mus ist nicht gra­tis, und die Kräf­te­ver­hält­nis­se sind in die­sem Bereich ein­deu­tig auf Sei­ten der Ver­mö­gen­den. Dem­ge­gen­über steht der Grund­satz der Demo­kra­tie: ‚Jede Stim­me ist gleich viel wert‘. Die­sen Plu­ra­lis­mus der Vie­len und auch die Inter­es­sen der sozi­al Schwä­che­ren gilt es zu verteidigen.


Chris­ta Schla­ger ist Redak­teu­rin der Zeit­schrift Kurs­wech­sel und seit 1997 im BEIGEWUM aktiv. 

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Diskussionsveranstaltung “Crisis and Social Protests in South East Europe: from Slovenia to Bulgaria”

29. Oktober 2013 – 15:38 Uhr

Unter der Mode­ra­ti­on von Joa­chim Becker (Kurs­wech­sel Redak­ti­on) diskutieren
Mari­ya Ivan­che­va (Visi­t­ing Fel­low am IWM, Insti­tut für die Wis­sen­schaf­ten vom Men­schen) und
Blaž Gsel­man (DPU, Workers and Punks’ Uni­ver­si­ty, Ljubljana)

Diens­tag, 19. Novem­ber, 19:30
Alo­is Wag­ner Saal
C3 – Cen­trum für Inter­na­tio­na­le Entwicklung
Sen­sen­gas­se 3, 1090 Wien

Noch immer heißt es offi­zi­ell oft, Ost­eu­ro­pa sei eine „Erfolgs­ge­schich­te“. Gemeint sind hier­bei meist die Ost­eu­ro­pa-Geschäf­te öster­rei­chi­scher Ban­ken und ande­rer Fir­men. Doch gehört Süd­eu­ro­pa zu den Regio­nen, die von der Kri­se beson­ders stark betrof­fen sind. Und die star­ke Kri­se war in den ver­meint­li­chen Erfolgs­mo­del­len mit ihrer gerin­gen Akzent­set­zung bei den pro­duk­ti­ven Sek­to­ren und ihrer hohen Kre­dit­ab­hän­gig­keit gelegt wor­den. Die Kri­se hat in ver­schie­de­nen süd­ost­eu­ro­päi­schen Län­dern – von Slo­we­ni­en bis Bul­ga­ri­en – sozia­le Pro­test­be­we­gun­gen aus­ge­löst. In Slo­we­ni­en gab es star­ke Pro­tes­te gegen die Spar­po­li­tik, aber auch Kor­rup­ti­ons­skan­da­le, in Bul­ga­ri­en waren star­ke Preis­er­hö­hun­gen aus­län­di­scher Strom­kon­zer­ne im Kon­text star­ker Ver­ar­mung gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung ein ers­ter Aus­lö­ser von Pro­tes­ten. In Rumä­ni­en setzt die Regie­rung ver­stärkt auf Berg­bau­pro­duk­ti­on – und gegen ein Gold­berg­bau­pro­jekt mit star­ken öko­lo­gi­schen Fol­gen für die Regi­on ging jüngst ein brei­tes Pro­test­spek­trum auf die Stra­ßen. Die Ver­an­stal­tung geht den jewei­li­gen Kri­sen­ver­läu­fen, den unter­schied­li­chen sozia­len Pro­tes­ten, ihren Trä­ge­rIn­nen, Anlie­gen, Mobi­li­sie­rungs­stra­te­gien, Erfol­gen und Gren­zen nach.

Ver­an­stal­tung in eng­li­scher Spra­che, im Anschluss wird es ein klei­nes Buf­fet geben.

6. November 2013: Präsentation Kurswechsel 2/13 – „Social Entrepreneurship als Ausweg? Facetten sozialen Engagements von Unternehmen“

17. Oktober 2013 – 11:10 Uhr

Prä­sen­ta­ti­on Kurs­wech­sel 2/​13
„Social Entre­pre­neurs­hip als Ausweg?
Facet­ten sozia­len Enga­ge­ments von Unternehmen“

Unter der Mode­ra­ti­on von Domi­nik Sinn­reich (Puls 4) diskutieren 
Judith Püh­rin­ger (bdv aus­tria, Bun­des­dach­ver­band für Sozia­le Unternehmen), 
Rein­hard Mill­ner (WU Wien) und 
Ani­ta Roit­ner (Öko­no­min und Her­aus­ge­be­rin des aktu­el­len „Kurs­wech­sel“)

Mitt­woch, 6. Novem­ber 2013, 18:30 Uhr
WU Cam­pus Wien, Welt­han­dels­platz 1, 1020 Wien
Gebäu­de TC (Tea­ching Cen­ter, rost-oran­ge), Raum 5.27 (5.Stock)

Im Schat­ten der Kri­se wer­den Poli­ti­ke­rIn­nen für ein ver­meint­li­ches Ver­sa­gen des Staa­tes ver­ant­wort­lich gemacht, ihnen wird nicht zuge­traut, pas­sende Lösun­gen für die gegen­wär­ti­gen Pro­bleme zu fin­den. Hin­ge­gen erfin­den sich Unter­neh­men neu – mit Instru­men­ten wie Cor­po­rate Social Responsi­bi­lity, sozia­len Inno­va­tio­nen, oder sie ver­schrei­ben sich gleich in ers­ter Linie einer sozia­len Mis­sion, wie die auf­kom­men­den Social Entre­pre­neurs. Soll und kann die Ver­ant­wor­tung für gesell­schafts­po­li­ti­sche Pro­bleme an Unter­neh­men abge­ge­ben wer­den? Wie ist das Phä­no­men der Social Entre­pre­neurs ein­zu­schät­zen, und wel­che Rol­le spielt dabei die Euro­päi­sche Uni­on? Die­se und wei­te­re Fra­gen wer­den im aktu­el­len Kurs­wech­sel „Social Entre­pre­neurs­hip als Aus­weg?“ dis­ku­tiert, und die­nen als Grund­la­ge für die Podi­ums­dis­kus­si­on am 6. November.


Der Kurs­wech­sel kann hier bestellt wer­den.

27.11.2013: Dritte Reichtumskonferenz

14. Oktober 2013 – 11:10 Uhr

Mitt­woch, 27.11.2013, 9 bis 21 Uhr

AK Wien – The­re­sian­um­gas­se 16–18; 1040 Wien


Die „3. Reich­tums­kon­fe­renz – Wer das Gold hat, macht die Regeln“ rückt den die Gesell­schaft spal­ten­den Reich­tum in den Fokus.

Aus ver­schie­dens­ten wis­sen­schaft­li­chen und künst­le­ri­schen Per­spek­ti­ven soll der Fra­ge nach der Recht­fer­ti­gung von Ver­mö­gens­kon­zen­tra­ti­on und sozia­ler Ungleich­heit nach­ge­gan­gen wer­den. Die Reich­tums­kon­fe­renz wird sich phi­lo­so­phisch mit Gerech­tig­keits- und Leis­tungs­be­grif­fen aus­ein­an­der­set­zen, die empi­ri­sche Ver­mö­gens­for­schung erör­tern und die demo­kra­ti­schen Risi­ken von Reich­tums­kon­zen­tra­ti­on diskutieren.


orga­ni­siert von Arbei­ter­kam­mer Wien | Attac | BEIGEWUM | Die Armuts­kon­fe­renz | Evan­ge­li­sche Aka­de­mie | Glo­ba­le Ver­ant­wor­tung | Green­peace | Katho­li­sche Sozi­al­aka­de­mie | Öster­rei­chi­sche HochschülerInnenschaft


Pro­gramm & Anmel­dung hier 

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16.11.2013: Krisen-Metaphern-Workshop @ Alternative Medienakademie

24. September 2013 – 15:46 Uhr

Die Spra­che der Kri­se – die Kri­se der Sprache

Ana­ly­se neo­li­be­ra­ler Metaphern


BEIGEWUM Work­shop bei der Alter­na­ti­ven Medi­ea­n­aka­de­mie in Wien

Wann: Sa, 16.11. von 14.30 bis 18.00

Wo: NIG, Inst.f.Politikwissenschaft, 2. Stock

Anmel­dung: erfor­der­lich, maxi­mal 30 Teilnehmer_innen.


In die­sem Work­shop wird der Rol­le von Sprach- und Bild­po­li­ti­ken in der Kri­sen­be­richt­erstat­tung nach­ge­gan­gen. Dafür bil­det u.a. das aktu­el­le BEI­GEWUM-Buch «Ima­gi­ne Eco­no­my. Neo­li­be­ra­le Meta­phern im wirt­schafts­po­li­ti­schen Dis­kurs» den Hin­ter­grund. Es geht um Meta­phern wie die der “Leis­tungs­trä­ger”, des “Export­welt­meis­ter” oder um jene der “Schul­den­brem­se”, um die Ana­ly­se ihre Wir­kung und die Mög­lich­keit der wirk­sa­men Dekon­struk­ti­on sol­cher gezielt ein­ge­setz­ten sprach­li­chen Kampfbegriffe.


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