Mythos „Schulden sind böse – sparen ist gut“
„Die Staaten in Europa sind zu hoch verschuldet, auch in Deutschland und Österreich muss ein zentrales Ziel von Politik ein ausgeglichener Staatshaushalt sein. Wie im Privathaushalt soll das Vorbild für den Staat, z.B. nach der deutschen Bundeskanzlerin, „die schwäbische Hausfrau“ sein, die sich nur „leistet“, was sie sich auch leisten kann.“
Zahlreiche PolitikerInnen, viele ÖkonomInnen und die Medien fordern starke Sparmaßnahmen zur ausgabenseitigen Sanierung der öffentlichen Haushalte. Auffällig ist dabei, wie wenige ökonomische oder finanzpolitische Argumente in der Diskussion angeführt werden. Stattdessen wird stark moralisch argumentiert oder an das Gewissen der BürgerInnen appelliert.
Sind Schulden wirklich so böse?
Nein, prinzipiell handelt es sich um einen hartnäckigen Mythos und in der Argumentation werden einige Fehler gemacht. Ein Fehler ist Schulden bzw. die damit getätigten Ausgaben immer nur als Kosten zu betrachten. Hier ist dringend ein Umdenken gefordert, denn die Ausgaben sind auch Investitionen in Bildung, Infrastruktur, das Gesundheitssystem; kurz: in die Wohlfahrt der BürgerInnen. Der Verschuldung stehen auch Vermögenswerte (wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser etc.) mit gesellschaftlichem Nutzen gegenüber.
Zudem ist der Staatshaushalt eben nicht mit dem Privathaushalt gleichzusetzen. Denn das Einkommen eines Staates ist nicht gesetzt – die Steuergesetzgebung ist Sache der Parlamente. Auch sind Staaten auf Dauer konzipiert und können deshalb bis in alle Ewigkeit Einkommen erzielen, aus denen die Schulden bedient werden können. Folglich müssen sie die Schulden nicht abbauen, sondern lediglich das langfristige Verhältnis zwischen Einkommen und Schuldendienst stabilisieren. Drittens ist der Staatshaushalt so groß, dass Veränderungen der Ausgaben und Einnahmen gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Sehr einfach dargestellt sinken bei großen Ausgabenkürzungen, etwa im Sozialbereich, die Einkommen der BürgerInnen (z.B. über das Kürzen der Sozialtransfers). Weniger Einkommen bedeutet, dass weniger konsumiert wird, die Nachfrage nach Produkten sinkt und die Unternehmen auf Dauer ihre Produktion reduzieren und ArbeitnehmerInnen entlassen. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit und mehr Menschen sind auf Sozialtransfers (= Staatsausgaben) angewiesen und zahlen keine Steuern (= Staatseinnahmen) mehr. Letztendlich muss eine Ausgabenreduktion des Staates nicht unbedingt in niedrigeren Budgetdefiziten resultieren, da die Staatseinnahmen schneller sinken können als die Staatsausgaben. Dies ist im Privathaushalt nicht der Fall, da das Einkommen, der Lohn, gleich bleibt und bei einer Verringerung der Ausgaben tatsächlich gespart wird. Umgekehrt können höhere Staatsausgaben langfristig zum „Sparen“ führen. Welche ökonomischen Reaktionen auf eine Reduktion oder eine Ausweitung staatlicher Tätigkeit erfolgen, ist vom konkreten ökonomischen Umfeld abhängig.
Aber sind Schulden prinzipiell gut?
Nein, die Aufnahme von Schulden darf kein Selbstzweck sein. Entscheidend sind das ökonomische Umfeld, der Stand der Staatsverschuldung und der Spielraum bei der Erhöhung der Einnahmen bzw. beim Kürzen der Ausgaben. In vielen Fällen ist es besser, die Staatsausgaben durch laufende Einnahmen zu decken, da so keine Zinszahlungen fällig werden. Die Aufnahme von neuen Schulden muss gut durchdacht sein. Ein Bewertungskriterium hierfür liefert Corneo, der auf die Frage, wann ein Staat Schulden aufnehmen sollte, folgende Antwort gibt: „wenn für seine Bürger der Ertrag der damit finanzierten Maßnahmen (Steuersenkung, Transfererhöhung, Erhöhung des Staatskonsums oder der öffentlichen Investitionen) die Kosten der Verschuldung (Zinsen und Tilgung) übersteigt“. Oberstes Ziel muss sein, die Wohlfahrt zu maximieren. Corneo räumt ein, dass dies in der Praxis nicht immer einfach anzuwenden ist, da bspw. der Nutzen oft nur schwer in Geld bewertet werden und damit den Kosten direkt gegenübergestellt werden kann (Corneo 2009, 5). Dennoch ist diese Faustregel sicher hilfreicher als Schulden per se abzulehnen.
„Der Staat muss sparen.“
Auch dies ist häufig zu hören und mag zunächst einleuchtend klingen, denn wenn zu viel Geld ausgegeben wurde, muss eben gespart werden. Aber auch hier scheint es am ökonomischen Grundverständnis zu mangeln, denn grundsätzlich gilt: Das Sparen der Einen bedingt immer die Verschuldung der Anderen. Die Summe aller finanziellen Forderungen und Guthaben ist immer null. Das gleiche gilt für die Wirtschaftssektoren: private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland. Das Sparen des einen Sektors bedingt die Verschuldung eines Anderen, die Verschuldungsbereitschaft ermöglicht erst das Sparen. In der Wirtschaftstheorie wird grob davon ausgegangen, dass die Haushalte in Summe mehr sparen als investieren, die Unternehmen investieren (=sich verschulden) und der Staat ausgleichend wirkt. Die Bilanz gegenüber dem Ausland sollte über die Jahre hinweg ausgeglichen sein. Die privaten Haushalte in Deutschland und Österreich sparen seit Jahren. Allerdings sparen derzeit auch die Unternehmen. In Deutschland haben sie in den vergangenen zehn Jahren lediglich 2003 und 2008 mehr investiert als gespart, in Österreich haben sie immerhin in drei der letzten zehn Jahre mehr gespart als investiert. Das überschüssige Geld ist dann oft am Finanzmarkt veranlagt worden. Wenn aber private Haushalte und Unternehmen sparen, dann bleiben nur der Staat und das Ausland als Schuldner, da sich die Sektoren immer zu Null addieren müssen. Für Deutschland zeigt sich eine enorme Verschuldung des Auslands, bei Österreich ist die Auslandsverschuldung eher gering, der Staat absorbiert hier die Mittel in größerem Ausmaß.
Wenn dies verstanden wird sind die politischen Forderungen aber absurd: GriechInnen, SpanierInnen, IrInnen etc. zu erklären, dass sie ihre Schulden schleunigst abbauen müssen, und gleichzeitig die Bedingungen für einen Abbau zu verunmöglichen, ist paradox und ökonomischer Unsinn.
Für das Ausland zeigt etwa Münchau auf, dass ein Leistungsbilanzüberschuss der Summe der Ersparnisse der privaten Haushalte und der Neuverschuldung des Staates entspricht. Die Leistungsbilanzen aller Länder weltweit addieren sich zu null, da jedem Export irgendwo ein Import gegenübersteht. Das bedeutet aber nach obiger Feststellung auch, dass sich die Überschüsse bzw. Defizite der privaten und öffentlichen Haushalte weltweit ebenfalls zu null addieren. Woraus gefolgert werden kann, dass weder alle Staaten ein Exportmodell verfolgen können, noch dass alle Staaten mehr sparen als investieren können.
Schuldenabbau – was steht wirklich hinter der Forderung?
Es wird schnell deutlich, dass hinter der Art der Argumente, die in der Schuldendiskussion angeführt werden, eine bestimmte Weltanschauung steht. Es geht darum, den Staat „auszuhungern“, denn weniger Mittel bedeuten auch reduzierte politische Handlungsmöglichkeiten. Die BürgerInnen sollen auf Sparmaßnahmen und Kürzungen vorbereitet werden. Der Staatshaushalt könnte zwar selbstverständlich auch über höhere Steuereinnahmen ausgeglichen werden, dies ist in der öffentlichen Diskussion aber nur selten zu hören. Auch wird kaum auf die immer weiter steigendenden Ungleichheiten zwischen „arm“ und „reich“ eingegangen. Ein Blick auf die Nettovermögen zeigt deutlich, dass die privaten Nettovermögen um ein Mehrfaches über den öffentlichen Schulden liegen. Die Debatte um die Staatsverschuldung erscheint damit in einem völlig anderen Licht. Denn dann geht es weniger um einen Schuldenabbau als um eine Umverteilung und Beteiligung von Menschen mit hohen Vermögen und Einkommen an der Finanzierung öffentlicher Ausgaben und des Sozialstaates.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um die gekürzte Version eines Kapitels aus dem Buch „Mythen des Sparens. Antizyklische Alternativen zur Schuldenbremse“. Dieses wurde 2013 vom BEIGEWUM herausgegeben und wendet sich an alle, die der Behauptung „Sparen sei das Gebot der Stunde“ fundierte Argumente entgegensetzen wollen. Es werden zentrale Mythen aus den Bereichen „Schulden“, „Sparen“ und der damit verbundenen EU-Politik kritisch hinterfragt und die dahinterstehenden Zusammenhänge erklärt. Das Buch ist im VSA-Verlag erschienen und kann hier bestellt werden: http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/mythen-des-sparen/
Initiative „Erbschaften besteuern!“
Die Einführung einer Erbschaftssteuer ist ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht! Petition unterzeichnen auf www.erbschaften-besteuern.at
Erbschaften sind in Österreich äußerst konzentriert: Wenige Menschen empfangen sehr große Hinterlassenschaften und werden damit ohne zu arbeiten reich. Seit der Abschaffung der Erbschaftssteuer im Jahr 2008 ist das niedrige Aufkommen aus vermögensbezogenen Steuern noch weiter gesunken.
Die Wiedereinführung einer Abgabe auf Erbschaften ist Voraussetzung für Gerechtigkeit, denn die soziale Herkunft darf nicht über die Zukunft der Menschen entscheiden. Wir brauchen die Erbschaftssteuer zum notwendigen Ausbau sozialer Dienstleistungen, um allen Kindern gute Bildungschancen zu geben und ein Altern in Würde für Alle zu ermöglichen.
Wir fordern deshalb die neue Bundesregierung auf, so rasch wie möglich eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen einzuführen.
Budgetloch: Wie sich rechte Think Tanks in der Öffentlichkeit breit machen und die Politik in die Bredouille bringen
Die Budgetdebatte, die in letzter Zeit gelaufen ist, lässt sich so zusammenfassen: Die PolitikerInnen, getrieben von ihren Ambitionen wiedergewählt zu werden, versprechen vor der Wahl das Blaue vom Himmel und verschweigen, dass sie dies niemals einlösen werden können. Die WirtschaftsexpertInnen hingegen, darunter ‚wirklich unabhängige‘, die von Industriellen und MilliardärInnen bezahlt werden, haben schon immer gewusst, dass Geld ausgeben immer schlecht ist, und der Staat niemals sparen kann und will. Denn er wird vom ‚bösen Wähler‘ verführt noch mehr Geld auszugeben. So schreibt etwa die rechte ‚Initiative pro Marktwirtschaft‘ vor der NR-Wahl: “Aber trotz bitterer Erfahrung scheint das ‘Geschenk-Gen‘ der Politiker so ausgeprägt zu sein, dass man es auch 2013 offenbar nicht lassen kann.“ (http://www.promarktwirtschaft.at/Brief10)
Und obwohl der rechte Think Tank ‚Agenda Austria‘ keinerlei Expertise in Sachen Budgetpolitik vorweisen kann, behauptet dessen Sprecher Franz Schellhorn vor einigen Tagen, es fehlten an die 40 Mrd. Euro im Staatshaushalt (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1476433/Budgetloch_IV-fordert-strafrechtliche-Konsequenzen).
So stellt sich also die Debatte zu den öffentlichen Finanzen in Österreich im November 2013 dar.
Finanzkrise Grund des Budgetlochs
Wir befinden uns im fünften Jahr nach Ausbruch der – vom Finanzsektor ausgegangenen – Krise, die mit enormen finanziellen Einsatz der öffentlichen Hand abgefangen werden musste und Staaten wie StaatsbürgerInnen damit hohe Kosten aufgebürdet hat. Diese Kosten haben im Vergleich zur Vorperiode zu einem extremen Anstieg der öffentlichen Verschuldung geführt.
Keineswegs sind die Budgets wegen abwegiger Wünsche der Bevölkerung aus dem Ruder gelaufen. Ganz im Gegenteil: Es wurden seit Ausbruch der Krise in Österreich zwei Sparpakete beschlossen. Der Budgetvollzug war in den letzten Jahren strikter als der Voranschlag. Was heißt: Es wurde mehr gespart, als ursprünglich veranschlagt, in den letzten beiden Jahren um je über zwei Milliarden Euro.
Und wie sieht es mit der Unvernunft der PolitikerInnen aus? Die „maßlosen“ Versprechen, die da vor den Wahlen gegeben wurden: Ausbau der Kinderbetreuung (ein Luxusproblem?) oder steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen (Österreich hat im internationalen Vergleich eine sehr hohe Belastung der Arbeitseinkommen, wie selbst der IWF kritisiert)?
Sind Anliegen der BürgerInnen, die sie an die Politik haben, in einer Demokratie verwerflich? Ja, wenn man den rechten Think Tanks glaubt, die in Österreich wie Schwammerl aus dem Boden schießen. So meint Hans Pitlik, Wirtschaftsforscher und im Beirat der weis[s]en Wirtschaft: „Dass der Staat nicht von seiner „Sucht“ nach neuen Schulden loskommt, liege auch an den Wählern, (..). Sie führten die Politiker immer wieder in Versuchung, mehr auszugeben als sie einnehmen.“ (http://oe1.orf.at/artikel/357186)
Thinks Tanks bevölkern die Medienlandschaft
Die auftretenden Experten behaupten, sie seien vernünftige Ökonomen und unabhängig, weil sie ihr Geld von der Industriellenvereinigung und anonymen SpenderInnen (darunter mutmaßlich Milliardäre) nehmen und nicht von der öffentlichen Hand.
Viele Think Tanks betreiben damit heutzutage das Geschäft der LobbyistInnen, wie neue Forschungsergebnisse( http://thinktanknetworkresearch.net/blog_ttni_en/) zeigen. Es geht nicht mehr um Wissensproduktion, sondern um ‚Meinungsmarketing‘. Nachdem Lobbyismus in Verruf geraten ist, wird nun unter dem Deckmantel einer Denkfabrik weiter gemacht. Das Ziel rechter Denkfabriken ist es, den Staat, seine Träger und Institutionen unglaubwürdig zu machen und diese ob ihrer inhärenten „Verschwendungssucht“ zu denunzieren. Ihr Programm: Entdemokratisierung durch politische Entscheidungen auf ExpertInnen-Ebene, sowie ‚Automatismen‘ statt demokratischer Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse.
Wer macht die Regeln?
Hier geht es aber gegen die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften, wenn das „Königsrecht“ unserer gewählten Legislativorgane, die Budgethoheit des Parlaments, in Frage gestellt wird. Die zentrale Frage ist: Macht eine ökonomischen Elite und deren Interessen verbundene Expertokratie die Regeln, oder demokratisch legitimierte Institutionen? Die Hayek’sche Wirtschaftregierung schaut schon um die Ecke, wenn dem Fiskalrat und der Bürokratie der Europäischen Kommission mittlerweile das Recht eingeräumt wird, die Budgets vorab zu prüfen und Verwarnungen auszusprechen.
Klarerweise soll damit die Politik damit nicht freigesprochen werden. Es gibt ein Versagen beim Handeln, ein Untätig sein gegen diese neoliberalen, autoritären Entwicklungen. Es liegt also auch ein Selbstverschulden der Politik vor. Auch erwähnt werden sollte das Versagen der unabhängigen und freien Presse, die bei diesem Spiel mitmacht, indem sie Statements von Think Tank-Vertretern unhinterfragt übernimmt.
Wenn politische Willensbildung durch ExpertInnenmeinung ersetzt wird, bewegen wir uns hin zum geflügelten Wort: ‚Wer das Geld hat, macht die Regeln‘. Denn Lobbyismus ist nicht gratis, und die Kräfteverhältnisse sind in diesem Bereich eindeutig auf Seiten der Vermögenden. Demgegenüber steht der Grundsatz der Demokratie: ‚Jede Stimme ist gleich viel wert‘. Diesen Pluralismus der Vielen und auch die Interessen der sozial Schwächeren gilt es zu verteidigen.
Christa Schlager ist Redakteurin der Zeitschrift Kurswechsel und seit 1997 im BEIGEWUM aktiv.
Diskussionsveranstaltung “Crisis and Social Protests in South East Europe: from Slovenia to Bulgaria”
Unter der Moderation von Joachim Becker (Kurswechsel Redaktion) diskutieren
Mariya Ivancheva (Visiting Fellow am IWM, Institut für die Wissenschaften vom Menschen) und
Blaž Gselman (DPU, Workers and Punks’ University, Ljubljana)
Dienstag, 19. November, 19:30
Alois Wagner Saal
C3 – Centrum für Internationale Entwicklung
Sensengasse 3, 1090 Wien
Noch immer heißt es offiziell oft, Osteuropa sei eine „Erfolgsgeschichte“. Gemeint sind hierbei meist die Osteuropa-Geschäfte österreichischer Banken und anderer Firmen. Doch gehört Südeuropa zu den Regionen, die von der Krise besonders stark betroffen sind. Und die starke Krise war in den vermeintlichen Erfolgsmodellen mit ihrer geringen Akzentsetzung bei den produktiven Sektoren und ihrer hohen Kreditabhängigkeit gelegt worden. Die Krise hat in verschiedenen südosteuropäischen Ländern – von Slowenien bis Bulgarien – soziale Protestbewegungen ausgelöst. In Slowenien gab es starke Proteste gegen die Sparpolitik, aber auch Korruptionsskandale, in Bulgarien waren starke Preiserhöhungen ausländischer Stromkonzerne im Kontext starker Verarmung großer Teile der Bevölkerung ein erster Auslöser von Protesten. In Rumänien setzt die Regierung verstärkt auf Bergbauproduktion – und gegen ein Goldbergbauprojekt mit starken ökologischen Folgen für die Region ging jüngst ein breites Protestspektrum auf die Straßen. Die Veranstaltung geht den jeweiligen Krisenverläufen, den unterschiedlichen sozialen Protesten, ihren TrägerInnen, Anliegen, Mobilisierungsstrategien, Erfolgen und Grenzen nach.
Veranstaltung in englischer Sprache, im Anschluss wird es ein kleines Buffet geben.
6. November 2013: Präsentation Kurswechsel 2/13 – „Social Entrepreneurship als Ausweg? Facetten sozialen Engagements von Unternehmen“
Präsentation Kurswechsel 2/13
„Social Entrepreneurship als Ausweg?
Facetten sozialen Engagements von Unternehmen“
Unter der Moderation von Dominik Sinnreich (Puls 4) diskutieren
Judith Pühringer (bdv austria, Bundesdachverband für Soziale Unternehmen),
Reinhard Millner (WU Wien) und
Anita Roitner (Ökonomin und Herausgeberin des aktuellen „Kurswechsel“)
Mittwoch, 6. November 2013, 18:30 Uhr
WU Campus Wien, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien
Gebäude TC (Teaching Center, rost-orange), Raum 5.27 (5.Stock)
Im Schatten der Krise werden PolitikerInnen für ein vermeintliches Versagen des Staates verantwortlich gemacht, ihnen wird nicht zugetraut, passende Lösungen für die gegenwärtigen Probleme zu finden. Hingegen erfinden sich Unternehmen neu – mit Instrumenten wie Corporate Social Responsibility, sozialen Innovationen, oder sie verschreiben sich gleich in erster Linie einer sozialen Mission, wie die aufkommenden Social Entrepreneurs. Soll und kann die Verantwortung für gesellschaftspolitische Probleme an Unternehmen abgegeben werden? Wie ist das Phänomen der Social Entrepreneurs einzuschätzen, und welche Rolle spielt dabei die Europäische Union? Diese und weitere Fragen werden im aktuellen Kurswechsel „Social Entrepreneurship als Ausweg?“ diskutiert, und dienen als Grundlage für die Podiumsdiskussion am 6. November.
Der Kurswechsel kann hier bestellt werden.
27.11.2013: Dritte Reichtumskonferenz
Mittwoch, 27.11.2013, 9 bis 21 Uhr
AK Wien – Theresianumgasse 16–18; 1040 Wien
Die „3. Reichtumskonferenz – Wer das Gold hat, macht die Regeln“ rückt den die Gesellschaft spaltenden Reichtum in den Fokus.
Aus verschiedensten wissenschaftlichen und künstlerischen Perspektiven soll der Frage nach der Rechtfertigung von Vermögenskonzentration und sozialer Ungleichheit nachgegangen werden. Die Reichtumskonferenz wird sich philosophisch mit Gerechtigkeits- und Leistungsbegriffen auseinandersetzen, die empirische Vermögensforschung erörtern und die demokratischen Risiken von Reichtumskonzentration diskutieren.
organisiert von Arbeiterkammer Wien | Attac | BEIGEWUM | Die Armutskonferenz | Evangelische Akademie | Globale Verantwortung | Greenpeace | Katholische Sozialakademie | Österreichische HochschülerInnenschaft
Programm & Anmeldung hier
16.11.2013: Krisen-Metaphern-Workshop @ Alternative Medienakademie
Die Sprache der Krise – die Krise der Sprache
Analyse neoliberaler Metaphern
BEIGEWUM Workshop bei der Alternativen Medieanakademie in Wien
Wann: Sa, 16.11. von 14.30 bis 18.00
Wo: NIG, Inst.f.Politikwissenschaft, 2. Stock
Anmeldung: erforderlich, maximal 30 Teilnehmer_innen.
In diesem Workshop wird der Rolle von Sprach- und Bildpolitiken in der Krisenberichterstattung nachgegangen. Dafür bildet u.a. das aktuelle BEIGEWUM-Buch «Imagine Economy. Neoliberale Metaphern im wirtschaftspolitischen Diskurs» den Hintergrund. Es geht um Metaphern wie die der “Leistungsträger”, des “Exportweltmeister” oder um jene der “Schuldenbremse”, um die Analyse ihre Wirkung und die Möglichkeit der wirksamen Dekonstruktion solcher gezielt eingesetzten sprachlichen Kampfbegriffe.
10.10.2013: ALTERSSICHERUNG: Das neue alte Thema für Frauen
Donnerstag, 10. Oktober 2013, 19 Uhr, im Republikanischen Club – Neues Österreich
ALTERSSICHERUNG: Das neue alte Thema für Frauen
Diskussion mit
Margitta MÄTZKE (Prof. Soziologin Uni-Linz),
Ingrid MAIRHUBER (Politologin, FORBA),
Christine MAYRHUBER (BEIGEWUM).
Präsentation des Kurswechsel: Alter – das neue alte Risiko
Von sozialem Aufstieg und journalistischem Abstieg
Eine bürgerliche Allianz aus der Tageszeitung „Die Presse“ und der Industriellenvereinigung (IV) bestreitet die Tatsache, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Ein Unterfangen, das sich als problematisch herausstellt, denn die zitierte Auftragsstudie der Statistik Austria existiert nicht und zudem erzählen die Zahlen eine andere Geschichte. Die attestierten Aufstiegschancen österreichischer ArbeitnehmerInnen beruhen auf eingeschränktem Zahlenmaterial und stehen manifesten Abstiegsrisiken gegenüber. Die Zutaten für einen Leitartikel sind dennoch schnell gefunden: Eine Studie, die es nicht gibt, über einen Mythos, der keiner ist.
Mithilfe von Lohnsteuerdaten aus den Jahren 2000 und 2011 werden unselbständig Beschäftigte beobachtet, die sowohl zu Beginn als auch am Ende des Betrachtungszeitraums in der Statistik zu finden sind. Hier offenbart sich die erste Schwäche der Analyse, da jene Beschäftigten, die 2000 noch erwerbstätig aber 2011 in Arbeitslosigkeit, Pension, Karenz oder einfach nicht mehr beschäftigt waren, nicht beachtet werden. Nur weniger als die Hälfte der in einem dieser Jahre unselbständigen Erwerbstätigen wird also überhaupt berücksichtigt. Während die Presse festhält, dass „der Anteil der verfestigten Armut hierzulande sehr gering“ sei, findet die Armutsfalle Arbeitslosigkeit überhaupt keine Erwähnung.
Aber nicht nur am unteren Ende wird ein Teil der Gesellschaft bei der Analyse von Mobilität ausgeblendet. Die Reichsten werden ebenfalls ignoriert, denn sie gehören nicht zur lohnsteuerpflichtigen Bevölkerung. Die wirklich begüterten österreichischen Haushalte beziehen ihre Einkommen aus Vermögen und das ist hierzulande äußerst ungleich verteilt. In Österreich besitzen die unteren 50% lediglich 4% des Nettovermögens, während die reichsten 5% etwa 45% unter sich aufteilen.
Nahezu gleich schlecht ist noch kein Aufstieg
Auch wenn man von den gravierenden Einschränkungen durch die beschnittenen Daten absieht, bleibt die Interpretation der IV äußerst morsch. Plakativ wird dargestellt, dass drei Viertel der unselbständig Beschäftigten aus dem untersten Zehntel (Dezil) den Absprung aus dem ärmsten Einkommenssegment schaffen. Dass die meisten allerdings nur ein oder zwei Dezilsgrenzen überschreiten, wird verschwiegen. Mehr als die Hälfte des untersten Zehntels aus dem Jahr 2000 fand sich 11 Jahre später in einem der ärmsten drei Dezile und verdient monatlich weniger als 1.000 Euro brutto. Was also in den unteren Einkommensbereichen als „Aufwärtsmobilität“ und „Aufstiegschance“ bezeichnet wird, spielt sich in einem sehr tristen Einkommensbereich ab. Einen weiteren Teil der Aufwärtsmobilität steuern BerufseinsteigerInnen bei. Dass Beschäftigte nach zehn Jahren mehr verdienen als bei ihrem Eintritt ins Berufsleben, ist zum Glück nicht verwunderlich.
Aus den Daten der Statistik Austria lassen sich die Zahlenspiele der IV rasch entzaubern. Zweifellos ist es erfreulich, dass rund 32% der Lohnabhängigen zwischen 2000 und 2011 ihre Position innerhalb der Einkommensverteilung verbessern konnten – wenn auch wie erwähnt oft nur geringfügig. Demgegenüber stehen allerdings 40% der ArbeitnehmerInnen, die in diesem Zeitraum in ein niedrigeres Dezil abgestiegen sind. Eine Einkommensgruppe konnte ihre Position indessen am besten verteidigen: Die obersten 10%. Nahezu zwei Drittel gehörten sowohl im Jahr 2000 als auch 2011 dieser Gruppe an.
Die Einkommensschere geht sehr wohl auf
Trotz aller Widersprüche in der Analyse lassen sich Presse und IV nicht beirren: „Die Einkommensschere geht in Österreich nicht auf“ lautet das Resümee. Ein kurzer Blick in den Sozialbericht 2010 genügt, um für die Lohnsteuerdaten das genaue Gegenteil festzustellen. Unter Berücksichtigung aller ArbeitnehmerInnen wies das unterste Fünftel im Jahr 2000 einen Einkommensanteil von 2,5% auf, welcher bis 2010 auf 2,0% schrumpfte. Am oberen Ende konnte das reichste Fünftel seinen Einkommensanteil indessen von 45,7 auf 47,4% steigern. Im selben Zeitraum berechnen die StudienautorInnen eine deutliche Zunahme des Gini-Koeffizienten, was auf eine zunehmende Einkommensungleichheit hinweist (siehe Tabelle).
Entwicklung der Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Einkommen, 1976–2010 Quelle: Sozialbericht 2011-12, S. 233Soziale Mobilität muss gestärkt werden
Soziale Mobilität stellt einen wichtigen Faktor für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie für das individuelle Gerechtigkeitsempfinden dar. Dies gilt sowohl für die Positionierung in der Einkommensverteilung im Laufe einer Erwerbskarriere als auch für die intergenerationale Mobilität, welche den Einfluss der Einkommen von Eltern auf den Bildungs- und Erwerbsverlauf ihrer Kinder misst. Hieraus leiten sich auch die wichtigsten Maßnahmen für Chancengleichheit in Österreich ab, die das schiefe Spielfeld ebnen sollen.
Für die Aufstiegschancen innerhalb eines Erwerbslebens spielt Bildung die zentrale Rolle, was die Notwendigkeit von vorschulischen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Gesamtschulen sowie des freien Hochschulzugangs unterstreicht. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung („working poor“) ist essentiell, um Wege aus der Armutsfalle zu bieten (12,6% der Bevölkerung waren 2011 armutsgefährdet). Nicht zuletzt muss aber endlich dort angesetzt werden, wo leistungsloses Einkommen aus extrem ungleich verteilten Ressourcen bezogen wird: aus den Privatvermögen. Eine Vermögenssteuer soll gemeinsam mit der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer für die Mittel zur Umverteilung ökonomischer Ressourcen sorgen.
Matthias Schnetzer ist Referent für Verteilungsfragen sowie Sozial- und Wirtschaftsstatistik in der AK Wien.
26.6.2013, 19h: Buchpräsentation „Mythen des Sparens“
Einladung zur Buchpräsentation
Mittwoch, 26. Juni 2013, 19 Uhr
Republikanischer Club, Rockhgasse 1, 1010 Wien
Aus dem AutorInnenkollektiv präsentieren und diskutieren
Jana Schultheiss (stv. Vorsitzende des BEIGEWUM)
Lukas Oberndorfer (Mitinitiator des Aufrufs „Europa geht anders“; Redaktionsmitglied des juridikum – zeitschrift für kritik|recht|gesellschaft)
Tobias Orischnig (BEIGEWUM)