10.10.2013: ALTERSSICHERUNG: Das neue alte Thema für Frauen
Donnerstag, 10. Oktober 2013, 19 Uhr, im Republikanischen Club – Neues Österreich
ALTERSSICHERUNG: Das neue alte Thema für Frauen
Diskussion mit
Margitta MÄTZKE (Prof. Soziologin Uni-Linz),
Ingrid MAIRHUBER (Politologin, FORBA),
Christine MAYRHUBER (BEIGEWUM).
Präsentation des Kurswechsel: Alter – das neue alte Risiko
Von sozialem Aufstieg und journalistischem Abstieg
Eine bürgerliche Allianz aus der Tageszeitung „Die Presse“ und der Industriellenvereinigung (IV) bestreitet die Tatsache, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Ein Unterfangen, das sich als problematisch herausstellt, denn die zitierte Auftragsstudie der Statistik Austria existiert nicht und zudem erzählen die Zahlen eine andere Geschichte. Die attestierten Aufstiegschancen österreichischer ArbeitnehmerInnen beruhen auf eingeschränktem Zahlenmaterial und stehen manifesten Abstiegsrisiken gegenüber. Die Zutaten für einen Leitartikel sind dennoch schnell gefunden: Eine Studie, die es nicht gibt, über einen Mythos, der keiner ist.
Mithilfe von Lohnsteuerdaten aus den Jahren 2000 und 2011 werden unselbständig Beschäftigte beobachtet, die sowohl zu Beginn als auch am Ende des Betrachtungszeitraums in der Statistik zu finden sind. Hier offenbart sich die erste Schwäche der Analyse, da jene Beschäftigten, die 2000 noch erwerbstätig aber 2011 in Arbeitslosigkeit, Pension, Karenz oder einfach nicht mehr beschäftigt waren, nicht beachtet werden. Nur weniger als die Hälfte der in einem dieser Jahre unselbständigen Erwerbstätigen wird also überhaupt berücksichtigt. Während die Presse festhält, dass „der Anteil der verfestigten Armut hierzulande sehr gering“ sei, findet die Armutsfalle Arbeitslosigkeit überhaupt keine Erwähnung.
Aber nicht nur am unteren Ende wird ein Teil der Gesellschaft bei der Analyse von Mobilität ausgeblendet. Die Reichsten werden ebenfalls ignoriert, denn sie gehören nicht zur lohnsteuerpflichtigen Bevölkerung. Die wirklich begüterten österreichischen Haushalte beziehen ihre Einkommen aus Vermögen und das ist hierzulande äußerst ungleich verteilt. In Österreich besitzen die unteren 50% lediglich 4% des Nettovermögens, während die reichsten 5% etwa 45% unter sich aufteilen.
Nahezu gleich schlecht ist noch kein Aufstieg
Auch wenn man von den gravierenden Einschränkungen durch die beschnittenen Daten absieht, bleibt die Interpretation der IV äußerst morsch. Plakativ wird dargestellt, dass drei Viertel der unselbständig Beschäftigten aus dem untersten Zehntel (Dezil) den Absprung aus dem ärmsten Einkommenssegment schaffen. Dass die meisten allerdings nur ein oder zwei Dezilsgrenzen überschreiten, wird verschwiegen. Mehr als die Hälfte des untersten Zehntels aus dem Jahr 2000 fand sich 11 Jahre später in einem der ärmsten drei Dezile und verdient monatlich weniger als 1.000 Euro brutto. Was also in den unteren Einkommensbereichen als „Aufwärtsmobilität“ und „Aufstiegschance“ bezeichnet wird, spielt sich in einem sehr tristen Einkommensbereich ab. Einen weiteren Teil der Aufwärtsmobilität steuern BerufseinsteigerInnen bei. Dass Beschäftigte nach zehn Jahren mehr verdienen als bei ihrem Eintritt ins Berufsleben, ist zum Glück nicht verwunderlich.
Aus den Daten der Statistik Austria lassen sich die Zahlenspiele der IV rasch entzaubern. Zweifellos ist es erfreulich, dass rund 32% der Lohnabhängigen zwischen 2000 und 2011 ihre Position innerhalb der Einkommensverteilung verbessern konnten – wenn auch wie erwähnt oft nur geringfügig. Demgegenüber stehen allerdings 40% der ArbeitnehmerInnen, die in diesem Zeitraum in ein niedrigeres Dezil abgestiegen sind. Eine Einkommensgruppe konnte ihre Position indessen am besten verteidigen: Die obersten 10%. Nahezu zwei Drittel gehörten sowohl im Jahr 2000 als auch 2011 dieser Gruppe an.
Die Einkommensschere geht sehr wohl auf
Trotz aller Widersprüche in der Analyse lassen sich Presse und IV nicht beirren: „Die Einkommensschere geht in Österreich nicht auf“ lautet das Resümee. Ein kurzer Blick in den Sozialbericht 2010 genügt, um für die Lohnsteuerdaten das genaue Gegenteil festzustellen. Unter Berücksichtigung aller ArbeitnehmerInnen wies das unterste Fünftel im Jahr 2000 einen Einkommensanteil von 2,5% auf, welcher bis 2010 auf 2,0% schrumpfte. Am oberen Ende konnte das reichste Fünftel seinen Einkommensanteil indessen von 45,7 auf 47,4% steigern. Im selben Zeitraum berechnen die StudienautorInnen eine deutliche Zunahme des Gini-Koeffizienten, was auf eine zunehmende Einkommensungleichheit hinweist (siehe Tabelle).
Entwicklung der Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Einkommen, 1976–2010![TB-EK-SB](http://www.beigewum.at/wordpress/wp-content/uploads/TB-EK-SB.gif)
Soziale Mobilität muss gestärkt werden
Soziale Mobilität stellt einen wichtigen Faktor für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie für das individuelle Gerechtigkeitsempfinden dar. Dies gilt sowohl für die Positionierung in der Einkommensverteilung im Laufe einer Erwerbskarriere als auch für die intergenerationale Mobilität, welche den Einfluss der Einkommen von Eltern auf den Bildungs- und Erwerbsverlauf ihrer Kinder misst. Hieraus leiten sich auch die wichtigsten Maßnahmen für Chancengleichheit in Österreich ab, die das schiefe Spielfeld ebnen sollen.
Für die Aufstiegschancen innerhalb eines Erwerbslebens spielt Bildung die zentrale Rolle, was die Notwendigkeit von vorschulischen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Gesamtschulen sowie des freien Hochschulzugangs unterstreicht. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung („working poor“) ist essentiell, um Wege aus der Armutsfalle zu bieten (12,6% der Bevölkerung waren 2011 armutsgefährdet). Nicht zuletzt muss aber endlich dort angesetzt werden, wo leistungsloses Einkommen aus extrem ungleich verteilten Ressourcen bezogen wird: aus den Privatvermögen. Eine Vermögenssteuer soll gemeinsam mit der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer für die Mittel zur Umverteilung ökonomischer Ressourcen sorgen.
Matthias Schnetzer ist Referent für Verteilungsfragen sowie Sozial- und Wirtschaftsstatistik in der AK Wien.
26.6.2013, 19h: Buchpräsentation „Mythen des Sparens“
Einladung zur Buchpräsentation
Mittwoch, 26. Juni 2013, 19 Uhr
Republikanischer Club, Rockhgasse 1, 1010 Wien
Aus dem AutorInnenkollektiv präsentieren und diskutieren
Jana Schultheiss (stv. Vorsitzende des BEIGEWUM)
Lukas Oberndorfer (Mitinitiator des Aufrufs „Europa geht anders“; Redaktionsmitglied des juridikum – zeitschrift für kritik|recht|gesellschaft)
Tobias Orischnig (BEIGEWUM)
Neues BEIGEWUM-Buch: Mythen des Sparens
Antizyklische Alternativen zur Schuldenbremse
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist längst zu einer Verschuldungskrise der Staaten geworden, zumindest wenn man den Mainstream-Medien und der Mehrzahl der Politikerinnen und Politiker Glauben schenkt: Sparen sei das Gebot der Stunde, an dem kein Ausweg vorbei zu führen scheint. Grund genug für ein neuerliches Buchprojekt als „Fortsetzung“ unseres 2010 erschienen Buchs „Mythen der Krise“.
Mit unserem neuesten Buch wollen wir aufzeigen, dass es sich hierbei nur um einen weiteren wirtschaftspolitischen Mythos handelt. Doch warum kommen diese Mythen so gut bei den Menschen an? Und welche Auswirkungen haben die Sparmaßnahmen auf die Bevölkerung, die Wirtschaft und sogar auf die Demokratie?
Dargestellt werden die wichtigsten Mythen zu »Schulden« und »Sparen«. Diese werden kritisch hinterfragt und die dahinterstehenden ökonomischen Zusammenhänge erklärt. Auch die Ebene der EU-Politik und der dort kursierenden Mythen kommt nicht zu kurz.
Leseprobe, weiterführende Infos und Bestellmöglichkeit gibt es direkt beim VSA-Verlag – oder bei einer unserer kommenden Veranstaltungen.
10.6.2013: Über Österreich, Deutschland und Europa. Vor der Wahl ist nach der Wahl.
Podiumsdiskussion „Über Österreich, Deutschland und Europa. Vor der Wahl ist nach der Wahl.“
Mo., 10. Juni, 18:30 in der Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags (Rathausstraße 21, 1010 Wien) oder online.
Diskussion mit Jana Schultheiss (BEIGEWUM/Buchprojekt „Mythen des Sparens“), Wolfgang Lieb (NachDenkSeiten), Markus Marterbauer (AK Wien/Blog Arbeit&Wirtschaft); Moderation: Katharina Klee (Zeitschrift Arbeit&Wirtschaft)
Anmeldung: veranstaltung@oegbverlag.at oder auf Facebook
Im Herbst 2013 finden Nationalratswahlen in Österreich und die Bundestagswahl in Deutschland statt, im Mai 2014 dann auch die Europawahl. Sowohl Deutschland als auch Österreich sind im Vergleich mit den meisten anderen EU ‑Ländern gut durch die Krise gekommen. Gleichzeitig meinen viele, die beiden Länder hätten weniger zur Lösung der Krise beigetragen als sie wirtschaftlich könnten und man politisch von ihnen erhoffen würde. Deutschland verschärft durch seine Vorgaben sogar den Austeritätskurs, die Wettbewerbsorientierung und die neoliberale Ausrichtung der EU ‑Strategie und auch Österreich muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht viel dagegen zu tun. Wo aber sind die tatsächlichen Spielräume für eine alternative, emanzipatorische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in der EU?
Eine Veranstaltung der „Arbeit&Wirtschaft“ in Kooperation mit den NachDenkSeiten, dem ÖGB-Verlag und dem BEIGEWUM … mit anschließendem Buffet.
21.5.2013 Diskussion: Pflegearbeit – Konservierte Geringschätzung?
Pflegearbeit – Konservierte Geringschätzung?
Di., 21.Mai 19h im Republikanischen Club
Diskussion mit August Österle (WU), Almut Bachinger (Rotes Kreuz), Erich Fenninger (Volkshilfe), Moderation: Katharina Mader (Beigewum, WU)
Soziale Dienstleistungen wie Pflege- und Betreuungsarbeit werden nach wie vor in einem schlecht bezahlten und größtenteils informellen Sektor erbracht. Die Nachfrage nach diesen Arbeiten wird jedoch angesichts des demographischen Wandels in Zukunft weiter steigen. 80% der Pflegearbeiten werden nach wie vor privat zu Hause geleistet – und dort sind es meist Frauen, die diese Arbeit übernehmen – trotz ihrer Erwerbstätigkeit. Alternativkonzepte und adäquate Modelle für die Zukunft scheinen nicht in Sicht. Die Konservierung der Geringschätzung von Pflege- und Betreuungstätigkeiten hinsichtlich mangelnder politischer Auseinandersetzung, Ausbildung, Bezahlung und die Frage der zukünftigen Bereitstellung dieser Arbeiten sollen zentrale Denkanstöße für die Podiums-diskussion sein.
Die jeweiligen Probleme sollen sowohl für den informellen, wie den formellen Sektor besprochen werden, wobei verschiedene Perspektiven näher beleuchtet werden sollen – die Sicht der Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden sowie eine gesamtgesellschaftliche Perspektive. Daran anknüpfend sollen Themen wie Abhängigkeits- und Machtverhältnisse, Arbeitsbedingungen und Qualität sowie die Verantwortung in der Bereit-stellung diskutiert werden.
Zum Thema erschien 2011 ein Kurswechsel Schwerpunktheft.
Social Investment Package – wie die EU-Kommission die Krise überwinden will
Ende Februar hat Laslo Andor, Sozial-Kommissar der EU, das sogenannte Social Investment Package (SIP) vorgestellt – als Antwort auf die anhaltende wirtschaftliche Krise und die stagnierenden Konjunkturdaten in der EU. Die Kommission sieht durch das SIP die Möglichkeit, Europa schneller aus der Krise zu holen. Im Detail geht es dabei um Investitionen in die Bereiche Bildung, Gesundheit und Pflege. Dass europäische SpitzenpolitikerInnen das Potential von Investitionen in soziale Dienstleistungen erkannt haben, ist definitiv ein Anlass zur Freude. Weniger positiv ist, dass keine verpflichtenden Standards und Regelungen zur Umsetzungen dieser Initiative in den Mitgliedsstaaten geplant sind, sondern es bei einem Appell an die nationalen Regierungen belassen wird. Das äußert sich auch darin, dass das SIP den großen europäischen Zeitungen wie „Zeit“, „Le Monde“ oder „Times“ kein Aufmacher wert war.
Warum Investitionen in Pflege, Kindergärten, Gesundheitseinrichtungen oder auch in präventive Programme für frühe SchulabbrecherInnen sinnvoll sind, ist schnell erklärt. Sie helfen nicht nur den betroffenen Menschen, sondern auch den Angehörigen, und hier meist Frauen, die informelle Betreuungs- und Versorgungsleistungen im familiären Verband übernehmen. Zudem werden Dienstleistungen wie mobile Pflege oder Kinderkrippen vor Ort und daher regional benötigt. Dies bewirkt eine Verbesserung der Lebensqualität und einen Wachstumsschub auch in strukturschwächeren Gebieten, wo neben Betreuungsangeboten auch Arbeitsplätze fehlen. Und schließlich könnten durch einen Ausbau von Dienstleistungen auch die Qualifikationen von MigrantInnen besser eingesetzt werden.
Schon heute arbeiten innerhalb der EU etwa 10 % aller Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich, mit Spitzenwerten in den nordischen Staaten von knapp 20 %. Österreich liegt allerdings nur knapp unter dem EU Schnitt, und weist somit ein hohes Ausbaupotential in diesem Sektor auf. EU-weit werden in diesem Sektor bereits 5 % des europäischen BIPs erwirtschaftet, ein enormer Beitrag, der gleichermaßen soziale wie ökonomische Wirkung zeigt. Dass hierzulande bei konjunkturbelebenden Maßnahmen noch immer zuerst an absterbende Automobilsektoren gedacht wird, statt in Menschen zu investieren – wie das zu Beginn der Krise der Fall war – ist angesichts dieser Daten nicht nachvollziehbar.
Die demografische Entwicklung und der damit einhergehende Bedarf an sozialen Dienstleistungen ist mittlerweile unübersehbar. In den kommenden Jahren, wenn die Babyboomer das Pensionsalter erreicht haben, werden die Kosten für Gesundheit und Pflege steigen, und gut ausgebildete Menschen werden angesichts einer fehlenden Migrationsstrategie seitens der EU zur Mangelware werden. Je länger wir zuwarten, desto größer wird die Last sein, die wir zu tragen haben. Deswegen sollte möglichst rasch die Initiative der Kommission auch in Österreich aufgegriffen werden, und Investitionen in den Wirtschaftszweig „Gesundheit und Soziales“ getätigt werden.
Zeit zur Umkehr
Der Vergleich von EU-Prognosen für die Krisenstaaten und deren Entwicklung seit 2007 zeigt, wie nötig ein Richtungswechsel in Theorie und Politik ist. Die Austeritätspolitik in den sogenannten Programmländern in der EU hat zunehmend katastrophale Folgen, und die Prognosen sind stets besser als das Ergebnis.
Eine Theorie, deren Prognosen regelmäßig falsch liegen, sollte laut Sir Karl Popper verworfen werden. Eine Konjunkturpolitik, die nur darin besteht, die Hoffnung auf den Aufschwung auf den in der Zukunft liegenden Prognosehorizont zu verschieben, ebenfalls. Beides trifft auf die momentane Politik der Troika zu. Zunächst wurde die Krise etwas zu pessimistisch eingeschätzt; es wurde eine expansive Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Doch seit 2010 herrscht in den Prognosen übertriebener Optimismus, und in den Programmländern wird eisern gespart.
In Griechenland war die Entwicklung besonders schlimm. Im Mai 2010 hoffte man noch für 2011 mit einem weiteren Minus von 4% gegenüber 2009 aus der Krise zu kommen. Im November 2010 rechnete man schon mit einem Minus von 7% für 2011. Dies setzte sich von Jahr zu Jahr fort: 2013 glaubte man nun mit gut 20% Verlust an Wirtschaftsleistung sei die Talsohle erreicht. Es ist zu hoffen, dass diese Prognose nun nicht nochmals nach unten korrigiert wird. An der katastrophalen Performance von Prognosen und Politik ändert das allerdings nichts mehr.
Die folgenden Grafiken zeigen die Entwicklung des realen BIP im Vergleich zu 2009, anhand der zu den jeweiligen Zeitpunkten erstellten Prognosen. Die Prognose vom Februar 2013 enthält für die Jahre bis 2011 die tatsächlichen und für 2012 die vorläufigen Werte.
![GR](http://www.beigewum.at/wordpress/wp-content/uploads/GR-e1363625142944.jpg)
In Irland liegen Prognosen und Politik ebenfalls unter den Erwartungen. Der einzige, wenn auch schwache Trost ist, dass es in Irland zumindest langsam besser wird.
Sorgen bereitet das Bild für Portugal und Spanien. Hier scheint es momentan zu einem Wechsel vom irischen Regen in die griechische Traufe zu kommen. Sah es zunächst noch nach langsamer Erholung aus, so scheint seit 2011 ein massiver Einbruch im Gange zu sein. Ein Grund mehr, Theorie und Politik zu wechseln.
![ES](http://www.beigewum.at/wordpress/wp-content/uploads/ES.jpg)
![PT](http://www.beigewum.at/wordpress/wp-content/uploads/PT.jpg)
Angesichts dieser Bilder ist es kein Wunder, dass die DG Ecofin die adjustment Programme für Griechenland, Irland, Portugal und für Spaniens Finanzsektor stets mit folgendem Disclaimer versieht:
„Neither the European Commission nor any person acting on its behalf may be held responsible for the use which may be made of the information contained in this publication.”
Na ja, wenn sie damit durchkommt.
PS: Ein Lob muss man der DG Ecofin jedoch machen: Diese Darstellungen wären nicht möglich gewesen, wenn die DG nicht schon seit Längerem ihre AMECO Datenbank mit den Makro-Daten (einschließlich der Prognosen) im Internet öffentlich zur Verfügung stellte.
Ökonomisches Vermögen und akademisches Unvermögen
Gastkommentar von Jakob Kapeller und Bernhard Schütz
Die gerade erschienene Studie des IHS zur Vermögensbesteuerung weist zwar keine klare Fragestellung dafür aber eine umso klarere Stoßrichtung auf. Sie behandelt einen relativ willkürlichen Flickenteppich steuer- und verteilungspolitischer Argumente mit klar identifizierbarer Tendenz. Es handelt sich um eine Verteidigung von Kapitaleigentümern und liefert Wirtschaftskammer- und Volkspartei-FunktionärInnen ein Argumentarium gegen die Einführung vermögensbezogener Steuern. Bedenklich ist dies vor allem, da die vorliegende „Studie“, von einem eigentlich renommierten Institut kommt, das hier in eine vorwissenschaftliche Phase zurückgefallen zu sein scheint.
Dabei geht das IHS von der historischen Konzeption einer Vermögensteuer aus, die überwiegend auf Unternehmensvermögen erhoben und 1993 abgeschafft wurde. Die heute diskutierten Modelle von Vermögenssteuern haben mit dieser alten Version jedoch nur wenig gemein. Sie beziehen sich auf große Vermögen privater Haushalte. Hier wird also eine Steuer schlecht gerechnet, die in dieser Form gar niemand will.
Fiktive Zahlen und reale Berichterstattung
Das Aufkommen einer allgemeinen Vermögenssteuer wird in der Studie mit 1 Milliarde Euro angegeben. Diese Schätzung basiert auf einer simplen Fortschreibung der Einnahmen aus der 1993 abgeschafften Vermögenssteuer. Eine solche Fortschreibung lässt nicht nur Veränderungen in der Vermögensstruktur völlig unberücksichtigt, sondern ignoriert auch völlig den Umstand, dass die ab 1994 ausgesetzte Vermögenssteuer das Immobilienvermögen mittels Einheitswerten erfasste, die oftmals nur ein kleiner Bruchteil (weniger als 10%) des Verkehrswertes derselben Immobilien darstellen. Alleine die Berücksichtigung dieser Auslassung würde das vom IHS geschätzte Steueraufkommen also drastisch erhöhen.
In einem zweiten Schritt speist das IHS das so festgesetzte Aufkommensvolumen von einer Milliarde Euro in eine gesamtwirtschaftliche Simulation und errechnet daraus einen zu erwartenden Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0.65%. Zum konkreten Vorgang der Berechnung und den dahinterliegenden Annahmen verrät die Studie nur wenig – so wenig, dass sich die entsprechenden Angaben durch Dritte nicht überprüfen lassen. Bezeichnend ist aber, dass vom IHS angenommen wurde, dass das sich ergebende Steuer-Volumen zur Gänze zu Lasten der Kapitalausstattung von Unternehmen geht und so Finanzierungskosten erhöht und Investitionen verringert. Diese Annahme impliziert, dass das gesamte österreichische Privatvermögen zur Finanzierung von Unternehmen herangezogen wird. Nur knapp über ein Viertel des Vermögens liegt in Beteiligungen an Unternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben, von denen die allermeisten viel zu klein sind um von einer Vermögenssteuer je erfasst zu werden, und der größte Teil des Vermögens sind Immobilien. Die Annahme des IHS, bestehende Vermögenswerte zu 100% der Unternehmensfinanzierung zuzuschlagen, erscheint also mehr als mutig; sie erscheint völlig verfehlt. In Summe handelt sich hier nicht um die Simulation der ökonomischen Wirkung einer Vermögenssteuer, sondern einer „Betriebskapitalentzugssteuer“. Eine solche Steuer steht allerdings nirgends zur Diskussion und wird von Niemandem vorgeschlagen. Das wird freilich, wie so vieles hier, an keiner Stelle der Studie dazugesagt.
Tendenziöse Tendenzen
Inhaltlich konstatiert die Studie anfangs korrekt, dass laut der aktuellsten Erhebung der österreichischen Nationalbank Vermögen in Österreich sehr ungleich verteilt sind. Gleichzeitig erklärt sie aber, dass dieses Ergebnis nur deshalb zustande kommt, weil beim Vermögen nur Finanz- und Sachvermögen, nicht aber die zukünftigen Pensionsansprüche gerechnet werden. Würde man diese berücksichtigen, ergäbe sich eine viel gleichmäßigere Verteilung und somit bestehe auch kein Bedarf für Umverteilung. Was hier jedoch unerwähnt bleibt ist, dass eine solche Hinzurechnung zwar nicht unzulässig, aber dennoch problematisch ist, da zukünftige Pensionsansprüche klassische Vermögensdefinitionen nicht erfüllen: man kann sie weder verkaufen noch übertragen und sie im Fall des Ablebens auch nicht vererben.
Im gleichen Atemzug wird nun das staatliche Pensionssystem nicht nur zur Rechtfertigung bestehender Vermögensungleichheit verwendet, sondern auch als deren Quelle identifiziert (da öffentliche Sicherungssysteme die Notwendigkeit privater Vorsorge verringern und so vermeintlicherweise die Ungleichheit der Vermögensverteilung forcieren). Die Kurzzusammenfassung lautet: Vor allem der Sozialstaat trägt Schuld an der ungleichen Vermögensverteilung – eben genau weil er versucht sie zu korrigieren. Hätten wir also keinen Sozialstaat und wären infolgedessen die Sparanreize stärker – dann, ja dann, hätten sich die unteren Einkommensschichten schon die längste Zeit reich gespart.
Der einäugige Bandit
Die der Studie zu Grunde gelegte theoretische Perspektive ist vorwiegend mikroökonomisch, fokussiert also auf einzelne Haushalte und Unternehmen, und begeht damit mit Nachdruck einen grundsätzlichen Kategorienfehler. So werden die Kosten vermögensbezogener Steuern in den Vordergrund gerückt und damit verbundene vermeintliche Gefahren – wie Steuervermeidung oder aufwändige Erhebung – ausufernd diskutiert. Mögliche Vorteile vermögensbezogener Steuern aus makroökonomischer Sicht – also die Möglichkeit staatlicher Investitionen, öffentlicher Schuldentilgung oder einer steuerlichen Entlastung der Arbeitseinkommen – werden im Gegensatz dazu nur oberflächlich gestreift oder überhaupt nicht erwähnt. Sie werden vor allem nicht mit den unterstellten Kosten einer solchen Form der Besteuerung gegengerechnet. Dass bei dieser Form der Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Kosten in den Vordergrund stellt und von einem möglichen gesamtwirtschaftlichen Nutzen zur Gänze abstrahiert, das Ergebnis bereits im Vorhinein feststeht, scheint dabei niemanden zu stören.
Diese Einseitigkeit ist natürlich kein Zufall: Allen Beteiligten ist klar, dass der zusätzliche öffentliche Handlungsspielraum durch die Einhebung von Vermögenssteuern eine Reihe positiver ökonomischer Effekte mit sich bringen kann. Aber muss dies in einer Studie zur Frage der Sinnhaftigkeit von Vermögenssteuern tatsächlich ausgewogen dargestellt werden? Das IHS scheint diese Frage zu verneinen – zumindest gegenüber der Wirtschaftskammer.
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form bereits in der Wiener Zeitung sowie bei der Sektion 8.
Feindbild FMA?
Wenn Heini Staudinger dieser Tage behauptet, er sei Schuster und möchte einfach nur in Ruhe sein Unternehmen führen, ist das angesichts der Anzeigen im Falter zumindest kokett. Es gibt in Österreich eine ziemliche Wut auf die Banken und das Politikversagen ihnen gegenüber. Beides ist berechtigt. Ärgerlich am „Fall GEA“ ist aber, dass die politische Kritik an den Banken vermischt wird mit persönlichen Fragen.
Da steht der gute Unternehmer – vulgo Realwirtschaft – der bösen Finanzmarktaufsicht (FMA) – vulgo „Bankenschutzzentrale“ – gegenüber. Dass aufmerksame politische BeobachterInnen die FMA genau umgekehrt wahrnehmen – Stichwort „Bankeninsolvenzrecht“, für das sich die FMA gegen den Willen des Finanzministeriums stark macht –, geht im Trubel der Befindlichkeitsdiskussion unter. Sollten sich die Beamten tatsächlich arrogant verhalten, wie von GEA behauptet wird, ist das menschlich natürlich daneben. Aber nun zum Inhaltlichen: Die FMA verbietet GEA den Sparverein. Nun, das ist gut so. Ein Sparverein ist ein Vehikel, das zu Recht unter das Bankwesengesetz fällt und zwar gerade auch zum Schutz der SparerInnen. Nur weil sich die BeamtInnen angeblich daneben benehmen, ist der Anlegerschutz noch nicht obsolet. So weit, so oberflächlich in der bisherigen Diskussion.
Wenn sich dann aber plötzlich ATTAC auch gegen die FMA stellt und ihnen die Frage stellt, ob sie das Bankgeschäft für die Banken retten wollen, dann wird es langsam problematisch. Seit der Pleite von Lehman haben sich kritische linke Kräfte massiv für mehr Regulierung von Finanzplätzen und wohl gemerkt auch Finanzinstrumenten eingesetzt. Das waren immer universelle politische Forderungen, keine der persönlichen Sympathie. Die Einzigen, die sich derzeit über diese Diskussion freuen, sind die neoliberalen Liberalisierer! Der Sparverein ist kein Instrument mächtiger Großanleger und das was Staudinger will, ist im Gesellschaftsrecht zu regeln und nicht im Bankwesengesetz. Dass es dort wahrscheinlich Änderungen braucht, um Unternehmensfinanzierungen leichter zu ermöglichen, ist jedenfalls diskussionswürdig. Den Anlegerschutz für alle Sparvereinsmitglieder dieser Republik deshalb aufzuweichen und die FMA zum neuen politischen Feind zu erklären, ist aber jedenfalls eine Themenverfehlung.