Neues BEIGEWUM-Buch: Mythen des Sparens
Antizyklische Alternativen zur Schuldenbremse
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist längst zu einer Verschuldungskrise der Staaten geworden, zumindest wenn man den Mainstream-Medien und der Mehrzahl der Politikerinnen und Politiker Glauben schenkt: Sparen sei das Gebot der Stunde, an dem kein Ausweg vorbei zu führen scheint. Grund genug für ein neuerliches Buchprojekt als „Fortsetzung“ unseres 2010 erschienen Buchs „Mythen der Krise“.
Mit unserem neuesten Buch wollen wir aufzeigen, dass es sich hierbei nur um einen weiteren wirtschaftspolitischen Mythos handelt. Doch warum kommen diese Mythen so gut bei den Menschen an? Und welche Auswirkungen haben die Sparmaßnahmen auf die Bevölkerung, die Wirtschaft und sogar auf die Demokratie?
Dargestellt werden die wichtigsten Mythen zu »Schulden« und »Sparen«. Diese werden kritisch hinterfragt und die dahinterstehenden ökonomischen Zusammenhänge erklärt. Auch die Ebene der EU-Politik und der dort kursierenden Mythen kommt nicht zu kurz.
Leseprobe, weiterführende Infos und Bestellmöglichkeit gibt es direkt beim VSA-Verlag – oder bei einer unserer kommenden Veranstaltungen.
10.6.2013: Über Österreich, Deutschland und Europa. Vor der Wahl ist nach der Wahl.
Podiumsdiskussion „Über Österreich, Deutschland und Europa. Vor der Wahl ist nach der Wahl.“
Mo., 10. Juni, 18:30 in der Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags (Rathausstraße 21, 1010 Wien) oder online.
Diskussion mit Jana Schultheiss (BEIGEWUM/Buchprojekt „Mythen des Sparens“), Wolfgang Lieb (NachDenkSeiten), Markus Marterbauer (AK Wien/Blog Arbeit&Wirtschaft); Moderation: Katharina Klee (Zeitschrift Arbeit&Wirtschaft)
Anmeldung: veranstaltung@oegbverlag.at oder auf Facebook
Im Herbst 2013 finden Nationalratswahlen in Österreich und die Bundestagswahl in Deutschland statt, im Mai 2014 dann auch die Europawahl. Sowohl Deutschland als auch Österreich sind im Vergleich mit den meisten anderen EU ‑Ländern gut durch die Krise gekommen. Gleichzeitig meinen viele, die beiden Länder hätten weniger zur Lösung der Krise beigetragen als sie wirtschaftlich könnten und man politisch von ihnen erhoffen würde. Deutschland verschärft durch seine Vorgaben sogar den Austeritätskurs, die Wettbewerbsorientierung und die neoliberale Ausrichtung der EU ‑Strategie und auch Österreich muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht viel dagegen zu tun. Wo aber sind die tatsächlichen Spielräume für eine alternative, emanzipatorische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in der EU?
Eine Veranstaltung der „Arbeit&Wirtschaft“ in Kooperation mit den NachDenkSeiten, dem ÖGB-Verlag und dem BEIGEWUM … mit anschließendem Buffet.
21.5.2013 Diskussion: Pflegearbeit – Konservierte Geringschätzung?
Pflegearbeit – Konservierte Geringschätzung?
Di., 21.Mai 19h im Republikanischen Club
Diskussion mit August Österle (WU), Almut Bachinger (Rotes Kreuz), Erich Fenninger (Volkshilfe), Moderation: Katharina Mader (Beigewum, WU)
Soziale Dienstleistungen wie Pflege- und Betreuungsarbeit werden nach wie vor in einem schlecht bezahlten und größtenteils informellen Sektor erbracht. Die Nachfrage nach diesen Arbeiten wird jedoch angesichts des demographischen Wandels in Zukunft weiter steigen. 80% der Pflegearbeiten werden nach wie vor privat zu Hause geleistet – und dort sind es meist Frauen, die diese Arbeit übernehmen – trotz ihrer Erwerbstätigkeit. Alternativkonzepte und adäquate Modelle für die Zukunft scheinen nicht in Sicht. Die Konservierung der Geringschätzung von Pflege- und Betreuungstätigkeiten hinsichtlich mangelnder politischer Auseinandersetzung, Ausbildung, Bezahlung und die Frage der zukünftigen Bereitstellung dieser Arbeiten sollen zentrale Denkanstöße für die Podiums-diskussion sein.
Die jeweiligen Probleme sollen sowohl für den informellen, wie den formellen Sektor besprochen werden, wobei verschiedene Perspektiven näher beleuchtet werden sollen – die Sicht der Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden sowie eine gesamtgesellschaftliche Perspektive. Daran anknüpfend sollen Themen wie Abhängigkeits- und Machtverhältnisse, Arbeitsbedingungen und Qualität sowie die Verantwortung in der Bereit-stellung diskutiert werden.
Zum Thema erschien 2011 ein Kurswechsel Schwerpunktheft.
Social Investment Package – wie die EU-Kommission die Krise überwinden will
Ende Februar hat Laslo Andor, Sozial-Kommissar der EU, das sogenannte Social Investment Package (SIP) vorgestellt – als Antwort auf die anhaltende wirtschaftliche Krise und die stagnierenden Konjunkturdaten in der EU. Die Kommission sieht durch das SIP die Möglichkeit, Europa schneller aus der Krise zu holen. Im Detail geht es dabei um Investitionen in die Bereiche Bildung, Gesundheit und Pflege. Dass europäische SpitzenpolitikerInnen das Potential von Investitionen in soziale Dienstleistungen erkannt haben, ist definitiv ein Anlass zur Freude. Weniger positiv ist, dass keine verpflichtenden Standards und Regelungen zur Umsetzungen dieser Initiative in den Mitgliedsstaaten geplant sind, sondern es bei einem Appell an die nationalen Regierungen belassen wird. Das äußert sich auch darin, dass das SIP den großen europäischen Zeitungen wie „Zeit“, „Le Monde“ oder „Times“ kein Aufmacher wert war.
Warum Investitionen in Pflege, Kindergärten, Gesundheitseinrichtungen oder auch in präventive Programme für frühe SchulabbrecherInnen sinnvoll sind, ist schnell erklärt. Sie helfen nicht nur den betroffenen Menschen, sondern auch den Angehörigen, und hier meist Frauen, die informelle Betreuungs- und Versorgungsleistungen im familiären Verband übernehmen. Zudem werden Dienstleistungen wie mobile Pflege oder Kinderkrippen vor Ort und daher regional benötigt. Dies bewirkt eine Verbesserung der Lebensqualität und einen Wachstumsschub auch in strukturschwächeren Gebieten, wo neben Betreuungsangeboten auch Arbeitsplätze fehlen. Und schließlich könnten durch einen Ausbau von Dienstleistungen auch die Qualifikationen von MigrantInnen besser eingesetzt werden.
Schon heute arbeiten innerhalb der EU etwa 10 % aller Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich, mit Spitzenwerten in den nordischen Staaten von knapp 20 %. Österreich liegt allerdings nur knapp unter dem EU Schnitt, und weist somit ein hohes Ausbaupotential in diesem Sektor auf. EU-weit werden in diesem Sektor bereits 5 % des europäischen BIPs erwirtschaftet, ein enormer Beitrag, der gleichermaßen soziale wie ökonomische Wirkung zeigt. Dass hierzulande bei konjunkturbelebenden Maßnahmen noch immer zuerst an absterbende Automobilsektoren gedacht wird, statt in Menschen zu investieren – wie das zu Beginn der Krise der Fall war – ist angesichts dieser Daten nicht nachvollziehbar.
Die demografische Entwicklung und der damit einhergehende Bedarf an sozialen Dienstleistungen ist mittlerweile unübersehbar. In den kommenden Jahren, wenn die Babyboomer das Pensionsalter erreicht haben, werden die Kosten für Gesundheit und Pflege steigen, und gut ausgebildete Menschen werden angesichts einer fehlenden Migrationsstrategie seitens der EU zur Mangelware werden. Je länger wir zuwarten, desto größer wird die Last sein, die wir zu tragen haben. Deswegen sollte möglichst rasch die Initiative der Kommission auch in Österreich aufgegriffen werden, und Investitionen in den Wirtschaftszweig „Gesundheit und Soziales“ getätigt werden.
Zeit zur Umkehr
Der Vergleich von EU-Prognosen für die Krisenstaaten und deren Entwicklung seit 2007 zeigt, wie nötig ein Richtungswechsel in Theorie und Politik ist. Die Austeritätspolitik in den sogenannten Programmländern in der EU hat zunehmend katastrophale Folgen, und die Prognosen sind stets besser als das Ergebnis.
Eine Theorie, deren Prognosen regelmäßig falsch liegen, sollte laut Sir Karl Popper verworfen werden. Eine Konjunkturpolitik, die nur darin besteht, die Hoffnung auf den Aufschwung auf den in der Zukunft liegenden Prognosehorizont zu verschieben, ebenfalls. Beides trifft auf die momentane Politik der Troika zu. Zunächst wurde die Krise etwas zu pessimistisch eingeschätzt; es wurde eine expansive Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Doch seit 2010 herrscht in den Prognosen übertriebener Optimismus, und in den Programmländern wird eisern gespart.
In Griechenland war die Entwicklung besonders schlimm. Im Mai 2010 hoffte man noch für 2011 mit einem weiteren Minus von 4% gegenüber 2009 aus der Krise zu kommen. Im November 2010 rechnete man schon mit einem Minus von 7% für 2011. Dies setzte sich von Jahr zu Jahr fort: 2013 glaubte man nun mit gut 20% Verlust an Wirtschaftsleistung sei die Talsohle erreicht. Es ist zu hoffen, dass diese Prognose nun nicht nochmals nach unten korrigiert wird. An der katastrophalen Performance von Prognosen und Politik ändert das allerdings nichts mehr.
Die folgenden Grafiken zeigen die Entwicklung des realen BIP im Vergleich zu 2009, anhand der zu den jeweiligen Zeitpunkten erstellten Prognosen. Die Prognose vom Februar 2013 enthält für die Jahre bis 2011 die tatsächlichen und für 2012 die vorläufigen Werte.
In Irland liegen Prognosen und Politik ebenfalls unter den Erwartungen. Der einzige, wenn auch schwache Trost ist, dass es in Irland zumindest langsam besser wird.
Sorgen bereitet das Bild für Portugal und Spanien. Hier scheint es momentan zu einem Wechsel vom irischen Regen in die griechische Traufe zu kommen. Sah es zunächst noch nach langsamer Erholung aus, so scheint seit 2011 ein massiver Einbruch im Gange zu sein. Ein Grund mehr, Theorie und Politik zu wechseln.
Angesichts dieser Bilder ist es kein Wunder, dass die DG Ecofin die adjustment Programme für Griechenland, Irland, Portugal und für Spaniens Finanzsektor stets mit folgendem Disclaimer versieht:
„Neither the European Commission nor any person acting on its behalf may be held responsible for the use which may be made of the information contained in this publication.”
Na ja, wenn sie damit durchkommt.
PS: Ein Lob muss man der DG Ecofin jedoch machen: Diese Darstellungen wären nicht möglich gewesen, wenn die DG nicht schon seit Längerem ihre AMECO Datenbank mit den Makro-Daten (einschließlich der Prognosen) im Internet öffentlich zur Verfügung stellte.
Ökonomisches Vermögen und akademisches Unvermögen
Gastkommentar von Jakob Kapeller und Bernhard Schütz
Die gerade erschienene Studie des IHS zur Vermögensbesteuerung weist zwar keine klare Fragestellung dafür aber eine umso klarere Stoßrichtung auf. Sie behandelt einen relativ willkürlichen Flickenteppich steuer- und verteilungspolitischer Argumente mit klar identifizierbarer Tendenz. Es handelt sich um eine Verteidigung von Kapitaleigentümern und liefert Wirtschaftskammer- und Volkspartei-FunktionärInnen ein Argumentarium gegen die Einführung vermögensbezogener Steuern. Bedenklich ist dies vor allem, da die vorliegende „Studie“, von einem eigentlich renommierten Institut kommt, das hier in eine vorwissenschaftliche Phase zurückgefallen zu sein scheint.
Dabei geht das IHS von der historischen Konzeption einer Vermögensteuer aus, die überwiegend auf Unternehmensvermögen erhoben und 1993 abgeschafft wurde. Die heute diskutierten Modelle von Vermögenssteuern haben mit dieser alten Version jedoch nur wenig gemein. Sie beziehen sich auf große Vermögen privater Haushalte. Hier wird also eine Steuer schlecht gerechnet, die in dieser Form gar niemand will.
Fiktive Zahlen und reale Berichterstattung
Das Aufkommen einer allgemeinen Vermögenssteuer wird in der Studie mit 1 Milliarde Euro angegeben. Diese Schätzung basiert auf einer simplen Fortschreibung der Einnahmen aus der 1993 abgeschafften Vermögenssteuer. Eine solche Fortschreibung lässt nicht nur Veränderungen in der Vermögensstruktur völlig unberücksichtigt, sondern ignoriert auch völlig den Umstand, dass die ab 1994 ausgesetzte Vermögenssteuer das Immobilienvermögen mittels Einheitswerten erfasste, die oftmals nur ein kleiner Bruchteil (weniger als 10%) des Verkehrswertes derselben Immobilien darstellen. Alleine die Berücksichtigung dieser Auslassung würde das vom IHS geschätzte Steueraufkommen also drastisch erhöhen.
In einem zweiten Schritt speist das IHS das so festgesetzte Aufkommensvolumen von einer Milliarde Euro in eine gesamtwirtschaftliche Simulation und errechnet daraus einen zu erwartenden Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0.65%. Zum konkreten Vorgang der Berechnung und den dahinterliegenden Annahmen verrät die Studie nur wenig – so wenig, dass sich die entsprechenden Angaben durch Dritte nicht überprüfen lassen. Bezeichnend ist aber, dass vom IHS angenommen wurde, dass das sich ergebende Steuer-Volumen zur Gänze zu Lasten der Kapitalausstattung von Unternehmen geht und so Finanzierungskosten erhöht und Investitionen verringert. Diese Annahme impliziert, dass das gesamte österreichische Privatvermögen zur Finanzierung von Unternehmen herangezogen wird. Nur knapp über ein Viertel des Vermögens liegt in Beteiligungen an Unternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben, von denen die allermeisten viel zu klein sind um von einer Vermögenssteuer je erfasst zu werden, und der größte Teil des Vermögens sind Immobilien. Die Annahme des IHS, bestehende Vermögenswerte zu 100% der Unternehmensfinanzierung zuzuschlagen, erscheint also mehr als mutig; sie erscheint völlig verfehlt. In Summe handelt sich hier nicht um die Simulation der ökonomischen Wirkung einer Vermögenssteuer, sondern einer „Betriebskapitalentzugssteuer“. Eine solche Steuer steht allerdings nirgends zur Diskussion und wird von Niemandem vorgeschlagen. Das wird freilich, wie so vieles hier, an keiner Stelle der Studie dazugesagt.
Tendenziöse Tendenzen
Inhaltlich konstatiert die Studie anfangs korrekt, dass laut der aktuellsten Erhebung der österreichischen Nationalbank Vermögen in Österreich sehr ungleich verteilt sind. Gleichzeitig erklärt sie aber, dass dieses Ergebnis nur deshalb zustande kommt, weil beim Vermögen nur Finanz- und Sachvermögen, nicht aber die zukünftigen Pensionsansprüche gerechnet werden. Würde man diese berücksichtigen, ergäbe sich eine viel gleichmäßigere Verteilung und somit bestehe auch kein Bedarf für Umverteilung. Was hier jedoch unerwähnt bleibt ist, dass eine solche Hinzurechnung zwar nicht unzulässig, aber dennoch problematisch ist, da zukünftige Pensionsansprüche klassische Vermögensdefinitionen nicht erfüllen: man kann sie weder verkaufen noch übertragen und sie im Fall des Ablebens auch nicht vererben.
Im gleichen Atemzug wird nun das staatliche Pensionssystem nicht nur zur Rechtfertigung bestehender Vermögensungleichheit verwendet, sondern auch als deren Quelle identifiziert (da öffentliche Sicherungssysteme die Notwendigkeit privater Vorsorge verringern und so vermeintlicherweise die Ungleichheit der Vermögensverteilung forcieren). Die Kurzzusammenfassung lautet: Vor allem der Sozialstaat trägt Schuld an der ungleichen Vermögensverteilung – eben genau weil er versucht sie zu korrigieren. Hätten wir also keinen Sozialstaat und wären infolgedessen die Sparanreize stärker – dann, ja dann, hätten sich die unteren Einkommensschichten schon die längste Zeit reich gespart.
Der einäugige Bandit
Die der Studie zu Grunde gelegte theoretische Perspektive ist vorwiegend mikroökonomisch, fokussiert also auf einzelne Haushalte und Unternehmen, und begeht damit mit Nachdruck einen grundsätzlichen Kategorienfehler. So werden die Kosten vermögensbezogener Steuern in den Vordergrund gerückt und damit verbundene vermeintliche Gefahren – wie Steuervermeidung oder aufwändige Erhebung – ausufernd diskutiert. Mögliche Vorteile vermögensbezogener Steuern aus makroökonomischer Sicht – also die Möglichkeit staatlicher Investitionen, öffentlicher Schuldentilgung oder einer steuerlichen Entlastung der Arbeitseinkommen – werden im Gegensatz dazu nur oberflächlich gestreift oder überhaupt nicht erwähnt. Sie werden vor allem nicht mit den unterstellten Kosten einer solchen Form der Besteuerung gegengerechnet. Dass bei dieser Form der Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Kosten in den Vordergrund stellt und von einem möglichen gesamtwirtschaftlichen Nutzen zur Gänze abstrahiert, das Ergebnis bereits im Vorhinein feststeht, scheint dabei niemanden zu stören.
Diese Einseitigkeit ist natürlich kein Zufall: Allen Beteiligten ist klar, dass der zusätzliche öffentliche Handlungsspielraum durch die Einhebung von Vermögenssteuern eine Reihe positiver ökonomischer Effekte mit sich bringen kann. Aber muss dies in einer Studie zur Frage der Sinnhaftigkeit von Vermögenssteuern tatsächlich ausgewogen dargestellt werden? Das IHS scheint diese Frage zu verneinen – zumindest gegenüber der Wirtschaftskammer.
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form bereits in der Wiener Zeitung sowie bei der Sektion 8.
Feindbild FMA?
Wenn Heini Staudinger dieser Tage behauptet, er sei Schuster und möchte einfach nur in Ruhe sein Unternehmen führen, ist das angesichts der Anzeigen im Falter zumindest kokett. Es gibt in Österreich eine ziemliche Wut auf die Banken und das Politikversagen ihnen gegenüber. Beides ist berechtigt. Ärgerlich am „Fall GEA“ ist aber, dass die politische Kritik an den Banken vermischt wird mit persönlichen Fragen.
Da steht der gute Unternehmer – vulgo Realwirtschaft – der bösen Finanzmarktaufsicht (FMA) – vulgo „Bankenschutzzentrale“ – gegenüber. Dass aufmerksame politische BeobachterInnen die FMA genau umgekehrt wahrnehmen – Stichwort „Bankeninsolvenzrecht“, für das sich die FMA gegen den Willen des Finanzministeriums stark macht –, geht im Trubel der Befindlichkeitsdiskussion unter. Sollten sich die Beamten tatsächlich arrogant verhalten, wie von GEA behauptet wird, ist das menschlich natürlich daneben. Aber nun zum Inhaltlichen: Die FMA verbietet GEA den Sparverein. Nun, das ist gut so. Ein Sparverein ist ein Vehikel, das zu Recht unter das Bankwesengesetz fällt und zwar gerade auch zum Schutz der SparerInnen. Nur weil sich die BeamtInnen angeblich daneben benehmen, ist der Anlegerschutz noch nicht obsolet. So weit, so oberflächlich in der bisherigen Diskussion.
Wenn sich dann aber plötzlich ATTAC auch gegen die FMA stellt und ihnen die Frage stellt, ob sie das Bankgeschäft für die Banken retten wollen, dann wird es langsam problematisch. Seit der Pleite von Lehman haben sich kritische linke Kräfte massiv für mehr Regulierung von Finanzplätzen und wohl gemerkt auch Finanzinstrumenten eingesetzt. Das waren immer universelle politische Forderungen, keine der persönlichen Sympathie. Die Einzigen, die sich derzeit über diese Diskussion freuen, sind die neoliberalen Liberalisierer! Der Sparverein ist kein Instrument mächtiger Großanleger und das was Staudinger will, ist im Gesellschaftsrecht zu regeln und nicht im Bankwesengesetz. Dass es dort wahrscheinlich Änderungen braucht, um Unternehmensfinanzierungen leichter zu ermöglichen, ist jedenfalls diskussionswürdig. Den Anlegerschutz für alle Sparvereinsmitglieder dieser Republik deshalb aufzuweichen und die FMA zum neuen politischen Feind zu erklären, ist aber jedenfalls eine Themenverfehlung.
Der neue Kurswechsel bei eingSCHENKt (Okto)
Abstiegsängste treten zunehmend auch in Wohlstandslagen auf. Zumal sich Mittelschichten in ihren Lebensstilen und Einstellungen tendenziell „nach oben“ ausrichten, wird Verunsicherungen nicht selten mit der Abschottung gegenüber unteren Lagen begegnet. Wo liegen die Quellen dieser neuen Verunsicherung? Welchen Beitrag liefern die ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahre? Welchen Einfluss haben mediale und öffentliche Diskurse? Und welche Minderheiten werden zu Sündenböcken gemacht? Über diese ähnliche Fragen spricht Martin Schenk mit der Soziologin Julia Hofmann (Universität Wien):
Rezension: „Ökonomie der internationalen Entwicklung“
Einfach wieder ein neuer Klotz in der langen Reihe der immer gleichen Ökonomie-Lehrbücher? Nicht wirklich: Der Band „Ökonomie der internationalen Entwicklung“ bildet eine Ausnahme in seinem Genre. Und das liegt nicht nur an dem programmatischen Untertitel „Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre“. Die AutorInnen Johannes Jäger und Elisabeth Springler haben nämlich nicht einfach einen Gegenentwurf zu Mainstream-VWL-Lehrbüchern vorgelegt, denen sie die Vorstellung eines heterodoxen Theoriegebäudes entgegensetzen. Es handelt sich vielmehr um die didaktische Meisterleistung, einen Vergleich verschiedener theoretischer Schulen zu bieten und mit Anwendungsbeispielen zu verknüpfen. Anhand von fünf Themenbereichen (Staat und Wirtschaft, Wachstum, Verteilung, Geld, Geografie) werden jeweils Einführungen in die Konzeptionen von Neoklassik, Keynesianismus und Politischer Ökonomie (worunter hier Varianten des Marxismus und der Regulationstheorie verstanden werden) geboten. Zu jedem Kapitel gibt es darüber hinaus Vertiefungsabschnitte, wo externe AutorInnen Spezialthemen und die Sicht der drei Theorien darauf beleuchten (von Gender über Ressourcenpolitik bis zu Arbeitsrechten). Mit diesen Spezialthemen gelingt ein Sprung von der abstrakten Welt der Theorie in aktuelle Fragen und Debatten.
Das im Titel zum Ausdruck gebrachte und in der Einleitung betonte Anliegen, Wirtschaft in ihrer internationalen Dimension in den Mittelpunkt zu stellen, gelingt zwar nicht durchwegs – was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass nun mal die vorgestellten Theorien zumeist ihren Ausgangspunkt bei volkswirtschaftlichen Überlegungen haben, auf denen Erweiterungen um die internationale Dimension dann aufbauen, was bei beschränktem Platz nicht immer auszuführen möglich ist. Auch die Verständnishürden sind kapitelweise unterschiedlich hoch. Doch in Summe und vor allem aufgrund seiner liebevoll aufbereiteten Struktur bietet der Band eine der empfehlenswertesten Einstiege in ökonomische Theoriebildung, die im deutschen Sprachraum zu haben sind.
Fekter ignoriert Gleichstellung bei Budgetentwurf
Die Watch Group.Gender und öffentliche Finanzen fordert radikale Änderung der Budgetpolitik um Gleichstellung zu verwirklichen.
Die Budgetrede der Bundesministerin vom 16.10.2012 ist auf einem Auge blind: Die mit 2013 angekündigte Einführung des Gender Budgeting wird in der Budgetrede mit keinem Wort erwähnt. Seit 2009 ist die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung verankert. Mit dem Budget 2013 soll sie endlich umgesetzt werden. Doch gibt es kein Bekenntnis der Ministerin dazu.
„Jede Verfassungsbestimmung ist gleich viel Wert“, so Elisabeth Klatzer von der österreichischen Watch Group. Gender und öffentliche Finanzen, die sich seit 10 Jahren für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Budgetpolitik einsetzt, „es kann nicht sein, dass das Spardiktat auf Punkt und Beistrich umgesetzt wird, währenddessen die Gleichstellung völlig ignoriert wird. Welches Staatsverständnis vermittelt den hier die Politik. Ich halte mich nur an die Gesetze, die ich will?“
Das ist inakzeptabel, zumal das neue Haushaltsrecht mit den Stimmen aller Parteien beschlossen wurde.
Durch diese Ignoranz werden lang anstehende und dringend nötige Maßnahmen wieder nicht angegangen. Für das Frauenministerium gibt es viel zu wenig Geld (10 Mio. Euro). Im Vergleich dazu sind die Familienagenden in Österreich mit 6.571 Mio. Euro dotiert. Es ist also 657 mal so hoch.
Das bedeutet, dass Vereine die sich für Frauenanliegen und Frauenrechte einsetzen, chronisch unterfinanziert sind. Auch Gewaltschutzeinrichtungen leiden unter Budgetnot. Für dringend notwendige Forschung zu bestehenden Ungleichheiten und Gleichstellung von Frauen und Männern ist kein Geld da. Auch für die konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt fehlt das Geld.
Auch auf der Einnahmenseite besteht dringender Handlungsbedarf. Seit Jahren wissen wir aus Studien des Finanzministeriums, dass das Steuersystem nicht geschlechtergerecht ist. Von den zahlreichen Ausnahmebestimmungen (Frei- und Absetzbeträgen) im Einkommenssteuerrecht profitieren vor allem Männer. Ein Steuersystem, dass Besserverdienende und Vermögende zu wenig zur Kasse bittet, ist ein Steuersystem zu Lasten von Frauen. Pendlerpauschale, Kinderfreibetrag und Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten sind unsozial gestaltet und können von vielen Frauen nicht in Anspruch genommen werden. Da braucht es dringend Änderungen.
Die Budgetpolitik in Österreich muss sich radikal ändern, um die verfassungsrechtliche Verpflichtung umzusetzen.
Die Alternativen liegen auf der Hand: „Es braucht eine finanzielle Aufwertung des Frauenministeriums und ernsthafte Bemühungen in allen Ressorts. Eine eigene Budgetbeilage zu Gender Budgeting, soll dokumentieren, was tatsächlich in Sachen Gleichstellung gemacht und erreicht wird. Zudem braucht es einen Beirat, der die Umsetzung begleitet, in finanziellen Fragen gibt es ja auch den Staatsschuldenausschuss“, so Elisabeth Klatzer. „Bei den Offensivmaßnahmen braucht es dringend verstärkte Investitionen mehr Investitionen in Betreuungsleistungen, soziale Dienste und Pflege sowie Kinderbetreuung zur Entlastung von Frauen. „Umverteilung durch geschlechtergerechte Besteuerung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, um dem Thema endlich den Stellenwert zu geben, den es laut Verfassung zusteht. Mit 2013 wurde uns endlich die Umsetzung versprochen. Das Hinhalten muss nun vorbei sein.“