I DON’T KNOW IF WE HAVE BEEN RESCUED
Lot of news in Spain in the past days but there is no doubt that the most important one is the new package of austerity measures (social cuts) adopted by the Government last Friday.
One week ago the Eurogroup decided to fuel up to € 100 billion to the Spanish banking sector. After that the Government declared that the loan was not linked to conditionality except for the banks needed of European money. Nevertheless two days later the Council of Ministers approved the most important pack of social cuts targeted on public employees and unemployed. I’ll try to summarise the most relevant measures:
Public employees:
· Elimination of the extra month’s salary paid at Christmas (around 7’5% of annual salary). Last year the salary of public employees was frozen and the year before was reduced 5’5%.
· Elimination of three days off and “seniority” days off. These days aren’t a privilege of public employees as the Spanish Government usually says but an agreed compensation for the lack of increasing salaries in the last decades. A public employee which has been working for 30 years will loose 9 days off.
· 40% salary reduction in case of sick leave.
· Reduction of union’s representatives.
· And it should be reminded that 150.000/ 600.000 public employees will be fired in the next months
Unemployed: 10% reduction of unemployment benefit from the sixth month of perception (only 62% of unemployed touch unemployment benefits).
Increasing VAT: the Spanish VAT is below the EU average, it’s true. But it doesn’t seem a good idea to increase indirect taxes in the framework of decreasing economic activity. Furthermore, the VAT is counter-distributive and Spain is one of the most unequal member states in the UE.
The aid for young people to rent flats has been reduced by 30%.
On the other hand, employers’ social contributions will be reduced in 2012 and 2013.
The streets are burning. Spontaneous demonstrations take place everywhere. Senior officials or policemen join the protesters for the first time.
Ramón Baeza Sanjuán ist Programmleiter für europäische und Internationale Studien der gewerkschaftsnahen Fundación 1° de Mayo in Madrid. Dieser Beitrag erschien ursprünglich in seinem Blog „Neithter fiesta nor siesta – Postcards from a rescued Spain“.
It’s the ideology, stupid oder warum mehr Europa weniger für die Menschen bedeuten könnte! Zu den aktuellen Diskussionen über die länderspezifischen Empfehlungen und die Fiskalunion
Die europäische Union ist in der Krise, was besonders deutlich sichtbar wird durch die Gleichzeitigkeit von mehr Integration, etwa in Richtung Fiskalunion, und Desintegration, etwa das Zurückgreifen auf bilaterale, völkerrechtliche Verträge. Die Ursachen sind längerfristiger Natur: Die EU ist nie bei den Menschen angekommen, sie ist ein Projekt der europäischen Eliten geblieben, das diese jenen nie zu vermitteln suchten („die verstehen das ja gar nicht …“). Hinzu kommt ein ideologischer Grund: Die marktliberale, ja – radikale Ausrichtung des Integrationsprojektes, sichtbar geworden in besonderem Maße am Binnenmarktprojekt und der Währungsunion, generiert vor allem Vorteile für die Unternehmen, die in gewissem Ausmaß als zusätzliche Beschäftigung auch bei den ArbeitnehmerInnen ankommen. Aber es werden häufig prekäre Beschäftigungsformen geschaffen, der Arbeitsdruck stieg insgesamt enorm an, sodass der Nutzen für den Einzelnen entweder nicht sichtbar wurde oder überhaupt ausblieb. Darüber hinaus verhinderte diese staatsfeindliche Ideologie ein sinnvolles Ausmaß an Regulierung des Handels mit Derivaten und des Treibens der Investmentbanker und Hedgefondsmanager. Das sind aber die wahren Ursachen der gegenwärtigen Krise der EU, die dazu führen, dass konservative Regierungschefinnen Entscheidungen auf EU-Ebene, wie Konjunkturprogrammen und de-facto Haftungen für die Schulden anderer Länder zustimmen, die diametral gegen ihre ideologischen Ausrichtung sind. Daher diese Gleichzeitigkeit von Integration und Desintegration. Daher die Unmöglichkeit, den Menschen zu erklären, was ihnen die EU denn für konkrete Vorteile bringe – der Verweis auf die Abwesenheit von Krieg hat seine Strahlkraft längst aufgebraucht.
Ein Mehr an Europa kann im Kern ja nur bedeuten, neben dem Europäischen Parlament die EU-Kommission zu stärken. Mit dem Vorpreschen von Frankreich und Deutschland in den letzten Jahren ist jedoch de facto das Gegenteil passiert. Herr Barroso spielt äußerst unfreiwillig den Statisten. Die EU-Kommission zu stärken würde aber auch heißen, ihren Apparat zu stärken. Wer, im Gegensatz zu einem nicht unbekannten österreichischer Literaten, mehr als nur ein paar Monate mit Kommissionsbeamten zu tun hatte, dem wird Angst und Bange bei dem Gedanken, ihnen mehr Macht und Einfluss zu überantworten. Arroganz, Ignoranz, Opportunismus und, ja, man muss es leider so deutlich sagen, ideologische Verbohrtheit sind nicht selten ein Markenzeichen dieses Schlages von Beamten. Hinzu kommt die dominante Stellung der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen und von Finanzministerien ganz allgemein in allen wirtschaftspolitischen Diskussionen der EU, die sie ständig auf Budgetdisziplin und Strukturreformen reduzieren wollen. Häufig denkt man sich dabei: Säckelwart, wärst du doch bei deinem Leisten geblieben! Ein aktuelles Beispiel, das die Malaise besonders deutlich zum Ausdruck bringt, sind die Diskussionen zu den länderspezifischen Empfehlungen, laut Artikel 121 und 148 AEUV, immerhin nicht das unwesentlichste Verfahren! Die EU-Kom¬mission legte am 30. Mai 2012 einen Vorschlag vor (nachzulesen unter http://ec.europa.eu/europe 2020/making-it-happen/country-specific-recommendations/index_en.htm), von dem sie beharrlich ausgeht, dass er nicht von den Mitgliedstaaten abgeändert werden dürfe, obwohl diese Empfehlungen letztlich der Rat beschließt. Eine Vielzahl dieser Empfehlungen greift im Detail in nationale Regelungen ein. Dies jedoch nicht selten ohne entsprechende empirische Grundlage. Beispielsweise wird Luxemburg (und Belgien, Malta und Zypern) dringend empfohlen, das System der Lohnindexierung abzuschaffen, bei dem die Löhne mittelfristig etwa im Ausmaß der Inflation steigen sollen (um Reallohnverluste zu verhindern). Das ist eine Debatte aus den 1980er Jahren, als es noch militante Gewerkschaften gab und Inflation ein Problem war. Ist Inflation heute ein Problem (in diesen Ländern)? Jeder der die Daten kennt, wird die Frage natürlich mit Nein beantworten. Aber die Faktenlage lässt die Beamten der Kommission und die Vertreter der EZB unbeeindruckt. Ein anderes Beispiel aus dem Vorschlag der EU-Kommission zu den Empfehlungen richtet sich an Spanien, dem nachdrücklich empfohlen wird: „Accelerate the increase in the statutory retirement age” – dies trifft wahrlich den Kern der Probleme, die Spanien im Moment hat! Bei Österreich wiederum wird unnachgiebig verlangt, die Anhebung des gesetzlichen(!) Pensionsalters im Ausmaß des Anstieges der Lebenserwartung vorzunehmen. Der Einwand, dass Österreich zuerst versucht, den großen Abstand zwischen faktischem und gesetzlichem Antrittsalter bei den Männern zu reduzieren, wird geflissentlich ignoriert. Aber wirklich empörend ist die Vorgangsweise: Bei einer gemeinsamen Sitzung des Wirtschaftspolitschen und Beschäftigungspolitischen Ausschuss am 7. Juni wurden bei den Abstimmungen zweimal einfach zu wenig Stimmen gezählt (16 anstelle von 18), wodurch verhindert wurde, dass die Änderungswünsche des Mitgliedstaates angenommen worden wären. Der schwerwiegende Vorwurf der Manipulation einer Abstimmung muss an den Vorsitzenden vom Wirtschaftspolitischen Ausschuss gerichtet werden (Zeugen des wirklich empörenden Vorganges sind alle Mitglieder der beiden Ausschüsse, die im Internet zu finden sind). Und dass es Absicht und kein Missgeschick war, dafür spricht die extrem einseitige Vorsitzführung gegen die Mitgliedstaaten: es wurde zu Beginn nicht geklärt, nach welchem Verfahren abgestimmt werden würde; die schweigenden Mehr wurde immer als Votum gegen die Mitgliedstaaten interpretiert, weil nur die Ja-Stimmen abgefragt wurden, etc. Die gesamte Sitzung war eigentlich ein Skandal, ein Tiefpunkt der besonderen Art, jedenfalls kein gutes Zeichen für Kommendes – wenn es etwa darum gehen soll, der Kommission im Rahmen eines zukünftigen Fiskalpaktes mehr Kompetenzen zu übertragen.
Wir sind dabei, beim Aufbau eines integrierten Europas die Menschen endgültig zu verlieren. Weil die marktradikalen Ideologen am Werk sind. Weil Mindeststandards an demokratischen Verfahren nicht eingehalten werden. Weil die Technokraten und Ökonomen in Brüssel und andern Ortes hinter vorgehaltener Hand ohnehin der Meinung sind, dass es ein Ende haben müsste mit den ineffizienten demokratischen Verfahren der nationalen Parlamente und Parteien. Alles Zeichen an der Wand, die nichts Gutes verheißen für die Zukunft dieser Europäischen Union, ja eigentlich auf ihren Verfall hinweisen.
30. Mai: Die EU in der Krise
Die EU in der Krise: Zwischen autoritärem Etatismus und europäischem Frühling
Datum: Mittwoch, 30. Mai, 19 Uhr
Ort: NIG, 2. Stock, Hörsaal 1, Universitätsstraße 7, 1010 Wien
Buchpräsentation und Diskussion mit
Pia Eberhardt (Corporate Europe Observatory, Brüssel): Lobbyismus und europäische Postdemokratie – Einblicke in den EU-Staats-Zivilgesellschaftskomplex
Lukas Oberndorfer (juridikum und Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung): Hegemoniekrise in Europa: Economic Governance und Fiskalpakt – Elemente einer autoritären Wende?
Moderation und Einleitung: Oliver Prausmüller (BEIGEWUM)
Der europäische Integrationsprozess wird durch eine „Vielfachkrise“ erschüttert: Euro-Krise, Staatskrisen, der Legitimationsverlust der EU sowie das Fehlen eines neuen populären europäischen Projektes. Die sozialen Kämpfe gegen eine Abwälzung der Krisenfolgen nach unten und für eine weitgehende Demokratisierung der Gesellschaft eskalieren zunehmend. Der Beitrag der sozialwissenschaftlichen ‚Europaforschung‘ zum kritischen Verständnis dieser Entwicklungen ist marginal. Dazu will der vorliegende Band der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG) und der Forschungsgruppe Staatsprojekt Europa einen Kontrast setzen. Die Beiträge untersuchen aus unterschiedlichen Perspektiven einer kritischen Integrationsforschung Hintergründe und Dynamik der Krise und diskutieren emanzipatorische Strategien für ein anderes Europa. Anlässlich der Buchpräsentation stellen Pia Eberhardt und Lukas Oberndorfer ihre Beiträge zum jüngst erschienen Sammelband der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung vor und diskutieren die jüngsten Entwicklungen der europäischen Krise.
VeranstalterInnen:
Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, BEIGEWUM, ChickLit – feministische Buchhandlung, Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien und juridikum (zeitschrift für kritik|recht|gesellschaft)
Weitere Infos:
www.staatsprojekt-europa.eu
www.facebook.com/staatsprojekteuropa
29. Mai: Frankreich nach der Wahl
FRANKREICH NACH DER WAHL: Bilanz für Sarkozy. Mit Hollande für ein anderes Europa?
Dienstag, 29. Mai 2012, 18.30 Uhr
Ort: Republikanischer Club, Rockhg. 1, 1010 Wien
Rudolf WALTHER (Publizist aus Frankfurt/M., u.a. Der Standard, Die Zeit, die tageszeitung, Der Freitag)
Moderation: Gianluca WALLISCH (Redakteur Außenpolitik, Der Standard)
Begrüßung: Ulrich BRAND (Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien)
Nach den jüngsten Wahlen in Frankreich wird vielfach von einem wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel in Europa gesprochen. Wie sieht die Bilanz des scheidenden Präsidenten Nicolas Sarkozy aus? Was hat er erreicht, wo liegen Probleme? Beim neuen Amtsinhaber François Hollande stellt sich die Frage nach seiner Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik und jene nach den Chancen der Umsetzbarkeit seiner programmatischen Erklärungen.
Eine Veranstaltung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien in Kooperation u.a. mit dem BEIGEWUM, „Der Standard“, Grüne Bildungswerkstatt und dem Republikanischen Club – Neues Österreich.
23.5.12: Südeuropa: Wege aus der Krise?
„Südeuropa: Wege aus der Krise? „
Ökonomische Perspektiven in Griechenland und Spanien im Zeichen der Schuldenkrise
Datum: Mittwoch, 23.Mai 2012 um 19h30
Ort: Alois Wagner Saal im C3-Centrum für int. Entwicklung, Senseng. 3, 1090 Wien
Diskussion mit
Lena Tsipouri (Prof. In Finanzwissenschaft, Uni Athen)
Georg Feigl (Ref. für öff. Haushalte in der AK Wien; BEIGEWUM)
Moderation: Wolfgang Polt (POLICIES – Joanneum Research)
Eine Veranstaltung des Beirat für gesellschafts‑, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (BEIGEWUM) in Kooperation mit der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE)
11. Mai: Aktionskonferenz „Eure Schulden, unsere Demokratie“
Freitag 11. Mai 2012, 9.00 – 18.00 Uhr:
Aktionskonferenz „Eure Schulden, unsere Demokratie“
in Kooperation mit der Allianz „Wege aus der Krise“, dem Renner-Institut und der Grünen Bildungswerkstatt
Ort: ÖGB — Catamaran, Johann-Böhm-Platz 1, Wien
Alternativen zur Krisenverschärfungspolitik diskutieren u.a.: Hans Jürgen Urban (IG Metall), Fréderic Lemaire (Attac France/Collectif pour un audit de la dette public), Markus Marterbauer (AK Wien), Karin Küblböck (Attac);
Das Sparpaket in Österreich ist geschnürt und wurde Ende März verabschiedet. Das ist jedoch erst der Anfang: die Regierungschefs von 25 EU Länder haben den europäischen Fiskalpakt unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, gemeinsam in ihren Ländern gesetzlich verankerte Schuldenbremsen einzuführen und die Überwachung der nationalen Budgets in die Hände der EU Kommission und des europäischen Gerichtshofes zu legen. Denn es wird behauptet, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt und der überbordende Sozialstaat sei die Ursache für die aktuelle Staatsschuldenkrise.
Aber wer hat diese Schulden wirklich verursacht? Was bedeutet letztlich der europäische Fiskalpakt? Wird damit wirklich die Staatsschuldenkrise in Österreich und Europa bewältigt? Warum wird soviel Macht und Einfluss an nicht demokratisch legitimierte europäische Institutionen abgetreten? Welche Widerstandsstrategien gegen diese Krisenlösungen gibt es in anderen Ländern und auf europäischer Ebene?
Diesen und weiteren Fragen wollen wir nachgehen und Handlungsstrategien gegen die aktuellen Krisenlösungen und für andere Antworten in Österreich entwickeln.
Anmeldung und weiterführende Infos hier.
Lesetip: Rothschilds „Visionen großer Ökonomen“
Soeben ist die 2.Auflage von Kurt W. Rothschild „Die politischen Visionen großer Ökonomen“ erschienen. Das Buch ist eine erstklassige Einführung in die Geschichte der Nationalökonomie. Die 1.Auflage (2004) ist seit Jahren vergriffen. Erhältlich ist das Produkt in jeder gut sortierten Buchhandlung, beim Verlag sowie für StudentInnen zum Subskriptionspreis am Sekretariat des Institut für Geld- und Finanzpolitik an der WU.
Eine Rezension der 1.Auflage findet sich hier.
Retrospektive: Quo vadis, Ungarn? (18.03.)
Am 18.03. fand im Republikanischen Club die Podiumsdiskussions-Veranstaltung „Quo vadis, Ungarn?“ statt. Bei der vom Beigewum, dem Renner-Institut und dem Republikanischen Club gemeinsam organisierten Veranstaltung diskutierten István Grajczjar und Susan Zimmermann mit Julia Hofmann. István Grajczjar konzentrierte sich in seinem Beitrag auf die historische Entwicklung des Rechtsextremismus in Ungarn und versuchte zu erklären, warum Orbán so viel Zusprache aus der Bevölkerung bekommt. Susan Zimmermann thematisierte die Probleme von EU-Interventionen in Ungarn, da diese zur Perpetuierung der Machtverhältnisse zwischen Zentren und Peripherien führen können. Durch die große Teilnahme an der Veranstaltung war auch die anschließende Publikumsdiskussion sehr lebhaft und spannend.
18.4.: Sparen: Austeritätspolitik im neuen Schuldenzeitalter?
Mittwoch, 18. April 2012, 18.30 im Republikanischer Club (Rockhg.1, 1010 Wien):
SPAREN, SPAREN, SPAREN. AUSTERITÄTSPOLITIK IM NEUEN SCHULDENZEITALTER?
Diskussion und Kurswechsel-Heftpräsentation mit:
Wolfgang EDELMÜLLER und Georg FEIGL, Moderation: Maria MALTSCHNIG (BEIGEWUM)
Die europäische Schuldenkrise beherrscht die wirtschaftspolitischen Debatten. Obwohl die gestiegene Staatsverschuldung im Euroraum eine Folge der 2007 ausgebrochenen Finanz- und Wirtschaftskrise ist, wird sie fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt staatlicher Überschuldungspolitik verhandelt. Was beinhalten die Konsolidierungspakete in Europa? Welche ökonomischen, sozialen, geschlechter- und demokratiepolitischen Auswirkungen haben diese Politiken? Sind sie ökonomisch und politisch tragfähig? Welche Alternativen sind möglich im Sinne einer keynesianischen Budget- und Wirtschaftspolitik? Welche offensiven/emanzipatorischen Antworten zur Finanz- und Staatsschuldenkrise sind notwendig?
Spanien als Musterbeispiel für scheiternde europäische Austeritätspolitik
Trotz – bzw. gerade wegen – mehrerer Sparpakete und Schuldenbremse in der Verfassung findet Spanien keinen Halt. Zusätzlich zur prognostizierten Schrumpfung der Wirtschaft um 1,7 % und weiterhin steigender Arbeitslosigkeit (Stand Februar: 23,6 %; Jugendarbeitslosigkeit 50,5 %) kommt nun ein neuerliches Sparpaket, das die Rezession merklich verschärfen wird. Damit entwickelt sich das budgetpolitisch vor der Krise als vorbildlich geltende Spanien neuerlich zu einem Vorzeige-Mitgliedstaat – diesmal allerdings für eine scheiternde europäische Austeritätspolitik.
Mehrere Faktoren tragen zu diesem Scheitern bei. Der wichtigste ist die Wirtschaftskrise, die aufgrund der nationalen Immobilienkrise deutlich stärker ausfiel und auch nicht so rasch überwunden werden konnte wie zB in Deutschland und Österreich. Die Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten drei Jahren beinahe verdreifacht, wodurch ein immenser Steuerausfall sowie ein hoher Anstieg der Sozialkosten folgten. Gleichzeitig kamen die Banken aufgrund der geplatzten Immobilienblase in besondere Bedrängnis. Der Staat hatte damit besondere Belastungen zu tragen und ein Konjunkturpaket zu finanzieren, um den Absturz zu bremsen. So drehte der Maastricht-Saldo von einem Überschuss von knapp 2 % des BIP 2007 auf ein Rekorddefizit von 11,2 % des BIP 2009.
Ein weiterer Faktor ist die politische Dynamik. Der Plan der sozialdemokratischen Minderheitsregierung Zapatero bestand 2009 aus Optimismus und einem ambitionierten mittelfristigen Konsolidierungsplan, der die EU-Vorgaben – mind. ‑6 %p. in den kommenden vier Jahren – übererfüllen würde. Dieser Plan scheiterte im Frühjahr 2010, als in Folge der Griechenland-Panik die Zinsen auf spanische Staatsanleihen in ungeahnte Höhen schossen, die negative Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung weiter ging und gleichzeitig auf Europäischer Ebene klargestellt wurde, dass es keine wesentliche Hilfe zu erwarten gab. Ein hartes Not-Sparprogramm sollte sicherstellen, dass die europäische Konsolidierungsvorgabe von durchschnittlich 1,5 %p. des BIP pro Jahr bereits 2010 und 2011 erfüllt werden – trotz prognostizierter Rezession 2010.
Gefangen in der Spirale nach unten
2010 wurden die Ziele auch weitgehend erfüllt, allerdings nicht 2011: Statt den angestrebten 6 % erreichte das Defizit 8,5 % des BIP. Schuld war allerdings nicht die alte, Ende November abgewählte Zentralregierung. Die hatte ihr Sparprogramm trotz deutlich schlechterer Beschäftigungs- und damit Budgetentwicklung durchgezogen. Mit einem Defizit von 5,1 statt 4,8 % des BIP verfehlte sie ihr Ziel nur knapp (bzw. 5,2 statt 4,4 %p. inklusive Sozialversicherung). Der überwiegende Teil der Defizit-Verfehlung ging auf die Konten der fast ausschließlich konservativ regierten Bundesländer (die aber ebenfalls erhebliche Sparanstrengungen unternahmen). Bezeichnend für den eisernen Sparwillen war eine Meldung in ElPaís Anfang Oktober, wonach der öffentliche Sektor in einigen Monaten bereits einen größeren Beitrag zum Zuwachs zur Arbeitslosigkeit lieferte als der private.
Wie auch immer, mit diesem hohen Defizit-Startwert und der sich verschärfenden Rezession (statt dem Ende 2010 prognostizierten Wachstum von 1,7 % wird nun mit minus 1 bis 2 % gerechnet) wurde klar, dass 2012 weder das ursprüngliche Defizitziel von 5,3 % des BIP vom Juni 2010 noch das bis Jahresende 2011 aufrecht erhaltene ambitionierte Ziel von 4,4 % des BIP erreicht werden können. Daran wird auch der eben erst beschlossene radikale Abbau der Arbeitsmarktstandards (bei Umsatzrückgang dürfen ArbeitgeberInnen Arbeitsverträge verschlechtern, leichtere Kündigung auch langjährig Beschäftigter, etc.), der gemäß OECD, EU-Kommission und spanischer Regierung Beschäftigung schaffen soll, nichts ändern.
Europäische Wirtschaftspolitik versagt
An dieser Stelle kommt der Faktor „Versagen der europäischen Wirtschaftspolitik“ zu tragen. Am spanischen Beispiel offenbarte sich die Absurdität der Economic-Governance/Six-Pack/Fiskalpakt-Debatte: Obwohl es eine Konjunkturklausel gibt, die eine Streckung des Konsolidierungspfades problemlos erlauben würde, und obwohl selbst die verschärften Sparvorgaben hinsichtlich des mittelfristigen strukturellen Defizits wie auch schon vor der Krise eingehalten werden, wird beides ignoriert und weiterhin an der dümmsten aller Vorgaben – nämlich dem von der Konjunkturentwicklung maßgeblich bestimmten Maastricht-Defizit – festgehalten. Der Rat der FinanzministerInnen kam der spanischen Regierung nur insofern entgegen, als dass nun wieder die alte Prognose für den Defizitpfad mit 5,3 % des BIP 2012 (neben den unveränderten 3 % im Jahr 2013) als verpflichtender Zielwert gilt. Detail am Rande: gemäß ElPaís übte sich eine kleine Gruppe von HardlinerInnen – darunter natürlich auch die österreichische Vertreterin – in völliger Realitätsverweigerung mit der Forderung Spanien müsse am Defizit-Ziel von 4,4 % des BIP festhalten.
Mit diesem Beschluss haben die europäischen FinanzministerInnen eines klar zum Ausdruck gebracht: Es ist ihnen ernst mit der in der Reform der Economic Governance angelegten und mit dem Fiskalpakt vollendeten Verunmöglichung einer ausgewogenen Wirtschaftspolitik. Immerwährende Austeritätspolitik plus Wettbewerbsfähigkeit stehen über Wohlstand, dessen Verteilung, niedrige Arbeitslosigkeit oder ökologische Nachhaltigkeit. Die spanische Regierung bemüht sich trotzdem diesbezüglich Musterschülerin zu bleiben: Statt Programme gegen die grassierende Arbeitslosigkeit, Armut oder für leistbare Wohnungen (seit 2008 wurden bereits etwa 1 % der Haushalte delogiert; selbst Erwachsene müssen vielfach bei ihren Eltern wohnen) wurde vergangenen Freitag das bereits zweite Sparpaket in nur 100 Tagen präsentiert. Die Konsolidierung der Zentralregierung soll 27,3 Mrd Euro (über 2,5 % des BIP) betragen. Hinzu kommt eine Vereinbarung mit Länder und Gemeinden, wonach diese ihr Defizit 2012 um 1,7 % des BIP senken müssen (wobei ein unbestimmter Teil davon bereits in den 2,5 % aus dem Zentralregierungspaket enthalten sein dürfte).
Scheitern vorprogrammiert
Dieser Plan wird allerdings nicht genügen um das Defizit tatsächlich ausreichend zu senken, da die negativen Rückkoppelungseffekte auf Wachstum und Beschäftigung nicht eingerechnet zu sein scheinen. Die Kürzungen in den Ministerien von durchschnittlich 17 % werden jedoch sehr deutliche Auswirkungen haben – vor allem da bei Investitionen oder aktiver Arbeitsmarktpolitik überproportional gespart wird. Damit wird die Jugendarbeitslosigkeit wohl noch länger über 50 % bleiben und die soziale Krise verschärfen.
Interessant ist die Reaktion auf europäischer Ebene: das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied forderte gemäß ElPaís, dass das Konsolidierungspaket per Notstandsgesetzgebung beschlossen werden sollte um eine schnellstmögliche Umsetzung sicherzustellen. Was das alles mit glaubwürdiger Budgetpolitik oder einer Überwindung der Krise in der Eurozone zu tun hat, so wie auf europäischer Ebene mehrfach fantasiert wurde, bleibt ein offenes Rätsel. Es würde im Gegenteil nicht überraschen, wenn damit die wirtschaftliche Situation in der Eurozone neuerlich belastet würde – mit all den negativen Konsequenzen für alle Mitgliedstaaten. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass der Kurs in der Eurozone wie in Spanien selbst unverändert bleibt und auch in den nächsten 100 Tagen Amtszeit der neuen spanischen Regierung ein weiteres Sparpaket verabschiedet wird um die europäischen Vorgaben einzuhalten. Schließlich geht es ja um die Glaubwürdigkeit der europäischen Austeritätspolitik …