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Video zur Diskussion „Die Krise der Eurozone – Welche progressiven Antworten braucht es?“ (15.9.)

23. September 2011 – 14:01 Uhr

mit

Mari­ca Franga­kis, Nicos Pou­lant­zas Insti­tut, Athen

Miren Etxe­zar­reta, Uni­ver­si­dad Autó­noma, Barcelona

Domi­ni­que Pli­hon, Uni­ver­sité Paris Nord, Paris

Tre­vor Evans, Hoch­schule für Wirt­schaft und Recht, Berlin

Mode­ra­tion: Wer­ner RazaÖFSE

zur Video­auf­zeich­nung

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Vorwärts in die Vergangenheit

8. September 2011 – 23:12 Uhr

Immer­hin – es wird wie­der über eine stär­ke­re Betei­li­gung der Rei­chen an der Finan­zie­rung staat­li­cher Auf­ga­ben gespro­chen. Nicht zuletzt, weil eini­ge der „Super­rei­chen“ eine höhe­re Besteue­rung ein­ge­for­dert haben, aller­dings in der Regel mit dem Zusatz: Zum Abbau der Staats­schul­den. Sie wol­len also selbst bestim­men, wofür sie Steu­ern zah­len. Den­noch: In Deutsch­land hat die SPD  ein Kon­zept beschlos­sen, dass eine Anhe­bung des Spit­zen­steu­er­sat­zes der Ein­kom­men­steu­er auf 49% vor­sieht – nach­dem die Schrö­der-SPD die­sen von 53% auf 42% gesenkt hat­te. Und die SPÖ dis­ku­tiert end­lich über die Ein­füh­rung einer Ver­mö­gen­steu­er. Bis­her ist nicht abseh­bar, was davon wirk­lich wie umge­setzt wird – und schon die Plä­ne sind unge­nü­gend. Ange­sichts der immer wei­ter auf­ge­hen­den Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­sche­re und der zuneh­men­den Unfä­hig­keit des Staa­tes, sei­nen Auf­ga­ben finan­zi­ell nach­zu­kom­men,  ist es aus sozia­len, öko­no­mi­schen und aus Grün­den der Fair­ness zwin­gend gebo­ten, end­lich zu han­deln – und zwar nicht nach dem Prin­zip „Sup­pen­kü­che“.

Politik statt Appelle

Eine zen­tra­le Errun­gen­schaft in Öster­reich und in ande­ren Staa­ten ist die Tat­sa­che, dass Men­schen ein gewis­ses Maß an öffent­li­chen Leis­tun­gen zusteht. Ein Schul­be­such muss nicht erbet­telt wer­den, und eine Min­dest­si­che­rung im Fall von Arbeits­lo­sig­keit ist – wenn auch auf zu gerin­gem Niveau – gewähr­leis­tet. Dane­ben garan­tiert der Staat auch wei­te­re Leis­tun­gen. Um die­se zu finan­zie­ren erhebt er  Steu­ern. Demo­kra­tisch gewähl­te Par­la­men­te  ent­schei­den ers­tens über die Höhe der Steu­ern und zwei­tens über die Ver­wen­dung der Ein­nah­men. Die­se Errun­gen­schaft wird jetzt ange­grif­fen: Die Rei­chen sol­len ja mehr bezah­len – aber frei­wil­lig bit­te­schön. „Der sprin­gen­de Punk­te“, schreibt Ger­hard Krat­ky im Stan­dard (7. Sep­tem­ber 2011, S. 34) „besteht dar­in, dort einen Bei­trag zu leis­ten, wo man es für sinn­voll hält.“ Das Pri­vi­leg, nicht in „den moloch­ar­ti­gen und reformres­sis­ten­ten Steu­er­topf“ ein­zu­zah­len sieht Krat­ky bei den Rei­chen. Was aber heißt das? Steu­er­fi­nan­zier­te Sozi­al­leis­tun­gen nur, wenn es denn Her­ren und Damen der High Socie­ty genehm ist? Nicht der Staat soll ent­schei­den, wel­che Aus­ga­ben gesell­schaft­lich wün­schens­wert und daher durch die All­ge­mein­heit zu finan­zie­ren sind, son­dern die Rei­chen? Nicht mehr die Poli­tik ent­schei­det, wie hoch der Bei­trag zur Finan­zie­rung öffent­li­cher Auf­ga­ben für den Ein­zel­nen aus­fällt, son­dern die Her­ren und Damen mit Zweit­wohn­sit­zen in Monaco?
Kaum jemand hat so von den „Refor­men“ der ver­gan­ge­nen Jah­re pro­fi­tiert wie die Rei­chen – man den­ke an die Stif­tungs­be­steue­rung, die Unter­neh­mens­be­steue­rung, die (feh­len­de) Ver­mö­gen­steu­er und die Abschaf­fung der Erb­schaft­steu­er.  Auch das hat dazu bei­getra­gen, dass die Ver­tei­lung immer unglei­cher wur­de und wird. Ein Staat, der sei­ne Wür­de behal­ten will, kann den Umfang öffent­li­cher Auf­ga­ben aber nicht nach dem Sup­pen­kü­chen­prin­zip betrei­ben – es gibt nur was, wenn gespen­det wur­de – son­dern muss die Fra­ge der Ver­tei­lung, der öko­no­mi­schen Funk­ti­ons­fä­hig­keit und der Sozi­al­po­li­tik aktiv betrei­ben. Und zur Finan­zie­rung die­ser Auf­ga­ben müs­sen end­lich auch die Rei­chen wie­der stär­ker her­an­ge­zo­gen wer­den – mit dem Zwang der „Steu­er­keu­le“  (Krat­ky) und nicht über mora­li­sche Appel­le. Nicht Vor­wärts in die Ver­gan­gen­heit, in der Armen­spei­sun­gen eben kein Recht, son­dern eine Gna­de waren. Son­dern vor­wärts in die Zukunft mit einer Stär­kung der Men­schen­wür­de – mit Rech­ten und Pflichten.

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Syntagma, Puerta del Sol, Tottenham – Autoritäre Wende und Gespenster des Politischen in Europa

29. August 2011 – 19:56 Uhr
Der Syn­tag­ma-Platz in Athen, die Puer­ta del Sol in Madrid und der Stadt­teil Tot­ten­ham in Lon­don ste­hen emble­ma­tisch für eine Renais­sance der Kämp­fe in Euro­pa. Beset­zung, Pro­test, Auf­stand – die Gespens­ter des Poli­ti­schen schei­nen erneut die euro­päi­sche Büh­ne betre­ten zu haben. Die Hege­mo­nie des Neo­li­be­ra­lis­mus ist brü­chig gewor­den. Das bedeu­tet nicht, dass die Herr­schaft neo­li­be­ra­ler Poli­tik durch­bro­chen ist – nichts beweist ihre Domi­nanz anschau­li­cher als die euro­pa­wei­ten Aus­teri­täts- und Spar­pro­gram­me – son­dern, dass ihre Durch­set­zung immer weni­ger auf den Kon­sens der Men­schen trifft. Dass die Pra­xen zur Auf­recht­erhal­tung der Macht­ver­hält­nis­se neu zusam­men­ge­setzt wer­den, ist nicht nur den Bil­dern der Auf­stands­be­kämp­fung zu ent­neh­men. So mein­te der bri­ti­sche Pre­mier David Came­ron im Anschluss an die Vor­fäl­le in Lon­don: „Wir brau­chen einen Gegen­schlag (…) Was auch immer die Poli­zei für nötig hält, wird ihr vom Gesetz­ge­ber auch zur Ver­fü­gung gestellt.“ Die hege­mo­nia­le Pha­se des Neo­li­be­ra­lis­mus scheint nun auch im impe­ria­len Zen­trum zu Ende zu gehen (Anschau­lich wird dies am bür­ger­li­chen Selbst­zwei­fel mit dem Neo­li­be­ra­lis­mus auf das fal­sche Pferd gesetzt zu haben). Zu sei­ner Auf­recht­erhal­tung soll Zwang die weg­bre­chen­de Zustim­mung ersetzen.

 

Auto­ri­tä­res Wirtschaftsrecht

Die­ser Umstand lässt sich nicht nur an den Gewalt­mit­teln able­sen, die in den Städ­ten gegen Men­schen zum Ein­satz kamen, son­dern auch an Maß­nah­men auf höhe­rer Maß­stabs­ebe­ne. Zwar schmie­det das euro­päi­sche Staats­ap­pa­ra­te- und Medi­en­en­sem­ble an einer alter­na­ti­ven Erzäh­lung, die aufs Neue den All­tags­ver­stand erobern soll: Die mul­ti­ple Kri­se des neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus wird als eine der Staats­schul­den und der man­geln­den Wett­be­werbs­fä­hig­keit rein­ter­pre­tiert . Doch für den Fall, dass das reak­tua­li­sier­te Nar­ra­tiv nicht greift, ist in den letz­ten Mona­ten eine beacht­li­che Appa­ra­tur an Zwangs­maß­nah­men im Feld des euro­päi­schen Wirt­schafts­rechts in Stel­lung gebracht wor­den. Mit­tels der als Ret­tungs­schirm bekannt gewor­de­nen Euro­pean Finan­cial Sta­bi­li­ty Faci­li­ty (EFSF) stel­len die euro­päi­schen Regie­run­gen jenen Län­dern, deren Re-Finan­zie­rungs­kos­ten durch Kri­se und koor­di­nier­te Spe­ku­la­ti­on explo­diert sind, Kre­di­te zur Ver­fü­gung. Die­se sind jedoch an eine „strik­te Kon­di­tio­na­li­tät“ gebun­den. Nur gegen Umset­zung der mitt­ler­wei­le all­ge­gen­wär­ti­gen Struk­tur­an­pas­sungs­pro­gram­me wer­den die ent­spre­chen­den Geld­mit­tel zu Ver­fü­gung gestellt. Nicht die gern bemüh­te euro­päi­sche Soli­da­ri­tät treibt die Geber­län­der dazu an. Viel­mehr sol­len die Kre­di­te garan­tie­ren, dass alte Schul­den bezahlt wer­den – bei Ban­ken der euro­päi­schen Export­welt­meis­ter und Mit­ver­ur­sa­chern der Kri­se (vor allem Deutsch­land und Öster­reich). Allein die deut­schen Ban­ken hal­ten grie­chi­sche Staats­an­lei­hen in der Höhe von mehr als 15 Mil­li­ar­den Euro. Wäh­rend sich die „auf­ge­klär­te“ Zivil­ge­sell­schaft und ihre Intel­lek­tu­el­len noch am Euro-Plus-Pakt abar­bei­ten, ein The­sen­pa­pier aller euro­päi­schen Staats- und Regie­rungs­chefs zur För­de­rung der „euro­päi­schen Wett­be­werbs­fä­hig­keit“, hat sich im Code der euro­päi­schen Rechts­form, ein beacht­li­ches Paket (Eco­no­mic Gover­nan­ce) zur Ver­schär­fung des neo­li­be­ra­len Kon­sti­tu­tio­na­lis­mus zusam­men­ge­schnürt. Mit dem als „Six­pack“ bezeich­ne­ten Bün­del aus fünf Ver­ord­nun­gen und einer Richt­li­nie möch­te die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on im Bünd­nis mit den Staats- und Regie­rungs­chefs ers­tens den 1997 beschlos­sen Sta­bi­li­täts- und Wachs­tums­pakt radi­ka­li­sie­ren, zwei­tens durch ein Ver­fah­ren zur „Ver­mei­dung und Kor­rek­tur makro­öko­no­mi­scher Ungleich­ge­wich­te“ ergän­zen und drit­tens ent­spre­chen­de Sank­tio­nen ver­schär­fen bezie­hungs­wei­se ein­füh­ren. Dar­über hin­aus wird die Rol­le der Kom­mis­si­on in den ent­spre­chen­den Ver­fah­ren mas­siv auf­ge­wer­tet: In Zukunft soll die Brüs­se­ler Exe­ku­ti­ve Ent­schei­dun­gen, ins­be­son­de­re auch die Ver­hän­gung von Sank­tio­nen, de fac­to allei­ne tref­fen („Rever­se Majo­ri­ty Rule“).


Hege­mo­nie und Rechtsform

Dass die euro­päi­sche Inte­gra­ti­ons­wei­se durch den Ein­bau von auto­ri­tä­ren Regie­rungs­tech­no­lo­gien von ihrem hege­mo­nia­len Pfad abkommt, lässt sich auch anhand der Art und Wei­se zei­gen, wie die neu­en Maß­nah­men ein­ge­führt wer­den sol­len. Die­se ver­stößt näm­lich gegen zen­tra­le Kate­go­rien der euro­päi­schen Rechts­form. Unter bür­ger­lich demo­kra­ti­schen Betriebs­tem­pe­ra­tu­ren wer­den gesell­schaft­li­che Kräf­te­ver­hält­nis­se in den Ver­fah­ren der Rechts­form in juris­ti­sche über­setzt und hege­mo­ni­al ein­ge­bun­den. Die juri­di­schen Intel­lek­tu­el­len, etwa des Euro­päi­schen Gerichts­hofs, wer­den so zu Organisator_​innen eines fein­glied­ri­gen rechts­för­mi­gen Kon­sen­ses, der auf­ein­an­der­tref­fen­de Inter­es­sen in Form von Durch­brü­chen und dar­auf fol­gen­de Zuge­ständ­nis­se in einem lang­wie­ri­gen Pro­zess zu einem hege­mo­nia­len Pro­jekt zusam­men­fügt. Eine der zen­tra­len Cha­rak­te­ris­ti­ka der Rechts­form ist daher, dass sie Hege­mo­nie durch die Beach­tung von Ver­fah­ren her­stellt. Genau dies ist bei den „Geset­zen“, mit denen die euro­päi­schen Regie­run­gen den neo­li­be­ra­len Kon­sti­tu­tio­na­lis­mus ver­schär­fen wol­len, nicht der Fall. So ver­stößt das „Eco­no­mic Gover­nan­ce Paket“ gegen die euro­päi­schen Ver­trä­ge, da die Kom­pe­tenz­grund­la­ge auf wel­che die Kom­mis­si­on ihre Vor­schlä­ge gestützt hat, weder die neu­en Sank­tio­nen noch die Rever­se Majo­ri­ty Rule vor­se­hen. Wäh­rend der Ver­trag von Maas­tricht Anfang der 1990er noch leicht die Mehr­hei­ten für eine Wirt­schafts- und Wäh­rungs­uni­on errei­chen konn­te, die er auf die Ein­hal­tung der Grund­sät­ze „sta­bi­le Prei­se, gesun­de öffent­li­che Finan­zen und mone­tä­re Rah­men­be­din­gun­gen sowie eine dau­er­haft finan­zier­ba­re Zah­lungs­bi­lanz“ (Art. 119 Abs. 3 AEUV) fest­leg­te, ist die neo­li­be­ra­le Hege­mo­nie heu­te brü­chig: Für eine ent­spre­chen­de Ver­trags­än­de­rung sind die Mehr­hei­ten nicht gesi­chert – daher wird sie umgangen.


Gespens­ter des Politischen

Die Neu­zu­sam­men­set­zung der Pra­xen zur Auf­recht­erhal­tung der Macht­ver­hält­nis­se hat durch die Dyna­mik der Kri­se und die Renais­sance der Kämp­fe an Geschwin­dig­keit gewon­nen. Der Umstand, dass die auto­ri­tä­re Wen­de des neo­li­be­ra­len Pro­jek­tes auch auf dem euro­päi­schen Ter­rain und unter Ein­satz von rechts­för­mi­gen Attrap­pen voll­zo­gen wird, for­dert die Gespens­ter des Poli­ti­schen her­aus. Wol­len die Bewe­gun­gen nicht Gefahr lau­fen, dass sich natio­na­lis­ti­sche Kräf­te in sie ein­schrei­ben und dadurch ihr Ein­bau in eine auto­ri­tä­re Wett­be­werbs­staat­lich­keit erleich­tert wird, brau­chen sie auch ein trans­na­tio­na­les Pro­gramm der Trans­for­ma­ti­on. Die drei zen­tra­len Pro­jek­te des Neo­li­be­ra­lis­mus soll­ten dabei im Fokus ste­hen: Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung, Um-Ver­tei­lung und Kon­sti­tu­tio­na­li­sie­rung eines unbe­schränk­ten Eigen­tums­rechts. Ein Bruch mit der ver­fas­sungs­recht­li­chen Immu­ni­sie­rung der Poli­tik des abso­lu­ten Eigen­tums hät­te die Strei­chung der Grund­sät­ze (sie­he oben) und Ziel­re­gime (Maas­tricht-Kri­te­ri­en; Indi­ka­to­ren der Eco­no­mic Gover­nan­ce) der Wirt­schafts- und Wäh­rungs­uni­on zur Vor­aus­set­zung. Die soge­nann­ten Markt­frei­hei­ten (für Waren, Dienst­leis­tun­gen, Kapi­tal und Arbeit) müss­ten von einem Sys­tem, das ihre Beschrän­kung ver­bie­tet, zu Ansprü­chen gegen Dis­kri­mi­nie­rung umge­baut wer­den. Die Neu­erfin­dung des Öffent­li­chen durch eine gesell­schaft­lich ver­wal­te­te­te „Infra­struk­tur des guten Lebens aller“, soll­te von allen Blo­cka­den des Wirt­schafts­rechts (ins­be­son­de­re des Ver­ga­be- und Bei­hil­fen­rechts) befreit wer­den. Die durch den Steu­er­wett­be­werb in Euro­pa befeu­er­te Umver­tei­lung, die etwa dazu geführt hat, dass Unter­neh­men im Schnitt weni­ger als 10% Steu­ern zah­len, gilt es durch ein­heit­li­che Steu­ern für Finanz­märk­te (Finanz­trans­ak­ti­ons­steu­er, Ban­ken­ab­ga­be etc), Unter­neh­men (Kör­per­schafts­steu­er) und Ver­mö­gen (Kapi­tal­ertrag­steu­er) zu been­den. Allein die Hebung der euro­päi­schen Demo­kra­tie auf bür­ger­li­ches Niveau (eine umfas­sen­de euro­päi­sche Legis­la­ti­ve bestimmt eine ent­spre­chen­de Exe­ku­ti­ve und kann eine Ände­rung „der Ver­fas­sung“ beschlie­ßen) hät­te den Effekt, dass die Kon­sti­tu­ti­on der Men­schen zum Wettbewerbs-„Volk als Nati­on“ („wir Deut­sche“) durch natio­nal­staat­li­che Politiker_​innen erschwert wäre und sich gleich­zei­tig ein trans­na­tio­na­ler Reso­nanz­raum für wei­ter­ge­hen­de For­de­run­gen der Bewe­gun­gen kon­sti­tu­ie­ren wür­de. Syn­tag­ma, Puer­ta del Sol, Tot­ten­ham haben das Poli­ti­sche zurück auf die Plät­ze und Vier­tel der Städ­te gebracht – nach Pra­xen und Trans­for­ma­ti­ons­per­spek­ti­ven zum Spuk auf euro­päi­scher Maß­stabs­ebe­ne muss noch gesucht werden.


Die­ser Ein­trag ist die leicht geän­der­te Fas­sung eines gleich­na­mi­gen Bei­tra­ges, der in der Nr. 11 des Pra­ger Früh­lings erscheint. 


Autor_​inneninfo: Lukas Obern­dor­fer arbei­tet zu einer kri­ti­schen Theo­rie & Empi­rie der euro­päi­schen Inte­gra­ti­on und des Euro­pa­rechts. Er ist  Redak­ti­ons­mit­glied des juri­di­kum (zeit­schrift für kritik|recht|gesellschaft) und Kura­to­ri­ums­mit­glied des Insti­tut Soli­da­ri­sche Moder­ne.      

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Imagewandel für Grasser

20. August 2011 – 7:55 Uhr

Ex-Finanz­mi­nis­ter Gras­sers Lebens­freu­de ist seit gerau­mer Zeit beein­träch­tigt: Sei­ne Tele­fonsamm­lung wird abge­hört, sei­ne hilf­rei­che Kof­fer­trä­ge­rei öffent­lich ver­un­glimpft, und sei­ne Bade­fo­tos müs­sen auf den Titel­blät­tern mit Nega­tiv­schlag­zei­len kon­kur­rie­ren. Gibt es denn gar kein Ent­kom­men aus dem Tief?


Viel­leicht doch – Vor­bil­der jen­seits der Gren­ze zei­gen vor, wie es gehen könn­te: In den USA hat Mil­li­ar­där War­ren Buf­fet in einem offe­nen Brief die Regie­rung auf­ge­for­dert, ihn und sei­nes­glei­chen höher zu besteu­ern. Kurz dar­auf folg­ten die fran­zö­si­schen Mil­lio­nä­re Pierre Ber­ge und Mau­rice Levy in der glei­chen Stoß­rich­tung für Frank­reich. Rei­che, die eine höhe­re Besteue­rung for­dern – so etwas gab es in Öster­reich  – von einer weit­ge­hend erfolg­lo­sen klei­nen Initia­ti­ve der Grü­nen abge­se­hen – bis­lang nicht.


Welch eine idea­le Vor­la­ge für den Selbst­mar­ke­ting-ver­sier­ten Gras­ser: Eine Insze­nie­rung als reui­ger Sün­der, inklu­si­ve Sei­ten­bli­cke-beglei­te­ter kol­lek­ti­ver Pil­ger­fahrt mit all sei­nen Bekann­ten nach Liech­ten­stein, Rück­kehr bar­fuß über die Gren­ze, in jeder Hand einen dicken Geld­kof­fer, dann per Bahn nach Wien und das glei­che noch mal von den hie­si­gen Ban­ken in Rich­tung Finanz­amt. Dort dann eine Rede, die die Nati­on und vor allem die Socie­ty-Sze­ne bewegt. „Ich bereue, wider­ru­fe und for­de­re: Über­fluss besteu­ern!“ Ein kirch­li­cher Wür­den­trä­ger erteilt die Abso­lu­ti­on, Trä­nen flie­ßen. Vor­hang. Der Coup sei­nes Lebens! Das wär doch was!

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Argumente in der (Staatsschulden-)Krise

20. Juni 2011 – 16:47 Uhr

Der „Ret­tungs­schirm“ für Grie­chen­land und ande­re Euro­län­der mit Refi­nan­zie­rungs­pro­ble­men erhitzt sozi­al­dar­wi­nis­ti­sche Gemü­ter. Im Grun­de wer­den mit dem Geld Export­märk­te und Schuld­ner der Ban­ken im Kern Euro­pas sta­bi­li­siert. Die Spar­auf­la­gen, mit denen die Über­brü­ckungs­kre­di­te ver­se­hen wur­den, sind makro­öko­no­misch und sozi­al desas­trös. Durch die popu­lis­ti­sche Wel­le, die selbst die­sen eigen­in­ter­es­sier­ten Sta­bi­li­sie­rungs­ver­su­chen ent­ge­gen­schwappt, wer­den sol­che Fra­gen jedoch über­schwemmt, und eine Dis­kus­si­on um Alter­na­ti­ven (Mar­shall Plan für Grie­chen­land, Euro­bonds, inter­na­tio­na­le Rege­lung für geord­ne­te Staa­ten­in­sol­venz, Regu­lie­rung der Finanz­märk­te etc.) erstickt.
Nach jahr­zehn­te­lan­ger sozi­al­dar­wi­nis­ti­scher Rhe­to­rik neo­li­be­ra­ler Eli­ten wird die Gel­tung die­ser Prin­zi­pi­en jetzt von Rechts­ex­tre­men empört ein­ge­for­dert – in einem Moment, wo die wirt­schafts­po­li­ti­schen Eli­ten die Gren­zen der Leis­tungs­fä­hig­keit die­ser Dis­kur­se und der damit ver­bun­de­nen wirt­schafts­po­li­ti­schen Para­dig­men erken­nen müs­sen. Die neo­li­be­ra­le Moral fliegt den Prot­ago­nis­tIn­nen jetzt um die Ohren.
Dem Mus­ter der BEI­GEWUM-Mythen-Rei­he ver­wandt hat die deut­sche Luxem­burg-Stif­tung jetzt ein sehr gutes Argu­men­ta­ri­um her­aus­ge­ge­ben, das „20 belieb­te Irr­tü­mer in der Schul­den­kri­se“ auf­greift und Gegen­ar­gu­men­te präsentiert. 

Hier öster­rei­chi­sche Zah­len zur Ergänzung:

3) „Faul­heit“? In Öster­reich beträgt die durch­schnitt­li­che Jah­res­ar­beits­zeit 1.621 Stun­den pro Beschäf­tig­teR (Grie­chen­land: 2.119 Stunden) 

5) Luxus­ren­ten? Das durch­schnitt­li­che Pen­si­ons­an­tritts­al­ter beträgt 58,9 Jah­re in Öster­reich (Grie­chen­land: über 61,9 Jahre)

9) Man­geln­de Wett­be­werbs­fä­hig­keit? Spie­gel­bild öster­rei­chi­sche Expor­te: Der Außen­han­dels­über­schuss gegen­über Grie­chen­land betrug in den letz­ten Jah­ren rund eine hal­be Mrd. Euro pro Jahr

10) Kor­rup­ti­on: Die Schat­ten­wirt­schaft wird in Öster­reich auf 8% des BIP geschätzt. Grund­sätz­lich sind sol­che Schät­zun­gen sehr umstritten.

13) Gläu­bi­ger­be­tei­li­gung? Öster­rei­chi­sche Ban­ken hal­ten grie­chi­sche Staats­pa­pie­re im Wert rund 3–4 Mrd. Euro.

17) Für Freun­de nicht bür­gen? Der öster­rei­chi­sche Anteil am Ret­tungs­schirm für Grie­chen­land liegt bis­lang bei rund 2,3 Mrd. Euro.
Von den Aus­ga­ben für die Ban­ken­rett­tung in Öster­reich sind bis­lang 1,4 Mrd. uneinbringlich.

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27.6.11: Die andere ö. Schule: Kurt Rothschild (+Video!)

31. Mai 2011 – 12:58 Uhr

Mon­tag, 27. Juni 2011, 19 Uhr, im Repu­bli­ka­ni­schen Club (Rockhg.1, 1010 Wien):

DIE ANDERE ÖSTERREICHISCHE SCHULE:  Kurt ROTHSCHILD


Video­auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung hier.


Prä­sen­ta­ti­on des neu­en Kurs­wech­sel 2/​2011

Kurt Roth­schilds Metho­do­lo­gie: Eli­sa­beth SPRINGLER (FH /​ Bfi Wien),
Kurt Roth­schild und die Finanz­kri­se: Peter MOOSLECHNER (OeNB),
Kurt Roth­schild und Arbeits­lo­sig­keit heu­te: Her­bert WALTHER 
(Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien),
Mode­ra­ti­on: Wil­fried ALTZINGER (Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien)

Kurt W. Roth­schild war zwei­fels­oh­ne der bekann­tes­te Nationalökonom 
Öster­reichs; er ver­fass­te über 300 Arti­kel und schrieb über 25 Bücher. 
Roth­schild ver­starb am 15. Novem­ber 2010 im Alter von 96 Jah­ren. Er 
war uns nicht nur als Öko­nom ein gro­ßes Vor­bild, son­dern auch und vor 
allem als umfas­sen­der Huma­nist in allen Tei­len sei­nes (pri­va­ten wie 
öffent­li­chen) Lebens. Roth­schild muss­te 1938 von Öster­reich nach 
Glas­gow emi­grie­ren und war dort bin­nen kur­zer Zeit in die neue und 
jun­ge Dis­kus­si­on um die keyne­sia­ni­sche Theo­rie invol­viert. Bereits 
1942 ver­öf­fent­lich­te er sei­nen ers­ten Arti­kel im Eco­no­mic Jour­nal, dem 
dama­li­gen zen­tra­len, von John May­nard Keynes editierten 
Publi­ka­ti­ons­or­gan in der Öko­no­mie. Roth­schild kam 1947 nach Wien 
zurück und arbei­te­te für 20 Jah­re am Öster­rei­chi­schen Insti­tut für 
Wirt­schafts­for­schung (WIFO), wel­chem er auch bis zu sei­nem Tode als 
Kon­su­lent zur Ver­fü­gung stand. 1966 erhielt Roth­schild sei­ne Berufung 
an die neu gegrün­de­te Uni­ver­si­tät Linz, wo er und sei­ne KollegInnen 
das neue Stu­di­um der Volks­wirt­schafts­leh­re errich­te­ten. Nach seiner 
Eme­ri­tie­rung im Jah­re 1985 arbei­te­te, schrieb und lehr­te Rothschild 
bis zu sei­nem Tode in Wien sowie an zahl­rei­chen Uni­ver­si­tä­ten im In- 
und Aus­land. Sei­ne Publi­ka­ti­ons­lis­te erwei­ter­te sich auch in dieser 
Zeit unge­bro­chen. Kurt Roth­schild war dem BEIGEWUM als Berater, 
Vor­tra­gen­der und Dis­ku­tant stets eng ver­bun­den, eben­so war er 
unter­stüt­zen­des Mit­glied und belieb­ter Vor­tra­gen­der im 
Repu­bli­ka­ni­schen Club – Neu­es Öster­reich. Der BEIGEWUM gedenkt 
Roth­schild mit einer Kurs­wech­sel-Son­der­num­mer zum The­ma: „Die andere 
öster­rei­chi­sche Schu­le: Kurt Rothschild“.


Heft bestel­len: Hier

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Symposium Neoliberalismus – Krisenfolgen – Machtverhältnisse 2011 17.-19.6.11 in Graz

31. Mai 2011 – 12:57 Uhr

Neo­li­be­ra­lis­mus – Kri­sen­fol­gen – Macht­ver­hält­nis­se 2011
Sym­po­si­um zur Ana­ly­se und Dis­kus­si­on der Kontinuitäten und Brüche
neo­li­be­ra­ler Herr­schaft, post­neo­li­be­ra­ler Ten­den­zen und emanzipatorischer
Strategien

FR 17.6. – SO 19.6. 2011 /​ FORUM STADTPARK /​ Graz

Im Ange­sicht der sich ver­schär­fen­den sozia­len Fol­gen der großen
mul­ti­plen Kri­se, mit der wir es der­zeit zu tun haben, sol­len die
gegen­wär­ti­gen öko­no­mi­schen, poli­ti­schen und gesellschaftlichen
Trans­for­ma­tio­nen im Rah­men des Sym­po­si­ums in den Blick genom­men werden.
Kri­ti­sche Wissenschaftler_​innen, Denker_​innen und Aktivist_​innen werden
die Kon­ti­nui­tä­ten und Brü­che neo­li­be­ra­ler Regierungsweisen,
Regu­la­ti­ons­for­men und Sub­jek­ti­vie­rungs­wei­sen ana­ly­sie­ren. Die zentrale
Fra­ge­stel­lung dabei ist, ob der Neo­li­be­ra­lis­mus gestärkt aus der Krise
her­vor­geht, in wel­cher Wei­se er sich ver­än­dert und welche
post­neo­li­be­ra­len Ten­den­zen aus­zu­ma­chen sind.

Im Rah­men der Vor­trä­ge, Dis­kus­sio­nen und Work­shops sol­len die Intentionen
und Stra­te­gien der für die Desta­bi­li­sie­rung der Wirt­schaft, die
fort­schrei­ten­de Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung und die Inten­si­vie­rung sozialer
Pola­ri­sie­rungs- und Ero­si­ons­pro­zes­se ver­ant­wort­li­chen Akteur_innen
sicht­bar gemacht wer­den. Debat­tiert wer­den soll vor allem auch, wie
eman­zi­pa­to­ri­sche Kräf­te den besorg­nis­er­re­gen­den Entwicklungen
ent­ge­gen­wir­ken kön­nen. Wel­che Inter­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten bestehen
ange­sichts der der­zei­ti­gen Macht­ver­hält­nis­se? Wel­che gesellschaftlichen
und poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen wer­den die kom­men­den Jah­re und
Jahr­zehn­te prägen?

Vor­tra­gen­de und Diskutant_innen
Jens Wis­sel (Insti­tut für Sozi­al­for­schung, Uni­ver­si­tät Frank­furt am
Main), Gabrie­le Michalitsch (Öko­no­min und Poli­to­lo­gin, Universität
Wien), Ste­fan Schmalz (Insti­tut für Sozio­lo­gie der Friedrich
Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena), Chris­ti­na Kaindl (Psy­cho­lo­gin, Rosa Luxemburg
Stif­tung /​ Ber­lin), Mar­kus Wis­sen (Insti­tut für Politikwissenschaft,
Uni­ver­si­tät Wien), Bri­git­te Kratz­wald (Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin,
commons.at /​ Graz), Beat Weber (Öko­nom, Bei­gewum /​ Wien), Ines
Aften­ber­ger (His­to­ri­ke­rin und Akti­vis­tin, May­day Graz), Mar­cel Kirisits
(Öko­nom, Arbei­ter­kam­mer Stei­er­mark /​ Graz), Felix Wie­gand (Diplo­mand am
Insti­tut für Poli­tik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Wien, Akti­vist der
Grup­pe Per­spek­ti­ven /​ Wien), Käthe Knitt­ler (Öko­no­min, PrekärCafè©,
May­day /​ Wien), Joa­chim Hainzl (Sozi­al­päd­ago­ge und Sozialhistoriker,
Xenos /​ Graz), uam.

Kooperationspartner_innen
Ele­va­te, ÖH Graz – Refe­rat für Gesell­schafts­po­li­tik, Attac,
Arbei­ter­kam­mer Stei­er­mark, ÖBV-Via Cam­pe­si­na Aus­tria, IG Kultur
Stei­er­mark, Amsel (Arbeits­lo­se Men­schen suchen effek­ti­ve Lösungen),
Grü­ne Aka­de­mie, KPÖ– Bil­dungs­ver­ein, Sozia­lis­ti­sche Jugend Steiermark,
Grün­al­ter­na­ti­ve Jugend Stei­er­mark, Auge/​UG (Alter­na­ti­ve, Grü­ne und
Unab­hän­gi­ge Gewerk­schaf­te­rIn­nen), Info­la­den Graz, Doku Graz,
GenderWerkstätte, Welt­haus Diö­ze­se Graz-Seckau, A_​partment politi_X,
agit.DOC, Social Inno­va­ti­on Net­work, May­day Graz, Xenos, ETC, Hier und
Jetzt!, movimenta.org, Streif­zü­ge, Akti­ve Arbeits­lo­se, G24.at und Radio
Helsinki

Das gesam­te Sym­po­si­um ist bei frei­em Ein­tritt ohne Anmel­dung zu besuchen.

Kommentare deaktiviert für Symposium Neoliberalismus – Krisenfolgen – Machtverhältnisse 2011 17.-19.6.11 in Graz | Kategorie: blog, News & Termine

Verlustgeschäft Privatisierung

26. Mai 2011 – 14:34 Uhr

Ver­lust­ge­schäft Privatisierung

Seit Wirt­schafts­kam­mer-Prä­si­dent Chris­toph Leitl und IV-Chef Veit Sor­ger in einer Pres­se­kon­fe­renz am 4. Mai 2011 eine neue Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le for­der­ten, reißt die Debat­te dar­um nicht mehr ab. Ver­kauft wer­den sol­len nahe­zu alle Unter­neh­men, die sich im öffent­li­chen Besitz befin­den: Die Ener­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, die Bun­des­im­mo­bi­li­en, die gemein­nüt­zi­gen Woh­nun­gen, die Mün­ze Öster­reich,  die Bun­des­fors­te und vie­le mehr.

Es gibt eine Rei­he poli­ti­scher Grün­de, die gegen die Pri­va­ti­sie­rung die­ser Unter­neh­men spre­chen. Die Antei­le der öffent­li­chen Hand sichern die Daseins­vor­sor­ge, Arbeits­plät­ze (sie­he Aus­tria Tabak), die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung und wirt­schafts­po­li­ti­sche Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten. Im Fall der Unter­neh­men, die auf der Ver­kaufs­lis­te von WKÖ und IV ste­hen, zeigt jedoch auch ein Blick auf die Zah­len, dass eine Pri­va­ti­sie­rung ein nicht beson­ders lukra­ti­ves Geschäft wäre.

Als Argu­ment für den Ver­kauf von Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen der öffent­li­chen Hand dient die aus­ge­ru­fe­ne Schul­den­kri­se. „Wenn die Repu­blik ihre Unter­neh­men ver­kauft, bringt das eine Men­ge Geld und befreit uns von der Last der Schul­den“ – so das nur auf den ers­ten Blick nach­voll­zieh­ba­re Argu­ment. Ganz davon abge­se­hen, dass gestie­ge­ne Staats­schul­den eine Kri­sen­fol­ge sind und die Schul­den­quo­te in Öster­reich 2010 mit 72,3% des BIP noch lan­ge kei­ner Panik bedarf und unter dem euro­päi­schem Durch­schnitt liegt, gibt es ein­fach einen Unter­schied zwi­schen dem pri­va­ten Haus­halt und dem Staat: Der Staat muss eben kein Dar­le­hen mit einer bestimm­ten Lauf­zeit wie­der zurück­zah­len, daher sind für ihn vor allem die Zin­sen­diens­te die rele­van­te Grö­ße. Es gibt aber eine Gemein­sam­keit, die ger­ne ver­ges­sen wird: den Schul­den steht ein Ver­mö­gen gegen­über – nur bei­des zusam­men führt zu einer sinn­vol­len Beur­tei­lung der Finanz­si­tua­ti­on. Im Fal­le des Staa­tes gibt es zwar lei­der kei­ne ver­läss­li­chen Zah­len, doch eine Stu­die des WIFO von 2006 lie­fer­te mit einem geschätz­ten Brut­to­ver­mö­gen von ca. 113 % des BIP immer­hin den Anhalts­punkt, dass ins­ge­samt ein deut­lich posi­ti­ves staat­li­ches Net­to­ver­mö­gen vor­han­den ist.

Wie hoch auch immer das Net­to­ver­mö­gen sein mag, Fakt bleibt, dass der Erlös aus dem Ver­kauf staat­li­cher Betrie­be die Brut­to­staats­ver­schul­dung auf einen Schlag sen­ken kann. Dadurch hat die Finanz­mi­nis­te­rin jedoch nicht per se einen grö­ße­ren finan­zi­el­len Spiel­raum. Der Vor­teil einer Redu­zie­rung der Staats­schul­den liegt dar­in, dass in Zukunft weni­ger Zin­sen bezahlt wer­den müs­sen. Der Nach­teil einer sol­chen Schul­den­re­duk­ti­on durch den Ver­kauf von staat­li­chem Eigen­tum besteht aber dar­in, dass natur­ge­mäß Ertrag brin­gen­des Staats­ver­mö­gen ver­lo­ren geht, und damit dau­er­haf­te Ver­lus­te von Unter­neh­mens­ge­win­nen anfal­len. Der­zeit fließt stän­dig Geld von OMV, Ver­bund und Co in Form von Divi­den­den in die Staats­kas­sa. Und: Die Unter­neh­men wer­den durch Inves­ti­tio­nen ua mehr wert, das sorgt für noch höhe­re Divi­den­den in der Zukunft.

Aus die­ser Tat­sa­che ergibt sich eine ein­fa­che Rech­nung: Wenn der Betrag, den der Staat durch einen gerin­ge­ren Zin­sen­dienst spart, höher ist als die – aktu­el­len und zukünf­ti­gen – Divi­den­den, lohnt sich das Kon­zept „Pri­va­ti­sie­rung zum Schul­den­ab­bau“ rein finan­zi­ell. Hier ist jedoch genau das Gegen­teil der Fall: Jene Unter­neh­men, die auf der Ver­kaufs­lis­te von Wirt­schafts­kam­mer und Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung ste­hen, sind hoch pro­fi­ta­bel – ins­be­son­de­re die Ener­gie­ver­sor­ger. Die Zei­ten, in denen der Staat sei­ne Betrie­be teu­er sub­ven­tio­nie­ren muss, sind vorbei.

Eine sche­ma­ti­sche Bei­spiel­rech­nung zeigt, dass die letz­ten Pri­va­ti­sie­run­gen kein Geschäft für den Staat waren. Die OMV-Teil­pri­va­ti­sie­rung von rund 15 % des Unter­neh­mens brach­te 1996 Pri­va­ti­sie­rungs­er­lö­se von knapp über 300 Mio Euro. Die­se führ­ten zu einer Zins­er­spar­nis von rund 19 Mio Euro jähr­lich. Gleich­zei­tig gin­gen aber auch die Anrech­te auf rund 15% des OMV-Jah­res­über­schus­ses – damals kon­kret 21,5 Mio Euro– ver­lo­ren. Das heißt, durch die Pri­va­ti­sie­rung ergab sich bereits im ers­ten Jahr ein öko­no­mi­scher Ver­lust von 2,5 Mio Euro. Über die Jah­re stieg der OMV-Jah­res­über­schuss auf das 10-fache an, was natür­lich auch den Bun­des­an­teil am Gewinn auf das 10-fache erhöht hät­te, wäh­rend die jähr­li­che Zins­er­spar­nis par­al­lel zum sin­ken­den Zins­ni­veau sogar klei­ner wur­de. Im Zeit­raum 1996–2010 ergibt sich so ein gigan­ti­scher Ver­lust für den Staats­haus­halt von über 1 Mil­li­ar­de Euro.

Ganz davon abge­se­hen, dass der Ver­kauf von Unter­neh­men, die die Bevöl­ke­rung mit Ener­gie ver­sor­gen oder dem Was­ser­schutz die­nen (Bun­des­fors­te) die Ver­sor­gungs­si­cher­heit gefähr­den – inter­na­tio­na­le Bei­spie­le dafür gibt es genug – wäre eine neue Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le für den Staat rein kauf­män­nisch ein denk­bar schlech­tes Geschäft. Die Bemü­hun­gen von Wirt­schafts­kam­mer und Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung die­ses Geschäft trotz­dem durch­zu­zie­hen, legen den Schluss nahe, dass es mit der dort pos­tu­lier­ten Ideo­lo­gie­frei­heit nicht weit her ist. Sie blei­ben im alten Den­ken „Pri­va­ti­sie­rung von Gewin­nen, Sozia­li­sie­rung von Ver­lus­ten“ verhaftet.

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„Sie können sich die Heimkosten für 2 Monate leisten!“

16. Mai 2011 – 14:02 Uhr

Der Sozi­al­hil­fe­ver­band Lie­zen bie­tet für sei­ne Bür­ge­rIn­nen ein ganz beson­de­res Online-tool – den Heim­kos­ten­rech­ner. Er soll zei­gen, wie viel ein Platz in einem Pfle­ge­heim kos­tet. Gleich­zei­tig offen­bart er das Kon­zept der öster­rei­chi­schen Pfle­ge­fi­nan­zie­rung, und das in nur zwei Fra­gen: (1) „Ihre Pen­si­on brut­to in Euro beträgt?“, und (2) „Ihre Pen­si­on reicht für die monat­li­chen Heim­kos­ten nicht aus! Besit­zen Sie Ersparnisse?“


Wird man in Öster­reich pfle­ge­be­dürf­tig, schlägt die 100%ige Ver­mö­gens­steu­er zu. Alles wird ver­wer­tet, bevor die öffent­li­che Hand ein­springt. Im Fach­jar­gon nennt man das den Eigen­re­gress, der Bar­ver­mö­gen, Wert­pa­pie­re und Eigen­tum ein­zieht. Noch wei­te­re Krei­se zieht der Ange­hö­ri­gen­re­gress, der kürz­lich in der Stei­er­mark wie­der ein­ge­führt wur­de. Eltern, Kin­der und Ehe­gat­ten bzw. Erben sind dann gesetz­lich ver­pflich­tet, Sozi­al­hil­fe­kos­ten, die wäh­rend eines Heim­auf­ent­hal­tes ent­ste­hen, zu ersetzen.


Eigen­tums­be­steue­rung und Pfle­ge sind also mit­ein­an­der ver­quickt – aller­dings nicht in der Form, dass die Rei­che­ren für die Ärme­ren ein­ste­hen, son­dern so, dass die Armen allein daste­hen. Ver­mö­gens­be­zo­ge­ne Steu­ern könn­ten jedoch hel­fen, den stei­gen­den Finan­zie­rungs­druck auf­grund demo­gra­fi­scher Ent­wick­lung und not­wen­di­gem Aus­bau des Dienst­leis­tungs­sys­tems zu lin­dern. In den nächs­ten ein­ein­halb Jah­ren wird unter Feder­füh­rung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Sozia­les eine Arbeits­grup­pe für die Neu­ge­stal­tung des öster­rei­chi­schen Pfle­ge­sys­tems tagen. Auch hier wird man nicht umhin kom­men, alter­na­ti­ve steu­er­ba­sier­te For­men der Finan­zie­rung anzudenken.


Pfle­ge­be­dürf­tig­keit kann uns näm­lich alle tref­fen. Das lau­tet dann so: „Sie kön­nen sich die Heim­kos­ten für 2 Mona­te leis­ten! Ab dem 3. Monat muss für Sie jedoch…“

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Fekters Ideologie

8. Mai 2011 – 16:23 Uhr

Neu-Finanz­mi­nis­te­rin Maria Fek­ter emp­fin­det den Ver­gleich mit Mar­gret That­cher als „eiser­ne Lady“ als ein Kom­pli­ment. Das ver­riet sie dem Stan­dard (7./8. Mai 2011) in einem Inter­view. War­um? „That­cher hat mit ihren Refor­men ein abge­wirt­schaf­te­tes Land zur Erfolgs­sto­ry gemacht.“ Wenn das mal kei­ne Dro­hung ist…

Fek­ter sagt dann im glei­chen Inter­view auch, dass der Staat sich von sei­nen Betrie­ben tren­nen soll, „und zwar um Schul­den abzu­bau­en […].“ Das ist inter­es­sant. Denn wenn man  eine Bilanz gleich­zei­tig auf der Haben­sei­te (Staats­ver­mö­gen) und auf der Soll­sei­te (Staats­schul­den) kürzt, dann betreibt man ledig­lich  eine Bilanz­kür­zung und  kei­nen Schul­den­ab­bau. Anders for­mu­liert: Den Staats­schul­den steht ein Staats­ver­mö­gen ent­ge­gen. Noch anders for­mu­liert: Wenn jemand ein Haus besitzt, das 200.000 Euro wert ist, und Kre­di­te in Höhe von 100.000 Euro hat,  besitzt er ein Ver­mö­gen von 100.000 Euro. Wird das Haus ver­kauft und die Kre­di­te begli­chen, dann blei­ben 100.000 Euro als Haben – als Ver­mö­gen – bestehen. Die Zusam­men­set­zung des Ver­mö­gens hat sich also geän­dert, am Wert des Ver­mö­gens ändert sich jedoch nichts. Pri­va­ti­sie­run­gen füh­ren also nicht zum Schul­den­ab­bau, son­dern zu einer Ver­än­de­rung der Zusam­men­set­zung des Staats­ver­mö­gens. Fek­ters Aus­sa­gen fol­gen kei­ner Logik – aber dar­um geht es ihr auch nicht. Son­dern um pure Ideo­lo­gie. Noch ein­mal aus dem Stan­dard-Inter­view: „Außer­dem ist wirt­schaft­li­ches Manage­ment immer bes­ser als staat­li­ches.“ Begrün­det wird das nicht, was nach der Ban­ken- und Wirt­schafts­kri­se min­des­tens erstaun­lich ist.

Es stellt sich die Fra­ge, wann es Sinn macht, die staat­li­che Eigen­tü­mer­schaft einer pri­va­ten vor­zu­zie­hen. Dies macht dann Sinn, wenn die Zie­le (sozia­ler Aus­gleich, öffent­li­che Infra­struk­tur, öffent­li­che Daseins­vor­sor­ge usw.) sich bes­ser durch den Staat als über pri­va­te Anbie­ter errei­chen las­sen. Maria Fek­ter müss­te also begrün­den, war­um pri­va­te Anbie­ter etwa die Ver­sor­gung mit öffent­li­chen Ver­kehrs­dienst­lei­tun­gen in der Flä­che bes­ser bewerk­stel­li­gen kön­nen als der Staat. Zudem müss­te sie begrün­den, wann Schul­den­ab­bau und Schul­den­auf­nah­me durch den Staat Sinn machen, und wann nicht. Auf dem BEI­GEWUM-Blog wur­de am Bei­spiel der Schul­den­brem­se und der geplan­ten Bud­get­kon­so­li­die­rung in Öster­reich hier­zu Stel­lung genommen.

Wenn Fek­ter ihre ideo­lo­gi­schen Scheu­klap­pen abset­zen wür­de, dann könn­te auch das The­ma Staats­ver­schul­dung ange­gan­gen wer­den – noch immer ver­zich­tet Öster­reich auf Ver­mö­gens­steu­ern, hat extrem nied­ri­ge Kör­per­schafts­steu­ern und die Erb­schafts­steu­er wird bekannt­lich auch nicht mehr ein­ge­ho­ben. Hier gibt es Poten­ti­al, die Ein­nah­men des Staa­tes zu stär­ken – und so die Schul­den zurück­zu­füh­ren. „Eiser­ne Lady“ ist kein Kom­pli­ment für eine Finanz­mi­nis­te­rin. „Poli­ti­ke­rin mit öko­no­mi­schem Sach­ver­stand“, das wäre eines.

2 Kommentare » | Kategorie: blog

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