blog – BEIGEWUM

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>DeflationoitalfnI<

30. Juni 2009 – 10:51 Uhr

Anläss­lich der Anmer­kung von Mat­thew Ygle­si­as: Ist die Defla­ti­ons­ge­fahr im Euro­raum gege­ben? In einer Prok­la-Aus­ga­be von 2004 wur­de das The­ma expli­zit ange­schnit­ten. Das Edi­to­ri­al hat damals (nach dem Plat­zen der New Eco­no­my Bla­se) fol­gen­de Aus­sicht gege­ben:

Selbst ein star­kes Wachs­tum in den USA sta­bi­li­siert die Welt­wirt­schaft nicht auto­ma­tisch. Denn soll­ten die inter­na­tio­na­len Kapi­tal­strö­me in die USA, die zur Finan­zie­rung des Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zits not­wen­dig sind, ver­sie­gen und der Dol­lar­kurs wei­ter abstür­zen, dann wür­de das US-ame­ri­ka­ni­sche Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zit schrump­fen. Für die Akku­mu­la­ti­ons­aus­sich­ten der Welt­wirt­schaft wäre es äußerst pro­ble­ma­tisch, wenn sich in den USA das Defi­zit der Leis­tungs­bi­lanz in einen Über­schuss ver­wan­deln soll­te. Denn dann wür­de die Auf­wer­tung des Euro sowie des Yen im Euro­raum und in Japan die Defla­ti­ons­ge­fah­ren mas­siv erhö­hen. Beson­ders ver­hee­rend wäre es, wenn der Dol­lar­kurs unkon­trol­liert ins Tru­deln käme und sich die ame­ri­ka­ni­sche Zen­tral­bank gezwun­gen sähe, durch Hoch­zins­po­li­tik den Dol­lar­kurs zu verteidigen. […]

Ins­ge­samt hat die Dere­gu­lie­rungs­wel­le und die ver­stärk­te Wäh­rungs­kon­kur­renz zu einem struk­tu­rel­len Macht­ge­winn von Geld­ver­mö­gens­be­sit­zern geführt. Der welt­wei­te Rück­gang von Infla­ti­ons­ra­ten, die zuneh­men­de Unab­hän­gig­keit von Zen­tral­ban­ken, die Ver­ab­so­lu­tie­rung der Domi­nanz von Preis­ni­veau­sta­bi­li­tät gegen­über allen ande­ren Zie­len der Wirt­schafts­po­li­tik, die in vie­len Län­dern zu beob­ach­ten ist, ist Aus­druck die­ser Macht­ver­schie­bung. Eine Kon­se­quenz die­ser neu­en Situa­ti­on, die bis­lang noch kaum dis­ku­tiert wur­de, ist die latent defla­tio­nä­re Kon­stel­la­ti­on der Weltwirtschaft.“

Wie kommt es dann, dass Ange­la Mer­kel vor einer Infla­ti­on warnt? Steckt ihr wirk­lich noch die Angst aus der Wei­ma­rer Repu­blik in den Kno­chen? Oder steckt dahin­ter ein rea­li­täts­fer­nes Fest­hal­ten am deut­schen Modell der Noten­ban­ken? Oder wech­selt Frau Mer­kel nur poli­ti­sches Klein­geld? Oder weiß man in Frank­furt etwas, das in den U.S.A. nie­mand weiß?

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Es geht ans Bezahlen

25. Juni 2009 – 17:25 Uhr

Bern­hard Fel­de­rer – wir hat­ten bereits dar­auf hin­ge­wie­sen – ist gegen Steu­er­erhö­hun­gen und für Ein­spa­run­gen. Er prä­zi­sier­te die­se Aus­sa­ge jetzt in der Pres­se: Er ist gegen eine Ver­mö­gen­steu­er und gegen die Erhö­hung der Lohn­steu­er, eine Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er lehnt er aber nicht ab. Das ist kon­se­quent. Es ist bekannt, dass Mehr­wert­steu­ern degres­siv wir­ken – auch Herrn Fel­de­rer. Des­halb woll­te die SPÖ im Wahl­kampf die Mehr­wert­steu­er sogar teil­wei­se sen­ken. Wenn Fel­de­rer den­noch die Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er zur Sanie­rung des Bud­gets vor­schlägt, dann macht das nur deut­lich, dass sich alle, die die gigan­ti­sche Umver­tei­lungs­po­li­tik zu Guns­ten der Rei­che­ren ob der Kri­se am Ende sahen, zu früh gefreut haben. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen begin­nen erst jetzt – Fel­de­rer hat einen Auf­schlag gemacht. Es ist nun an SPÖ und ÖVP zu erklä­ren, wie sie die öffent­li­chen Auf­ga­ben zu finan­zie­ren geden­ken. Zumin­dest zum Teil viel­leicht doch über eine Ver­mö­gen­steu­er und die Wie­der­ein­füh­rung der Erb­schafts- und Schenkungsteuer?

Nach­trag 29.06.2009: Auch der Blog acht hat sich des The­mas Fel­de­rer ange­nom­men.

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Staatsausgaben senken statt Steuern erhöhen?

14. Juni 2009 – 23:21 Uhr

So macht man also Poli­tik: Zuerst wer­den die »Leis­tungs­trä­ger« einer Gesell­schaft, also die obe­ren Pro­zent, ent­las­tet, indem man Steu­ern senkt, dann muss bei den Staats­aus­ga­ben gespart wer­den. So wur­de die Kör­per­schafts­steu­er gesenkt und die Erb­schafts- und Schen­kungs­steu­er abge­schafft, und die letz­ten Refor­men sind noch gar nicht lan­ge her: Man hat die Gren­ze, ab der der Spit­zen­steu­er­satz greift, auf 60.000 Euro zu ver­steu­ern­des Ein­kom­men im Jahr ange­ho­ben. Dane­ben wur­de ein unge­bun­de­ner Frei­be­trag für Ein­künf­te aus selb­stän­di­ger Tätig­keit und Gewer­be­be­trie­ben beschlos­sen sowie der Frei­be­trag für inves­tier­te Gewin­ne erhöht. Steu­er­sen­kungs­po­li­tik als Stand­ort­po­li­tik war die Devi­se, wobei die Ent­las­tun­gen natür­lich zu einem erheb­li­chen Teil den­je­ni­gen zu Gute kamen, denen es sowie­so schon ver­gleichs­wei­se gut geht. Die Fol­ge: Staats­aus­ga­ben muss­ten zurück­ge­fah­ren wer­den und das Inves­ti­ti­ons­de­fi­zit in den Berei­chen der öffent­li­chen Daseins­vor­sor­ge ist immens. Und die stei­gen­de Ungleich­heit auch.

Dann kam die Kri­se. Bzw. sie war auch eine Fol­ge der beschrie­be­nen Poli­tik, denn eine unglei­che Ein­kom­mens­ver­tei­lung ist eine Ursa­che der Kri­se. Hieß es noch vor weni­gen Mona­ten: „Es gibt nichts zu ver­tei­len“, so wur­den nun in Kür­ze der Zeit zahl­rei­che Hilfs­pa­ke­te für Ban­ken und Kon­junk­tur­pro­gram­me geschnürt – auf ver­gleich­ba­re Zusatz­aus­ga­ben für Sozia­les und Bil­dung war­tet man jedoch noch immer. Die Ban­ken- und Kon­junk­tur­pa­ke­te jedoch wol­len nun bezahlt sein. Wer aber glaubt, dass dies auch über eine Ver­mö­gens­be­steue­rung pas­siert oder ande­re Steu­ern, der sieht sich getäuscht. Wer das auch nur andenkt, der wird mit einer Kam­pa­gne über­zo­gen. Und Bern­hard Fel­de­rer macht aktu­ell im Stan­dard klar, was pas­sie­ren wird: 

Statt Steu­ern zu erhö­hen oder neue ein­zu­füh­ren, redet der Wirt­schafts­for­scher einer Reduk­ti­on der Staats­aus­ga­ben das Wort: „Das muss abso­lu­te Prio­ri­tät haben.“ 

Damit wird die alte Poli­tik fort­ge­schrie­ben – nicht die Medi­zin war falsch, son­dern die Dosis. Denn wenn das nicht wirkt, dann muss man eben mehr davon neh­men. Dass von Staats­aus­ga­ben eben gera­de auch die sozi­al Schwä­che­ren pro­fi­tie­ren, von den Steu­er­sen­kun­gen aber nicht, ist bekannt aber offen­sicht­lich egal. Dass Staats­aus­ga­ben gera­de auch Nach­fra­ge­wirk­sam sind – auch egal. Nur nicht das Ver­mö­gen und die Ein­künf­te der Bes­ser­ver­die­nen­den angreifen…
Es bleibt zu hof­fen, dass Herr Fel­de­rer Wider­stand bekommt und man end­lich ein­mal eine Debat­te über eine sinn­vol­le Ver­mö­gens­be­steue­rung zu Finan­zie­rung öffent­li­cher Aus­ga­ben füh­ren kann. Die Kür­zung der wifo-Gel­der durch die Indus­tri­el­len­ver­ei­ni­gung macht dabei auch deut­lich, war­um Wis­sen­schaft unab­hän­gig sein muss.

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Die Person macht’s

13. Juni 2009 – 4:16 Uhr

Gerd Val­chars plä­diert im Stan­dard für eine Auf­wer­tung des Per­sön­lich­keits­wahl­rechts in Österreich:

Eine sol­che Ände­rung im Wahl­sys­tem wür­de das Gewicht bei der Kan­di­da­ten­aus­wahl deut­lich in Rich­tung Wäh­ler ver­schie­ben, ohne dass die Par­tei­en plötz­lich ihren Ein­fluss auf die Rekru­tie­rung gänz­lich ver­lie­ren würden.“

Die Effek­te, die sich Val­chars davon ver­spricht: Grö­ße­re „Bür­ger­nä­he“, sprich „mehr Unab­hän­gig­keit der ein­zel­nen Abge­ord­ne­ten gegen­über ihrer Par­tei“. Zwei­tens, ein sol­cher Modus „macht einen Wahl­gang natür­lich auch deut­lich span­nen­der“. Drit­tens und vor allem aber: „Jede ein­zel­ne Vor­zugs­stim­me zählt und wird auch wirksam.“

Bür­ger­nä­he, Span­nung, Demo­kra­tie – Das klingt zwar ein biss­chen nach Über­ra­schungs­ei, ist aber sicher rich­tig. Ich per­sön­lich wür­de viel­leicht noch hoff­nungs­froh anfü­gen, dass eine Pro­fi­lie­rung der zu Wäh­len­den gegen­über ihren Wäh­le­rIn­nen zu erwar­ten wäre (was mir ange­sichts des nie­der­schmet­tern­den Zustands der poli­ti­schen Klas­se in die­sem Land ziem­lich not­wen­dig erscheint).

Der Anlass, näm­lich die EU-Par­la­ments­wahl, wirft bei mir frei­lich eine Fra­ge auf, die mich ganz gene­rell schon seit län­ge­rem beschäf­tigt: Macht die poli­tik­wis­sen­schaft­li­che For­schung das EU-Par­la­ment viel­leicht wich­ti­ger als es nun ein­mal ist? Eine Kam­mer, die in wei­ten Tei­len zahn­los ist und nicht ein­mal den grund­le­gen­den Auf­ga­ben einer Volks­ver­tre­tung nach­kommt, wird durch eine Ände­rung des Wahl­mo­dus ja nicht rele­van­ter. Was die Sache für Öster­reich irgend­wie tra­gisch macht, ist der Umstand, dass es sogar einen poten­ti­el­len Kan­di­da­ten gab, der seit Jah­ren pro­non­ciert für eine Stär­kung des Par­la­ments und damit für eine Demo­kra­ti­sie­rung der EU ein­tritt. Aus­ge­rech­net Johan­nes Vog­gen­hu­ber ist aber aus par­tei­po­li­ti­schen Grün­den von den Wah­len fern­ge­hal­ten worden.

Val­chars rennt mit sei­nem Bei­trag bei mir offe­ne Türen ein. Ich mag die Idee einer Wahl­rechts­re­form. Aber erst in Ver­bin­dung mit der Zutei­lung von Ent­schei­dungs- und Kon­troll­kom­pe­ten­zen wird eine För­de­rung leben­di­ger Demo­kra­tie erreicht.

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Geschichte wird gemacht

9. Juni 2009 – 3:52 Uhr

Schwei­gen? Als Elder Sta­tes­man nicht mehr.

[…] unser rie­si­ger Staats­sek­tor war ja gar nicht ideo­lo­gisch gewollt. Viel­mehr war er aus einer Not­wen­dig­keit her­aus ent­stan­den: In den 50er Jah­ren gab es in Öster­reich vie­le rus­si­sche Indus­trie­be­tei­li­gun­gen, besetz­te Betrie­be und Fir­men im rus­si­schen Ein­fluss­be­reich. Die ehe­mals deut­schen Rüs­tungs­be­trie­be, das Indus­trie­kon­glo­me­rat Voest, die staat­li­che Mine­ral­öl­ver­wal­tung – all das war gefähr­det. Woll­te man die­sen Ein­fluss zurück­drän­gen, konn­te man die Unter­neh­men nur verstaatlichen.

So Wolf­gang Schüs­sel im auch sonst amü­sant lesens­wer­ten Inter­view mit dem Mana­ger Maga­zin. Dass die Voest jetzt neu­er­dings in sowje­ti­schem Besitz gewe­sen sein soll (oder davon auch nur bedroht gewe­sen wäre), heißt Geschich­te neu schrei­ben. Aber was solls, Herr Schüs­sel ist ja nicht His­to­ri­ker, son­dern, wie er salopp erklärt, Jurist Öko­nom.

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Political Meddling

5. Juni 2009 – 22:03 Uhr

Ein aktu­el­ler Nach­trag zu den „poli­ti­schen Intel­lek­tu­el­len:“ Bis­her konn­ten sich gera­de Öko­nom­In­nen in Öster­reich noch zu jenen zäh­len, die sich von poli­ti­scher Ein­fluss­nah­me ver­gleichs­wei­se frei machen konn­ten. Ein Grund neben ande­ren dafür ist das über­par­tei­li­che Wifo, eine der (weni­gen) sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Errun­gen­schaf­ten der Zwei­ten Repu­blik. Jetzt wird der die­ser Ein­rich­tung zugrun­de lie­gen­de, poli­ti­sche Still­hal­te­ver­trag gra­de auf­ge­kün­digt. Und warum?

Wifo-Chef Aigin­ger habe sei­ne Mit­ar­bei­ter schlicht­weg nicht mehr im Griff, wird kri­ti­siert. Vor allem die pro­non­ciert „roten“ Wifo-Exper­ten Mar­git Schrat­zen­stal­ler, Ste­phan Schul­meis­ter und Mar­kus Mar­ter­bau­er wür­den sich in der Öffent­lich­keit stän­dig zu Wort mel­den – mit poli­tisch ein­deu­ti­gen Botschaften.

Man kann sich die Sor­gen­fal­ten am Schwarz­spa­nier­platz leb­haft vor­stel­len. Jeden­falls ist der Vor­fall ein deut­li­ches Indiz, dass in der aktu­el­len Kri­se nicht nur der medi­al aus­ge­tra­ge­ne Kon­flikt um den „rich­ti­gen Kurs“ in der Wirt­schafts­po­li­tik schär­fer wird. Jetzt soll – als Reak­ti­on dar­auf – Macht exer­ziert wer­den. „Poli­ti­cal Meddling“, wie es in den USA so schön heisst.

Was ler­nen wir dar­aus? Offen­bar ist man an ver­schie­de­nen Stel­len ganz schön ner­vös. Dass die Initia­ti­ve offen­bar von Raiff­ei­sen (mit einem an sich eher unbe­deu­ten­den Jah­res­bei­trag) aus­ging, ver­stärkt den Ein­druck. Die PR die­ses schwar­zen Kon­glo­me­rats war in letz­ter Zeit ja nicht die bes­te. Von „nur über mei­ne Lei­che“ (Chris­ti­an Kon­rad) ist man dort schnell dazu über­ge­gan­gen, Geld von der Regie­rung zu neh­men. Das stellt vor­erst zwar noch nie­mand in Fra­ge. Aber bes­ser gar nix anbren­nen lassen.

Die Geschich­te stellt auch einen ziem­lich offe­nen Angriff auf das von Wis­sen­schaft­le­rIn­nen (zu recht) hoch­ge­hal­te­ne Prin­zip der „aka­de­mi­schen Frei­heit“ dar. In die­sem Zusam­men­hang ist das Wifo zwar in einer ungüns­ti­gen Posi­ti­on: Mehr Think Tank als Grund­la­gen­for­schungs­in­sti­tut. Aber trotz­dem ist fest­zu­stel­len, dass die­se Insti­tu­ti­on für die hei­mi­schen Sozi­al­wis­sen­schaf­ten sicher min­des­tens so wich­tig ist wie CERN für die Phy­si­ker. Lei­der lehrt mich die Erfah­rung, hin­sicht­lich der Reak­tio­nen aus der Com­mu­ni­ty pes­si­mis­tisch zu sein: So wirk­lich tan­giert das in Öster­reich wohl niemanden.

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Politische Intellektuelle und die Wirtschaftskrise

3. Juni 2009 – 14:24 Uhr

 

Die Fra­ge der poli­ti­schen Inter­ven­ti­ons­fä­hig­keit der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten war ein The­ma der Kon­fe­renz „Poli­ti­cal Eco­no­my, Finan­cia­li­sa­ti­on and Dis­cour­se Theo­ry“ Ende Mai in Cardiff.

Karel Wil­liams (Man­ches­ter Busi­ness School) the­ma­ti­sier­te in sei­nem Vor­trag, wie stark sich die öffent­li­che Reak­ti­on auf die aktu­el­le Finanz- und Wirt­schafts­kri­se von der Reak­ti­on auf die Kri­sen 1931 (Welt­wirt­schafts­kri­se) und 1981 (That­cher-Schock in UK) unter­schei­de. Damals gerie­ten die Eli­ten unter Druck, 1931 führ­te das zu Ver­än­de­run­gen in der Wirt­schafts­po­li­tik, 1981 zumin­dest zu einem öffent­li­chen Auf­tre­ten lin­ker Wis­sen­schaft (auch wenn sie letzt­lich erfolg­los blieb).

Heu­te sei die öffent­li­che Reak­ti­on ver­gleichs­wei­se ver­hal­ten. Wil­liams kon­sta­tier­te eine Art gesell­schaft­li­ches „Stock­holm-Syn­drom“, auf Basis einer Gei­sel­nah­me der Gesell­schaft durch den Finanz­sek­tor – die fort­ge­schrit­te­ne Durch­drin­gung der Gesell­schaft mit einer finan­zia­li­sier­ten Logik füh­re zur Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Inter­es­sen und Moti­ven des Finanzsektors.

Auch die öffent­li­chen Intel­lek­tu­el­len fehl­ten. Wil­liams nann­te fol­gen­de Grün­de: Zer­split­te­rung in feind­li­che Theo­rie-Lager; Ver­drän­gung poli­ti­scher Öko­no­mie aus der Main­stream­öko­no­mie und Aus­wei­chen in Sub-Dis­zi­pli­nen mit engem Fokus wie Inter­na­tio­na­le Poli­ti­sche Öko­no­mie, Geo­gra­fie, Kul­tur­stu­di­en etc.; Professionalisierung/​ Aka­de­mi­sie­rung – das Feld der Medi­en­ar­beit wird von Aka­de­mi­ke­rIn­nen auf­ge­ge­ben und wird völ­lig den Leu­ten aus dem Finanz­sek­tor überlassen.

Ein Teil der Erklä­rung für die­se Ent­wick­lun­gen sei Unklar­heit über die Situa­ti­on und der poli­ti­sche Kon­text (Rechts­wen­dung der Labour Par­ty, Mar­gi­na­li­sie­rung der Gewerk­schaf­ten). Einen Teil der Erklä­rung lie­fe­re aber auch die Selbst­be­schrän­kung der Intel­lek­tu­el­len. Wil­liams Abschluss­fra­ge: Soll­te die Intel­li­genz von der Kri­tik zur Selbst­kri­tik über ihre innen­ori­en­tier­te Pro­fes­sio­na­li­sie­rung übergehen?

Colin Wight (Uni­ver­si­ty of Exe­ter) kon­sta­tier­te eine „Gang-Men­ta­li­tät“ in den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten. Theo­re­ti­sche Abgren­zun­gen hät­ten häu­fig mehr mit Iden­ti­täts­po­li­tik statt Sub­stanz zu tun, sei­en in einem zer­split­ter­ten Feld wie etwa Poli­tik­wis­sen­schaft aber wich­tig für das aka­de­mi­sche Fort­kom­men (vgl. den Arti­kel von Kyle Siler in Kurs­wech­sel 4/​05 für den Fall der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten). Das zei­ge sich in vie­len Dis­kus­sio­nen der Kon­fe­renz wie­der, wo Debat­ten zwi­schen Postruk­tu­ra­lis­tis­mus- und Kri­ti­scher-Rea­lis­mus-Ansät­zen oft über­trie­ben hef­tig geführt wür­den (So hat­te etwa jemand auf Marie­ke de Goe­des [Uni Ams­ter­dam] Ein­fü­hungs­vor­trag, in dem sie die inter­na­tio­na­le Ter­ror-Geld­wä­sche-Bekämp­fungs-Offen­si­ve als Pro­jekt zur Aus­deh­nung der Über­wa­chung im All­tag kri­ti­sier­te, gefragt, wozu sie für die­se Ana­ly­se einen post­struk­tu­ra­lis­ti­schen Ansatz bemühe).

Der kri­ti­sche Buch­hal­tungs-Theo­re­ti­ker Prem Sik­ka (Uni­ver­si­ty of Essex), der für die Auf­de­ckung von Par­tei­en­fi­nan­zie­rungs­strö­men der Tories bekannt ist, plä­dier­te für mehr jour­na­lis­ti­sches und poli­ti­sches Enga­ge­ment von WissenschafterInnen.

In der Dis­kus­si­on wur­de debat­tiert, ob die Ursa­che dafür in der Wis­sen­schaft selbst oder eher in Ver­än­de­run­gen von Poli­tik und Öffent­lich­keit zu suchen ist. Die Igno­ranz gegen­über Wis­sen­schaft habe mit Inter­es­sen und Macht zu tun, nicht mit dem Zustand der Wis­sen­schaft, so eine Anmer­kung. Der öffent­li­che Sek­tor fragt heu­te Bera­tungs­fir­men und Unter­neh­men um Exper­ti­se, nicht mehr in Uni­ver­si­tä­ten. Öffent­li­che Unter­su­chungs­kom­mis­sio­nen sind nicht an wis­sen­schaft­li­chen Ergeb­nis­sen, Pro­ble­ma­ti­sie­run­gen und Ursa­chen­for­schun­gen inter­es­siert, son­dern kom­pi­lie­ren nur noch Mei­nun­gen von (Industrie-)ExpertInnen.

Ande­re hin­ter­frag­ten, ob der Stel­len­wert der Wis­sen­schaft in der (Berufs-)Politikberatung der ent­schei­den­de Indi­ka­tor sei, oder ob es nicht viel­mehr dar­um gin­ge, sich in Bezie­hung zu sozia­len Bewe­gun­gen und wider­stän­di­gen Akteu­rIn­nen außer­halb der eta­blier­ten Poli­tik zu setzen.


Der BEIGEWUM hat zu die­sen The­men vor eini­gen Jah­ren selbst­re­fle­xi­ve Über­le­gun­gen ange­stellt (sie­he auch hier).  Zeit, ange­sichts der Kri­se dar­an weiterzuarbeiten!

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Memorandum 2009

27. Mai 2009 – 23:21 Uhr

Jedes Jahr im Mai gibt die Arbeits­grup­pe Alter­na­ti­ve Wirt­schafts­po­li­tik ein Memo­ran­dum zu aktu­el­len wirt­schafts­po­li­ti­schen The­men her­aus. Die Memo-Grup­pe selbst beschreibt Ihre Arbeit so: „In der ›Arbeits­grup­pe Alter­na­ti­ve Wirt­schafts­po­li­tik‹ arbei­ten Wirt­schafs­wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler sowie Gewerk­schaf­te­rin­nen und Gewerk­schaf­ter an der Ent­wick­lung wirt­schafts­po­li­ti­scher Vor­schlä­ge und Per­spek­ti­ven, die sich an der Siche­rung sinn­vol­ler Arbeits­plät­ze, der Ver­bes­se­rung des Lebens­stan­dards, dem Aus­bau des Sys­tems der sozia­len Sicher­heit für die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer sowie wirk­sa­mer Umwelt­si­che­rung in Deutsch­land ori­en­tie­ren.“ Die Memo­ran­den bezie­hen sich zwar auf Deutsch­land, die Dis­kus­sio­nen sind jedoch auch über den natio­na­len Kon­text hin­aus inter­es­sant. Die­ses Jahr wid­met sich die Grup­pe unter dem Titel „Von der Kri­se in den Absturz? Sta­bi­li­sie­rung, Umbau, Demo­kra­ti­sie­rung“ den Fol­gen der Wirt­schafts­kri­se und ent­wi­ckelt Vor­schlä­ge für eine ande­re Wirtschafts‑, Sozi­al- und Bildungspolitik. 


Export­welt­meis­ter Deutschland

Im Mit­tel­punkt des Kapi­tels zur Finanz- und Wirt­schafts­kri­se steht die ver­fehl­te Wirt­schafts­po­li­tik in der Bun­des­re­pu­blik. Über die Argu­men­ta­ti­on der Wett­be­werbs­fä­hig­keit wur­den die Löh­ne immer wei­ter gedrückt und so die Bin­nen­nach­fra­ge stran­gu­liert. Der leich­te Auf­schwung der ver­gan­ge­nen Jah­re war daher vor allem export­ge­trie­ben. Die Kon­se­quen­zen der Lohn­zu­rück­hal­tung sind bekannt: Die Ein­kom­men aus Kapi­tal und Ver­mö­gen stie­gen, die aus Löh­nen san­ken. Es ist wenig ver­wun­der­lich dass ein Abschnitt wie folgt über­schrie­ben ist: „Lohn­zu­wachs in Deutsch­land – gut für ganz Euro­pa“ (S. 75). Dabei macht die Memo-Grup­pe dar­auf auf­merk­sam, dass nicht etwa höhe­re Steu­ern und Abga­ben Schuld an der schlech­ten (Netto-)Lohnentwicklung sind son­dern eine zu gerin­ge Brut­to­lohn­stei­ge­rung – das hat­ten wir auch schon hier im Blog.

In einem wei­te­ren Kapi­tel wird der „Super-GAU der Finanz­märk­te“ ana­ly­siert, bevor das Memo­ran­dum auf Beschäf­ti­gungs­pro­gram­me und Arbeits­zeit­ver­kür­zun­gen ein­geht. Dabei wird vor allem auch die Qua­li­tät der Arbeits­plät­ze betrach­tet, da in Deutsch­land neue Jobs in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nur bei Teil­zeit­jobs bzw. Leih­ar­beit ent­stan­den sind. Ziel ist daher eine Umver­tei­lung der Arbeitszeit. 


Sozia­le Dienst­leis­tun­gen und Alterssicherung

Ein Kapi­tel des Memo­ran­dum han­delt von sozia­len Dienst­leis­tun­gen, die öffent­lich zu orga­ni­sie­ren sind. Hier­bei geht es dar­um, sozia­le Dienst­leis­tun­gen für die Gesell­schaft anzu­bie­ten und die Memo-Grup­pe stellt eine „sozia­le Dienst­leis­tungs­lü­cke“ (S. 151) fest. Hier­bei wird auch deut­lich, dass die öffent­li­chen Aus­ga­ben für sozia­le Dienst­lei­tun­gen in Öster­reich eben­falls unzu­rei­chend und noch gerin­ger als in Deutsch­land sind.
Sozia­le Dienst­leis­tun­gen erfül­len meh­re­re Funk­tio­nen: Einer­seits kann so pro­fes­sio­nell ein ent­spre­chen­des Ange­bot geschaf­fen und in öffent­li­cher Ver­ant­wor­tung ange­bo­ten wer­den. Ande­rer­seits wird die heu­te oft pri­vat und vor allem von Frau­en getra­ge­ne Arbeit im Bereich der sozia­len Dienst­lei­tun­gen dann bezahlt. Es ist daher wenig ver­wun­der­lich, dass die Frau­en­er­werbs­tä­tig­keit posi­tiv mit dem Arbeits­vo­lu­men im sozia­len Dienst­leis­tungs­be­reich kor­re­liert. Um jedoch ein Schlie­ßen der Lücke zu errei­chen ist eine Trend­wen­de in der bis­he­ri­gen Poli­tik not­wen­dig. Der „schlan­ke Staat“ kann dann kein Leit­bild mehr sein, oder, um es mit den Wor­ten des Memo­ran­dum zu sagen: „Eine höhe­re Staats­quo­te und gute sozia­le Dienst­leis­tungs­ar­beit gehö­ren untrenn­bar zusam­men“ (S. 162).

Das Memo­ran­dum geht auch auf die Fra­ge der Alters­ver­sor­gung ein. Dabei wird auf die Gefahr der Alters­ar­mut durch das Absen­ken des Ren­ten­ni­veaus in Deutsch­land eben­so ein­ge­gan­gen wie auf die Fra­ge der Demo­gra­fie und der Pro­duk­ti­vi­täts­ent­wick­lung. Dabei wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ers­tens nicht die poten­ti­el­le, son­dern die tat­säch­li­che Erwerbs­tä­ti­gen (also nicht die Arbeits­lo­sen) rele­vant sind, und dass zwei­tens von der stei­gen­den Pro­duk­ti­vi­tät ein Teil für höhe­re Bei­trags­zah­lun­gen abge­zweigt wer­den kann. Eine Kapi­tal­de­ckung jeden­falls kann aus vie­len Grün­den kei­ne Alter­na­ti­ve sein – ers­tens muss auch hier eine Ren­di­te erwirt­schaf­tet wer­den, zwei­tens sind die Unsi­cher­hei­ten imma­nent und drit­tens ist ein soli­da­ri­sche Umla­ge­sys­tem gerech­ter als ein pri­va­tes Sys­tem, dass man sich eben auch leis­ten kön­nen muss. 


Bildung

Seit eini­gen Jah­ren befin­det sich im Memo­ran­dum auch jeweils ein Bil­dungs­teil, ein Bil­dungs­text hat es sogar schon unter die Memo­ran­dum-Klas­si­ker geschafft (PDF). Die­ses Jahr ist das The­ma die neo­li­be­ra­le Aus­rich­tung der öko­no­mi­schen Bil­dung. Hier­bei wer­den u.a. Plan­spie­le für Schü­le­rin­nen und Schü­ler unter­sucht und so auf­ge­zeigt, dass ein bestimm­tes Den­ken geför­dert wer­den soll. Das The­ma knüpft an an die Fra­ge der Finanz­bil­dung, wie sie bspw. von Mar­tin Schürz und Beat Weber the­ma­ti­siert wur­de, an.


Fazit

Das Memo­ran­dum lohnt sich. Zwar ist der Schwer­punkt die Poli­tik in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, vie­les ist jedoch in der öster­rei­chi­schen Poli­tik nicht unähn­lich und die For­de­run­gen der Arbeits­grup­pe Alter­na­ti­ve Wirt­schafts­po­li­tik sind zu unter­stüt­zen. Das Memo­ran­dum bleibt eines der erfreu­li­chen Gegen­pu­bli­ka­tio­nen zum (noch?) herr­schen­den neo­li­be­ra­len Mainstream.


AG Alter­na­ti­ve Wirtschaftspolitik
MEMORANDUM 2009
Von der Kri­se in den Absturz?
Sta­bi­li­sie­rung, Umbau, Demokratisierung
Alter­na­ti­ven der Wirtschaftspolitik
Neue Klei­ne Biblio­thek 138,
268 Seiten
EUR 17,90 [D] /​ EUR 18,40 [A] /​ SFR 32,00
ISBN 978–3‑89438–409‑8

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Wenn sich die Regierung einmischt

20. Mai 2009 – 16:00 Uhr

Die Bestim­mung von Auto-Emis­sio­nen, die Oba­ma ges­tern in Washing­ton ange­kün­digt hat, wer­den als der wich­tigs­te Bei­trag der USA zur Kli­ma­po­li­tik gese­hen. Und die Vor­ga­ben sind ja nicht schlecht: Erst­mals seit zwei Jahr­zehn­ten soll die Treib­stoff­ef­fi­zi­enz von Autos, die in den USA gefah­ren wer­den dür­fen, wie­der steigen.

Wäh­rend ande­re kli­ma­po­li­ti­sche Geset­zes­vor­la­gen noch im Kon­gress ste­cken, kön­nen schon mal fol­gen­de Schlüs­se gezo­gen werden:

Ers­tens, die Oba­ma-Admi­nis­tra­ti­on hat kei­ne Beden­ken, ihren Ein­fluss für Refor­men gel­tend zu machen, die vor kur­zem noch als undenk­bar erschie­nen sind. Dass die Auto­mo­bil­in­dus­trie dem neu­en Plan zustimmt, liegt sicher­lich dar­an, dass die Regie­rung inzwi­schen in wei­ten Tei­len selbst Antei­le dar­an hält; aber es ist den­noch bemer­kens­wert.

Zwei­tens zeigt sich, wie geschickt die Oba­ma-Admi­nis­tra­ti­on im Augen­blick den poli­ti­schen Pro­zess bestimmt. Die Repu­bli­ka­ner sind ent­we­der über­ge­lau­fen (wie Arnold Schwar­zen­eg­ger) oder haben nicht viel zu sagen.

Drit­tens erkennt man das wie­der­keh­ren­de Motiv, die Kri­se für Refor­men zu nut­zen. Der Kom­pro­miss soll, so der Plan der Regie­rung, die not­wen­di­ge Inno­va­ti­on sti­mu­lie­ren, um die ame­ri­ka­ni­sche Wirt­schaft im zen­tra­len Bereich der Auto­in­dus­trie wie­der top zu machen.

Vier­tens sieht man dar­an auch, dass hier wie­der ein­mal auf alt­be­währ­te Kräf­te gesetzt wird. Im Ver­gleich zu den Inves­ti­tio­nen in High­way Con­struc­tion nimmt sich der Anteil an Public Trans­por­ta­ti­on sehr beschei­den aus. Und: Die bes­se­re Effi­zi­enz von Autos bedeu­tet ja nicht unbe­dingt, dass weni­ger Schad­stof­fe in die Luft geschleu­dert wer­den (Jevons Para­dox).

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Christian Marazzi: „Finance as a real economy“ – Bericht

13. Mai 2009 – 12:47 Uhr

Bei einem Vor­trag am 4.5.09 in Wien sprach der post­ope­rais­ti­sche Öko­nom Chris­ti­an Maraz­zi (Pro­fes­sor an der Hoch­schu­le der ita­lie­ni­schen Schweiz und Autor von Büchern wie „Fetisch Geld. Wirt­schaft, Staat, Gesell­schaft im mone­ta­ris­ti­schen Zeit­al­ter“ und „Capi­tal and Lan­guage. From the New Eco­no­my to the War Eco­no­my“) über das Ver­hält­nis von Finanz- und Real­wirt­schaft. Frü­her sei­en Finanz­bla­sen am Ende von Kon­junk­tur­zy­klen auf­ge­tre­ten, und sei­en somit aus mar­xis­ti­scher Sicht als Aus­druck von Ver­wer­tungs­pro­ble­men im Real­sek­tor auf­ge­fasst wor­den: Dem­nach flüch­te über­schüs­si­ges Kapi­tal in den Finanz­sek­tor, und füh­re dort zu Ver­mö­gens­preis­in­fla­ti­on, bis die Bla­se schließ­lich platzt. In die­sem Kon­text sei zu Recht von Ent­kop­pe­lung von Finanz- und Real­sphä­re die Rede.
Die­se Ana­ly­se sei für die Peri­ode des For­dis­mus tref­fend gewe­sen, so Maraz­zi, mitt­ler­wei­le habe sich aber ein Wan­del zu einem post­for­dis­ti­schen Akku­mu­la­ti­ons­re­gime durch­ge­setzt, wo Finanz­we­sen und Real­wirt­schaft enger mit­ein­an­der ver­wo­ben sind. Post­for­dis­ti­sche Pro­duk­ti­on sei durch die fort­schrei­ten­de Aus­la­ge­rung des Wert­schöp­fungs­pro­zes­ses aus den Unter­neh­men gekenn­zeich­net. Unter­neh­men im fort­schrei­ten­den Bereich imma­te­ri­el­ler Pro­duk­te über­las­sen das Pro­du­zie­ren ande­ren und kon­zen­trie­ren sich aufs Koor­di­nie­ren und die Abschöp­fung von Wert, der außer­halb ihrer selbst pro­du­ziert wird – von schlecht bezahl­ten Free­lan­cern, oder gar gra­tis von Kon­su­men­ten, die durch ihr Feed­back Ideen zur Pro­dukt­ent­wick­lung bei­steu­ern und ent­schei­den­de Hand­grif­fe selbst bei­steu­ern (das Modell you­tube) bzw. deren selbst­ge­schaf­fe­ne Kul­tur ver­ein­nahmt und kom­mer­zi­ell ver­mark­tet wird (Life­style-Pro­duk­te). Das Finanz­we­sen spielt zum Funk­tio­nie­ren die­ses Modells eine ent­schei­den­de Rol­le. Ers­tens spielt die finan­zi­el­le Steue­rung der Unter­neh­men eine zen­tra­le Rol­le für das Out­sour­cing (Share­hol­der Value-Ori­en­tie­rung führt zu Druck auf Unter­neh­mens­ver­schlan­kung). Zwei­tens schließt der Kon­su­men­ten­kre­dit die Lücke zwi­schen gerin­gen Lohn­ein­kom­men und der not­wen­di­gen Kauf­kraft für den Konsum.
In der Aus­wei­tung der Pri­vat­ver­schul­dung kom­me auch ein eigen­sin­ni­ger Anspruch auf einen Lebens­stan­dard der Pri­vat­haus­hal­te zum Aus­druck, eine Ver­wei­ge­rung von Beschei­den­heit und Zufrie­den­heit mit einem kar­gen Lohn, was als eine Art Aus­druck des Klas­sen­kamp­fes unter Bedin­gun­gen des Post­for­dis­mus inter­pre­tiert wer­den kön­ne, der sich ansons­ten vor allem in der Ver­tei­di­gung von Gemein­gü­tern gegen Pri­va­ti­sie­rung manifestiere.
Die aktu­el­le Kri­se führt zu einem Weg­bre­chen der kre­dit­ge­stütz­ten Nach­fra­ge, ohne die das Sys­tem nicht läuft. 
Die Redi­men­sio­nie­rung und Ein­schrän­kung des Finanz­sek­tors und damit des Kre­dits allein sei die fal­sche Ant­wort auf die Kri­se, weil damit der Kre­dit als (pri­va­ti­sier­te Form der) Arti­ku­la­ti­on und Finan­zie­rung von sozia­len Ansprü­chen zer­schla­gen wer­de, ohne dass ein Ersatz ange­bo­ten wür­de. Auf­grund der Zer­schla­gung des öffent­li­chen Sek­tors und Wohl­fahrts­staa­tes etwa sei ohne Stu­di­en­kre­dit von den pri­va­ten Haus­hal­ten kei­ne Bil­dung zu finanzieren. 
Um aus der Kri­se zu kom­men, müss­te man die Pri­vat­ver­schul­dung erset­zen durch ein Recht auf ein Sozi­al­ein­kom­men, also umver­tei­len. Für die unmit­tel­ba­re Lösung des Pro­blems der „toxic assets“ der Ban­ken sei die Refi­nan­zie­rung der Immo­bi­li­en­kre­dit­schuld­ner der bes­te Weg.

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