Die Banker, die Manager, die Boni und die Staatshilfe: Ein Dreigroschenopern-Roman
In Bertolt Brechts Theatermoritat von Dieben, Bettlern und der feinen Gesellschaft (1) ist Moral eine heuchlerische, der Bourgeoisie vorbehaltene Kategorie; gesellschaftlicher Zusammenhalt existiert faktisch nicht. Dort fragt Mackie Messer rhetorisch „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Berechtigte Fragen, die sowohl in der Literatur von damals als auch in der Realität von heute unbeantwortet bleiben.
Der österreichische Staat hat – wie viele andere Länder dieser Welt – hohe Summen zur Absicherung seines Finanzsektors zur Verfügung gestellt. 100 Milliarden Euro werden für Haftungen und Rekapitalisierung reserviert, um marode Banken vor dem Absturz zu schützen und dadurch die ins Trudeln geratene Wirtschaft wieder mit Geld zu versorgen. Weil letzteres nur bedingt funktioniert und die Banken Unternehmen kaum längerfristigen Kredite geben (können?), wurden vom Bankenrettungspaket nunmehr 10 Milliarden Euro für so genannte Unternehmenskredithaftungen umgewidmet. An welche – nicht nur symbolisch bedeutsamen – Bedingungen die Gewährung dieser Haftungen geknüpft ist, dürfte derzeit Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sein (2). So soll offenbar die ÖVP kein Problem damit haben, dass gut bezahlte Manager von solcherart unterstützten Firmen nach wie vor ihre Boni kassieren. In Abwandlung von Mackie Messers Diktum, kommt da wohl einiges an feinem Essen, bevor auch nur der Hauch von Moral sichtbar wird. Und Dividenden bitte auch noch für die Aktionäre – denn was bei Banken recht ist, muss bei Unternehmen billig sein.
So ist natürlich auch beim Partizipationskapital für die Banken ‑also bei jenem Geld, mit dem der Staat dem Finanzsektor zwar direkt unter die Arme, aber keinesfalls ins unternehmerische Ruder greift – die Frage von Bonuszahlungen und Dividenden eine heikle gewesen. Und sie wurde bisher nicht bzw. nur zum Teil beantwortet. Eine Verpflichtung, dass Boni nicht ausgezahlt werden, gibt es in der öffentlich zugänglichen Vereinbarung nicht; es ist nur von „Angemessenheit“ solcher Zahlungen die Rede. Und was die Dividenden betrifft, so sind auch hier bei einigen Banken keine Beschränkungen gegeben: Der Aktienkurs der Ersten Bank ist beispielsweise nach der Geldspritze durch den Staat wieder deutlich nach oben gegangen – verteilungspolitisch ist das eine schräge Sache!
Gleichzeitig legt sich die ÖVP aber quer, was die 13. und 14. Auszahlung der Mindestsicherung betrifft. Nur zur Größenordnung: Dabei würde es sich um kolportierte 20 bis 30 Millionen Euro an Mehrkosten für rund 270.000 Betroffene handeln. Oder: Das Arbeitsmarktpaket I (im wesentlichen Kurzarbeit) kostet 2009 rund 300 Millionen Euro, das Arbeitsmarktpaket II (Altersteilzeit, Bildungskarenz etc) überhaupt nur ca. 60 Millionen Euro pro Jahr (ab 2010), die nicht einmal durch zusätzliche Mittel aus dem Bundesbudget aufgebracht werden. Zum Vergleich: 300 Millionen Euro ist das obere Limit, das ein einzelnes Unternehmen als Haftungsgrenze für Bankkredite bekommen kann! Was hier an Ausfällen möglich ist, ist im Krisen-Budget 2009/2010 noch nicht einmal eingeplant.
Der bald zu sanierenden Staatshaushalt gerät jedenfalls nicht durch die soziale Hängematte, die von Grünen à la Langthaler bis zu den traditionell Konservativen heraufbeschworen wird, aus dem Ruder, sondern aufgrund eines fehlgeleiteten (Finanz-)Systems. Vor diesem Hintergrund ist es eine Frage des politischen Anstands, eben der vielfach zitierten Moral, zumindest den Schein zu wahren und auf das eine oder andere „goodie“ zu verzichten. Aber, um wieder in den Zitatefundus der Straßenräuber und Bettlerkönige zu greifen: „Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so“ ….
(1) Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weil wurde am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin uraufgeführt
(2) siehe Artikel in der Presse vom 13. August 2009: „Koalitionszwist um Staatshaftungen“
Jean-Paul Fitoussi und Joseph Stiglitz zu „Was hat die Einkommensverteilung mit der Krise zu tun?“
Jean-Paul Fitoussi, einer der bekanntesten Ökonom/inn/en Frankreichs und Direktor des OFCE, und Joseph Stiglitz, einer der weltweit bekanntesten Ökonom/inn/en, „Ökonomienobelpreis-träger“ und ehemaliger Chefökonom der Weltbank, argumentieren in ihrem Aufsatz „The Ways Out of the Crisis and the Building of a More Cohesive World“ (http://www.ofce.sciences-po.fr/pdf/dtravail/WP2009-17.pdf), die aktuelle Weltwirtschaftskrise habe ihre Ursache in der seit den 1980er Jahren ungleicher werdenden Einkommensverteilung.
Laut Fitoussi und Stiglitz stagnieren die Medianlöhne in den meisten industrialisierten Ländern, sowie weiten Teilen der restlichen Welt. Einkommen wurde zu Gunsten der oberen Schichten umverteilt. Da Bezieher/innen niedriger Einkommen eine höhere Konsumneigung aufweisen, hat die Einkommensumverteilung einen Nachfrage dämpfenden Effekt. Um die entstandene Nachfrage-schwäche zu kompensieren sank in den USA die Sparquote und die Verschuldung wurde ausgeweitet. In den europäischen Ländern führte die zunehmende Einkommenskonzentration hingegen zu niedrigem Wachstum und einem Anstieg der Sparquoten; hinzu kam eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik. Zusammen mit anderen Regionen der Welt, die vor allem aus Angst vor Währungskrisen ihre Devisenreserven deutlich ausweiteten, trug Europa zur Finanzierung der steigenden Verschuldung in den USA bei. Temporär konnte auf diesem Weg die Nachfrage-schwäche überbrückt werden.
Hier im Originalwortlaut:
“The crisis has structural roots. The aggregate demand deficiency preceded the financial crisis and was due to structural changes in income distribution. Since 1980, in most advanced countries the median wage has stagnated and inequalities have surged in favour of high incomes. This is part of a broader process which has also affected several parts of the developing world. This trend has many causes, including asymmetric globalization (with greater liberalization of capital than of labour markets), deficiencies in corporate governance and a breakdown of the egalitarian social conventions that had emerged after WWII. As the propensity to consume out of low incomes is generally larger, this long-term trend in income redistribution by itself would have had the macroeconomic effect of depressing aggregate demand.
In the US the compression of low incomes was compensated by the reduction of household savings and by mounting indebtedness that allowed spending patterns to be kept virtually unchanged. At the same time, the limited safety nets forced the government to pursue active macroeconomic policies to fight unemployment, increasing government debt as well. Thus, growth was maintained at the price of increasing public and private indebtedness.
Most European countries tread a different path. The redistribution to higher incomes resulted in an increase in national savings and depressed growth. In the past fifteen years the institutional setting, notably the deficit constraints embedded in the Maastricht criteria and in the Stability and Growth Pact, resulted in low reactivity of fiscal policies and restrictive monetary policy. Together with a financial sector less prone to innovation, this limited consumer borrowing. The shift in distribution resulted in soft growth.
These two paths were mutually reinforcing because the savings from the EU zone contributed to the financing of US borrowing, along with surpluses of other regions which for different reasons – essentially to insure themselves against macroeconomic instability caused by Balance of Payments crises and the subsequent loss of sovereignty due to the intervention of IFIs – also experienced high savings rates (notably East Asia and Middle Eastern oil producing countries). Thus, the combination of structural disequilibria that goes by the name of global imbalances resulted in a fragile equilibrium that temporarily solved the aggregate
demand problem on a global scale at the expense of future growth. An important component of this fragile equilibrium was lax monetary policy. In effect without a continuously expansionary monetary policy aggregate demand deficiency would have affected economic activity. In a way monetary policy was endogenous to the structural disequilibrium in income distribution.” (Fitoussi/Stiglitz 2009, S. 3–4)
Out now: Kurswechsel 2/09 „Politische Ökonomie der USA“
In der aktuellen Ausgabe finden sich Beiträge Gérard Duménil und Dominique Lévy über die Krise des Neoliberalismus, Marion Wieser über Religion als Geschäft, Andrea Grisold über das Land der Medien, Elisabeth Springler zur politischen Ökonomie des Desasters, Thomas König über die Krisenmaßnahmen der Obama-Regierung und viele andere spannende Beiträge.
Dazu ein Debattenforum zum Thema „Wer zahlt die Krise?“ mit Schwerpunkt Österreich. Dazu sind einige Beiträge auch online verfügbar !
Der „falsche Sex“ und die „richtige Armut“ – Studienergebnisse aus den USA
„Was die im Schlafzimmer machen (und ja keinen was angeht)…“ hat auch ökonomische Folgen, die in Österreich kaum abseits der gegenwärtigen Debatte pro und contra Standesamt diskutiert werden. Wenig bis gar nichts ist gegenwärtig über die sozioökonomische Situation von Lesben, Schwulen und TransGenderpersonen in Österreich geforscht worden.
In den USA berichten die feministischen Ökonominnen Randy Albelda und Lee Badgett in einer relativ neuen Studie, dass Lesben und Schwule z.B. ein höheres oder zumindest gleich hohes Armutsrisiko wie Heterosexuelle haben.
Mit dieser Studie werten Badgett und Albelda erstmals die Haushaltsdaten der US-Amerikanischen Volkszählung zu dieser Fragestellung aus, da es 2005 zum zweiten Mal möglich war, sich als lesbisch oder schwul registrieren zu lassen.
Als überraschend bewerten sie, dass der Mythos der „reichen Schwulen“ nicht zu stimmen scheint, wobei sich aus Europäischer Perspektive die Frage stellt, ob diesseits des großen Wassers dieser Mythos der massigen Pink Dollars der schwulen DINKs (double income no kids) je in diesem Ausmaß verbreitet war. Realität ist Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und das Fehlen finanzieller Rechte, die Hetero-Familien vorbehalten sind, was sowohl in den USA als auch sonstwo zu einem größeren Armutsrisiko führen kann. Auch wenig überraschend ist der Schluss, dass lesbische Amerikanerinnen schlechter dran sind als Schwule und Schwarze AmerikanerInnen schlechter dran sind als Weisse.
Der komplette Artikel von Badgett und Albelda findet sich auf der ausführlichen Website des Williams Institute, wo auch Zahlen und Daten zu Kosten und Nutzen der Homoehe, Folgen einer heterosexistischen Steuerpolitik und demographische Details über Lesben und Schwule in den US nachzulesen sind:
http://www.law.ucla.edu/WilliamsInstitute/
In Österreich läuft gegenwärtig eine Befragung der WU Wien im Auftrag der Queer Business Women über Lesben im Berufsleben, an der frau sich auf folgender Website beteiligen kann: http://www.wu.ac.at/gender/aktuelles
Es geht ans Bezahlen – Update
Es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, dass die Staatsverschuldung nach der Krise eine andere sein wird als vorher. Bisher hat man sich jedoch geweigert, das zur Kenntnis zu nehmen, und wenn man es dann doch zur Kenntnis genommen hat, dann hat man die falschen Schlüsse gezogen. Jetzt Steuern zu erhöhen sei – so hörte man zunächst – kontraproduktiv, da dies den Abschwung verstärke und außerdem Einsparungen der richtige Weg seien. Das wird aber kaum reichen und ist zudem falsch, da Staatsausgaben gerade auch den Schwächeren zu Gute kommen. Dann hieß es, Arbeit dürfe nicht verteuert werden und Vermögensteuern brächten nichts, daher müssten die Mehrwertsteuer erhöht werden. Warum dies ziemlicher Unsinn ist, ist an anderer Stelle schon formuliert worden.
In den Wochen und Monaten nach der Sommerpause wird es dann ans Eingemachte gehen. Der Haushalt ist aufzustellen, die Kollektivvertragsrunden beginnen und die Frage, ob die Krise eine politische Kräfteverschiebung gebracht hat, wird vorläufig beantwortet werden. Es ist natürlich richtig, eine stärkere Umverteilung von Einkommen und Vermögen zu fordern und damit erstens die Krise (zumindest teilweise) zu finanzieren und zweitens die falschen Entwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren. Je mehr vom Sparpotential der Besserverdienenden über eine höhere Besteuerung der Spitzeneinkommen (Anhebung des Spitzensteuersatzes, Deckelung der begünstigten Besteuerung der sonstigen Bezügen, Einschränkung der Freibeträge, insbesondere des sog. Investitionsfreibetrags ) und den Vermögenden über eine Vermögensteuer und die Wiedererhebung und Ausweitung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer abgezogen und der Ausweitung öffentlicher Ausgaben (für Soziales, Bildung, Kultur, Infrastruktur) zugeführt wird, desto eher kann die Binnennachfrage stimuliert und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen verbessert werden. Wer hingegen die Massenkaufkraft über eine Anhebung der Mehrwertsteuer beschneidet, tut das Gegenteil: Erstens wird die Lage für einen Großteil der Bevölkerung verschlechtert, zweitens wird die Krise von denen bezahlt, die weder daran verdient noch sie ausgelöst haben, drittens werden die Besserverdienenden und Vermögenden erneut aus der Finanzierung öffentlicher Aufgaben entlassen und viertens wird dem Binnenmarkt massiv Kaufkraft entzogen, was krisenverschärfend wirkt. Das ist nicht hinzunehmen.
Überraschung in Deutschland
In Deutschland ist die Debatte im Kern dieselbe, vielleicht noch etwas abstruser. Das mag an den anstehenden Bundestagswahlen am 27. September liegen, jedenfalls versprechen CDU/CSU gar Steuersenkungen (!) nach der Wahl. Dabei soll der Eingangssteuersatz gesenkt werden, was, bei entsprechender Kompensation – d.h. Nichtentlastung – oben, sinnvoll ist. Allerdings soll die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz greift, ebenfalls nach oben verschoben und damit Spitzenverdiener erneut entlastet werden. Sinn der Aktion? Populismus vor den Wahlen, Interessenpolitik und die Erzeugung neuer „Sachzwänge“ über knappe, öffentliche Kassen!
Und jetzt das: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, dass man die vermögensbezogenen Steuern erhöht, gar die Vermögensteuer wieder einführt. Das ist doch mal was! Es gehört jedoch nicht viel Phantasie dazu, sich den Gegenwind vorzustellen, der kommen wird.
Und die Sozialdemokratie?
In Österreich sieht es nun ähnlich aus wie in Deutschland: Die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern sind massiv unterdurchschnittlich und könnten daher problemlos nach oben angepasst werden. Es ist also wie gemacht für die Sozialdemokratie: Eine ökonomisch sinnvoll Entscheidung, die in die richtige Richtung umverteilt und die geschundene Parteiseele streicheln könnte. Aber, nun ja, Herr Faymann ist ja dagegen. Es muss daher in den kommenden Auseinandersetzungen insbesondere in der Sozialdemokratie um die Frage der wirtschaftspolitischen Ausrichtung gehen. Ein Anfang scheint gemacht.
Tagung „Krise ohne Alternative?“
Die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung tagte am 3./4.7.2009 in Wien zum Thema „Krise ohne Alternative?“. Neben parallelen Arbeitsgruppen zu Alltag, Bewegung, Gewerkschaften, Krisenverlauf, Migration, Ökologie und Sozialpolitik wurde in zwei Plenardebatten über Krisendefinitionen, die Rolle linken Wissens und Zukunftsszenarien diskutiert.
Welche Krise?
In den Krisendiagnosen auf der Tagung bildeten makroökonomische und alltagsbezogene Analysen die Pole der Analyse.
Joachim Becker interpretierte die Krise als Ausdruck nicht-nachhaltiger Akkumulationsregime: Finanzialisierte Import- und neomerkantile Export-Länder seien aufeinander angewiesen und nun parrallel von der Krise betroffen. Je binnenorientierter ein Staat, desto weniger krisenbetroffen, so Becker.
Birgit Sauer zufolge ist die Krise auch eine Krise der Lebensweise, was sich in der Krise der Autoindustrie spiegele. Die Autogesellschaft steht für mangelnde ökologische Nachhaltigkeit, und ruhe auf einer spezifischen „Bevölkerungsweise“, u.a. ein hegemoniales Geschlechterregime punkto Arbeit und Konsum.
Krise im Diskurs
In einer Analyse des medialen Diskurses unter starkem Rückgriff auf Internet-Foren konstatierte Heinz Steinert bei Gebildeten die Neigung, das Thema ins Moralische zu ziehen, während bei „gemeinen Leuten“ die Tendenz vorherrsche, sich zu arrangieren und abzuwarten. Der Boulevard zeige mitunter auch eine gewisse Häme gegenüber den Verlusten der Reichen.
In der dominanten Krisendefinition würden Metaphern von Krankheit eingesetzt, was einen Rückkehr zum status quo ante als gesunden Normalzustand impliziere. Die Krise sei eine Krise von Artikulationsmöglichkeiten für emanzipatorische Forderungen, so Ariane Brenssell. Isabell Lorey betonte die normalisierenden Effekte der Krise – bisher Skandalisiertes werde selbstverständlich. Ein Verlust moralischer Ökonomie sei zu beobachten, ein Verlust der Grenzen der Zumutbarkeit.
Wie gut ist „linkes Wissen“?
Laut Heinz Steinert ist es der Linken in der öffentlichen Debatte um die Krise nicht gelungen, eine eigenständige Interpretation ins Spiel zu bringen. Das zentrale Versagen sei, dass es nicht gelungen sei, die Zuschreibung von Wirtschaftskompetenz an Konservative Kräfte infrage zu stellen.
Isabell Lorey führte die Selbstverstricktheit von Linken in die Verhältnisse als möglichen Grund für die Schwäche linker Krisenanalysen an.
Alex Demirovic betonte die Stärke linken Wissens, und stellte eher eine Krise der politischen Mobilisierung und Schwächen der Artikulationsfähigkeit in den Vordergrund. In der Debatte war umstritten, ob linkes Wissen selbst defizitär, oder ausreichend und gut, aber machtlos sei.
Zukunftsprognose
Steinert sah die Konservativen Kräfte erfolgreich, die Krise zu nutzen, um den Staat stärker zu instrumentalisieren und Reformen in ihrem Sinne zu legitimieren. Dieser Umgang stünde in einer Tradition der letzten Jahre, das Ausrufen von Krisen zur Herstellung von Veränderungsbereitschaft bei der Bevölkerung einzusetzen.
Birgit Sauer zufolge werde die Finanzkrise dazu genutzt, um asymmetrische Geschlechterverhältnisse zu stabilisieren, abgesehen davon, dass letztere auch zur Abfederung von Krisenfolgen herhalten müssen. Ariane Brenssell zeigte das anhand der Delegitimierung von sozialen und frauenpolitischen Forderungen, die angesichts der Finanzkrise in den Hintergrund gedrängt werden.
Im Gegensatz dazu interpretierte Mario Candeias die Reserven des Neoliberalismus als erschöpft, weil die Krise gezeigt habe, dass er weder neue Akkumulationsfelder eröffnen noch aktiven Konsens der Beherrschten herzustellen vermochte.
Für die weitere Zukunft prognostizierten einige Wortmeldungen einen L‑förmigen Verlauf, also eine länger anhaltende wirtschaftliche Stagnation („Modell Japan“) mit der Folge härterer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Wolfgang Nitsch führte das „Modell Südafrika“ als mögliches Zukunftsszenario an: Koexistenz eines kleinen Bereichs, wo neoliberales Modell für einige wenige funktioniert, neben einem großen Bereich der autoritär verwalteten Verelendung, und das alles bei funktionierendem Rechtsstaat und parlamentarischer Demokratie.
Österreich – Steueroase ohne Palmen
Die Frage, ob Österreich eine Steueroase ist, beschäftigt das Land spätestens seit den Verhandlungen auf internationaler Ebene über die Rolle von Staaten wie der Schweiz, aber eben auch Österreich. Wir dokumentieren hier einen Beitrag von Klemens Himpele und Sybille Pirklbauer, der im Herbst bei Attac erscheinen wird in: „Steueroasen und Offshore Zentren – Die potemkinschen Dörfer von heute“. Herzlichen Dank für die Erlaubnis, den Text bereits hier zu veröffentlichen.
Österreich – Steueroase ohne Palmen
Steuern sind ein unverzichtbares Instrument der Politik eines Staates – und zwar in dreierlei Hinsicht. Zuerst dienen sie der Finanzierung öffentlicher Aufgaben, Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Zweitens tragen sie, wenn sie höhere Einkommen stärker belasten als niedrige (progressive Steuern) zur Umverteilung bei; und drittens können sie zur Lenkung in Richtung eines bestimmten Verhaltens eingesetzt werden (bspw. Tabaksteuer für weniger Rauchen; Umweltsteuern für umweltfreundlicheres Verhalten). Dabei sind der Steuerpolitik jedoch auf Grund der internationalen Verflechtungen Grenzen gesetzt, d.h., Staaten können in einer globalisierten Welt nicht völlig frei über ihre Steuerpolitik entscheiden. So findet die Besteuerung von Unternehmen ihre Grenzen dort, wo multinational tätige Konzerne ihre Gewinne zwischen den Standorten verschieben können, und sie auf diese Weise im Land mit den niedrigsten Steuern anfallen lassen. Zusätzlich können sie dem Staat mit gänzlicher Abwanderung drohen (vgl. Kraus 2009). Finanzkapital, das nicht in Grund oder Immobilien gebunden ist, kann praktisch ohne Beschränkungen an den Ort der geringsten Steuern verschoben werden, sofern an diesem Ort Eigentum geschützt und garantiert wird. Damit findet die nationale Steuerpolitik ihre Grenzen der Besteuerung von Gewinnen, höheren Einkommen und Vermögen dort, wo Steueroasen „günstigere“ Bedingungen bieten. Weil in den Steueroasen auch Transparenz weitgehend fehlt, sind auch jene geschützt, die ihr Geld bereits erfolgreich am heimischen Fiskus vorbeigeschummelt oder gar durch kriminelle Aktivitäten erworben haben. Damit missachten Steueroasen die Grundsätze des Steuerrechts und untergraben die Finanzierungsbasis der Sozialstaaten. Es ist daher höchste Zeit, diese Oasen auszutrocknen, zu den auch Österreich gehört.
Österreich – eine Steueroase?
Die Bundesregierung streitet es rundheraus ab, dennoch: Österreich ist eine Steueroase und spielt dabei eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Steuern. Der Direktor des Netzwerks für Steuergerechtigkeit, John Christensen, nennt im Kurier das Bankgeheimnis und das Stiftungsrecht als zentrale Gründe, warum Österreich eine Steueroase ist . Dem lassen sich niedrige Kapital- und Vermögenssteuern hinzufügen (vgl. ATTAC Österreich o.J.). Diese Kombination macht Österreich für Steuerhinterzieher attraktiv. Das ist kein Versehen, sondern „Standortpolitik“, die AnlegerInnen nach Österreich locken soll. Das geht aber zu Lasten anderer Staaten.
Unversteuertes Geld nach Österreich
In Österreich liegen Unsummen an ausländischem Vermögen. Dieses ist kaum auf Grund der höheren Sicherheit im Lande – Banken in Deutschland oder Frankreich bieten Vergleichbares. Vielmehr scheint das strikte Bankgeheimnis und die bisherige Weigerung Österreichs, in diesem Bereich mit der EU zu kooperieren, der Grund für das hohe Auslandsvermögen zu sein.
Das Bankgeheimnis in österreichischer Strenge bedeutet, dass nur die Bank den/die KontoinhaberIn kennt. Diese muss Informationen über KundInnen und deren Vermögen nicht weitergeben – anders als in Deutschland, wo Behörden Einsicht in die Konten haben. Damit können die AnlegerInnen praktisch anonym bleiben.
Mit der Verweigerung der Kooperation und Informationsaustausch mit anderen Staaten erfüllt Österreich ein weiteres typisches Merkmal einer Steueroase. Die EU versucht, mehr Transparenz und Fairness bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zu schaffen. Dazu ist ein automatischer Informationsaustausch zwischen Staaten vorgesehen, wer im Ausland welche Zinseinkünfte erzielt. Österreich verweigert das und hat sich lediglich dazu verpflichtet eine Quellensteuer auf die von AusländerInnen erzielten Zinseinkünfte zu erheben.
Auch wenn das Bankgeheimnis unter dem Druck insbesondere Deutschlands etwas aufgeweicht wird, fehlt der österreichischen Politik offensichtlich jedes Unrechtsbewusstsein. Denn wem dient(e) das Bankgeheimnis? Vor allem denjenigen, die unversteuertes Geld in Österreich geparkt haben. Damit helfen Steueroasen – und eben auch Österreich – das zentrale Besteuerungsprinzip zu unterlaufen: „Die Steuerpflichtigen sollen dort besteuert werden, wo sie ihren tatsächlichen Wohnsitz haben. Durch ihre Anwesenheit im Lande begründen sie ja auch erst einen Bedarf für öffentliche Leistungen, der über Steuern zu decken ist“ (Thielemann 2009, S. 13). Durch die Weigerung eines Informationsaustausches mit anderen Ländern nimmt der Staat für sich aber faktisch in Anspruch, „Personen, die für ihn Steuerausländer sind, von ihrer Steuerpflicht zu befreien“ (ebd.). Etwas direkter ausgedrückt: das Bankgeheimnis ermöglicht es erst, einmal hinterzogene Steuern nie mehr zahlen zu müssen. Hierfür gibt es keinerlei rechtliche Grundlage. Der häufig gemachte Verweis auf die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz dient einzig dem Schutz der inländischen Finanzindustrie. Schließlich sollen die steuerlichen Informationen nicht veröffentlicht sondern lediglich den Finanzbehörden zur Festsetzung einer Steuer bekannt gegeben werden – wie es heute bei jeder und jedem unselbstständig Erwerbstätigen völlig selbstverständlich passiert. Natürlich kann es gute Gründe geben, ganz regulär versteuertes Geld in Österreich zu investieren. Dann braucht es jedoch kein Bankgeheimnis und dann gibt es auch keinen Grund, den Informationsaustausch mit anderen Ländern zu verweigern. Die EU hat Recht, wenn sie Österreich und andere Länder nun massiv unter Druck setzt, den Austausch zu gewährleisten. Steueroasen wie Steuerflüchtige sind nichts anderes als Trittbrettfahrer. Die Steuerflüchtlinge nehmen zwar die öffentlichen, aus Steuern finanzierten Leistungen, in Anspruch, tragen jedoch selbst nichts dazu bei. „[U]nd die Leistung der Steueroase besteht lediglich darin, den fiskalischen Informationsaustausch konsequent zu verweigern und ihr Steuersystem entsprechend einzurichten“ (ebd., S. 15). Die Finanzindustrie freut sich und verdient daran.
Die VerteidigerInnen der Geheimnistuerei verweisen an dieser Stelle gerne darauf, dass die Zinseinkünfte ja ohnehin mit einer Quellensteuer belegt sind. Bei Geld aus dem EU-Ausland wird ein Teil dieser Erträge an die jeweiligen Herkunftsländer abgetreten. Das Argument ist aber ein schwaches: Denn erstens werden nur die Zinseinkünfte besteuert. Ob das zu Grunde liegende Vermögen regulär versteuert wurde, bleibt außer Acht. Und zweitens wird damit eingestanden, dass dem Wohnsitzland ein Besteuerungsrecht zusteht. Dann aber ist es nur konsequent, einen entsprechenden Austausch der Informationen zu organisieren und das Verfahren gleichsam vom Kopf auf die Beine zu stellen.
Erben ohne Erbschaftssteuer
Ein zweites Merkmal als Steueroase findet sich in Österreich bei der extrem geringen Besteuerung von Vermögen und der Abschaffung der Steuern für Erbschaften und Schenkungen. Schon vor der Abschaffung der Erbschaftssteuer nutzten vor allem vermögende Deutsche das finanzielle „Auswandern“ nach Österreich zur „Steueroptimierung“. Mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer könnte das allerdings Geschichte sein, da die Bundesrepublik kurzerhand das Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt hat, so dass Erbschaftsfälle nach Deutschland wieder dem deutschen Recht unterliegen. Ein guter Finanzplatz hat aber auch dafür eine Lösung: Der Focus zitiert hierzu Gerald Toifl, Steuerexperte der Salzburger Kanzlei Leitner & Leitner, wie folgt: „Wer sein Vermögen in eine Privatstiftung legt oder an eine solche Stiftung vererbt, spart seinen deutschen Erben auch künftig die Steuer“ (zitiert nach Kusitzky 2007). Die Aussage macht deutlich, dass sich Österreich zu Lasten anderer Volkswirtschaften einen Vorteil verschaffen will, indem es diese Staaten um die ihnen eigentlich zustehenden Steuern bringt – Merkmale einer Steueroase eben. Kusitzky merkt übrigens noch an: „Das Modell lohnt sich jedoch nicht für jeden. Zwei bis drei Millionen Euro Kapital sollten dafür schon vorhanden sein.“
Ende der Steueroase?
Die EU hat in den vergangenen Monaten den Druck auf die europäischen Steueroasen – vor allem die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Belgien und Andorra – erhöht und substantielle Verbesserungen insbesondere beim Informationsaustausch erreicht. Dennoch bleibt Skepsis angebracht, da bspw. das Stiftungsrecht oder die Privatstiftungen als Ganzes nicht zur Debatte stehen. Ferner bleibt Österreich der Politik des Steuersenkungswettbewerbs bei der Unternehmensbesteuerung treu und löst auch national die Probleme, die da Bankgeheimnis schafft, nicht. So werden von jedem Lohnsteuerpflichtigen selbstverständlich die steuerpflichtigen Einkommen durch den Arbeitgeber an das Finanzamt übermittelt. Andere Einkünfte können dank des Bankgeheimnisses jedoch gut verborgen werden. Das ist verteilungspolitisch und aus Gerechtigkeitsgründen sowenig akzeptabel wie der Verzicht auf eine angemessene Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen. Diese letzten Punkte machen deutlich, dass Österreich neben der Frage der Steueroase auch einer grundlegenden Reform der Steuerpolitik im inneren benötigt. Es wird Zeit, dass diese Erkenntnis auch in der Regierung ankommt.
Literatur
ATTAC Österreich (o.J.): 7 Gründe warum Österreich eine Steueroase ist, URL: http://www.attac.at/7gruende (12.06.2009).
Himpele, Klemens / Recht, Alexander (2009): Möglichkeiten und Grenzen von Steuerpolitik, in: PROKLA 154, S. 9–26.
Kusitzky, Alexandra (2007): Österreich: Ende einer Steueroase? Das Alpenland verliert seinen Status als Erbschaftsteuer-Paradies. Neue Schlupflöcher sind aber schon gefunden, in: Focus 37/2007 und im Internet unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/oesterreich-ende-einer-steueroase_aid_219844.html (12.06.2009).
Pirklbauer, Sybille / Ziegler, Petra (2009): Unser steuergerechtes Europa, in: Attac (Hg.): Wir bauen Europa neu – Wer baut mit? Alternativen für ein demokratisches, soziales, ökologisches und friedliches Europa, Wien
Kraus, Astrid (2009): Unternehmensbesteuerung – gibt es nationalstaatliche Handlungsspielräume?, in: PROKLA 154, S. 47–69.
Thielemann, Ulrich (2009): Grundsätze fairen Steuerwettbewerbs im Lichte der aktuellen Entwicklung, in: Die Volkswirtschaft. Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6–2009, S. 13–15.
>DeflationoitalfnI<
Anlässlich der Anmerkung von Matthew Yglesias: Ist die Deflationsgefahr im Euroraum gegeben? In einer Prokla-Ausgabe von 2004 wurde das Thema explizit angeschnitten. Das Editorial hat damals (nach dem Platzen der New Economy Blase) folgende Aussicht gegeben:
„Selbst ein starkes Wachstum in den USA stabilisiert die Weltwirtschaft nicht automatisch. Denn sollten die internationalen Kapitalströme in die USA, die zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits notwendig sind, versiegen und der Dollarkurs weiter abstürzen, dann würde das US-amerikanische Leistungsbilanzdefizit schrumpfen. Für die Akkumulationsaussichten der Weltwirtschaft wäre es äußerst problematisch, wenn sich in den USA das Defizit der Leistungsbilanz in einen Überschuss verwandeln sollte. Denn dann würde die Aufwertung des Euro sowie des Yen im Euroraum und in Japan die Deflationsgefahren massiv erhöhen. Besonders verheerend wäre es, wenn der Dollarkurs unkontrolliert ins Trudeln käme und sich die amerikanische Zentralbank gezwungen sähe, durch Hochzinspolitik den Dollarkurs zu verteidigen. […]
Insgesamt hat die Deregulierungswelle und die verstärkte Währungskonkurrenz zu einem strukturellen Machtgewinn von Geldvermögensbesitzern geführt. Der weltweite Rückgang von Inflationsraten, die zunehmende Unabhängigkeit von Zentralbanken, die Verabsolutierung der Dominanz von Preisniveaustabilität gegenüber allen anderen Zielen der Wirtschaftspolitik, die in vielen Ländern zu beobachten ist, ist Ausdruck dieser Machtverschiebung. Eine Konsequenz dieser neuen Situation, die bislang noch kaum diskutiert wurde, ist die latent deflationäre Konstellation der Weltwirtschaft.“
Wie kommt es dann, dass Angela Merkel vor einer Inflation warnt? Steckt ihr wirklich noch die Angst aus der Weimarer Republik in den Knochen? Oder steckt dahinter ein realitätsfernes Festhalten am deutschen Modell der Notenbanken? Oder wechselt Frau Merkel nur politisches Kleingeld? Oder weiß man in Frankfurt etwas, das in den U.S.A. niemand weiß?
Es geht ans Bezahlen
Bernhard Felderer – wir hatten bereits darauf hingewiesen – ist gegen Steuererhöhungen und für Einsparungen. Er präzisierte diese Aussage jetzt in der Presse: Er ist gegen eine Vermögensteuer und gegen die Erhöhung der Lohnsteuer, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnt er aber nicht ab. Das ist konsequent. Es ist bekannt, dass Mehrwertsteuern degressiv wirken – auch Herrn Felderer. Deshalb wollte die SPÖ im Wahlkampf die Mehrwertsteuer sogar teilweise senken. Wenn Felderer dennoch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Sanierung des Budgets vorschlägt, dann macht das nur deutlich, dass sich alle, die die gigantische Umverteilungspolitik zu Gunsten der Reicheren ob der Krise am Ende sahen, zu früh gefreut haben. Die Auseinandersetzungen beginnen erst jetzt – Felderer hat einen Aufschlag gemacht. Es ist nun an SPÖ und ÖVP zu erklären, wie sie die öffentlichen Aufgaben zu finanzieren gedenken. Zumindest zum Teil vielleicht doch über eine Vermögensteuer und die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungsteuer?
Nachtrag 29.06.2009: Auch der Blog acht hat sich des Themas Felderer angenommen.
Staatsausgaben senken statt Steuern erhöhen?
So macht man also Politik: Zuerst werden die »Leistungsträger« einer Gesellschaft, also die oberen Prozent, entlastet, indem man Steuern senkt, dann muss bei den Staatsausgaben gespart werden. So wurde die Körperschaftssteuer gesenkt und die Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeschafft, und die letzten Reformen sind noch gar nicht lange her: Man hat die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz greift, auf 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr angehoben. Daneben wurde ein ungebundener Freibetrag für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Gewerbebetrieben beschlossen sowie der Freibetrag für investierte Gewinne erhöht. Steuersenkungspolitik als Standortpolitik war die Devise, wobei die Entlastungen natürlich zu einem erheblichen Teil denjenigen zu Gute kamen, denen es sowieso schon vergleichsweise gut geht. Die Folge: Staatsausgaben mussten zurückgefahren werden und das Investitionsdefizit in den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge ist immens. Und die steigende Ungleichheit auch.
Dann kam die Krise. Bzw. sie war auch eine Folge der beschriebenen Politik, denn eine ungleiche Einkommensverteilung ist eine Ursache der Krise. Hieß es noch vor wenigen Monaten: „Es gibt nichts zu verteilen“, so wurden nun in Kürze der Zeit zahlreiche Hilfspakete für Banken und Konjunkturprogramme geschnürt – auf vergleichbare Zusatzausgaben für Soziales und Bildung wartet man jedoch noch immer. Die Banken- und Konjunkturpakete jedoch wollen nun bezahlt sein. Wer aber glaubt, dass dies auch über eine Vermögensbesteuerung passiert oder andere Steuern, der sieht sich getäuscht. Wer das auch nur andenkt, der wird mit einer Kampagne überzogen. Und Bernhard Felderer macht aktuell im Standard klar, was passieren wird:
Statt Steuern zu erhöhen oder neue einzuführen, redet der Wirtschaftsforscher einer Reduktion der Staatsausgaben das Wort: „Das muss absolute Priorität haben.“
Damit wird die alte Politik fortgeschrieben – nicht die Medizin war falsch, sondern die Dosis. Denn wenn das nicht wirkt, dann muss man eben mehr davon nehmen. Dass von Staatsausgaben eben gerade auch die sozial Schwächeren profitieren, von den Steuersenkungen aber nicht, ist bekannt aber offensichtlich egal. Dass Staatsausgaben gerade auch Nachfragewirksam sind – auch egal. Nur nicht das Vermögen und die Einkünfte der Besserverdienenden angreifen…
Es bleibt zu hoffen, dass Herr Felderer Widerstand bekommt und man endlich einmal eine Debatte über eine sinnvolle Vermögensbesteuerung zu Finanzierung öffentlicher Ausgaben führen kann. Die Kürzung der wifo-Gelder durch die Industriellenvereinigung macht dabei auch deutlich, warum Wissenschaft unabhängig sein muss.