Was spricht eigentlich gegen eine Vermögensteuer?
Es ist wird wieder einmal heftig über die Vermögensteuer diskutiert, doch der Optimismus, dass sie wirklich kommt, hält sich in Grenzen. Es stellt sich aber die Frage, was ökonomisch für oder gegen eine Besteuerung von Vermögen spricht.
Die Finanzierung öffentlicher Ausgaben ist gerade auch in Krisenzeiten unerlässlich, um soziale Leistungen auszubauen, Bildung und Kultur ausreichend zu finanzieren, öffentliche Infrastrukturprojekte realisieren zu können, eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben kurz: Um den Lebensstandard der Menschen zu sichern. Diese Ausgaben sind grundsätzlich über Steuereinnahmen, zum Teil auch über eine staatliche Neuverschuldung zu realisieren. Und dabei muss gelten: Wer mehr hat, der hat auch eine größere Steuerlast zu tragen. Es ist daher schwer verständlich, warum Österreich auf Einnahmen aus Substanzsteuern – also aus Erbschafts- und Vermögensteuern – weitgehend verzichtet. Ein paar Argumente für die Debatte:
- Österreich ist bei der Besteuerung von Vermögen und Erbschaften (fast) Schlusslicht in der EU. 2006 wurden gerade einmal 0,6 des BIP durch diese Steuern eingehoben. Der Durchschnitt der EU lag 2006 bei knapp 2,0%, in Großbritannien waren es 4,6 Prozent des BIP (Standard vom 09.04.09). Bei einer Anhebung auf den EU-Durchschnitt würde Österreich 4 Mrd. Euro jährlich zusätzlich einnehmen.
- Vermögen sind extrem ungleich verteilt. Wer wirklich eine Umverteilung will, der muss in die Substanz dieser Vermögen eingreifen.
- Die Angst vor einer Vermögensteuer ist enorm. Menschen, die durch bessere öffentliche Leistungen profitieren würden, lehnen deren Finanzierung über eine Vermögensteuer dennoch ab. Dabei muss klar sein: Eine Vermögensteuer kann so ausgestaltet werden, dass kleinere und mittlere Vermögen steuerfrei bleiben. Dafür können entsprechende Freibeträge vorgesehen werden. Das Schüren der Angst vor Vermögensteuern ist interessengeleitet und nicht rational.
- Gegen die Vermögensteuer wird eingewandt, dass dieses Geld bereits versteuertes Einkommen sei und eine doppelte Besteuerung nicht zulässig ist. Nun wird aber jedes Einkommen bei Verausgabung mehrfach besteuert: Erst durch die Lohn- und Einkommensteuer, dann durch diverse Verbrauchsteuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer usw.). Es gibt keinerlei Begründung, warum das nicht so sein sollte. Daher können auch Vermögensteuern eingehoben werden, so denn der politische Wille da ist.
Neben der Frage der Einnahmen ist immer die Frage der Funktion zu beachten. Eine Besteuerung von Vermögen lässt sich einerseits aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, andererseits aus dem Äquivalenzprinzip begründen. Aus Vermögen entstehen Leistungen wie bspw. Einkommen, Prestige, Macht, Sicherheit. Eine Person, die Leistungsfähiger ist, ist jedoch stärker zu besteuern. Dies ist kein Naturgesetz, aber eine politische Setzung. Diese gilt es zu verteidigen, weil das Leistungsfähigkeitsprinzip eine der zentralen Säulen eines Sozialstaates darstellt. Ein solcher kann nur bei Umverteilung funktionieren, denn wenn jede Gruppe für sich selbst sorgen muss, dann ist das kein Wohlfahrtsstaat mehr. Zudem leistet der Staat auch etwas für die Vermögenden: Er garantiert das Eigentum, er stellt die juristische und sächliche Infrastruktur zur Verfügung, die notwendig sind, dass Vermögen entstehen und existieren kann. Daher kann der Staat nach dem Äquivalenzprinzip auch Steuern auf Vermögen begründet einheben.
Es ist nicht einzusehen, dass Österreich auf die dringend benötigten Einnahmen aus der Vermögensteuern verzichtet. Die positiven Effekte – Einnahmesteigerung, gleichere Verteilung, weniger Kapitalakkumulation – sind groß und sollten die Politik dazu veranlassen, endlich zu handeln. Mit einem Verweis auf das Regierungsprogramm ist es nicht getan. Erstens ist es ein Fehler, dass dort keine Vermögensteuer benannt wird. Zweitens kann man Fehler korrigieren. Und Drittens ist die wirtschaftliche Situation eine deutlich andere als zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen.
G-20-Finanzgipfel: mehr Kontinuität als Wandel
Der G‑20-Gipfel zur Finanzkrise Anfang April in London brachte zwar etwas mehr als erwartet, blieb aber weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Die Erwartungen waren durch die unterschiedlichen Interessenlagen und offen ausgetragenen Differenzen der zentralen internationalen Mächte gedämpft.
Die US-Regierung drängte im Vorfeld stark auf internationale Konjunkturpakete, zeigte aber wenig Enthusiasmus für weitgehende Regulierungsvorschläge. Das ist angesichts des hypertrophen US-Finanzsektors auch nicht überraschend. Neben fiskalischen Anreizen setzt die US-Regierung besonders stark auf die Wiederbelebung der Kreditmechanismen. Impulse sollen aus der Finanzsphäre kommen. In den letzten Jahrzehnten standen bei Wirtschaftsaufschwüngen in den USA nicht mehr die Industrie und die produktiven Investitionen im Vordergrund, sondern der Finanz- und Immobiliensektor. Die deutsche Bundesregierung zeigte sich gegenüber weiteren Konjunkturpaketen ablehnend und stellte stattdessen Regulierungsfragen in den Vordergrund. Die deutsche Ökonomie ist übermäßig stark auf den Export ausgerichtet und leidet jetzt stark unter den Exporteinbrüchen. Der deutsche Politik- und Wirtschaftsmainstream setzt weiter auf Exporte als Weg aus der Krise. Nur die Links-Partei, linke Gewerkschafter, globalisierungskritische Gruppen und einige kritische Ökonomen fordern eine Reorientierung auf den Binnenmarkt und starke fiskalische Impulse sowie eine expansive Lohnpolitik. Dies wird von der Bundesregierung abgelehnt. Sie negiert, dass die Krise auch etwas mit Verteilungsfragen – wie hohen anlagesuchenden Einkommen der oberen Mittelschichten und beim Konsum Kompensation niedriger Einkommen durch steigende Aufnahme von Konsumkrediten – sowie globalen Ungleichgewichten zu tun hat. Sie identifiziert als zentrale Ursache der Krise primär Fehlregulierungen der Finanzmärkte, die tatsächlich ein wichtiger, aber nicht der einzige wichtige Krisenfaktor waren. Bei der deutschen Position ist zu beachten, dass durch den internationalen Bedeutungsgewinn des angelsächsischen Finanzmarktmodells das deutsche Wirtschaftsmodell mit seinen traditionell engen Beziehungen zwischen Banken und Industrie erodiert war. Die chinesische Regierung zeigte sich angesichts der unkonventionellen und stark expansiven Geldpolitik der US-Zentralbank offen um die riesigen chinesischen Finanzanlagen in den USA besorgt. Aus China kamen erste Stimmen, welche die Rolle des US-Dollars als zentrale US-Reservewährung vorsichtig in Frage stellten.
Die Passagen zur wirtschaftlichen Stimulierung sind eher allgemein gehalten. Besonderes Gewicht legt die Abschlusserklärung auf die Wiederherstellung eines „normalen Kreditflusses“. Hierbei ist unklar, was „normal“ eigentlich bedeutet. Sollte hiermit die exzessive Kreditvergabe der letzten Jahre gemeint sein, würde dies die Fortsetzung eines grundsätzlich sehr krisenanfälligen Wirtschaftsmodells bedeuten. In den USA gibt es bereits jetzt Anstrengungen, den Handel mit innovativen Finanzaktiva, die in der Krise ihre destruktive Wirkung deutlich zeigten, mit staatlicher Hilfe wieder in Gang zu bringen. Einzelne Banken scheinen auf diese Politik, die auch den USA nicht unumstritten ist, anspringen zu wollen.
Etwas mehr Regulierung soll es allerdings auch geben. Das Financial Stability Forum soll zu einem Financial Stability Board (FSB) mit verstärktem Mandat ausgebaut werden. Das FSB soll sich unter anderem um den Aufbau eines Frühwarnsystems für die Finanzmärkte und die Veränderung der Aufsichtssysteme kümmern. Regulierung und Aufsicht sollen „auf alle systemisch wichtigen Finanzinstitutionen, ‑instrumente und –märkte“ ausgedehnt werden. Hierzu sollen auch „systemisch wichtige Hedgefonds“, die mit sehr hoher Kreditfinanzierung spekulativer Aktivitäten arbeiten, gehören. Was „systemisch wichtig“ ist, ist in der Erklärung nicht definiert und ziemlich interpretationsfähig. Von einer umfassenden Kontrolle kann so keinesfalls die Rede sein. Mehr Transparenz ist allein nicht ausreichend. Bereits vor der Krise waren Krisengefahren durchaus erkennbar, doch folgten keine präventiven Gegenmaßnahmen. Die Regulierungsbehörden zeigten sich allzu eng auf die Wünsche der Finanzwelt ausgerichtet. Notwendig wären ein Verbot verschiedener innovativer Finanzinstrumente sowie eine Genehmigungspflicht für neue Instrumente. Von entsprechenden Schritten ist in der Deklaration kein Wort zu finden. Auf Steuerparadiese soll verstärkter Druck ausgeübt werden. Hierbei wird eher auf die Unterbindung von Steuerflucht als auf den ebenfalls sehr wichtigen Aspekt der Regulierungsflucht abgestellt. Mangelnde Regulierung und Aufsicht machen neben steuerlich „paradiesischen“ Zuständen die Hauptattraktivität der Steuerparadiese auf. Vielfach handelt es sich bei diesen „Paradiesen“ übrigens um kleine Reste des kolonialen Imperiums Großbritanniens und der Niederlande.
Die vielleicht unmittelbar stärkste Wirkung des G‑20-Gipfels ist die Stärkung des IWF (und anderer internationaler Finanzinstitutionen). Über den IWF soll Liquidität für Länder der Semi-Peripherie (wie Teile Osteuropas oder Lateinamerikas) und der Peripherie bereitgestellt werden. Hierbei werden auch konkrete Summen genannt, die allerdings zum Teil nur Bekräftigungen bereits früherer Beschlüsse sind. Der IWF hat die Wirtschaftspolitiken, die zur gegenwärtigen Krise geführt haben, systematisch unterstützt. Wirtschaftspolitisch hat er seine Linie kaum korrigiert. Grundlegende Ursachen der Verschuldung von (semi-)peripheren Ökonomien gehen seine Programme nicht an, oftmals zementieren sie diese sogar. Die Stimmrechtsverteilung im IWF ist hochgradig undemokratisch zu Gunsten der Industrieländer (vor allem der USA) verzerrt und wird absehbar auch bei den angepeilten Stimmrechtsreformen höchst problematisch bleiben. Eine weit bessere Alternative wäre die Vergabe von Liquidität über UNO-Organisationen.
Das G‑20-Treffen zeigt geo-politische Verschiebungen an. Im Gegensatz zu den bisherigen G‑7-Treffen saßen große Länder des Südens mit am Tisch. China ist ein zwar noch recht diskreter, aber doch zentraler Akteur. Die US-Regierung ist zumindest zu Teilkompromissen gezwungen. Im Kern zeichnet sich ab, dass Kernelemente der Wirtschaftsmodelle der letzten drei Jahrzehnte bewahrt und um eine etwas verstärkte Kontrolle ergänzt werden sollen. Der kleinste gemeinsame Nenner ließe sich so beschreiben: So viel Kontinuität mit den Jahren des Neoliberalismus wie möglich und eine Begrenzung der Korrekturen auf das unvermeidlich Scheinende.
Regulierung ist nicht genug.
Für eine Demokratisierung der Debatte über Antworten auf die Krise
So manche kritische Gruppe sieht sich in der Diskussion um die aktuelle Finanzkrise in der Zwickmühle. Dass der Kapitalismus instabil ist und seine fortschreitende schwach regulierte Finanzialisierung (also der vergrößerte Stellenwert von Finanzmärkten für immer mehr Wirtschafts- und Lebensbereich) diese Instabilitätstendenz verstärkt, behaupten sie schon seit Jahr und Tag. Nun ist diese Diagnose (wieder einmal) durch eine Krise schlagartig ins allgemeine Bewusstsein getreten, und das Lob der Märkte, das gestern noch allgegenwärtig durch die Medien schallte, ist heute Hohn und Spott ausgesetzt.
Doch es ist verdächtig: Jene mächtigen Akteure, die den Karren an die Wand gefahren haben, machen sich vormals marginale kritische Diagnosen und Vorschläge zu eigen, als wäre nichts gewesen, und behalten ihre Posten…
BEIGEWUM-Forderungen zur Finanzkrise
27.10.2008
1. Umverteilung
Die aktuelle Krise ist nicht nur ein Versagen des Finanzsektors, sondern auch Ergebnis der zunehmenden Verteilungsschieflage der letzten Jahre… weiterlesen »