Offener Brief besorgter WissenschafterInnen und Initiativen zum geplanten „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie
Die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) wirkt seit über 60 Jahren als eine wichtige Institution des interdisziplinären und transdisziplinären Dialogs in Österreich. Aufgrund der CoronaPandemie ist nun auch diese Institution vor große Herausforderungen gestellt: Durch die Pandemie brechen voraussichtlich Einnahmen weg, mit denen sich die ksoe zu zwei Dritteln selbst finanziert. Mit Sorge nehmen wir nicht nur den Beschluss der Österreichischen Bischofskonferenz zur Kenntnis, der einen „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs plant, sondern auch die damit verbundene Kommunikation, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.
Denn spricht der Umstand, dass die Zukunft der dort tätigen Mitarbeiter:innen zur Disposition gestellt wird, nicht deutlich – und allen Bekundungen zum Trotz – für eine in erster Linie inhaltlich, ja, politisch begründete Neuausrichtung der ksoe? Welche Neuausrichtung soll das sein, wenn sie im Grunde genau das bewirken soll, was die ksoe in über 60 Jahren sehr erfolgreich mit ihren Mitarbeiter:innen bereits unter Beweis gestellt hat? Nämlich, ein „Kompetenzzentrum” der Katholischen Soziallehre zu sein, „das die kirchliche Expertise in diesem Bereich zeitgemäß bündelt, vertieft und in einem ökumenisch offenen Dialog mit den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen umsetzt“. Als 2019 das Jubiläum der ksoe begangen wurde, würdigte sie unter anderem Bundespräsident Alexander van der Bellen für genau dieses Engagement. Wie passt dieses Lob dazu, dass die ksoe „inhaltlich und strukturell neu aufgestellt“ werden soll?
Als Wissenschafter:innen unterschiedlicher Disziplinen und als zivilgesellschaftliche Initiativen aus einer Vielfalt verschiedener Themenbereiche schätzen wir die Arbeit und Arbeitsweise der ksoe. Wir kennen die ksoe durch ihre Texte, ihre Lehrgänge, von Vorträgen, als Forschende im Rahmen des Schasching-Fellowships sowie durch verschiedene Kooperationen. Die ksoe ist für uns keine „Marke“, wie es in einer Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz heißt, sondern eine gemeinwohlfördernde Institution. Sie ist nicht nur eine wichtige unabhängige und kritische Stimme in der österreichischen Gesellschaft, die notwendige Debatten anregt und bereits viele unverzichtbare Impulse gegeben hat. Nein, sie bietet auch den Raum für einen interdisziplinären Dialog. Dabei steht die ernsthafte Auseinandersetzung mit Themen auf der Agenda, die im normalen Hochschulbetrieb, aber auch in der Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen oft genug auf der Strecke bleiben: seien es die sozial-ökologische Transformation, solidarische Wirtschaftsformen, Zeitsouveränität, Grundeinkommen, Care oder Armut und Ungleichheit. Mehr noch: Die ksoe war immer schon ein Ort der Transdisziplinarität, deren Notwendigkeit nun zunehmend auch in weiteren Bereichen der Wissenschaft erkannt wird, und für die die ksoe eine Vorreiterin ist.
Deshalb blicken wir mit Sorge dem Vorhaben einer „Neuaufstellung“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs entgegen. Wir befürchten nicht nur das Verstummen einer wichtigen Stimme in der österreichischen Gesellschaft, sondern ebenso, dass ein fruchtbarer Ort des inter- und transdisziplinären Dialogs versiegelt wird. Wir möchten die Verantwortlichen deshalb mit Nachdruck dazu aufrufen und ermutigen, mit dem beabsichtigten „Relaunch“ den bisherigen inhaltlichen und personellen Kurs der ksoe nicht nur zu stärken, sondern zu vertiefen und zu erweitern und in diesem Sinn für eine solide Finanzierung zu sorgen. Dies würde der ksoe zukünftig eine im subsidiären Sinne eigenständige und unabhängige Arbeit ermöglichen und ihr erlauben, die Erfolgsgeschichte der letzten sechs Jahrzehnte fortzusetzen
Climate Change and beyond – der neue Kurswechsel ist da!
Der neue Kurswechsel ist da – es geht um „Climate Change and Beyond“!
Birgit Mahnkopf schreibt über Kipppunkte im Kapitalismus, Josef Baum über die Klimapolitik Chinas, Halliki Kiki über die „Just Transition“ und Christian Berger und Sandra Matzinger über Energiearmut – um nur einen Ausschnitt zu zeigen.
Das Debattenforum beschäftigt sich dieses mal mit Protesten und Regimewechsel in Lateinamerika.
Das komplette Debattenforum, das vollständige Inhaltsverzeichnis, sowie das Editorial können Sie hier als PDF lesen.
Bestellungen des Hefts sind hier möglich
Kurswechsel: Wien – ein Modell im Zukunftstest
100 Jahre nach dem Beginn des „Roten Wien“ widmet sich das Heft 4/2019 dem „Wiener Modell“. Anschließend an das vor 20 Jahre erschienene Heft 2/1999, das alternative Kommunalpolitik in den Blick nahm, analysiert es Wiens Stadtentwicklung und –politik und unterzieht Wien einem Zukunftstest unter geänderten Bedingungen. Galt Wien mit seinem großen öffentlichen Sektor vor 20 Jahren als Auslaufmodell, so erfährt es in den letzten Jahren vermehrt Zuspruch und gilt manchen sogar als Modell für eine „Stadt für alle“, deren Fundament ihre städtischen Infrastrukturen sind. Angesichts von Klimakrise, Digitalisierung und Erosion des sozialen Zusammenhalts stehen diese Infrastrukturen des Alltagslebens vor neuen Herausforderungen. Die einzelnen Beiträge untersuchen kritisch, wie sich Wien unter diesen geänderten Rahmenbedingungen weiterentwickelt: Wie ist etwa die aktuelle Wiener Wohnungspolitik zu bewerten? Inwiefern können internationale Erfahrungen für eine Öffnung der städtischen Governance genutzt werden? Welche Rolle kommt dabei intermediären Organisationen wie z.B. Wohnbaugenossenschaften zu und wie steht es um Partizipation in der Stadtplanung? Schließlich bringt eine emanzipatorische Stadtpolitik auch die Frage nach alternativen Metriken zur Wohlstandsmessung mit sich. Das Heft endet mit Vorschlägen zukunftsfähiger Stadtpolitik, basierend auf sozialökologischen Infrastrukturen und einem bewohnerzentrierten Konzept von Stadtbürgerschaft.
Der Debattenforum diskutiert unter dem Titel „CO2-Steuer – sinnvolle Maßnahme oder unfaire Belastung?“ die Sinnhaftigkeit einer CO2-Besteuerung. Dominik Bernhofer argumentiert für selektive Bepreisungsmaßnahmen, um negative Verteilungswirkungen zu vermeiden. Demgegenüber stellen Angela Köppl, Stefan Schleicher und Margit Schratzenstaller ein vor, das unerwünschte Verteilungswirkungen abfängt und positive Anreize für strukturelle Änderungen setzt.
Das komplette Debattenforum, das vollständige Inhaltsverzeichnis, sowie das Editorial können Sie hier als PDF lesen.
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Das Kurswechsel – Jahresprogramm 2020 ist da!
Das Kurswechsel Programm für 2020 ist da!
Die Themen in diesem Jahr sind „Klimakrise & beyond“, „Ostöffnung und Westintegration“, „Zensur – zwischen antihegemonialen Kämpfen und Selbstkontrolle“ und „Umkämpfte Industriepolitik – Zwischen Geopolitik und Grüner Wende“
Die Hefte können wie immer hier hier bestellt werden. Ein Abo kostet €29 bzw. für Studierende €18. Außerdem sind Kurswechsel, die älter als zwei Jahre alt sind, immer als PDF frei zum Download auf der Website hier zu finden.
Der ganze Flyer ist hier als PDF zu finden: KW 2020_Flyer
Ohne Steuern kein Sozialstaat (Factsheet VIII)
Das Factsheet als pdf:
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Ohne Steuern kein Sozialstaat (Factsheet VIII) – Seite 1
Ohne Steuern kein Sozialstaat (Factsheet VIII) – Seite 2
Weitere Infos und Quellenangaben:
- AK Budgetanalyse 2018–2022: https://emedien.arbeiterkammer.at/
- WIFO: Umverteilung durch den Staat in Österreich: https://www.wifo.ac.at/
- Statistik Austria, Einnahmen und Ausgaben des Staates 2018: http://www.statistik.gv.at/
- ESSOS Sozialschutzstatistik: http://www.statistik.at/
Weitere Factsheets:
Factsheet VII: Die Rückkehr der Wohnungsfrage (PDF, JPG)
Factsheet VI: Sozialhilfe neu (PDF, JPG)
Factsheet V: Druck auf Arbeitslose (PDF, JPG)
Factsheet IV: Verteilung von Einkommen und Vermögen in Österreich (PDF, JPG)
Factsheet III: Hartz IV ist kein Vorbild (PDF, JPG)
Factsheet II: Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung (PDF, JPG)
Factsheet I: Mythos „schwarze Null“ (PDF, JPG)
Die Rückkehr der Wohnungsfrage (Factsheet VII)
Das Factsheet als pdf:
Das Factsheet als hochauflösendes jpg:
Factsheet VII: Die Rückkehr der Wohnungsfrage (Seite 1)
Factsheet VII: Die Rückkehr der Wohnungsfrage (Seite 2)
Factsheet VII: Die Rückkehr der Wohnungsfrage (Seite 3)
Weitere Infos und Quellenangaben:
- AK Wien (2019): Gentrifizierung in Wien – Perspektiven aus Wissenschaft, Politik und Praxis. Verfügbar unter:
https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/ppnresolver?id=AC15357509 - Amann, W. (2019): Strukturwandel in der österreichischen Wohnbauförderung.
In: Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (Hg.) Wohnungsgemeinnützig-keit in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, Wien: LexisNexis. - Eurostat (2018): Housing prices in the EU up 11% since 2010. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/WDN-20180710–1?inheritRedirect=true&redirect=/eurostat/
- Eurostat (2019): Share of housing costs in disposable household income, by type of household and income group – EU-SILC survey. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-datasets/-/ILC_MDED01
- ÖNB (2019): Immobilien aktuell. Verfügbar unter: https://www.oenb.at/Publikationen/Volkswirtschaft/immobilien-aktuell.html
- Springler, E. (2019): Die Rückkehr der Wohnungs-frage: Soziale Bruchlinien in Österreich nach der Krise. In: Kurswechsel 4/2018.
- Statistik Austria (2019): Wohnen 2018 – Zahlen, Daten und Fakten zur Wohnstatistik. Verfügbar unter: http://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/7/index.html?includePage=detailedView§ionName=Wohnen&pubId=572
- WIFO (2019): Umverteilung durch den Staat in Österreich 2015. Verfügbar unter: https://www.wifo.ac.at/publikationen/studien?detail-view=yes&publikation_id=61782
Weitere Factsheets:
Factsheet VI: Sozialhilfe neu (PDF, JPG)
Factsheet V: Druck auf Arbeitslose (PDF, JPG)
Factsheet IV: Verteilung von Einkommen und Vermögen in Österreich (PDF, JPG)
Factsheet III: Hartz IV ist kein Vorbild (PDF, JPG)
Factsheet II: Arbeitszeit: Verkürzung statt Flexibilisierung (PDF, JPG)
Factsheet I: Mythos „schwarze Null“ (PDF, JPG)
Demokratie-Report
Weltweit geraten Demokratien unter Druck. Die großen Umwälzungen unserer Zeit verunsichern viele. Populistische und autoritäre Kräfte unterschiedlicher Herkunft sehen ihre Stunde gekommen. Auch Österreich ist von diesen Entwicklungen nicht ausgenommen.
Gleichzeitig zeigt eine Fülle von Aktivitäten und Projekten im ganzen Land eindrucksvoll: Die österreichische Demokratie ist lebendig und vielfältig – und zigtausende Menschen engagieren sich dafür, dass das so bleibt und unsere Demokratie noch lebendiger wird. Sie geben mit ihrer Arbeit Mut und Zuversicht in Zeiten der Verunsicherung und zeigen, was möglich ist, wenn man aktiv wird.
So entstand im Rahmen des „Solidaritätspaktes“ – einer breiten Vernetzung von NGOs, Gewerkschaften, Bürger*inneninitiativen und sozialen Bewegungen – die Idee zu dieser Publikation. Damit machen wir sichtbar: Das braucht unsere Demokratie, damit sie lebendig bleibt.
Die vorgestellten Menschen und Initiativen sind gelebte Beispiele dafür und geben Einblick in unser Demokratieverständnis. Nicht alle sind Mitglieder des zivilgesellschaftlichen Solidaritätspaktes. Was jedoch allen gemeinsam ist: Sie erinnern uns daran, dass unsere Demokratie und unsere Zukunft gestaltbar sind – wir müssen es nur tun. Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Überblick
- Die Demokratie braucht uns
- Unsere Demokratie in Bedrängnis
- Die Lebensadern einer Demokratie
- Demokratie lebt vom Einsatz aller
- Demokratie braucht soziale Sicherheit
- Demokratie braucht eine faire Wirtschaft
- Demokratie heißt mitgestalten können
- Demokratie schützt alle gleich
- Demokratie braucht unabhängige Information
- Demokratie braucht Geschlechtergerechtigkeit
- Handeln für eine lebendige Demokratie
- Was du jetzt tun kannst
- Werkzeuge für eine lebendige Demokratie
Zur Broschüre: https://www.solidaritaetspakt.org/demokratielebt/
Der neuer Kurswechsel ist da! Arbeit und Migration: Strukturen, Konflikte, Interessen
Migration ist als Schlagwort in aktuellen politischen und medialen Debatten allgegenwärtig. Der Zusammenhang zwischen Migration und Arbeit jedoch bleibt dabei zumeist unterbelichtet. Wie aber schreibt sich Migration in Gestalt von Prozessen der Segmentation in den (österreichischen) Arbeitsmarkt ein? Inwiefern verändern sich solche Prozesse durch die flexible Akkumulationslogik des neoliberalen Kapitalismus und seine politische Regulation? Welche Rolle spielen Kollektivakteure wie Gewerkschaften oder populistische Rechtsparteien in diesem Zusammenhang? Und welche Bedeutung kommt Migrant*innen als handlungsmächtigen Akteur*innen dabei zu? Solche und ähnliche Fragen zur politischen Ökonomie der (Arbeits-)Migration bzw. zu den damit verbundenen Strukturen, Konflikten und Interessen stehen im Fokus von Heft 3/2019 des Kurswechsel.
Das Debattenforum schließlich nimmt einmal mehr die Diskussionen aus Heft 3/2017 zu aktuellen Umbrüchen in der Weltwirtschaft auf. Unter dem Titel „Krise der Globalisierung“ beschäftigen sich Stefan Schmalz, Elisabeth Springler und Oliver Prausmüller in ihren Beiträgen mit dem verschärften Konflikt zwischen den USA und China, mit der zwiespältigen Rolle der EU sowie mit möglichen Anleihen bei Keynes als Antwort auf das anhaltende Problem makroökonomischer Ungleichgewichte.
Das komplette Debattenforum, das vollständige Inhaltsverzeichnis, sowie das Editorial können Sie hier als PDF lesen.
Bestellungen des Heftes sind hier möglich.
Österreich nach der Wahl – wieder mal
Dienstag, 5. November 2019 | 19:00 – 20:30 Uhr | Republikanischer Club, Rockhgasse 1, 1010 Wien
Im Dezember 2017 trat die Neuauflage von Schwarz-Blau an, um mit „neuem Stil“ zu regieren. Was das bedeutete, wurde schnell klar: Einschnitte im Sozialstaat und im Arbeitsrecht, spaltende Politik nicht zuletzt gegen MigrantInnen und Armutsgefährdete und ein offenes Ohr für die Anliegen der Unternehmenslobbys. Die nach dem Ibiza-Skandal ausgerufene Nationalratswahl ergab ein vielschichtiges Bild: Ein Partner der Weit-Rechts-Koalition verlor stark an Stimmen, der andere gewann deutlich dazu. Die SPÖ verlor an WählerInnen, die Grünen zogen deutlich gestärkt wieder ins Parlament ein. Die Neos legten leicht zu.
Welche Regierungszusammensetzung erscheint nun am wahrscheinlichsten?
Und vor allem: Was bedeutet das für die Richtung, in die das Land steuert, und die Perspektiven und Strategien jener Kräfte, die für sozialen und ökologischen Fortschritt kämpfen?
Es diskutieren
Mira Kapfinger (System Change, not Climate Change!)
Judith Pühringer (arbeit.plus)
Michael Wögerer (Unsere Zeitung; Workers for Future).
Moderation: Simon Theurl (BEIGEWUM)
Niemals vergessen! Nie wieder Faschismus! Mahnwache und Kundgebung zum 9. November
Samstag, 9. November 2019 | 18 Uhr | Gedenkstein vor dem ehemaligen Apsangbahnhof, 1030 Wien
Woran gedenken wir am 9. November?
Schon in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938, also anläßlich des Einmarsches der deutschen Wehr-macht in Österreich, begannen Ausschreitungengegen Jüdinnen und Juden in Österreich. Viele wur-den von SA- und HJ-Leuten wie von „einfachen“Parteimitgliedern, die sich ihre Hakenkreuzbindenund Orden angeheftet haben, verhaftet, geschlagenund öffentlich gedemütigt. Fensterscheiben wurdeneingeschlagen. Juden und Jüdinnen wurden gezwungen Parolen, welche Anhänger des austrofaschis-tischen Bundeskanzlers Schuschnigg am Vorabenddes „Anschlusses“ auf Wände und Gehsteige geschrieben haben mit Reib- und Zahnbürsten wegzuwaschen. Wiewohl mancher der Schaulustigen ihre Bekannten und FreundInnen unter den Gedemütigtenerkannt haben mußte, hat niemand den Mut aufgebracht zu protestieren – was zu diesem Zeitpunkt sowohl möglich als auch sinnvoll hätte sein können. Mit diesen Erniedrigungen begann die systematische Diskriminierung der österreichischen Juden und Jüdinnen. Umso heftiger als im „Altreich“, weil in Österreich die Entwicklung, die in Deutschland fünf Jahre gedauert hatte, in kürzester Zeit über die Betroffenen hereingebrochen ist. Etwa 200.000 ÖsterreicherInnen wurden nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ zu „Juden“ erklärt,wobei etwa 180.000 von ihnen tatsächlich der jüdischen Religion angehörten. Die Nazis begannen mit Berufsverboten und Ausbildungsbeschränkungen, Juden und Jüdinnen wurden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Das erste Ziel war es, die jüdische Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben zudrängen. Dann sollte ihr die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen und nicht zuletzt: gleich ob Arm,ob Reich, ihr gesamtes Vermögen geraubt werden unddieses zumindest nach Willen der Nazi-Granden in dieKassen des „Dritten Reiches“ fließen – obwohl sichauch manch anderer dabei „bedient“ hatte. Adolf Eichmann, ein strebsamer Biedermann imDienste des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, wurdenach Wien beordert, um die „Zentralstelle für jüdi-sche Auswanderung“ aufzubauen. „Auswanderung“ hieß die Beschönigung für das Vorhaben der Nazis,möglichst viele Jüdinnen und Juden aus Österreichzu vertreiben. Doch davor sollte sichergestellt werden, daß diese nicht mehr als die notwendigstenHabseligkeiten mit sich nehmen konnten, der gesamte übrige Besitz wurde beschlagnahmt. Trotz des stetig zunehmenden Terrors durch die Nazis konnten und wollten viele die Heimat nichtHals über Kopf verlassen. Besonders älteren Men-schen fiel das schwer. Die führenden Nazis hatten schon lange auf einen Anlaß gewartet, die JüdInnenverfolgung zu verschärfen. Sie brauchten einen Vorwand, mit dem sie diesev. a. auch gegenüber dem Ausland rechtfertigen undgegenüber der eigenen Bevölkerung die Akzeptanzdafür erhöhen konnten.