Unverdächtiger könnte der Zeuge nicht sein: Nachdem die OECD über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte hinweg der Deregulierung der Arbeitsmärkte das Wort geredet hat, werden in letzter Zeit die Töne etwas moderater und analytisch differenzierter.
Im heute (16. September 2009) veröffentlichten „Employment Outlook 2009“, einem Werk von immerhin 282 eng beschriebenen Seiten mit einer Unzahl an Daten, Fakten und Analysen zum Arbeitsmarktgeschehen, fordert das OECD-Sekretariat die Mitgliedstaaten u. a. auf zu überlegen, ob für bestimmte Problemgruppen, zumindest temporär und auf enge Zielgruppen focusiert, nicht öffentliche Beschäftigungsprojekte und eine engere soziale Absicherung wirkungsvolle Mittel in der Krise wären. Das ist ein neuer Ton!
Im zentralen Kapitel zur Krise wird davon ausgegangen, dass die Arbeitslosigkeit in der OECD bis Ende 2010 um 25 Mio. Personen gegenüber dem Tiefpunkt Ende 2007 zunehmen wird; das ist ein Anstieg um ca. 80%! Diese Zunahme ist bisher zwischen den Ländern sehr unterschiedlich ausgefallen – auf die näheren Gründe geht die OECD allerdings nicht ein; und er wird bis Ende nächsten Jahres sehr unterschiedliche Länderquoten mit sich bringen: ESP 19,8%, GER 11,8%, USA 10,1%, JAP und AUT 5,8%.
Die Konjunktur- und Stabilisierungsprogramme, die in ihrem Ausmaß sehr unterschiedlich ausgefallen sind (FRA und KOR bilden Minimum und Maximum, AUT liegt am unteren Ende), haben ihre beabsichtigten Wirkungen lt. OECD einigermaßen erfüllt.
Das Betroffenheitsmuster nach Sektoren, Alter, Ausbildung, Beruf, Geschlecht, etc. ist dem vorangegangener Krisen nicht unähnlich. In AUT fällt auf, dass Niedrigqualifizierte und Frauen bisher von der Krise nur durchschnittlich betroffen sind.
Für OECD-Verhältnisse ebenfalls interessant ist die Feststellung, dass zwar die Persistenz einer einmal gestiegenen Arbeitslosenquote sich durch die Strukturreformen der vergangen Jahre reduziert hat, allerdings auf Kosten einer höheren zyklischen Variabilität; d. h. hätte es weniger Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitsmärkte in der Vergangenheit gegeben, wäre der gegenwärtige Anstieg der Arbeitslosigkeit wohl geringer ausgefallen.
Wie eingangs erwähnt, legt die OECD für Personen mit hohem Langzeitarbeitslosigkeitsrisiko nahe, öffentliche Beschäftigungsprogramme anzubieten. Das war bisher stets verpönt. Aus österreichischer Sicht ist an dem Vorschlag interessant, dass Sozialökonomische Betriebe (SÖB), die hiesige Variante eines derartigen Programms, in mehreren Evaluierungen sehr positiv abgeschnitten haben (Wifo 2006, Lechner et. al. 2007, Hujer et. al. 2009).
Auch der zweite Denkanstoß der OECD sollte AUT eine Überlegung wert sein: Für all jene Gruppen am Arbeitsmarkt mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, die weniger abgesichert sind als die Kerngruppen mit langen Versicherungsepisoden, sollten die sozialen Sicherungsmaschen enger geflochten werden – zumindest temporär in der Krise. Dazu gehörten auch höhere Ersatzquoten am Beginn der Arbeitslosigkeit, weil hier das Absicherungsniveau in AUT im internationalen Vergleich niedrig ausfällt.
In einem weiteren Kapitel des „Employment Outlook“ wird die unorthodoxe Frage gestellt: „Is Work the best Antidote to Poverty?“
Alles in Allem ist der diesjährige Beschäftigungsausblick der OECD ein äußerst lesenswertes Dokument zum Verständnis der Arbeitsmarktvorgänge in der Krise.