Griechenland – BEIGEWUM

Stichwort: Griechenland


Zeit zur Umkehr

März. 18th 2013 — 18:51

Der Ver­gleich von EU-Pro­gno­sen für die Kri­sen­staa­ten und deren Ent­wick­lung seit 2007 zeigt, wie nötig ein Rich­tungs­wech­sel in Theo­rie und Poli­tik ist. Die Aus­teri­täts­po­li­tik in den soge­nann­ten Pro­gramm­län­dern in der EU hat zuneh­mend kata­stro­pha­le Fol­gen, und die Pro­gno­sen sind stets bes­ser als das Ergebnis.

Eine Theo­rie, deren Pro­gno­sen regel­mä­ßig falsch lie­gen, soll­te laut Sir Karl Pop­per ver­wor­fen wer­den. Eine Kon­junk­tur­po­li­tik, die nur dar­in besteht, die Hoff­nung auf den Auf­schwung auf den in der Zukunft lie­gen­den Pro­gno­se­ho­ri­zont zu ver­schie­ben, eben­falls. Bei­des trifft auf die momen­ta­ne Poli­tik der Troi­ka zu. Zunächst wur­de die Kri­se etwas zu pes­si­mis­tisch ein­ge­schätzt; es wur­de eine expan­si­ve Wirt­schafts­po­li­tik ein­ge­schla­gen. Doch seit 2010 herrscht in den Pro­gno­sen über­trie­be­ner Opti­mis­mus, und in den Pro­gramm­län­dern wird eisern gespart.

In Grie­chen­land war die Ent­wick­lung beson­ders schlimm. Im Mai 2010 hoff­te man noch für 2011 mit einem wei­te­ren Minus von 4% gegen­über 2009 aus der Kri­se zu kom­men. Im Novem­ber 2010 rech­ne­te man schon mit einem Minus von 7% für 2011. Dies setz­te sich von Jahr zu Jahr fort: 2013 glaub­te man nun mit gut 20% Ver­lust an Wirt­schafts­leis­tung sei die Tal­soh­le erreicht. Es ist zu hof­fen, dass die­se Pro­gno­se nun nicht noch­mals nach unten kor­ri­giert wird. An der kata­stro­pha­len Per­for­mance von Pro­gno­sen und Poli­tik ändert das aller­dings nichts mehr.

Die fol­gen­den Gra­fi­ken zei­gen die Ent­wick­lung des rea­len BIP im Ver­gleich zu 2009, anhand der zu den jewei­li­gen Zeit­punk­ten erstell­ten Pro­gno­sen. Die Pro­gno­se vom Febru­ar 2013 ent­hält für die Jah­re bis 2011 die tat­säch­li­chen und für 2012 die vor­läu­fi­gen Werte.

In Irland lie­gen Pro­gno­sen und Poli­tik eben­falls unter den Erwar­tun­gen. Der ein­zi­ge, wenn auch schwa­che Trost ist, dass es in Irland zumin­dest lang­sam bes­ser wird.

Sor­gen berei­tet das Bild für Por­tu­gal und Spa­ni­en. Hier scheint es momen­tan zu einem Wech­sel vom iri­schen Regen in die grie­chi­sche Trau­fe zu kom­men. Sah es zunächst noch nach lang­sa­mer Erho­lung aus, so scheint seit 2011 ein mas­si­ver Ein­bruch im Gan­ge zu sein. Ein Grund mehr, Theo­rie und Poli­tik zu wechseln.

Ange­sichts die­ser Bil­der ist es kein Wun­der, dass die DG Eco­fin die adjus­t­ment Pro­gram­me für Grie­chen­land, Irland, Por­tu­gal und für Spa­ni­ens Finanz­sek­tor stets mit fol­gen­dem Dis­c­lai­mer versieht:

Neit­her the Euro­pean Com­mis­si­on nor any per­son acting on its behalf may be held respon­si­ble for the use which may be made of the infor­ma­ti­on con­tai­ned in this publication.”

Na ja, wenn sie damit durchkommt.

PS: Ein Lob muss man der DG Eco­fin jedoch machen: Die­se Dar­stel­lun­gen wären nicht mög­lich gewe­sen, wenn die DG nicht schon seit Län­ge­rem ihre AMECO Daten­bank mit den Makro-Daten (ein­schließ­lich der Pro­gno­sen) im Inter­net öffent­lich zur Ver­fü­gung stell­te. 

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Argumente in der (Staatsschulden-)Krise

Juni. 20th 2011 — 16:47

Der „Ret­tungs­schirm“ für Grie­chen­land und ande­re Euro­län­der mit Refi­nan­zie­rungs­pro­ble­men erhitzt sozi­al­dar­wi­nis­ti­sche Gemü­ter. Im Grun­de wer­den mit dem Geld Export­märk­te und Schuld­ner der Ban­ken im Kern Euro­pas sta­bi­li­siert. Die Spar­auf­la­gen, mit denen die Über­brü­ckungs­kre­di­te ver­se­hen wur­den, sind makro­öko­no­misch und sozi­al desas­trös. Durch die popu­lis­ti­sche Wel­le, die selbst die­sen eigen­in­ter­es­sier­ten Sta­bi­li­sie­rungs­ver­su­chen ent­ge­gen­schwappt, wer­den sol­che Fra­gen jedoch über­schwemmt, und eine Dis­kus­si­on um Alter­na­ti­ven (Mar­shall Plan für Grie­chen­land, Euro­bonds, inter­na­tio­na­le Rege­lung für geord­ne­te Staa­ten­in­sol­venz, Regu­lie­rung der Finanz­märk­te etc.) erstickt.
Nach jahr­zehn­te­lan­ger sozi­al­dar­wi­nis­ti­scher Rhe­to­rik neo­li­be­ra­ler Eli­ten wird die Gel­tung die­ser Prin­zi­pi­en jetzt von Rechts­ex­tre­men empört ein­ge­for­dert – in einem Moment, wo die wirt­schafts­po­li­ti­schen Eli­ten die Gren­zen der Leis­tungs­fä­hig­keit die­ser Dis­kur­se und der damit ver­bun­de­nen wirt­schafts­po­li­ti­schen Para­dig­men erken­nen müs­sen. Die neo­li­be­ra­le Moral fliegt den Prot­ago­nis­tIn­nen jetzt um die Ohren.
Dem Mus­ter der BEI­GEWUM-Mythen-Rei­he ver­wandt hat die deut­sche Luxem­burg-Stif­tung jetzt ein sehr gutes Argu­men­ta­ri­um her­aus­ge­ge­ben, das „20 belieb­te Irr­tü­mer in der Schul­den­kri­se“ auf­greift und Gegen­ar­gu­men­te präsentiert. 

Hier öster­rei­chi­sche Zah­len zur Ergänzung:

3) „Faul­heit“? In Öster­reich beträgt die durch­schnitt­li­che Jah­res­ar­beits­zeit 1.621 Stun­den pro Beschäf­tig­teR (Grie­chen­land: 2.119 Stunden) 

5) Luxus­ren­ten? Das durch­schnitt­li­che Pen­si­ons­an­tritts­al­ter beträgt 58,9 Jah­re in Öster­reich (Grie­chen­land: über 61,9 Jahre)

9) Man­geln­de Wett­be­werbs­fä­hig­keit? Spie­gel­bild öster­rei­chi­sche Expor­te: Der Außen­han­dels­über­schuss gegen­über Grie­chen­land betrug in den letz­ten Jah­ren rund eine hal­be Mrd. Euro pro Jahr

10) Kor­rup­ti­on: Die Schat­ten­wirt­schaft wird in Öster­reich auf 8% des BIP geschätzt. Grund­sätz­lich sind sol­che Schät­zun­gen sehr umstritten.

13) Gläu­bi­ger­be­tei­li­gung? Öster­rei­chi­sche Ban­ken hal­ten grie­chi­sche Staats­pa­pie­re im Wert rund 3–4 Mrd. Euro.

17) Für Freun­de nicht bür­gen? Der öster­rei­chi­sche Anteil am Ret­tungs­schirm für Grie­chen­land liegt bis­lang bei rund 2,3 Mrd. Euro.
Von den Aus­ga­ben für die Ban­ken­rett­tung in Öster­reich sind bis­lang 1,4 Mrd. uneinbringlich.

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Veranstaltungsbericht + Video „Griechenland – eine europäische Tragödie“

Mai. 12th 2010 — 12:29
Gro­ßer Andrang herrsch­te bei der Ver­an­stal­tung „Grie­chen­land – eine euro­päi­sche Tra­gö­die“ am 11.Mai im Repu­bli­ka­ni­schen Club, zur Prä­sen­ta­ti­on von Kurs­wech­sel 1/​10 „Kri­se in EUro­pa“. Mit dem Publi­kum dis­ku­tier­ten Joa­chim Becker, Wer­ner Raza, Eli­sa­beth Spring­ler, mode­riert von Beat Weber. Eini­ge zen­tra­le Diskussionspunkte:

* In der grie­chi­schen Bevöl­ke­rung herrscht gewis­se Akzep­tanz für Kon­so­li­die­rungs­be­darf, aber die beschlos­se­nen Maß­nah­men tref­fen laut herr­schen­der Ein­schät­zung die Fal­schen (Pro­ble­me wie Steu­er­hin­ter­zie­hung, Ver­mö­gensun­gleich­heit, Mili­tär­aus­ga­ben zu wenig angegangen).


* Unter den inter­nen Fak­to­ren ist neben der Ban­ken­kri­se vor allem die Olym­pi­schen Spie­le 2004 als maß­geb­lich für die Eska­la­ti­on der grie­chi­schen Staats­ver­schul­dungs-Pro­ble­ma­tik zu nennen.


* Die aktu­el­le Staats­schul­den­kri­se ist weni­ger inter­nen Fak­to­ren zuzu­schrei­ben, als viel­mehr die letz­te Etap­pe der Finanz­kri­se – jetzt geht es um die Fra­ge, wer zahlt.


* Die süd­li­chen (wie auch die meis­ten öst­li­chen) EU-Staa­ten haben eines gemein­sam: Import­ab­hän­gig­keit und Abhän­gig­keit von Kapi­tal­zu­fuhr aus dem Aus­land, oft ist bzw. war das Wachs­tum Immo­bi­li­en­boom-getrie­ben. Das Spie­gel­bild sind Über­schuss­län­der, allen vor­an Deutsch­land (aber auch Nie­der­lan­de, und Öster­reich gegen­über Ost­eu­ro­pa): Sie expor­tie­ren Waren und Kapital.


*  Das Ret­tungs­pa­ket ist über­fäl­lig gewe­sen, aber in eine pro­ble­ma­ti­sche Stra­te­gie ein­ge­bet­tet. Die wirt­schafts­po­li­ti­sche Stra­te­gie der EU läuft dar­auf hin­aus, dass alle Mit­glie­der Export­über­schüs­se anstre­ben sol­len – was aber zumin­dest glo­bal nicht für alle geht.


* Den öst­li­chen Staa­ten ist von der EU schon frü­her jene Stra­te­gie ver­ord­net wor­den, wie jetzt dem Süden: Lohn­sen­kun­gen und Bud­get­kon­so­li­die­rung. Weil das zur Rezes­si­on führt, wird die Bud­get­kon­so­li­die­rung nicht erreicht. Die Reduk­ti­on des Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zits gelang jedoch. Aller­dings zu einem hohen Preis: Zer­stö­rung indus­tri­el­ler Struk­tu­ren und Armut.

Die­se Stra­te­gie hat das Poten­zi­al eines Domi­no­ef­fekts: Anpas­sungs­druck auf die Löh­ne nach unten wird auf den Wes­ten der EU über­sprin­gen. Es han­delt sich also um eine Radi­ka­li­sie­rung der neo­li­be­ra­len Poli­tik der letz­ten Jahre.


* Hat sich die Rol­le des IWF geän­dert? Der „Strauss-Kahn-Effekt“ macht sich nur mode­rat bemerk­bar: Statt wie ursprüng­lich geplant 3 Jah­re, erhält Grie­chen­land für die Bud­ge­t­an­pas­sung nun 5 Jah­re Zeit.


*  Mög­li­che Alter­na­ti­ven: For­de­rungs­ver­zicht der Gläu­bi­ger, flan­kiert von Kapi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len; Auf­bau von Pro­duk­ti­ons­struk­tu­ren in Defi­zit­län­dern, finan­ziert durch Trans­fers aus Überschussländern.


Hier ist eine Video­auf­zeich­nung der Veranstaltung.

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Die Logik des Exportweltmeisters

April. 5th 2010 — 10:25

In Deutsch­land ist man irr­sin­nig stolz dar­auf, dass Deutsch­land so viel expor­tiert und wenig impor­tiert. Eine ähn­li­che Poli­tik fährt auch Öster­reich. Das Pro­blem an der Sache: Wenn ein Land Export­über­schüs­se hat, dann braucht ein ande­res Import­über­schüs­se, denn in Sum­me aller Län­der der Welt müs­sen sich Expor­te und Impor­te immer zu Null addie­ren. Mit ande­ren Wor­ten: Das Import­land ver­schul­det sich beim Export­land. Noch anders: Zahl­rei­che Län­der der EU (und dar­über hin­aus) sind bei Deutsch­land ver­schul­det. Nun for­dert die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung in Deutsch­land, die Schul­den­län­der soll­ten mal weni­ger Schul­den machen, gleich­zei­tig wird von Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Brü­der­le (FDP) eine Außen­wirt­schafts­of­fen­si­ve ange­kün­digt, um die Expor­te zu stär­ken. Das nen­ne ich Logik: Die ande­ren sol­len spa­ren, mehr Über­schüs­se erwirt­schaf­ten und mehr deut­sche Waren kau­fen. Wie das gehen soll, bleibt dabei uner­klärt. Ohne dau­er­haft aus­ge­gli­che­ne Bilan­zen wird es kei­ne Sta­bi­li­tät geben. Und ohne höhe­re Löh­ne in Deutsch­land (=Bin­nen­nach­fra­ge stär­ken) wird es kei­ne Ver­tei­lung des erwirt­schaf­te­ten Wohl­stands geben. Ober­leh­rer­haf­tes Getue ist weder ange­bracht noch hilf­reich. Mehr Impor­te oder weni­ger Expor­te, in jedem Fall eine stär­ke­re Bin­nen­nach­fra­ge, das wäre ein stra­te­gisch sinn­vol­les Ziel für die Bundesrepublik.

Sie­he auch den FTD-Bei­trag von Hei­ner Flass­beck und Frie­de­ri­cke Spiecker PDF.


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