Hochschulfinanzierung – BEIGEWUM

Stichwort: Hochschulfinanzierung


Studiengebühren

Dezember. 13th 2010 — 23:14

Feh­ler machen bekannt­lich bes­ten­falls dann einen Sinn, wenn man dar­aus lernt. Die SPÖ scheint den Feh­ler, die Stu­di­en­ge­büh­ren unter Gusen­bau­er zunächst wei­ter tole­riert zu haben, dem­nach völ­lig umsonst gemacht zu haben. Jeden­falls platzt die Aus­sa­ge, dass diver­se füh­ren­de SPÖ-Poli­ti­ker Stu­di­en­ge­büh­ren nicht (mehr) ableh­nen (sie­he etwa bei Der Stan­dard) mit­ten in die von Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin Karl (ÖVP) los­ge­tre­te­ne Debat­te um Zulas­sungs­be­schrän­kun­gen und Stu­di­en­ge­büh­ren. Häu­pl und Kräu­ter berei­ten damit einer unsäg­li­chen Debat­te über die Fra­ge der Ein­schrän­kung des Hoch­schul­zu­gangs den Weg; einer Debat­te, in der die SPÖ nur ver­lie­ren kann, da sie gegen die eige­ne Pro­gram­ma­tik gerich­tet ist.

Die zentralen Argumente

Die Argu­men­te gegen Stu­di­en­ge­büh­ren sind hin­läng­lich bekannt. In aller Kür­ze für die nun ein­set­zen­de Debat­te noch mal:

  1. Es gibt kei­ne sozi­al gerech­ten Stu­di­en­ge­büh­ren. Stu­di­en­ge­büh­ren ver­teu­ern das Stu­di­um, was zwangs­läu­fig dazu führt, dass die Zah­lungs­schwächs­ten auf der Stre­cke blei­ben. Es ist zudem bekannt, dass sich Kin­der aus soge­nann­ten „bil­dungs­fer­nen“ Eltern­häu­sern schwe­rer tun mit einer Ver­schul­dung zur Finan­zie­rung von Gebüh­ren. Daher lässt sich das Pro­blem der sozia­len Selek­ti­vi­tät auch nicht durch die Ver­schie­bung des Zeit­punkts der Fäl­lig­keit der Gebüh­ren lösen. Hier sei auf das Bei­spiel Aus­tra­li­en ver­wie­sen.
  2. Die­ses Pro­blem lässt sich auch nicht dadurch lösen, dass die Zah­lung der Gebüh­ren an das Ein­kom­men der Eltern gekop­pelt wird. Hier ver­schiebt sich ledig­lich das Pro­blem: Stu­die­ren­de wer­den dann in ers­ter Linie als die Kin­der ihrer Eltern und nicht als erwach­se­ne Men­schen begrif­fen. Wenn die Eltern jedoch der Mei­nung sind, dass Phi­lo­so­phie ein über­flüs­si­ges Stu­di­um ist und/​oder dass bspw. Frau­en eigent­lich eh eine ande­re „Bestim­mung“ hät­ten, dann hilft der Ver­weis auf die Eltern nicht weiter.
  3. Stu­di­en­ge­büh­ren ver­än­dern den Bil­dungs­be­griff. Bis­her ist ein erheb­li­cher Teil der Stu­die­ren­den zumin­dest auch intrinsisch moti­viert. Es geht um Erkennt­nis­ge­winn, das Aneig­nen von Wis­sen, das Ent­wi­ckeln einer Per­sön­lich­keit usw. Klar ist: Auch heu­te spie­len die Berufs­aus­sich­ten eine Rol­le. Mit Stu­di­en­ge­büh­ren wird das Stu­di­um jedoch zu einer ›Inves­ti­ti­on in das eige­ne Human­ka­pi­tal‹ mit ent­spre­chen­den Ein­kom­mens­er­war­tun­gen als ›Return on Invest­ment‹. Das ver­än­dert mas­siv den Bil­dungs­be­griff und wirkt sich auch auf die Fächer­wahl aus. Die­se erfolgt dann eben nicht (über­wie­gend) nach Nei­gun­gen und Fähig­kei­ten, son­dern nach ver­meint­li­chen Arbeits­markt­per­spek­ti­ven. Auf einen wei­ter­füh­ren­den Bei­trag zum The­ma Human­ka­pi­tal von Ulf Ban­sche­rus sei ver­wie­sen.
  4. Ent­ge­gen aller Behaup­tun­gen haben die Stu­die­ren­den durch Stu­di­en­ge­büh­ren nicht mehr Ein­fluss auf die Leh­re. Zwar ändert sich die Erwar­tungs­hal­tung der Stu­die­ren­den, als ato­mi­sier­tes Indi­vi­du­um ist die Aus­übung von Druck jedoch kaum mög­lich. Zudem ist ein Stu­di­en­ort­wech­sel mit erheb­li­chen Hür­den ver­se­hen (Woh­nung, Freun­des­kreis, Job…) und daher nicht mög­lich, nur weil einem die Vor­le­sung X nicht passt.

Gerechtigkeitsbegriff…

Die Argu­men­ta­ti­on der SPÖ ist an Stel­le beson­ders ver­quer: Es wird sug­ge­riert, der Ver­zicht auf Stu­di­en­ge­büh­ren sei unge­recht, da auch Kin­der rei­cher Eltern die­se Stu­di­en­ge­büh­ren nicht zah­len. Wie ver­quer die­se Logik ist hat Son­ja Staack wun­der­bar dar­ge­legt, auf die­sen Text sei daher ver­wie­sen. In aller Kür­ze stellt sich jedoch die Fra­ge, wer denn unter Stu­di­en­ge­büh­ren lei­den wür­de? Sicher ist: Wer ver­mö­gen­de Eltern hat und sich mit den Eltern nicht zer­strit­ten hat (etwa über die Fra­ge des Stu­di­en­fa­ches), der hat mit Stu­di­en­ge­büh­ren kei­ner­lei Pro­ble­me. Wer aller­dings unsi­cher ist, kei­ne aka­de­mi­schen „Vor­bil­der“ in der Fami­lie hat, finan­zi­ell nicht begü­tert ist, der wird dann ver­mut­lich auf ein Stu­di­um ver­zich­ten. Unter­su­chun­gen des Hoch­schul-Infor­ma­ti­on-Sys­tems (HIS) für Deutsch­land sagen: Allei­ne 500 Euro Stu­di­en­ge­büh­ren im Semes­ter in eini­gen Bun­des­län­dern haben bis zu 18.000 jun­ge Men­schen vom Stu­di­um abgehalten.

Die Debat­te über die sozia­le Unge­rech­tig­keit öffent­li­cher Leis­tun­gen ist eine Schein­de­bat­te. Wenn die SPÖ Gerech­tig­keit ein­for­dert, dann soll sie end­lich das Steu­er­sys­tem refor­mie­ren und dafür sor­gen, dass ins­be­son­de­re Ver­mö­gen­de ange­mes­sen zur Finan­zie­rung öffent­li­cher Auf­ga­ben bei­tra­gen. Anstatt ÖVP-Debat­ten zu füh­ren wäre hier eine Mög­lich­keit sinn­voll über die Fra­ge der Ver­tei­lung von Armut, Reich­tum und Chan­cen zu dis­ku­tie­ren – und nicht bei Studiengebühren.

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Was für eine Überraschung

Juli. 10th 2010 — 11:25

Aus einer Stu­die des Jah­res 2005:

Wobei hier eines deut­lich wird – und das zeigt die ela­bo­rier­te Stu­die sehr gut, weil sie die Ergeb­nis­se auch auf die Fakul­täts­ebe­ne her­un­ter­bricht: Der schlech­te Wert der Uni Wien resul­tiert „fast aus­schließ­lich“ aus der hohen Drop-out-Rate in den extrem über­lau­fe­nen Mas­sen­fä­chern in der (für den Ver­gleich an allen Unis kon­stru­ier­ten) geis­tes- und sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät (GeSo­Wi). (.pdf)

Big sur­pri­se. Wobei ich die Ver­diens­te die­ser Stu­die nicht in Abre­de stel­len will; im Gegen­teil. Nur ist es halt trau­rig, dass der empi­ri­sche Beleg des Offen­sicht­li­chen von poli­tisch-minis­te­ri­el­ler Sei­te fünf Jah­re lang unter Ver­schluss gehal­ten wer­den kann und darf. Damit wird eine Grund­re­gel des demo­kra­ti­schen Wil­lens­bil­dungs­pro­zes­ses gebro­chen. Mir egal, ob man das nun als Jose­phi­nis­mus oder büro­kra­ti­sche Will­kür bezeich­net; es ist ein­fach­ei­ne Sauerei.

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