Mehr Brutto!
Auf seinen Postkarten zum Thema „Raus aus der Krise!“ fordert der ÖGB Oberösterreich unter anderem eine Senkung der Lohnsteuer. Ähnliches konnte man am 1. Mai in Wien hören. Nun ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, das Steuersystem zu reformieren. Es muss aber klar sein, dass eine Lohnsteuersenkung immer auch den Spitzensteuerverdienern zu Gute kommt. Denn auch sie zahlen für die ersten 11.000 Euro keine Einkommensteuern, für die folgenden Euro dann den Eingangssteuersatz usw. und erst der 60.001. Euro wird mit dem Spitzensteuersatz belastet. Wird der Eingangssteuersatz gesenkt, dann zahlt auch der Einkommensmillionär weniger Einkommensteuern. Zudem muss der Staat die aus der Steuersenkung resultierenden Mindereinnahmen langfristig über Ausgabenkürzungen oder andere Steuern kompensieren.
Um die gewaltigen Ausgaben zu finanzieren, die einerseits notwendig sind, um die Krise zu überstehen, die andererseits aber auch notwendig sind, um bspw. das Sozialsystem auszubauen und die öffentliche Daseinsvorsorge wieder in die öffentliche Hand zu überführen, braucht der Staat jedoch Mehreinnahmen. Daher sollte über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes nachgedacht werden – also über höhere Einkommensteuern. So können die SpitzenverdienerInnen stärker an der Finanzierung öffentlicher Ausgaben beteiligt werden.
Das Ziel des ÖGB ist eine neue Verteilung der Steuerlast. ArbeitnehmerInnen sollen entlastet werden, im Gegenzug sollen andere Steuern erhöht werden. Höhere Steuern auf Vermögen sind hierbei ein richtiger Schritt. Die Lohnsteuern zu senken kann aber keine sinnvolle Forderung sein, da ein Ziel auch staatliche Mehreinnahmen sind.
Steuerpolitik kann und muss auch für Umverteilung genutzt werden – die Debatte über die Vermögensbesteuerung macht dies deutlich. Allerdings kann Umverteilung nur stattfinden, wenn ein Verteilungskampf auch geführt wird. Originäre Aufgabe der Gewerkschaften ist dabei die Tarif- und nicht die Steuerpolitik. Die Forderung muss lauten: Mehr brutto (und nicht: Mehr Netto vom Brutto). Aufgabe der Gewerkschaften ist es, über gute Lohnabschlüsse auch dafür zu sorgen, dass die Verteilung zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen zu Gunsten der Arbeit verschoben wird. Diese Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberseite gilt es zu führen – und nicht den Verteilungskampf ArbeitnehmerInnen gegen Staat.