Österreich ist ein Einwanderungs-, kein Gastarbeiterland. Zum ambivalenten Verhältnis von so genannten InländerInnen und so genannten AusländerInnen
Österreich ist ein Einwanderungsland! Daher sollte von ZuwanderInnen, nicht von GastarbeiterInnen gesprochen werden. Dennoch wird an der Fiktion des „Gastarbeiters“ – im Neusprech umschrieben mit „circular migration“ – festgehalten. Die seit längerem bestehenden, gegenwärtig wieder stärker thematisierten Probleme mit der Integration von MigrantInnen in Österreich hängen nicht zuletzt mit diesem „Missverständnis“, das ein wechselseitiges war und ist, zusammen; dieses nahm ihren Anfang mit den Anwerbe-kampagnen Ende der 1960er Jahre. Ein durch das Ausländerbeschäftigungsgesetz unnötig lange aufrecht erhaltener, prekärer Arbeitsmarktstatuts von ImmigrantInnen auf der einen Seite und Parallelgesellschaften auf der anderen sind die Folge. Hinzu kommen vielfältige Formen der Diskriminierung von MigrantInnen, die ihre Triebfeder nicht selten aus rassistischen Impulsen beziehen und eine politisch weithin ignorierte Realität darstellen.
Das natürliche Bevölkerungswachstum ist in Österreich mit Mitte der 1990er Jahre zum Stillstand gekommen. Seitdem wächst die Wohnbevölkerung im Lande nur mehr, weil mehr Menschen zuwandern (2010 waren das ca. 114.400 Personen) als abwandern (ca. 86.700 Personen), die Nettomigration belief sich daher auf +27.700 im Jahr 2010. Große Zuwanderungswellen gab es im Zeitraum 1989–1993 und (sic!) unter der Schwarz-Blauen-Regierung 2001–2005. Der Anstieg der Wohnbevölkerung seit 1960 von ca. 7 Mio. auf 8,4 Mio. ist zu 2/3 auf Zuwanderung, zu 1/3 auf den Überhang von Geburten gegenüber Sterbefällen zurückzuführen. 2010 lebten ca. 895.000 Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft in Österreich („Ausländer“), ca. 1,5 Mio. Personen, das sind 18,6% der Gesamtbevölkerung, mit Migrationshintergrund, d. h. beide Elternteile wurden im Ausland geboren. 642.000 Personen dieser Gruppe lebten in Wien, das entspricht 41,6% von allen. Dementsprechend liegt der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in der Bundeshauptstadt auch bei 38,2% – Zuwanderung und Integration sind also primär ein Wiener Problem!
Aus Sicht der so genannten AusländerInnen
Wie ein aktueller Bericht der OECD „The Labour Market Integration of Immigrants and their Children“(Krause, K. und Liebig, Th., siehe http://dx.doi.org/10.1787/5kg264fz6p8w-en) im Detail darlegt, sind MigrantInnen, insbesondere aus so genannten „lower income countries“, d. h. hierzulande primär aus Ex-Jugoslawien und der Türkei stammend, am österreichischen Arbeitsmarkt auf vielfältige Art und Weise benachteiligt. Das wird im besonderen Maße an den „labour market outcomes“ ersichtlich: So lag etwa die Beschäftigungsquote von türkischen Frauen bei 40% (2010), die Quote der im Inland geboren Frauen dagegen bei 68%; bei der Arbeitslosenquote derselben Personengruppen lag die Relation bei ca. 4% zu 12%. Bei im Land geborenen Kindern von Zuwanderern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich am Rande des Arbeitsmarktes befinden (definiert als „Not in Education, Employment or Training, NEET“, gering Qualifizierte, 20–29 Jährige) mit 12% viermal höher als bei Kindern von im Land geborenen Eltern. Besondere Probleme haben Menschen mit im Ausland erworbenen formalen Qualifikationen („der iranische Diplomingenieur als Taxifahrer“): So haben hoch-qualifizierte Personen eine um 50% niedrigere Wahrscheinlichkeit, in einem ausbildungsadäquaten Job zu arbeiten als „nativ-born“-Personen, wenn sie aus ärmeren Ländern kommen und ihre Ausbildungen nicht anerkennen ließen. Oder anders formuliert: Hochschulabsolventen aus Rumänien sind in Österreich beispielsweise zu 82,2% in Tätigkeiten zu finden, für die sie überqualifiziert sind – im Vergleich dazu ist dies bei ÖsterreicherInnen nur in 33,4% der Fall (siehe IHS/WIFO 2008, Die ökonomischen Wirkungen der Immigration in Österreich 1989–2007, http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=34980&ty peid=8& diplay_mode=2). Neben dem Fehlen eines Gesamtkonzeptes zur Integration von MigrantInnen weisen die OECD-AutorInnen auch darauf hin, dass Diskriminerung offensichtlich ein reales Problem für viele ZuwanderInnen in Österreich ist, zu dem aber bisher wenig konkrete Forschungsergebnisse vorliegen (etwa so genannte „correspondence testing studies“, die in anderen Ländern zeigen, dass Personen mit „ausländisch klingenden“ Namen wesentlich seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, obwohl ihre Lebensläufe mit der inländischen Vergleichsgruppe nahezu ident sind) und das öffentliche Problembewusstsein auch weitgehend fehlt.
Zu dieser faktischen Schlechterstellung von MigrantInnen am Arbeitsmarkt kommt natürlich in manchen Fällen eine Art von Integrationsverweigerung hinzu, die sich etwa in mangelnden Deutschkenntnissen auch nach Jahrzehnten des Aufenthaltes in Österreich manifestiert. Eine Mentalreservation, die genährt wird von der, mit den Jahren verblassenden Hoffnung auf Rückkehr ins vermeintliche Heimatland und die den Betroffenen teuer zu stehen kommt: Sie sind weder hier noch dort zu Hause!
Aus Sicht der so genannten InländerInnen
Vereinfacht formuliert, erschweren das Multi-Kulti-Getue der Grünen, die politische Korrektheit der Linken und die Hetze der FPÖ bis dato die offenen Diskussion von negativen Auswirkungen der Zuwanderung – insbesondere auf Niedrigqualifizierte. Die ökonomische Zunft, in der Mainstream-Variante im Besonderen, ist ja gerade dabei, die letzte Reputation zu verlieren, aber, wenn etwas klar ist, dann: Zusätzliches (Arbeits-)Angebot drückt, sonst alles gleich, den (Lohn)Preis. Nur im unrealistischen Fall, dass Zuwanderung ausschließlich komplementär wirkt, gibt es nur positive Effekte. Daher sind die Gewerkschaften auch gegenüber Zuwanderung traditionell skeptisch (aber leider nicht nur deshalb …). Immigration erhöht, vor allem wenn in kurzer Zeit mehr als 2–3% der Beschäftigten am Arbeitsmarkt zusätzlich auftreten (wie 1990–1991), die Arbeitslosigkeit derer, die sich zusätzlicher Konkurrenz gegenübersehen: Dies gilt für Niedrig‑, aber auch für Hochqualifizierte, für letztere sind nur die Auswirkungen in sozialpolitischer Hinsicht weniger problematisch. Lt. der oben bereits zitierten IHS/WIFO-Unterschung von 2008 erhöht zwar ein zusätzliches ausländisches Arbeitsangebot von 1% (ca. 30.000 Personen) BIP und Beschäftigung eindeutig, aber auch die Arbeitslosigkeit erhöht sich, die Löhne werden tendenziell gesenkt (steigen weniger) und auch das BIP pro Kopf sinkt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Durschnittswerte sind: in einzelnen Sektoren und einzelnen Regionen fallen die Effekte für einzelne Gruppen weit höher aus! Dies gilt im übrigen auch für die aktuelle Arbeitsmarktöffnung 2011, mit der ca. 20.000 Personen bisher zusätzlich am österreichischen Arbeitsmarkt aus den EU8-Staaten aufgetreten sind. Es kann also, ohne allzu spekulativ zu sein zu wollen, davon ausgegangen werden, dass die Verluste in den realen Einkommen der untern 3 Dezile seit Anfang der 1990er Jahre auch (!) auf die Zuwanderungswellen in diesem Zeitraum zurückgeführt werden können. Wenn aber diese negativen Auswirkungen der Zuwanderung auf einzelne Gruppen von der Politik nicht wahrgenommen werden – dann, ja dann, haben die Rattenfänger vom Schlage eines Herren Strache oder Sarrazin vermehrt Zulauf!
Wenn wir nicht heute die Probleme bei der Integration von MigrantInnen ernsthaft in Angriff nehmen, dann werden sich uns in Zukunft mehr noch als gegenwärtig auf den Kopf fallen: Die Erwerbsbevölkerung 15–64 Jahre wird ohne Migration bis 2050 aller Voraussicht nach um 1,4 Mio. Personen zusätzlich schrumpfen. Wenn auch kein Grund zu panischem Alarmismus auf Grund der Tatsache einer alternden Bevölkerung besteht (wir werden aller Vorraussicht reicher werden bis 2050, die Beschäftigungsquoten können erhöht werden, etc.), so ist doch klar: Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund wird jedenfalls noch ansteigen in den nächsten Jahrzehnten!
Conclusio: Es ist dieses Unentschiedene in diesem Lande – da holen wir, im internationalen Vergleich relative viele MigrantInnen ins Land, nennen sie „GastarbeiterInnen, halten sie in prekären Arbeitsmarkt- und Lebensverhältnissen, wollen sie nicht integrieren – und wundern uns dann, wenn die Betroffenen auch nicht wollen! Warum können wir nicht ehrlicher sein: Wir lassen nur so viele EinwanderInnen zu, wie wir politisch auch verkraften können, behandeln diese jedoch dann auch anständig und ermöglichen ihnen die Integration!