Ich finalisiere grade einen Artikel für den kommenden Kurswechsel über die verschiedenen Massnahmenpakete der Regierung Obama. Im Grunde geht es dabei um drei Bereiche:
Erstens um eine etwas genauere Beschreibung der Vielzahl an Initiativen, die in den letzten sechs Monaten gestartet wurden. Neben dem Troubled Asset Relief Program (TARP), ein Vermächtnis von Hank Paulson (Treasury Secretary in der Bush Administration) sind inzwischen der Stimulus (American Recovery and Reinvestment Act, ARRA) abgesegnet sowie das Budget für Fiscal Year 2010 (beginnend mit 1.10.2009) im Kongress eingebracht worden. Daneben hat Ben Bernanke die Aufgabenbereiche der Federal Reserve Bank in beispielloser Weise erweitert (die Fed vergibt nun Kredite an Nichtbanken) und lässt wie verrückt Dollar drucken.
Zweitens die Vision der Obama-Administration und die Strategie, wie sie diese Vision umsetzen will. Obamas Ziel ist ein modernisierter, energiepolitisch unabhängiger Wohlfahrtsstaat. Vieles, was insbesondere im Prozess der Budgeterstellung vorgegeben wurde, wie die Gesundheitsreform, ist in der Tat ermutigend. Obama selbst hat von den fünf Säulen der Budgetreform gesprochen, und darin sind die maßgeblichen Veränderungen etwa im Budget des Pentagon noch gar nicht enthalten. Damit zur Strategie: Obama will die Krise für einen Umbau des politischen Systems und der Reichtumsverteilung nutzen, allerdings sich zugleich nicht mit der herrschenden Finanzoligarchie anlegen. Die Strategie ist daher, den Finanzsektor kurzfristig wiederherzustellen („restore the confidence“). Basierend auf diesem politischen wie ökonomimschen Erfolg sollen die weiterreichenden Ziele realisiert werden.
Drittens: Das Ziel ist gut gemeint, doch die Strategie hat mehrere Tücken:
- Zunächst: was, wenn sich das Finanzsystem gar nicht mehr in der bekannten Weise reparieren lässt? Bisher zeigen alle Äußerungen und Initiativen um Larry Summers und Tim Geithner, dass die Administration fest an einen bloßen Liquiditätsengpass bei den Banken glaubt (zuletzt etwa P‑PIP). Was aber, wenn sie insolvent sind?
- Außerdem widmet sich die Administration, insbesondere der Finanzminister, fast ausschließlich der Finanzkrise. Auch die Mengen an Geld, die bereits effektiv in diesen Sektor geschüttet wurden, übersteigen die projektierten Ausgaben für die Realwirtschaft und den gesellschaftlichen Umbau bei weitem.
- Nicht zuletzt zeigt der Skandal um die AIG-Bonuszahlungen, dass die Allianz mit der Finanzoligarchie für die politische Glaubwürdigkeit der Administration schwerwiegende Folgen haben kann.
- Und ganz generell stellt sich die Frage, ob reiner Pragmatismus wirklich ausreicht, um hochstehende Ziele zu erreichen. Obama scheint, abgesehen von markigen Worten, nicht bereit zu sein, irgend jemandem auf die Füsse zu steigen; nach dem kleinen ABC der politischen Ökonomie bedeutet das aber, dass die Hauptlast der Krise den Schwächsten zugespielt wird.
Die Situation sieht daher im Augenblick so aus, als würde die Regierung, bei allen enormen Anstrengungen, die sie unternimmt, einem überkommenen Schema folgen: „defering to big banks and prefering fiscal expansion“. Ein ebenso absehbarer wie unmittelbarer Effekt aus der Personalauswahl, die Obama bei Erstellung seines Wirtschaftsteams getroffen hat.
Noch ein Wort zur Informationslage: Diese ist in der Regel ausreichend, man könnte fast sagen: überwältigend. Die online-Quellen, aus denen ich meine Informationen beziehe, sofern sie im Artikel dann nicht genannt werden, sind – abgesehen von Newspapers wie Washington Post, NY Times, Politico – im wesentlichen NPRs Planet Money sowie die Prophets of Doom: baseline scenario (mit Simon Johnson), RGE Monitor (mit Nouriel Roubini), Paul Krugman.
PS: der Titel für diesen Blogentry stammt aus Naomi Kleins hübscher Sammlung an Obama-Neologismen.