Steuern – BEIGEWUM

Stichwort: Steuern


Ökonomisches Vermögen und akademisches Unvermögen

März. 11th 2013 — 17:34

Gast­kom­men­tar von Jakob Kapel­ler und Bern­hard Schütz

Die gera­de erschie­ne­ne Stu­die des IHS zur Ver­mö­gens­be­steue­rung weist zwar kei­ne kla­re Fra­ge­stel­lung dafür aber eine umso kla­re­re Stoß­rich­tung auf. Sie behan­delt einen rela­tiv will­kür­li­chen Fli­cken­tep­pich steu­er- und ver­tei­lungs­po­li­ti­scher Argu­men­te mit klar iden­ti­fi­zier­ba­rer Ten­denz. Es han­delt sich um eine Ver­tei­di­gung von Kapi­tal­ei­gen­tü­mern und lie­fert Wirt­schafts­kam­mer- und Volks­par­tei-Funk­tio­nä­rIn­nen ein Argu­men­ta­ri­um gegen die Ein­füh­rung ver­mö­gens­be­zo­ge­ner Steu­ern. Bedenk­lich ist dies vor allem, da die vor­lie­gen­de „Stu­die“, von einem eigent­lich renom­mier­ten Insti­tut kommt, das hier in eine vor­wis­sen­schaft­li­che Pha­se zurück­ge­fal­len zu sein scheint.

Dabei geht das IHS von der his­to­ri­schen Kon­zep­ti­on einer Ver­mö­gen­steu­er aus, die über­wie­gend auf Unter­neh­mens­ver­mö­gen erho­ben und 1993 abge­schafft wur­de. Die heu­te dis­ku­tier­ten Model­le von Ver­mö­gens­steu­ern haben mit die­ser alten Ver­si­on jedoch nur wenig gemein. Sie bezie­hen sich auf gro­ße Ver­mö­gen pri­va­ter Haus­hal­te. Hier wird also eine Steu­er schlecht gerech­net, die in die­ser Form gar nie­mand will.

Fik­ti­ve Zah­len und rea­le Berichterstattung

Das Auf­kom­men einer all­ge­mei­nen Ver­mö­gens­steu­er wird in der Stu­die mit 1 Mil­li­ar­de Euro ange­ge­ben. Die­se Schät­zung basiert auf einer simp­len Fort­schrei­bung der Ein­nah­men aus der 1993 abge­schaff­ten Ver­mö­gens­steu­er. Eine sol­che Fort­schrei­bung lässt nicht nur Ver­än­de­run­gen in der Ver­mö­gens­struk­tur völ­lig unbe­rück­sich­tigt, son­dern igno­riert auch völ­lig den Umstand, dass die ab 1994 aus­ge­setz­te Ver­mö­gens­steu­er das Immo­bi­li­en­ver­mö­gen mit­tels Ein­heits­wer­ten erfass­te, die oft­mals nur ein klei­ner Bruch­teil (weni­ger als 10%) des Ver­kehrs­wer­tes der­sel­ben Immo­bi­li­en dar­stel­len. Allei­ne die Berück­sich­ti­gung die­ser Aus­las­sung wür­de das vom IHS geschätz­te Steu­er­auf­kom­men also dras­tisch erhöhen.

In einem zwei­ten Schritt speist das IHS das so fest­ge­setz­te Auf­kom­mens­vo­lu­men von einer Mil­li­ar­de Euro in eine gesamt­wirt­schaft­li­che Simu­la­ti­on und errech­net dar­aus einen zu erwar­ten­den Rück­gang des Brut­to­in­lands­pro­dukts von 0.65%. Zum kon­kre­ten Vor­gang der Berech­nung und den dahin­ter­lie­gen­den Annah­men ver­rät die Stu­die nur wenig – so wenig, dass sich die ent­spre­chen­den Anga­ben durch Drit­te nicht über­prü­fen las­sen. Bezeich­nend ist aber, dass vom IHS ange­nom­men wur­de, dass das sich erge­ben­de Steu­er-Volu­men zur Gän­ze zu Las­ten der Kapi­tal­aus­stat­tung von Unter­neh­men geht und so Finan­zie­rungs­kos­ten erhöht und Inves­ti­tio­nen ver­rin­gert. Die­se Annah­me impli­ziert, dass das gesam­te öster­rei­chi­sche Pri­vat­ver­mö­gen zur Finan­zie­rung von Unter­neh­men her­an­ge­zo­gen wird. Nur knapp über ein Vier­tel des Ver­mö­gens liegt in Betei­li­gun­gen an Unter­neh­men oder land­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben, von denen die aller­meis­ten viel zu klein sind um von einer Ver­mö­gens­steu­er je erfasst zu wer­den, und der größ­te Teil des Ver­mö­gens sind Immo­bi­li­en. Die Annah­me des IHS, bestehen­de Ver­mö­gens­wer­te zu 100% der Unter­neh­mens­fi­nan­zie­rung zuzu­schla­gen, erscheint also mehr als mutig; sie erscheint völ­lig ver­fehlt. In Sum­me han­delt sich hier nicht um die Simu­la­ti­on der öko­no­mi­schen Wir­kung einer Ver­mö­gens­steu­er, son­dern einer „Betriebs­ka­pi­talent­zugs­steu­er“. Eine sol­che Steu­er steht aller­dings nir­gends zur Dis­kus­si­on und wird von Nie­man­dem vor­ge­schla­gen. Das wird frei­lich, wie so vie­les hier, an kei­ner Stel­le der Stu­die dazugesagt.

Ten­den­ziö­se Tendenzen

Inhalt­lich kon­sta­tiert die Stu­die anfangs kor­rekt, dass laut der aktu­ells­ten Erhe­bung der öster­rei­chi­schen Natio­nal­bank Ver­mö­gen in Öster­reich sehr ungleich ver­teilt sind. Gleich­zei­tig erklärt sie aber, dass die­ses Ergeb­nis nur des­halb zustan­de kommt, weil beim Ver­mö­gen nur Finanz- und Sach­ver­mö­gen, nicht aber die zukünf­ti­gen Pen­si­ons­an­sprü­che gerech­net wer­den. Wür­de man die­se berück­sich­ti­gen, ergä­be sich eine viel gleich­mä­ßi­ge­re Ver­tei­lung und somit bestehe auch kein Bedarf für Umver­tei­lung. Was hier jedoch uner­wähnt bleibt ist, dass eine sol­che Hin­zu­rech­nung zwar nicht unzu­läs­sig, aber den­noch pro­ble­ma­tisch ist, da zukünf­ti­ge Pen­si­ons­an­sprü­che klas­si­sche Ver­mö­gens­de­fi­ni­tio­nen nicht erfül­len: man kann sie weder ver­kau­fen noch über­tra­gen und sie im Fall des Able­bens auch nicht vererben.

Im glei­chen Atem­zug wird nun das staat­li­che Pen­si­ons­sys­tem nicht nur zur Recht­fer­ti­gung bestehen­der Ver­mö­gensun­gleich­heit ver­wen­det, son­dern auch als deren Quel­le iden­ti­fi­ziert (da öffent­li­che Siche­rungs­sys­te­me die Not­wen­dig­keit pri­va­ter Vor­sor­ge ver­rin­gern und so ver­meint­li­cher­wei­se die Ungleich­heit der Ver­mö­gens­ver­tei­lung for­cie­ren). Die Kurz­zu­sam­men­fas­sung lau­tet: Vor allem der Sozi­al­staat trägt Schuld an der unglei­chen Ver­mö­gens­ver­tei­lung – eben genau weil er ver­sucht sie zu kor­ri­gie­ren. Hät­ten wir also kei­nen Sozi­al­staat und wären infol­ge­des­sen die Spar­an­rei­ze stär­ker – dann, ja dann, hät­ten sich die unte­ren Ein­kom­mens­schich­ten schon die längs­te Zeit reich gespart.

Der ein­äu­gi­ge Bandit

Die der Stu­die zu Grun­de geleg­te theo­re­ti­sche Per­spek­ti­ve ist vor­wie­gend mikro­öko­no­misch, fokus­siert also auf ein­zel­ne Haus­hal­te und Unter­neh­men, und begeht damit mit Nach­druck einen grund­sätz­li­chen Kate­go­ri­en­feh­ler. So wer­den die Kos­ten ver­mö­gens­be­zo­ge­ner Steu­ern in den Vor­der­grund gerückt und damit ver­bun­de­ne ver­meint­li­che Gefah­ren – wie Steu­er­ver­mei­dung oder auf­wän­di­ge Erhe­bung – aus­ufernd dis­ku­tiert. Mög­li­che Vor­tei­le ver­mö­gens­be­zo­ge­ner Steu­ern aus makro­öko­no­mi­scher Sicht – also die Mög­lich­keit staat­li­cher Inves­ti­tio­nen, öffent­li­cher Schul­den­til­gung oder einer steu­er­li­chen Ent­las­tung der Arbeits­ein­kom­men – wer­den im Gegen­satz dazu nur ober­fläch­lich gestreift oder über­haupt nicht erwähnt. Sie wer­den vor allem nicht mit den unter­stell­ten Kos­ten einer sol­chen Form der Besteue­rung gegen­ge­rech­net. Dass bei die­ser Form der Kos­ten-Nut­zen-Rech­nung, die die Kos­ten in den Vor­der­grund stellt und von einem mög­li­chen gesamt­wirt­schaft­li­chen Nut­zen zur Gän­ze abs­tra­hiert, das Ergeb­nis bereits im Vor­hin­ein fest­steht, scheint dabei nie­man­den zu stören.

Die­se Ein­sei­tig­keit ist natür­lich kein Zufall: Allen Betei­lig­ten ist klar, dass der zusätz­li­che öffent­li­che Hand­lungs­spiel­raum durch die Ein­he­bung von Ver­mö­gens­steu­ern eine Rei­he posi­ti­ver öko­no­mi­scher Effek­te mit sich brin­gen kann. Aber muss dies in einer Stu­die zur Fra­ge der Sinn­haf­tig­keit von Ver­mö­gens­steu­ern tat­säch­lich aus­ge­wo­gen dar­ge­stellt wer­den? Das IHS scheint die­se Fra­ge zu ver­nei­nen – zumin­dest gegen­über der Wirtschaftskammer.

Die­ser Bei­trag erschien in gekürz­ter Form bereits in der Wie­ner Zei­tung sowie bei der Sek­ti­on 8.

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Angriff auf die Demokratie

Oktober. 9th 2011 — 19:45

Der Vor­schlag zur Neu­ge­stal­tung des Steu­er­sys­tems, wie wir ihn von David Gul­da im Stan­dard lesen, ist ein Angriff auf die Demo­kra­tie. Gul­da schlägt mit Slo­ter­di­jk vor, dass die Steu­er­pflich­ti­gen selbst dar­über ent­schei­den sol­len, wo ihre Steu­ern aus­ge­ge­ben wer­den soll. Wört­lich: „Der Gesetz­ge­ber möge die Steu­er­erhö­hung auf Grund­ver­mö­gen, Ein­kom­men oder was immer in Pro­zent fest­le­gen, es aber dem ein­zel­nen Steu­er­pflich­ti­gen über­las­sen, für wel­chen Zweck er das zusätz­lich abge­führ­te Geld ein­ge­setzt sehen will.“ Dies sei dann laut Gul­da eine „Abkehr vom auto­kra­ti­schen Fis­kal­we­sen die­ser Repu­blik und Ein­stieg in ein demo­kra­ti­sches, vom Bür­ger kon­trol­lier­tes Steu­er­ver­wen­dungs­sys­tem.“ Das Gegen­teil ist rich­tig: Der Vor­schlag impli­ziert die Abkehr von einem bür­ger­lich-demo­kra­ti­schen Staats­we­sen hin zu einem neu­en Feu­da­lis­mus. Der Witz an Steu­ern ist ja gera­de, dass nicht der Ein­zel­ne über sei­ne Ver­wen­dung ver­fügt, son­dern das demo­kra­tisch gewähl­te Parlament.
Den­ken wir Gul­da ein­mal wei­ter: Wir füh­ren eine Ver­mö­gens­steu­er ein, aber die Ver­mö­gen­den ent­schei­den selbst, wohin das Geld geht. Die Steu­er ist streng­ge­nom­men also kei­ne Steu­er, son­dern eine „Zwangs­spen­de“. Pro­fi­tie­ren wür­den also die „Hob­bies“ oder Lei­den­schaf­ten der Ver­mö­gen­den, viel­leicht Kunst und Kul­tur. Gul­da schlägt nur vor, die neu­en Steu­ern bzw. die Mehr­ein­nah­men durch Steu­er­erhö­hun­gen die­sem Prin­zip zu unter­wer­fen, so dass das Par­la­ment die Gel­der in Kunst und Kul­tur redu­zie­ren und Umver­tei­len könn­te. Damit wäre die Idee von Gul­da aber wir­kungs­los – zwar flös­sen die neu­en Steu­ern dann bspw. in Kunst und Kul­tur, dafür wür­den die „alten“ Steu­ern aus die­sem Bereich abge­zo­gen. Daher wer­den Gul­da und ande­re dann schnell for­dern, das „Zwangsspenden“-Prinzip auf alle Steu­ern aus­zu­deh­nen, damit das Par­la­ment eben nicht ein­fach die evtl. Schief­la­ge der „Spenden“-Adressaten kor­ri­giert. Es müss­te dann gel­ten: Alle Steu­ern wer­den mit der Ansa­ge bezahlt, wo sie zu ver­wen­den sind. Nun ist empi­risch nicht gesi­chert, in wel­che Berei­che das Geld flie­ßen wür­de. Sicher ist jedoch, dass die Trans­fer­leis­tungs­emp­fän­ge­rIn­nen kei­nen Rechts­an­spruch auf bestimm­te Leis­tun­gen mehr hät­ten, son­dern von der Gna­de ins­be­son­de­re der gro­ßen Steu­er­zah­le­rIn­nen abhin­gen. Nur wenn aus­rei­chend Geld für Bedürf­ti­ge, Erzie­hen­de, Pfle­gen­de und zu Pfle­gen­de, sozia­le Ein­rich­tun­gen usw. bezahlt wür­den, gäbe es die­se Leis­tun­gen. Öffent­lich Bediens­te­te wür­den eben­falls nach dem „Good Will“ bezahlt, und nicht nach Arbeits­ver­trä­gen. Wenn die Steu­er­zah­ler nun (zumin­dest über­wie­gend) ego­is­tisch Han­deln, dann wer­den Unter­neh­men die Gel­der für Stra­ßen, Flug­hä­fen und Unter­neh­mens­sub­ven­tio­nen usw. ein­ge­setzt sehen wol­len, die Eltern der Mit­tel­schich­ten wer­den evtl. die Hoch­schu­len för­dern wol­len usw. Was bleibt da für Arbeits­lo­se, Kran­ke und Alte?
Wenn Gul­da treu­her­zig schreibt, er „wür­de zum Bei­spiel öffent­li­chen Groß­bau­ten oder Rüs­tungs­auf­wen­dun­gen die Finan­zie­rung ver­wei­gern“, dann mag man ihm das glau­ben. Es ist aller­dings reich­lich naiv davon aus­zu­ge­hen, dass gera­de gro­ße Infra­struk­tur­pro­jek­te nicht kam­pa­gnen­mä­ßig beglei­tet wür­den und nicht gera­de die Fra­ge der Sicher­heit auch mit Mit­teln der PR betrie­ben wür­de. Umge­kehrt aber stellt sich bei­spiels­wei­se die Fra­ge, wel­che Lob­by das The­ma Kin­der­ar­mut hat.
Rich­tig ist: Die Trans­pa­renz der Ver­wen­dung öffent­li­cher Mit­tel ist zu erhö­hen. Öster­reich muss sich der Debat­te um Kor­rup­ti­ons­an­fäl­lig­keit und Kon­se­quen­zen aus den der­zei­ti­gen Vor­fäl­len stel­len. Rich­tig ist aber auch, dass nicht der Ein­zel­ne (rei­che) ent­schei­den kann, was öffent­lich finan­ziert wer­den soll, son­dern immer nur die Gemein­schaft als Gan­zes – in par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tien geschieht dies über das Par­la­ment. Ande­re demo­kra­ti­sche Herr­schafts­for­men sind natür­lich denk- und dis­ku­tier­bar. Ein Zurück zum Feu­da­lis­mus jedoch, indem die Gna­de des Gebers über die Ver­wen­dung der Mit­tel ent­schei­det ist kein Fort­schritt – und erst Recht kein Mehr an Demokratie.

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Vorwärts in die Vergangenheit

September. 8th 2011 — 23:12

Immer­hin – es wird wie­der über eine stär­ke­re Betei­li­gung der Rei­chen an der Finan­zie­rung staat­li­cher Auf­ga­ben gespro­chen. Nicht zuletzt, weil eini­ge der „Super­rei­chen“ eine höhe­re Besteue­rung ein­ge­for­dert haben, aller­dings in der Regel mit dem Zusatz: Zum Abbau der Staats­schul­den. Sie wol­len also selbst bestim­men, wofür sie Steu­ern zah­len. Den­noch: In Deutsch­land hat die SPD  ein Kon­zept beschlos­sen, dass eine Anhe­bung des Spit­zen­steu­er­sat­zes der Ein­kom­men­steu­er auf 49% vor­sieht – nach­dem die Schrö­der-SPD die­sen von 53% auf 42% gesenkt hat­te. Und die SPÖ dis­ku­tiert end­lich über die Ein­füh­rung einer Ver­mö­gen­steu­er. Bis­her ist nicht abseh­bar, was davon wirk­lich wie umge­setzt wird – und schon die Plä­ne sind unge­nü­gend. Ange­sichts der immer wei­ter auf­ge­hen­den Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­sche­re und der zuneh­men­den Unfä­hig­keit des Staa­tes, sei­nen Auf­ga­ben finan­zi­ell nach­zu­kom­men,  ist es aus sozia­len, öko­no­mi­schen und aus Grün­den der Fair­ness zwin­gend gebo­ten, end­lich zu han­deln – und zwar nicht nach dem Prin­zip „Sup­pen­kü­che“.

Politik statt Appelle

Eine zen­tra­le Errun­gen­schaft in Öster­reich und in ande­ren Staa­ten ist die Tat­sa­che, dass Men­schen ein gewis­ses Maß an öffent­li­chen Leis­tun­gen zusteht. Ein Schul­be­such muss nicht erbet­telt wer­den, und eine Min­dest­si­che­rung im Fall von Arbeits­lo­sig­keit ist – wenn auch auf zu gerin­gem Niveau – gewähr­leis­tet. Dane­ben garan­tiert der Staat auch wei­te­re Leis­tun­gen. Um die­se zu finan­zie­ren erhebt er  Steu­ern. Demo­kra­tisch gewähl­te Par­la­men­te  ent­schei­den ers­tens über die Höhe der Steu­ern und zwei­tens über die Ver­wen­dung der Ein­nah­men. Die­se Errun­gen­schaft wird jetzt ange­grif­fen: Die Rei­chen sol­len ja mehr bezah­len – aber frei­wil­lig bit­te­schön. „Der sprin­gen­de Punk­te“, schreibt Ger­hard Krat­ky im Stan­dard (7. Sep­tem­ber 2011, S. 34) „besteht dar­in, dort einen Bei­trag zu leis­ten, wo man es für sinn­voll hält.“ Das Pri­vi­leg, nicht in „den moloch­ar­ti­gen und reformres­sis­ten­ten Steu­er­topf“ ein­zu­zah­len sieht Krat­ky bei den Rei­chen. Was aber heißt das? Steu­er­fi­nan­zier­te Sozi­al­leis­tun­gen nur, wenn es denn Her­ren und Damen der High Socie­ty genehm ist? Nicht der Staat soll ent­schei­den, wel­che Aus­ga­ben gesell­schaft­lich wün­schens­wert und daher durch die All­ge­mein­heit zu finan­zie­ren sind, son­dern die Rei­chen? Nicht mehr die Poli­tik ent­schei­det, wie hoch der Bei­trag zur Finan­zie­rung öffent­li­cher Auf­ga­ben für den Ein­zel­nen aus­fällt, son­dern die Her­ren und Damen mit Zweit­wohn­sit­zen in Monaco?
Kaum jemand hat so von den „Refor­men“ der ver­gan­ge­nen Jah­re pro­fi­tiert wie die Rei­chen – man den­ke an die Stif­tungs­be­steue­rung, die Unter­neh­mens­be­steue­rung, die (feh­len­de) Ver­mö­gen­steu­er und die Abschaf­fung der Erb­schaft­steu­er.  Auch das hat dazu bei­getra­gen, dass die Ver­tei­lung immer unglei­cher wur­de und wird. Ein Staat, der sei­ne Wür­de behal­ten will, kann den Umfang öffent­li­cher Auf­ga­ben aber nicht nach dem Sup­pen­kü­chen­prin­zip betrei­ben – es gibt nur was, wenn gespen­det wur­de – son­dern muss die Fra­ge der Ver­tei­lung, der öko­no­mi­schen Funk­ti­ons­fä­hig­keit und der Sozi­al­po­li­tik aktiv betrei­ben. Und zur Finan­zie­rung die­ser Auf­ga­ben müs­sen end­lich auch die Rei­chen wie­der stär­ker her­an­ge­zo­gen wer­den – mit dem Zwang der „Steu­er­keu­le“  (Krat­ky) und nicht über mora­li­sche Appel­le. Nicht Vor­wärts in die Ver­gan­gen­heit, in der Armen­spei­sun­gen eben kein Recht, son­dern eine Gna­de waren. Son­dern vor­wärts in die Zukunft mit einer Stär­kung der Men­schen­wür­de – mit Rech­ten und Pflichten.

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Imagewandel für Grasser

August. 20th 2011 — 7:55

Ex-Finanz­mi­nis­ter Gras­sers Lebens­freu­de ist seit gerau­mer Zeit beein­träch­tigt: Sei­ne Tele­fonsamm­lung wird abge­hört, sei­ne hilf­rei­che Kof­fer­trä­ge­rei öffent­lich ver­un­glimpft, und sei­ne Bade­fo­tos müs­sen auf den Titel­blät­tern mit Nega­tiv­schlag­zei­len kon­kur­rie­ren. Gibt es denn gar kein Ent­kom­men aus dem Tief?


Viel­leicht doch – Vor­bil­der jen­seits der Gren­ze zei­gen vor, wie es gehen könn­te: In den USA hat Mil­li­ar­där War­ren Buf­fet in einem offe­nen Brief die Regie­rung auf­ge­for­dert, ihn und sei­nes­glei­chen höher zu besteu­ern. Kurz dar­auf folg­ten die fran­zö­si­schen Mil­lio­nä­re Pierre Ber­ge und Mau­rice Levy in der glei­chen Stoß­rich­tung für Frank­reich. Rei­che, die eine höhe­re Besteue­rung for­dern – so etwas gab es in Öster­reich  – von einer weit­ge­hend erfolg­lo­sen klei­nen Initia­ti­ve der Grü­nen abge­se­hen – bis­lang nicht.


Welch eine idea­le Vor­la­ge für den Selbst­mar­ke­ting-ver­sier­ten Gras­ser: Eine Insze­nie­rung als reui­ger Sün­der, inklu­si­ve Sei­ten­bli­cke-beglei­te­ter kol­lek­ti­ver Pil­ger­fahrt mit all sei­nen Bekann­ten nach Liech­ten­stein, Rück­kehr bar­fuß über die Gren­ze, in jeder Hand einen dicken Geld­kof­fer, dann per Bahn nach Wien und das glei­che noch mal von den hie­si­gen Ban­ken in Rich­tung Finanz­amt. Dort dann eine Rede, die die Nati­on und vor allem die Socie­ty-Sze­ne bewegt. „Ich bereue, wider­ru­fe und for­de­re: Über­fluss besteu­ern!“ Ein kirch­li­cher Wür­den­trä­ger erteilt die Abso­lu­ti­on, Trä­nen flie­ßen. Vor­hang. Der Coup sei­nes Lebens! Das wär doch was!

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Loiperdsorfer Kompromiss

Oktober. 25th 2010 — 17:53

Nein, eine Ver­mö­gen­steu­er wird es wie­der mal nicht geben. Und auch die Erb­schafts­steu­ern wer­den nicht ange­ho­ben, der Spit­zen­steu­er­satz bleibt unan­ge­tas­tet und es wird sich wenig an der unglei­chen Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­tei­lung ändern. Aber man soll ja nicht immer nur raun­zen. So ist doch erwäh­nens­wert, dass es Steu­er­erhö­hun­gen geben wird und damit zumin­dest ein Teil der Kri­sen­kos­ten ein­nah­me­sei­tig erbracht wer­den soll. Das ist erst ein­mal erfreu­lich, da etwa Bern­hard Fel­de­rer ja noch vor nicht all­zu­lan­ger Zeit deut­lich gemacht hat, dass es vor allem um Aus­ga­ben­kür­zun­gen gehen müs­se. Und Josef Pröll hat­te im ORF-Som­mer­ge­spräch schon die Debat­te über neue Steu­ern als schäd­lich bezeich­net. In die­sem Blog hat­te ich damals geschrie­ben:

Man muss sich dies auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: Josef Pröll for­dert, dass in einer Situa­ti­on der Wirt­schafts­kri­se, in der mas­siv Staats­geld zur Ret­tung von Ver­mö­gen ein­ge­setzt wur­de, nicht über Steu­ern gespro­chen wer­den darf. Es ist ein merk­wür­di­ges Demo­kra­tie­ver­ständ­nis, wenn eine der zen­tra­len Auf­ga­ben des Par­la­ments […] ent­po­li­ti­siert und einem ver­meint­li­chen Sach­zwang unter­wor­fen wer­den soll.

Es ist also erfreu­lich, dass die Spe­ku­la­ti­ons­frist bei Akti­en­ver­käu­fen abge­schafft wer­den soll und hier die Kapi­tal­ertrags­steu­er greift. Es ist auch schön, dass die Stif­tungs­be­steue­rung geän­dert wird. Man kann inso­fern von einem Para­dig­men­wech­sel spre­chen, da das Dog­ma, dass das Kapi­tal kei­nes­falls höher besteu­ert wer­den kön­nen (weil es „scheu wie ein Reh“ sei) end­lich über­wun­den ist. Pröll hat Wort gebro­chen – und das ist gut so. End­lich eine umfas­sen­de Steu­er­re­form anzu­ge­hen – dazu reicht der Mut aber offen­sicht­lich nicht und es bleibt dabei, dass Ver­mö­gen­de, Unter­neh­men und Bes­ser­ver­die­nen­de deut­lich stär­ker besteu­ert wer­den müs­sen als derzeit.

Scha­de nur, dass die Kri­sen­kos­ten auch durch eine Kür­zung von sozia­len Leis­tun­gen refi­nan­ziert wer­den soll. Weder Pen­sio­nis­ten noch Eltern mit erwach­se­nen Kin­dern (Kür­zung des Fami­li­en­bei­hil­fe­be­zugs) haben die Kri­se ver­ur­sacht. Und den­noch sol­len sie jetzt dafür bezah­len. Es war zu erwar­ten (sie­he hier und hier), dass nicht (nur) die Ver­ur­sa­cher der Kri­se die Fol­gen tra­gen müs­sen, ist aber den­noch falsch.

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Steuersenkungsbremse

Mai. 16th 2010 — 22:28

Finanz­mi­nis­ter Pröll will eine Schul­den­brem­se nach deut­schem Vor­bild, um die Staats­ver­schul­dung in Euro­pa ein­zu­däm­men. Das ist zwar rei­ner Popu­lis­mus – in Deutsch­land sind noch nicht ein­mal die Kon­junk­tur­be­rei­ni­gungs­ver­fah­ren klar, nach denen die struk­tu­rel­le Neu­ver­schul­dung berech­net wer­den soll – den­noch kann sich Pröll ver­mut­lich brei­ter Zustim­mung sicher sein. Vor­ur­tei­le gegen Schul­den im All­ge­mei­nen und süd­eu­ro­päi­sche Haus­halts­dis­zi­plin im Spe­zi­el­len wer­den dafür sor­gen. Nur: Was heißt das eigent­lich, Schul­den­brem­se? In ers­ter Linie ver­mut­lich, dass die Staats­fi­nan­zen aus­ga­ben­sei­tig saniert wer­den sol­len. In Deutsch­land hat der hes­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Koch – der den Haus­halt fit für die Schul­den­brem­se machen muss – auch schon gesagt, wie dies gesche­hen soll: Die Bil­dungs­aus­ga­ben sol­len zurück­ge­fah­ren werden! 
Erin­nern wir uns doch mal kurz zurück: In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind euro­pa­weit die Steu­ern gesenkt wor­den – und zwar nicht für die nor­ma­len Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer. Aber Unter­neh­men zahl­ten immer weni­ger Steu­ern, wer es sich leis­ten konn­te grün­de­te eine Pri­vat­stif­tung, und das Bank­ge­heim­nis hilft Steu­er­hin­ter­zie­hern aus dem Aus­land beim Par­ken des Schwarz­gel­des. Die, auch auf Grund sin­ken­der Besteue­rung, stei­gen­den Gewin­ne und die zuneh­men­de Ungleich­ver­tei­lung von Ein­kom­men und Ver­mö­gen führ­ten zu gigan­ti­schen Mas­sen anla­ge­su­chen­den Kapi­tals. Die­se wur­den durch eine zuneh­men­de Pri­va­ti­sie­rung der Alters­vor­sor­ge noch aus­ge­wei­tet. So vaga­bun­dier­ten erheb­li­che Sum­men Spiel­geld durch die inter­na­tio­na­len Finanz­ca­si­nos. Immer wei­te­re Dere­gu­lie­run­gen folg­ten, kurz­um: Para­die­se für Zocker ent­stan­den. Als das dann alles zusam­men­brach war der Staat da und stütz­te die Ban­ken. Natür­lich, indem er Schul­den auf­nahm. Die­se Schul­den wie­der­um sind der Anlass für diver­se Fonds, gegen ein­zel­ne Staa­ten zu spe­ku­lie­ren um so Mil­li­ar­den auf Kos­ten der All­ge­mein­heit zu ver­die­nen. Frau Mer­kel spiel­te sich als Madame Non auf, und das Pro­blem Grie­chen­land wuchs sich zu einem Pro­blem Euro aus. Die Fol­ge: Wei­te­re Hilfs­pa­ke­te mit evtl. fol­gen­der wei­te­rer gigan­ti­scher Staats­ver­schul­dung. Was aber macht die Poli­tik? Etwa Kre­dit­aus­fall­ver­si­che­run­gen zu ver­bie­ten, wenn es kei­ne Kre­di­te gibt? Die Finanz­märk­te regu­lie­ren? Die Finan­zie­rung der Kri­sen­kos­ten über Ver­mö­gens­steu­ern, Finanz­trans­ak­ti­ons­steu­ern, Erb­schafts­steu­ern, Unter­neh­mens­steu­ern, Spit­zen­steu­er­sät­ze vor­an­trei­ben und so die Staats­ver­schul­dung redu­zie­ren? Nein, Josef Pröll will eine Schul­den­brem­se. Anders for­mu­liert: Josef Pröll will eine finanz­ma­the­ma­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on für den anste­hen­den Sozialabbau.
Natür­lich, das schön­rech­nen des grie­chi­schen Haus­hal­tes ist nicht zu tole­rie­ren. Natür­lich, eine spar­sa­me Haus­halts­po­li­tik ist immer not­wen­dig, die Mit­tel sol­len und müs­sen gezielt – das heißt poli­tisch gewollt – ein­ge­setzt wer­den. Und ja: Staats­ver­schul­dung ist in guten Zei­ten auch abzu­bau­en. Nur: Das wäre alles kein Pro­blem, wür­de man nicht bei jeder Gele­gen­heit die Steu­ern für Unter­neh­men, Ver­mö­gen­de, Erben usw. sen­ken oder abschaf­fen. Denn ein Haus­halt lässt sich auch ein­nah­me­sei­tig sanie­ren. Und es ist höchs­te Zeit, dass es eine Steu­er­sen­kungs­brem­se gibt. Die Steu­ern müs­sen hoch – und zwar dort, wo sie am meis­ten gesenkt wur­den, also bei Unter­neh­men, bei Ver­mö­gen­den, bei Erben gro­ßer Erb­schaf­ten, bei Spit­zen­ver­die­nern. Dage­gen aber sperrt sich Josef Pröll. Sei­ne Poli­tik zielt dar­auf ab, die Las­ten der Kri­se auf die Schwächs­ten der Gesell­schaft abzu­wäl­zen – auf die­je­ni­gen, die auf einen star­ken Staat ange­wie­sen sind. Dage­gen gilt es sich zu weh­ren – und zwar bereits bei der schein­hei­li­gen Debat­te über eine Schuldenbremse.

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Solidarisches Europa?

Februar. 12th 2010 — 18:08

Das Pro­jekt Euro­pa war nie in ers­ter Linie ein sozia­les Pro­jekt, und es ist kein Pro­jekt, dass die Kon­zep­ti­on der stan­dar­t­ori­en­tier­ten Wett­be­werbs­staa­ten in Fra­ge gestellt hät­te. Zag­haf­te Ansät­ze mögen vor­han­den gewe­sen sein, im Wesent­lich ver­su­chen die Staa­ten aber nach wie vor, ihre Volks­wirt­schaft zu Las­ten ande­rer Staa­ten bes­ser­zu­stel­len. Aktu­ell lässt sich das Resul­tat an min­des­tens zwei Bei­spie­len sehen.

Steu­er­oa­sen
Steu­er­be­trug ist Dieb­stahl am öffent­li­chen Eigen­tum. Die Wah­rung eines strik­ten Bank­ge­heim­nis­ses ist die Bei­hil­fe zu die­sem Dieb­stahl. So ver­su­chen Staa­ten wie die Schweiz und Liech­ten­stein, aber eben auch Öster­reich sich zu Las­ten ande­rer Staa­ten zu berei­chern, indem durch ein rigo­ro­ses Bank­ge­heim­nis ver­hin­dert wird, dass die umlie­gen­den Staa­ten die ihnen zuste­hen­den Steu­ern ein­trei­ben kön­nen. Dage­gen wehrt sich Deutsch­land nun mit dem Auf­kauf der omi­nö­sen Steu­er­da­ten-CD aus der Schweiz. Und die Schweiz keilt zurück, wobei die Steu­er­flucht auch ger­ne mal als „Not­wehr“ vor den hohen Steu­ern genannt wird. Dabei wird – wie immer bei sol­chen Debat­ten – außer Acht gelas­sen, dass die Spit­zen­ver­die­ner nur des­we­gen so viel ver­die­nen, weil es in Euro­pa eine ent­spre­chen­de Infra­struk­tur an Bil­dung, Stra­ßen, Schie­nen, (Rechts-)Sicherheit usw. gibt, die eben steu­er­fi­nan­ziert wer­den. Es ist eben meis­tens nicht – oder nicht nur – die „eige­ne Leis­tung“, die den Erfolg bringt. Dane­ben sorgt die­se „Not­wehr“ dafür, dass sozia­le Leis­tun­gen nicht oder nur ver­min­dert erbracht werden.

Öko­no­mi­sche Ungleichgewichte
Deutsch­land hat zwar in der Fra­ge des Steu­er­be­trugs recht, aber auch die Bun­des­re­pu­blik ver­hält sich kei­nes­wegs so, wie es ein soli­da­ri­sches Euro­pa erfor­dern wür­de. Seit Jah­ren wer­den die Lohn­kos­ten gedrückt und die Bin­nen­nach­fra­ge stran­gu­liert, um als „Export­welt­meis­ter“ ande­re Län­der zu zwin­gen, sich in Deutsch­land zu ver­schul­den. Das geht einer­seits gegen die Bevöl­ke­rung in Deutsch­land; die Ver­tei­lung wird immer unglei­cher. Ande­rer­seits ist dies aber auch ein Angriff auf ande­re Staa­ten, da die­se sich ent­we­der bei Deutsch­land ver­schul­den oder selbst eine Dum­ping­po­li­tik betrei­ben müs­sen. Eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung in Euro­pa sieht anders aus. Grie­chen­land gehört mit Sicher­heit zu den Län­dern, das – neben der eige­nen Feh­ler – unter dem „Export­welt­meis­ter“ lei­det. Sol­che Ungleich­ge­wich­te – noch dazu in einem ein­heit­li­chen Wäh­rungs­raum – sind auf Dau­er fatal.

Was Euro­pa wirk­lich braucht sind weder Steu­er­oa­sen noch Lohn­dum­ping, weder Steu­er­wett­be­werb noch sinn­lo­se Dere­gu­lie­run­gen. Euro­pa muss ein Euro­pa für die Men­schen wer­den – mit sozia­len Min­dest­stan­dards, die kon­ti­nu­ier­lich aus­ge­baut wer­den, mit einer stär­ke­ren Besteue­rung der Kapi­tal­ein­künf­te, mit star­ken Regu­lie­run­gen und mit dem Ziel eines sozia­len und nach­hal­ti­gen Wirt­schaf­tens. Dazu aller­dings müs­sen die natio­na­len Ego­is­men, die der Mehr­heit der Bür­ge­rIn­nen sowie­so nur scha­den, auf­ge­ge­ben werden.

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›Starve the beast‹ reloaded?

September. 3rd 2009 — 22:05

»›Star­ving the beast‹ is a fis­cal-poli­ti­cal stra­te­gy of some Ame­ri­can con­ser­va­ti­ves to use bud­get defi­ci­ts via tax cuts to for­ce future reduc­tions in the size of government«, so steht es in der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia. Der Staat soll dem­nach über Steu­er­kür­zun­gen aus­ge­hun­gert und so der Staats­ein­fluss redu­ziert wer­den. Über sin­ken­de Ein­nah­men erhöht man zudem den Druck für ›Refor­men‹. Die­se sind meis­tens gegen einen rele­van­ten Teil der Bevöl­ke­rung gerich­tet und daher unpo­pu­lär, wes­halb exter­ne Druck­mit­tel wie die Staats­ver­schul­dung her­hal­ten müs­sen um die (Sozial-)Kürzungen zu legi­ti­mie­ren. Die »Kampf­pa­ro­le der Reago­no­mics« (Wolf­gang Lieb) scheint inhalt­lich wiederzukehren.

Steu­ern nied­rig lassen?

In Öster­reich wur­den Kapi­tal­ein­kom­men und Bes­ser­ver­die­nen­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren steu­er­lich ent­las­tet. So wur­de die Kör­per­schafts­steu­er gesenkt, die Erb­schafts- und Schen­kungs­steu­er ganz aus­lau­fen gelas­sen, die Ver­mö­gen­steu­er wird seit Jah­ren nicht erho­ben, für Selb­stän­di­ge sind neue Frei­be­trä­ge ein­ge­führt wor­den, die Ein­kom­men­steu­er wur­de für Spit­zen­ver­die­ne­rIn­nen gleich mehr­fach gesenkt, pro­fi­tie­ren die­se doch von der Aus­wei­tung des Grund­frei­be­trags, der Sen­kung der Steu­er­ta­ri­fe und der Ver­schie­bung des zu ver­steu­ern­den Ein­kom­mens, ab der der Spit­zen­steu­er­satz greift. Kurz­um: Der Staat ver­zich­tet auf zahl­rei­che Ein­nah­men. Die­se Poli­tik zeigt Wir­kung! Vie­le der ›Refor­men‹ (sprich: Spar­maß­nah­men) der ver­gan­ge­nen Jah­re wur­den mit dem klam­men Staats­haus­halt begrün­det; aktu­ell wird die Min­dest­si­che­rung nur 12 Mal im Jahr aus­be­zahlt – statt 14 mal, wie ursprüng­lich geplant. Stra­ßen, Schu­len usw. schie­ben einen erheb­li­chen Inves­ti­ti­ons­be­darf vor sich her, der wegen der klamm gemach­ten Kas­sen nicht beho­ben wird. Und über Null­lohn­run­den im öffent­li­chen Dienst wird auch flei­ßig spekuliert…
Die lee­ren Kas­sen sind kein Natur­ge­setz. Einer­seits sind sie einer ver­fehl­ten Steu­er­po­li­tik geschul­det, ande­rer­seits einer fal­schen Wirt­schafts­po­li­tik, die zu sehr auf Export und zu wenig auf den Bin­nen­markt geach­tet hat und drit­tens natür­lich den Ban­ken­ret­tungs- und Kon­junk­tur­pa­ke­ten. Gera­de letz­te­re müs­sen auch bezahlt wer­den. Einen Teil die­ser Finan­zie­rung könn­te man über eine Ver­mö­gen­steu­er tra­gen, hier sper­ren sich ÖVP und SPÖ bekannt­lich, ande­re schla­gen die Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er vor. Josef Pröll hat jetzt nach­ge­legt und offen gesagt, um was es geht: Im Som­mer­ge­spräch mit dem ORF sag­te er ers­tens, dass schon eine Dis­kus­si­on über neue Steu­ern schäd­lich sei, zwei­tens gab er bekannt, dass die Kon­so­li­die­rung des Bud­gets nur aus­ga­ben­sei­tig erfol­gen sol­le und drit­tens, dass der Druck durch die Kri­se heil­sam sei, um Refor­men anzu­sto­ßen. Aha.

Pröll star­tet Kam­pa­gne zum Schutz der Reichen

Man muss sich dies auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: Josef Pröll for­dert, dass in einer Situa­ti­on der Wirt­schafts­kri­se, in der mas­siv Staats­geld zur Ret­tung von Ver­mö­gen ein­ge­setzt wur­de, nicht über Steu­ern gespro­chen wer­den darf. Es ist ein merk­wür­di­ges Demo­kra­tie­ver­ständ­nis, wenn eine der zen­tra­len Auf­ga­ben des Par­la­ments – man erin­ne­re sich an »No taxa­ti­on without repre­sen­ta­ti­on« – ent­po­li­ti­siert und einem ver­meint­li­chen Sach­zwang unter­wor­fen wer­den soll. Was Pröll ver­sucht ist Erpres­sung: Wer über Steu­ern redet, dem wird am Ende noch die Schuld für den wei­te­ren Ver­lauf der Kri­se in die Schu­he gescho­ben. Damit schützt er sei­ne Kli­en­tel: Die­je­ni­gen, die höhe­re Steu­ern bezah­len könn­ten und müssten!
Pröll sagt dies auch deut­lich: Er will Ver­mö­gen­steu­ern aus »Soli­da­ri­tät mit den Leis­tungs­be­rei­ten« aus­schlie­ßen. Leis­tungs­be­reit sind in die­ser Defi­ni­ti­on weder die Kran­ken­schwes­ter noch der Alten­pfle­ger, denn die haben sicher­lich kei­ne Ver­mö­gen (es sei denn geerbt), die Ver­mö­gen­steu­ern nach sich zögen. Was Pröll hier offen­bart ist ein per­ver­tier­ter Leis­tungs­be­griff, denn nach die­ser Defi­ni­ti­on ist ein Groß­er­be mit viel Ver­mö­gen leis­tungs­be­rei­ter als bspw. Kin­der­gärt­ne­rIn­nen. Und: Vom Leis­tungs­fä­hig­keits­prin­zip scheint Pröll auch nichts zu hal­ten, dass näm­lich star­ke Schul­tern mehr tra­gen müs­sen als Schwa­che. Selbst wenn alle Ver­mö­gen­den leis­tungs­stär­ker wären als ande­re, wür­de sich die Fra­ge stel­len, ob eine Ver­mö­gen­steu­er nicht den­noch berech­tigt wäre. Von der Fra­ge, was Leis­tung in einer Gesell­schaft ist, mal ganz zu schweigen.
Der drit­te Punkt offen­bart die gesamt Pröll’sche Logik: Der Spar­druck soll gestei­gert wer­den, um ›Refor­men‹ (bspw. Ein­schnit­te ins sozia­le Netz, Pri­va­ti­sie­run­gen, Null­lohn­run­den…) durch­set­zen zu kön­nen, die zu Las­ten gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung gehen. »Star­ve the beast« in Reinform.

Mehr­wert­steu­ern?

Dass das Schlank­spa­ren sehr selek­tiv sein kann, haben die deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten bewie­sen: Erst haben sie zusam­men mit den Grü­nen die Spit­zen­steu­ern von 53 auf 42 Pro­zent gesenkt, die Kör­per­schaft­steu­er mas­siv redu­ziert und damit einen bestimm­ten Teil der Bevöl­ke­rung ent­las­tet und als Fol­ge – es muss­te ja gespart wer­den – bspw. Hartz IV ein­ge­führt. Dann haben sie zusam­men mit der CDU die Mehr­wert­steu­er um 3 Pro­zent­punk­te ange­ho­ben. Wenn also Pröll merkt – und er weiß es eigent­lich schon jetzt – dass das Spa­ren nicht aus­rei­chen wird, dann wird er noch lan­ge nicht die Ver­mö­gen­den zur Kas­se bit­ten, son­dern über Mehr­wert­steu­er­erhö­hun­gen dis­ku­tie­ren. So wer­den die Las­ten der Ein­spa­run­gen und der Ein­nah­me­er­hö­hun­gen auf die Mas­se ver­teilt, was für die Bes­ser­si­tu­ier­ten natür­lich toll ist – ob sie sich mit Par­tei­spen­den oder Jobs nach der akti­ven Poli­tik­kar­rie­re erkennt­lich zei­gen? Und ob die SPÖ da – wie­der ein­mal – mitmacht? 

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Österreich – Steueroase ohne Palmen

Juni. 30th 2009 — 23:04

Die Fra­ge, ob Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist, beschäf­tigt das Land spä­tes­tens seit den Ver­hand­lun­gen auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne über die Rol­le von Staa­ten wie der Schweiz, aber eben auch Öster­reich. Wir doku­men­tie­ren hier einen Bei­trag von Kle­mens Him­pe­le und Sybil­le Pirk­lbau­er, der im Herbst bei Attac erschei­nen wird in: „Steu­er­oa­sen und Off­shore Zen­tren – Die potem­kin­schen Dör­fer von heu­te“. Herz­li­chen Dank für die Erlaub­nis, den Text bereits hier zu veröffentlichen.

Öster­reich – Steu­er­oa­se ohne Palmen
Steu­ern sind ein unver­zicht­ba­res Instru­ment der Poli­tik eines Staa­tes – und zwar in drei­er­lei Hin­sicht. Zuerst die­nen sie der Finan­zie­rung öffent­li­cher Auf­ga­ben, Steu­ern sind die wich­tigs­te Ein­nah­me­quel­le des Staa­tes. Zwei­tens tra­gen sie, wenn sie höhe­re Ein­kom­men stär­ker belas­ten als nied­ri­ge (pro­gres­si­ve Steu­ern) zur Umver­tei­lung bei; und drit­tens kön­nen sie zur Len­kung in Rich­tung eines bestimm­ten Ver­hal­tens ein­ge­setzt wer­den (bspw. Tabak­steu­er für weni­ger Rau­chen; Umwelt­steu­ern für umwelt­freund­li­che­res Ver­hal­ten). Dabei sind der Steu­er­po­li­tik jedoch auf Grund der inter­na­tio­na­len Ver­flech­tun­gen Gren­zen gesetzt, d.h., Staa­ten kön­nen in einer glo­ba­li­sier­ten Welt nicht völ­lig frei über ihre Steu­er­po­li­tik ent­schei­den. So fin­det die Besteue­rung von Unter­neh­men ihre Gren­zen dort, wo mul­ti­na­tio­nal täti­ge Kon­zer­ne ihre Gewin­ne zwi­schen den Stand­or­ten ver­schie­ben kön­nen, und sie auf die­se Wei­se im Land mit den nied­rigs­ten Steu­ern anfal­len las­sen. Zusätz­lich kön­nen sie dem Staat mit gänz­li­cher Abwan­de­rung dro­hen (vgl. Kraus 2009). Finanz­ka­pi­tal, das nicht in Grund oder Immo­bi­li­en gebun­den ist, kann prak­tisch ohne Beschrän­kun­gen an den Ort der gerings­ten Steu­ern ver­scho­ben wer­den, sofern an die­sem Ort Eigen­tum geschützt und garan­tiert wird. Damit fin­det die natio­na­le Steu­er­po­li­tik ihre Gren­zen der Besteue­rung von Gewin­nen, höhe­ren Ein­kom­men und Ver­mö­gen dort, wo Steu­er­oa­sen „güns­ti­ge­re“ Bedin­gun­gen bie­ten. Weil in den Steu­er­oa­sen auch Trans­pa­renz weit­ge­hend fehlt, sind auch jene geschützt, die ihr Geld bereits erfolg­reich am hei­mi­schen Fis­kus vor­bei­ge­schum­melt oder gar durch kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten erwor­ben haben. Damit miss­ach­ten Steu­er­oa­sen die Grund­sät­ze des Steu­er­rechts und unter­gra­ben die Finan­zie­rungs­ba­sis der Sozi­al­staa­ten. Es ist daher höchs­te Zeit, die­se Oasen aus­zu­trock­nen, zu den auch Öster­reich gehört.

Öster­reich – eine Steueroase?
Die Bun­des­re­gie­rung strei­tet es rund­her­aus ab, den­noch: Öster­reich ist eine Steu­er­oa­se und spielt dabei eine wich­ti­ge Rol­le bei der Ver­mei­dung von Steu­ern. Der Direk­tor des Netz­werks für Steu­er­ge­rech­tig­keit, John Chris­ten­sen, nennt im Kurier das Bank­ge­heim­nis und das Stif­tungs­recht als zen­tra­le Grün­de, war­um Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist . Dem las­sen sich nied­ri­ge Kapi­tal- und Ver­mö­gens­steu­ern hin­zu­fü­gen (vgl. ATTAC Öster­reich o.J.). Die­se Kom­bi­na­ti­on macht Öster­reich für Steu­er­hin­ter­zie­her attrak­tiv. Das ist kein Ver­se­hen, son­dern „Stand­ort­po­li­tik“, die Anle­ge­rIn­nen nach Öster­reich locken soll. Das geht aber zu Las­ten ande­rer Staaten.

Unver­steu­er­tes Geld nach Österreich
In Öster­reich lie­gen Unsum­men an aus­län­di­schem Ver­mö­gen. Die­ses ist kaum auf Grund der höhe­ren Sicher­heit im Lan­de – Ban­ken in Deutsch­land oder Frank­reich bie­ten Ver­gleich­ba­res. Viel­mehr scheint das strik­te Bank­ge­heim­nis und die bis­he­ri­ge Wei­ge­rung Öster­reichs, in die­sem Bereich mit der EU zu koope­rie­ren, der Grund für das hohe Aus­lands­ver­mö­gen zu sein.
Das Bank­ge­heim­nis in öster­rei­chi­scher Stren­ge bedeu­tet, dass nur die Bank den/​die Kon­to­in­ha­be­rIn kennt. Die­se muss Infor­ma­tio­nen über Kun­dIn­nen und deren Ver­mö­gen nicht wei­ter­ge­ben – anders als in Deutsch­land, wo Behör­den Ein­sicht in die Kon­ten haben. Damit kön­nen die Anle­ge­rIn­nen prak­tisch anonym bleiben.
Mit der Ver­wei­ge­rung der Koope­ra­ti­on und Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit ande­ren Staa­ten erfüllt Öster­reich ein wei­te­res typi­sches Merk­mal einer Steu­er­oa­se. Die EU ver­sucht, mehr Trans­pa­renz und Fair­ness bei der Besteue­rung von Kapi­tal­erträ­gen zu schaf­fen. Dazu ist ein auto­ma­ti­scher Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen Staa­ten vor­ge­se­hen, wer im Aus­land wel­che Zins­ein­künf­te erzielt. Öster­reich ver­wei­gert das und hat sich ledig­lich dazu ver­pflich­tet eine Quel­len­steu­er auf die von Aus­län­de­rIn­nen erziel­ten Zins­ein­künf­te zu erheben.

Auch wenn das Bank­ge­heim­nis unter dem Druck ins­be­son­de­re Deutsch­lands etwas auf­ge­weicht wird, fehlt der öster­rei­chi­schen Poli­tik offen­sicht­lich jedes Unrechts­be­wusst­sein. Denn wem dient(e) das Bank­ge­heim­nis? Vor allem den­je­ni­gen, die unver­steu­er­tes Geld in Öster­reich geparkt haben. Damit hel­fen Steu­er­oa­sen – und eben auch Öster­reich – das zen­tra­le Besteue­rungs­prin­zip zu unter­lau­fen: „Die Steu­er­pflich­ti­gen sol­len dort besteu­ert wer­den, wo sie ihren tat­säch­li­chen Wohn­sitz haben. Durch ihre Anwe­sen­heit im Lan­de begrün­den sie ja auch erst einen Bedarf für öffent­li­che Leis­tun­gen, der über Steu­ern zu decken ist“ (Thie­le­mann 2009, S. 13). Durch die Wei­ge­rung eines Infor­ma­ti­ons­aus­tau­sches mit ande­ren Län­dern nimmt der Staat für sich aber fak­tisch in Anspruch, „Per­so­nen, die für ihn Steu­er­aus­län­der sind, von ihrer Steu­er­pflicht zu befrei­en“ (ebd.). Etwas direk­ter aus­ge­drückt: das Bank­ge­heim­nis ermög­licht es erst, ein­mal hin­ter­zo­ge­ne Steu­ern nie mehr zah­len zu müs­sen. Hier­für gibt es kei­ner­lei recht­li­che Grund­la­ge. Der häu­fig gemach­te Ver­weis auf die Per­sön­lich­keits­rech­te und den Daten­schutz dient ein­zig dem Schutz der inlän­di­schen Finanz­in­dus­trie. Schließ­lich sol­len die steu­er­li­chen Infor­ma­tio­nen nicht ver­öf­fent­licht son­dern ledig­lich den Finanz­be­hör­den zur Fest­set­zung einer Steu­er bekannt gege­ben wer­den – wie es heu­te bei jeder und jedem unselbst­stän­dig Erwerbs­tä­ti­gen völ­lig selbst­ver­ständ­lich pas­siert. Natür­lich kann es gute Grün­de geben, ganz regu­lär ver­steu­er­tes Geld in Öster­reich zu inves­tie­ren. Dann braucht es jedoch kein Bank­ge­heim­nis und dann gibt es auch kei­nen Grund, den Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit ande­ren Län­dern zu ver­wei­gern. Die EU hat Recht, wenn sie Öster­reich und ande­re Län­der nun mas­siv unter Druck setzt, den Aus­tausch zu gewähr­leis­ten. Steu­er­oa­sen wie Steu­er­flüch­ti­ge sind nichts ande­res als Tritt­brett­fah­rer. Die Steu­er­flücht­lin­ge neh­men zwar die öffent­li­chen, aus Steu­ern finan­zier­ten Leis­tun­gen, in Anspruch, tra­gen jedoch selbst nichts dazu bei. „[U]nd die Leis­tung der Steu­er­oa­se besteht ledig­lich dar­in, den fis­ka­li­schen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch kon­se­quent zu ver­wei­gern und ihr Steu­er­sys­tem ent­spre­chend ein­zu­rich­ten“ (ebd., S. 15). Die Finanz­in­dus­trie freut sich und ver­dient daran.
Die Ver­tei­di­ge­rIn­nen der Geheim­nis­tue­rei ver­wei­sen an die­ser Stel­le ger­ne dar­auf, dass die Zins­ein­künf­te ja ohne­hin mit einer Quel­len­steu­er belegt sind. Bei Geld aus dem EU-Aus­land wird ein Teil die­ser Erträ­ge an die jewei­li­gen Her­kunfts­län­der abge­tre­ten. Das Argu­ment ist aber ein schwa­ches: Denn ers­tens wer­den nur die Zins­ein­künf­te besteu­ert. Ob das zu Grun­de lie­gen­de Ver­mö­gen regu­lär ver­steu­ert wur­de, bleibt außer Acht. Und zwei­tens wird damit ein­ge­stan­den, dass dem Wohn­sitz­land ein Besteue­rungs­recht zusteht. Dann aber ist es nur kon­se­quent, einen ent­spre­chen­den Aus­tausch der Infor­ma­tio­nen zu orga­ni­sie­ren und das Ver­fah­ren gleich­sam vom Kopf auf die Bei­ne zu stellen.

Erben ohne Erbschaftssteuer
Ein zwei­tes Merk­mal als Steu­er­oa­se fin­det sich in Öster­reich bei der extrem gerin­gen Besteue­rung von Ver­mö­gen und der Abschaf­fung der Steu­ern für Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen. Schon vor der Abschaf­fung der Erb­schafts­steu­er nutz­ten vor allem ver­mö­gen­de Deut­sche das finan­zi­el­le „Aus­wan­dern“ nach Öster­reich zur „Steu­er­op­ti­mie­rung“. Mit der Abschaf­fung der Erb­schafts­steu­er könn­te das aller­dings Geschich­te sein, da die Bun­des­re­pu­blik kur­zer­hand das Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men gekün­digt hat, so dass Erb­schafts­fäl­le nach Deutsch­land wie­der dem deut­schen Recht unter­lie­gen. Ein guter Finanz­platz hat aber auch dafür eine Lösung: Der Focus zitiert hier­zu Gerald Toifl, Steu­er­ex­per­te der Salz­bur­ger Kanz­lei Leit­ner & Leit­ner, wie folgt: „Wer sein Ver­mö­gen in eine Pri­vat­stif­tung legt oder an eine sol­che Stif­tung ver­erbt, spart sei­nen deut­schen Erben auch künf­tig die Steu­er“ (zitiert nach Kusitz­ky 2007). Die Aus­sa­ge macht deut­lich, dass sich Öster­reich zu Las­ten ande­rer Volks­wirt­schaf­ten einen Vor­teil ver­schaf­fen will, indem es die­se Staa­ten um die ihnen eigent­lich zuste­hen­den Steu­ern bringt – Merk­ma­le einer Steu­er­oa­se eben. Kusitz­ky merkt übri­gens noch an: „Das Modell lohnt sich jedoch nicht für jeden. Zwei bis drei Mil­lio­nen Euro Kapi­tal soll­ten dafür schon vor­han­den sein.“


Ende der Steueroase?

Die EU hat in den ver­gan­ge­nen Mona­ten den Druck auf die euro­päi­schen Steu­er­oa­sen – vor allem die Schweiz, Liech­ten­stein, Öster­reich, Bel­gi­en und Andor­ra – erhöht und sub­stan­ti­el­le Ver­bes­se­run­gen ins­be­son­de­re beim Infor­ma­ti­ons­aus­tausch erreicht. Den­noch bleibt Skep­sis ange­bracht, da bspw. das Stif­tungs­recht oder die Pri­vat­stif­tun­gen als Gan­zes nicht zur Debat­te ste­hen. Fer­ner bleibt Öster­reich der Poli­tik des Steu­er­sen­kungs­wett­be­werbs bei der Unter­neh­mens­be­steue­rung treu und löst auch natio­nal die Pro­ble­me, die da Bank­ge­heim­nis schafft, nicht. So wer­den von jedem Lohn­steu­er­pflich­ti­gen selbst­ver­ständ­lich die steu­er­pflich­ti­gen Ein­kom­men durch den Arbeit­ge­ber an das Finanz­amt über­mit­telt. Ande­re Ein­künf­te kön­nen dank des Bank­ge­heim­nis­ses jedoch gut ver­bor­gen wer­den. Das ist ver­tei­lungs­po­li­tisch und aus Gerech­tig­keits­grün­den sowe­nig akzep­ta­bel wie der Ver­zicht auf eine ange­mes­se­ne Besteue­rung von Ver­mö­gen, Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen. Die­se letz­ten Punk­te machen deut­lich, dass Öster­reich neben der Fra­ge der Steu­er­oa­se auch einer grund­le­gen­den Reform der Steu­er­po­li­tik im inne­ren benö­tigt. Es wird Zeit, dass die­se Erkennt­nis auch in der Regie­rung ankommt.

Lite­ra­tur
ATTAC Öster­reich (o.J.): 7 Grün­de war­um Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist, URL: http://www.attac.at/7gruende (12.06.2009).

Him­pe­le, Kle­mens /​ Recht, Alex­an­der (2009): Mög­lich­kei­ten und Gren­zen von Steu­er­po­li­tik, in: PROKLA 154, S. 9–26.

Kusitz­ky, Alex­an­dra (2007): Öster­reich: Ende einer Steu­er­oa­se? Das Alpen­land ver­liert sei­nen Sta­tus als Erb­schaft­steu­er-Para­dies. Neue Schlupf­lö­cher sind aber schon gefun­den, in: Focus 37/​2007 und im Inter­net unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/oesterreich-ende-einer-steueroase_aid_219844.html (12.06.2009).

Pirk­lbau­er, Sybil­le /​ Zieg­ler, Petra (2009): Unser steu­er­ge­rech­tes Euro­pa, in: Attac (Hg.): Wir bau­en Euro­pa neu – Wer baut mit? Alter­na­ti­ven für ein demo­kra­ti­sches, sozia­les, öko­lo­gi­sches und fried­li­ches Euro­pa, Wien

Kraus, Astrid (2009): Unter­neh­mens­be­steue­rung – gibt es natio­nal­staat­li­che Hand­lungs­spiel­räu­me?, in: PROKLA 154, S. 47–69.

Thie­le­mann, Ulrich (2009): Grund­sät­ze fai­ren Steu­er­wett­be­werbs im Lich­te der aktu­el­len Ent­wick­lung, in: Die Volks­wirt­schaft. Das Maga­zin für Wirt­schafts­po­li­tik 6–2009, S. 13–15.

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Es geht ans Bezahlen

Juni. 25th 2009 — 17:25

Bern­hard Fel­de­rer – wir hat­ten bereits dar­auf hin­ge­wie­sen – ist gegen Steu­er­erhö­hun­gen und für Ein­spa­run­gen. Er prä­zi­sier­te die­se Aus­sa­ge jetzt in der Pres­se: Er ist gegen eine Ver­mö­gen­steu­er und gegen die Erhö­hung der Lohn­steu­er, eine Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er lehnt er aber nicht ab. Das ist kon­se­quent. Es ist bekannt, dass Mehr­wert­steu­ern degres­siv wir­ken – auch Herrn Fel­de­rer. Des­halb woll­te die SPÖ im Wahl­kampf die Mehr­wert­steu­er sogar teil­wei­se sen­ken. Wenn Fel­de­rer den­noch die Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er zur Sanie­rung des Bud­gets vor­schlägt, dann macht das nur deut­lich, dass sich alle, die die gigan­ti­sche Umver­tei­lungs­po­li­tik zu Guns­ten der Rei­che­ren ob der Kri­se am Ende sahen, zu früh gefreut haben. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen begin­nen erst jetzt – Fel­de­rer hat einen Auf­schlag gemacht. Es ist nun an SPÖ und ÖVP zu erklä­ren, wie sie die öffent­li­chen Auf­ga­ben zu finan­zie­ren geden­ken. Zumin­dest zum Teil viel­leicht doch über eine Ver­mö­gen­steu­er und die Wie­der­ein­füh­rung der Erb­schafts- und Schenkungsteuer?

Nach­trag 29.06.2009: Auch der Blog acht hat sich des The­mas Fel­de­rer ange­nom­men.

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