Gastkommentar von Jakob Kapeller und Bernhard Schütz
Die gerade erschienene Studie des IHS zur Vermögensbesteuerung weist zwar keine klare Fragestellung dafür aber eine umso klarere Stoßrichtung auf. Sie behandelt einen relativ willkürlichen Flickenteppich steuer- und verteilungspolitischer Argumente mit klar identifizierbarer Tendenz. Es handelt sich um eine Verteidigung von Kapitaleigentümern und liefert Wirtschaftskammer- und Volkspartei-FunktionärInnen ein Argumentarium gegen die Einführung vermögensbezogener Steuern. Bedenklich ist dies vor allem, da die vorliegende „Studie“, von einem eigentlich renommierten Institut kommt, das hier in eine vorwissenschaftliche Phase zurückgefallen zu sein scheint.
Dabei geht das IHS von der historischen Konzeption einer Vermögensteuer aus, die überwiegend auf Unternehmensvermögen erhoben und 1993 abgeschafft wurde. Die heute diskutierten Modelle von Vermögenssteuern haben mit dieser alten Version jedoch nur wenig gemein. Sie beziehen sich auf große Vermögen privater Haushalte. Hier wird also eine Steuer schlecht gerechnet, die in dieser Form gar niemand will.
Fiktive Zahlen und reale Berichterstattung
Das Aufkommen einer allgemeinen Vermögenssteuer wird in der Studie mit 1 Milliarde Euro angegeben. Diese Schätzung basiert auf einer simplen Fortschreibung der Einnahmen aus der 1993 abgeschafften Vermögenssteuer. Eine solche Fortschreibung lässt nicht nur Veränderungen in der Vermögensstruktur völlig unberücksichtigt, sondern ignoriert auch völlig den Umstand, dass die ab 1994 ausgesetzte Vermögenssteuer das Immobilienvermögen mittels Einheitswerten erfasste, die oftmals nur ein kleiner Bruchteil (weniger als 10%) des Verkehrswertes derselben Immobilien darstellen. Alleine die Berücksichtigung dieser Auslassung würde das vom IHS geschätzte Steueraufkommen also drastisch erhöhen.
In einem zweiten Schritt speist das IHS das so festgesetzte Aufkommensvolumen von einer Milliarde Euro in eine gesamtwirtschaftliche Simulation und errechnet daraus einen zu erwartenden Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0.65%. Zum konkreten Vorgang der Berechnung und den dahinterliegenden Annahmen verrät die Studie nur wenig – so wenig, dass sich die entsprechenden Angaben durch Dritte nicht überprüfen lassen. Bezeichnend ist aber, dass vom IHS angenommen wurde, dass das sich ergebende Steuer-Volumen zur Gänze zu Lasten der Kapitalausstattung von Unternehmen geht und so Finanzierungskosten erhöht und Investitionen verringert. Diese Annahme impliziert, dass das gesamte österreichische Privatvermögen zur Finanzierung von Unternehmen herangezogen wird. Nur knapp über ein Viertel des Vermögens liegt in Beteiligungen an Unternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben, von denen die allermeisten viel zu klein sind um von einer Vermögenssteuer je erfasst zu werden, und der größte Teil des Vermögens sind Immobilien. Die Annahme des IHS, bestehende Vermögenswerte zu 100% der Unternehmensfinanzierung zuzuschlagen, erscheint also mehr als mutig; sie erscheint völlig verfehlt. In Summe handelt sich hier nicht um die Simulation der ökonomischen Wirkung einer Vermögenssteuer, sondern einer „Betriebskapitalentzugssteuer“. Eine solche Steuer steht allerdings nirgends zur Diskussion und wird von Niemandem vorgeschlagen. Das wird freilich, wie so vieles hier, an keiner Stelle der Studie dazugesagt.
Tendenziöse Tendenzen
Inhaltlich konstatiert die Studie anfangs korrekt, dass laut der aktuellsten Erhebung der österreichischen Nationalbank Vermögen in Österreich sehr ungleich verteilt sind. Gleichzeitig erklärt sie aber, dass dieses Ergebnis nur deshalb zustande kommt, weil beim Vermögen nur Finanz- und Sachvermögen, nicht aber die zukünftigen Pensionsansprüche gerechnet werden. Würde man diese berücksichtigen, ergäbe sich eine viel gleichmäßigere Verteilung und somit bestehe auch kein Bedarf für Umverteilung. Was hier jedoch unerwähnt bleibt ist, dass eine solche Hinzurechnung zwar nicht unzulässig, aber dennoch problematisch ist, da zukünftige Pensionsansprüche klassische Vermögensdefinitionen nicht erfüllen: man kann sie weder verkaufen noch übertragen und sie im Fall des Ablebens auch nicht vererben.
Im gleichen Atemzug wird nun das staatliche Pensionssystem nicht nur zur Rechtfertigung bestehender Vermögensungleichheit verwendet, sondern auch als deren Quelle identifiziert (da öffentliche Sicherungssysteme die Notwendigkeit privater Vorsorge verringern und so vermeintlicherweise die Ungleichheit der Vermögensverteilung forcieren). Die Kurzzusammenfassung lautet: Vor allem der Sozialstaat trägt Schuld an der ungleichen Vermögensverteilung – eben genau weil er versucht sie zu korrigieren. Hätten wir also keinen Sozialstaat und wären infolgedessen die Sparanreize stärker – dann, ja dann, hätten sich die unteren Einkommensschichten schon die längste Zeit reich gespart.
Der einäugige Bandit
Die der Studie zu Grunde gelegte theoretische Perspektive ist vorwiegend mikroökonomisch, fokussiert also auf einzelne Haushalte und Unternehmen, und begeht damit mit Nachdruck einen grundsätzlichen Kategorienfehler. So werden die Kosten vermögensbezogener Steuern in den Vordergrund gerückt und damit verbundene vermeintliche Gefahren – wie Steuervermeidung oder aufwändige Erhebung – ausufernd diskutiert. Mögliche Vorteile vermögensbezogener Steuern aus makroökonomischer Sicht – also die Möglichkeit staatlicher Investitionen, öffentlicher Schuldentilgung oder einer steuerlichen Entlastung der Arbeitseinkommen – werden im Gegensatz dazu nur oberflächlich gestreift oder überhaupt nicht erwähnt. Sie werden vor allem nicht mit den unterstellten Kosten einer solchen Form der Besteuerung gegengerechnet. Dass bei dieser Form der Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Kosten in den Vordergrund stellt und von einem möglichen gesamtwirtschaftlichen Nutzen zur Gänze abstrahiert, das Ergebnis bereits im Vorhinein feststeht, scheint dabei niemanden zu stören.
Diese Einseitigkeit ist natürlich kein Zufall: Allen Beteiligten ist klar, dass der zusätzliche öffentliche Handlungsspielraum durch die Einhebung von Vermögenssteuern eine Reihe positiver ökonomischer Effekte mit sich bringen kann. Aber muss dies in einer Studie zur Frage der Sinnhaftigkeit von Vermögenssteuern tatsächlich ausgewogen dargestellt werden? Das IHS scheint diese Frage zu verneinen – zumindest gegenüber der Wirtschaftskammer.
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form bereits in der Wiener Zeitung sowie bei der Sektion 8.